JfK Kopfgrafik
Home / Archiv / Bd. 72 Nr. 4 (2020) / Originalarbeit-Kurzmitteilung
Originalarbeit-Kurzmitteilung

Pyrrolizidinalkaloide – Reduzierung in Körnerfrüchten – Wunsch und Wirklichkeit

Reduction of Pyrrolizidine alkaloids content in aromatic seed drugs – Regulation and Practice

Wolfram Junghanns und Merita Hammer
Affiliation
Dr. Junghanns GmbH, Aschersleben

Journal für Kulturpflanzen, 72 (4). S. 108–113, 2020, ISSN 1867-0911, DOI: 10.5073/JfK.2020.04.08, Verlag Eugen Ulmer KG, Stuttgart

Kontaktanschrift
Dr. Wolfram Junghanns, Dr. Junghanns GmbH, Aue 182, 06449 Aschersleben, Tel.: 03473–801126, Fax: 03473–801127, E-Mail: dr.junghanns.gmbh@t-online.de
Zur Veröffentlichung angenommen
13. März 2020
Dies ist ein Open-Access-Artikel, der unter den Bedingungen der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz (CC BY 4.0) zur Verfügung gestellt wird (https://creativecommons.org/licenses/by/4.0/deed.de).
This is an Open Access article distributed under the terms of the Creative Commons Attribution 4.0 International License (https://creativecommons.org/licenses/by/4.0/deed.en).

Zusammenfassung

Die auf Grund von Recherchen des Bundesamtes für Risikobewertung aufgezeigten Verunreinigungen von Kräutertees mit Pyrrolizidinalkaloiden (PA) und Tropanalkaloiden (TA) führten in den letzten drei Jahren zu vielen wissenschaftlichen und praktischen Arbeiten, um dieses Thema realistisch abbilden und eingrenzen zu können. Im gleichen Zeitraum wurden mehrere rechtliche Regelungen (Code of Practice), sowie auch Public Statements (EMEA) verfasst. Parallel hierzu wurden unter anderem in der Dr. Junghanns GmbH Korrekturmaßnahmen erarbeitet, um den Gehalt an PA und TA in Körnerfrüchten deutlich zu reduzieren.

Im Rahmen diese Arbeiten wurde gezeigt, wie effektiv diese Maßnahmen bei der Nachreinigung von Praxischargen waren. Innerhalb der letzten zwei Jahre wurden mehr als 100 Chargen mit einer Gesamtmenge von 600 Tonnen (330 Tonnen vom kontrollierten biologischen Anbau und 270 Tonnen vom konventionellen Anbau) gereinigt. Möglichkeiten und Grenzen verschiedener Trennverfahren werden hier anhand der Bei­spiele von Bitterfenchel, Süßfenchel, Kümmel und Anis erläutert.

Eine besondere Herausforderung stellte es dar, von dem bisherigen Reinheitsstandard von 99% zu einer Reinheit von 10 ppm und darunter zu gelangen. Dieses Ziel konnte bei über 90% aller aufgereinigten Chargen nach ein oder mehrmaligen Reinigungen erreicht werden. Hiermit wird nachgewissen, dass es möglich ist, mit entsprechender Expertise und erhöhten Kosten fast alle wegen PA und TA-Besatz gesperrten Chargen wieder verkehrsfähig zu machen.

Stichwörter: PA-Kontaminanten, Risiko, Regelungen, Reduzierung, Körnerdrogen, Reinigung, Reinheit

Abstract

The contamination of herbal teas with pyrrolizidine alkaloids (PA-s) and tropane alkaloids (TA-s), identified three years ago by the Federal Office for Risk Assessment, was a start point for many research studies on assessment and characterization of the risk as well as the development of methods for monitoring and minimization of the presence of PA-s in food and feed. During the same period, several Guidelines and regulation (Code of Practice) as well as Public Statements (EMEA) were drafted.

From the analysis of the available occurrence data and identification of potential risks along the entire process chain, Dr. Junghanns GmbH developed individual measures to significantly minimize the presence of PA-s and TA-s in aromatic seed drugs. Application of different mechanical separation processes on more than 100 batches (originated from the conventional and organic agriculture) of fennel, caraway, anise and other aromatic seed drugs shows how effective these measures were for the cleaning of highly contaminated batches. Possibilities and limits of different separation processes are explained using the examples of bitter fennel, sweet fennel, caraway and anise.

It was a particular challenge to move from the previous purity standard of 99% to a purity of 10 ppm and below. This goal was achieved in more than 90% of all cleaned batches after one or more passes. This proves that it is possible to minimize the content of PA-s and TA-s, making so many rejected batches marketable again.

Key words: PA-contaminants, risk, regulation, minimization, seed drugs, mechanical separation, purity

Einleitung

Die auf Grund von Recherchen des Bundesamtes für Risikobewertung aufgezeigten Verunreinigungen (Bundes­institut für Risikobewertung, 2013) von Kräutertees mit Pyrrolizidinalkaloiden (PA) und Tropanalkaloiden (TA) führten in den letzten fünf Jahren zu vielen wissenschaftlichen und praktischen Arbeiten, um dieses Thema realistisch abbilden und eingrenzen zu können. Im gleichen Zeitraum wurden mehrere rechtliche Regelungen (Code of Practice) (Dittrich et al., 2016; Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie e. V., 2016), sowie auch Public Statements (EMEA) (HMPC, 2016) verfasst. Die daraufhin erlassenen Grenzwerte in pharmazeutischen Rohstoffen und Extrakten führten zu einer Umstellung der Rohwarenspezifikationen für pharmazeutische Rohstoffe und auch für Rohstoffe der Lebensmittelindustrie.

Aufgrund der neuen Grenzwerte und Richtlinien wurden viele Anbauverfahren modifiziert, Mitarbeiter geschult und das komplette Produktionsverfahren sowie die Musternahme überarbeitet. Parallel erfolgte die Intensivierung der manuellen Reinigung der Felder durch trainiertes und sensibilisiertes Personal, um durch dieses Gesamtpaket von Maßnahmen spezifikationskonforme Ware zu produzieren.

Da trotz dieser Anstrengungen immer wieder Chargen ermittelt werden, welche diese Werte nicht einhalten, war es nötig, Korrekturmaßnahmen zu erarbeiten, die eine Überarbeitung dieser Ware bis zur Konformität absichern. Hierzu wurde ein Maßnahmepaket erarbeitet und an Praxischargen getestet. Ziel war es, 90% aller Chargen verkehrsfähig zu bekommen.

Als erster Schritt wurde die Problemstellung definiert. Das bedeutete, um eine Ware sinnvoll in ihrem TA- und PA-Gehalt zu reduzieren, müssen drei Kategorien von Kontaminanten entfernt werden:

1. Fremdbeimengungen wie beispielsweise Blatt-, Stengel- und Blütenteile von Kreuzkraut

2. Fremdsamen wie zum Beispiel Stechapfel- oder Nachtschattensamen

3. Anhaftungen wie beispielsweise Anhaftungen durch Fruchtsaft von schwarzem Nachtschatten während des Ernteprozesses.

Lösungsansätze zur Entfernung von Kontaminanten

Nach Definition der Problemstellung mussten Lösungsansätze gefunden und definiert werden, um die Konta­minanten sicher zu entfernen. Folgende Lösungsansätze wurden kombiniert:

1. Sieben der Ware

2. Sichten der Ware

3. Formsortierung der Ware

4. Optische Sortierung

Die vier Lösungsansätze müssen sinnhafterweise miteinander kombiniert und hintereinandergeschaltet werden. Am Beispiel einer Charge Bitterfenchel wird nun die Vorgehensweise erläutert.

1. Sieben der Ware

Beim Sieben der Ware werden in der Regel zu kleine oder zu große Fraktionen vom restlichen Warenstrom abgetrennt. Unter den vielen verschiedenen Siebvarianten werden meistens Rundlochsiebe oder Langlochsiebe verwendet. Rundlochsiebe sortieren eine Ware nach deren Länge. Langlochsiebe sortieren einer Ware nach deren Durchmesser bzw. Breite. Zur Abtrennung von PA’s und TA’s ist die Kombination von Rund- und Langlochsieben auf mehreren Siebebenen erforderlich (s. Abb. 1 und 2). Als Ergebnis der Siebung erhält man einen Untersieb­abgang (Feinabtrennung) und einen Obersiebabgang (Grobabtrennung). Die Mittelfraktion wird der weiteren Sortierung im nächsten Verfahren zugeführt. In Abb. 3 und 4 sind die beiden abgetrennten Fraktion bildlich dargestellt.

Abb. 1. Rundlochsieb

Abb. 1. Rundlochsieb

Abb. 2. Langlochsieb

Abb. 2. Langlochsieb

Abb. 3. Untersiebabgang

Abb. 3. Untersiebabgang

Abb. 4. Obersiebabgang

Abb. 4. Obersiebabgang

2. Sichten der Ware

Nach dem Sieben erfolgt das Sichten. Hierbei wird die Mittelfraktion der Siebung in einen Luftstrom eingebracht, in welchem entweder die Leicht- oder die Schwerteile abgetrennt werden. Wir führen sowohl eine Leicht- als auch eine Schwergutabtrennung durch, welche hinter­einander kombiniert sind. Das verwendete Verfahren ist in Abb. 5 dargestellt. In diesem Verfahren können relativ sicher Warenströme anhand ihrer unterschiedlichen Dichte fraktioniert werden. Hier werden alle PA-Kontaminanten abgetrennt, welche leichter oder schwerer als der Fenchel sind. Teilweise ist es notwendig, dieses Verfahren mehrfach mit verschiedener Einstellung zu nutzen. Die hierbei abgetrennten Fraktionen sind in Abb. 6 und 7 ersichtlich, wobei in Abb. 6 alles zu sehen ist, was leichter als normaler Fenchel ist und in Abb. 7 alles, was schwerer als normaler Fenchel ist dargestellt wird.

Abb. 5. Schwer- und Leichtgutabtrennung

Abb. 5. Schwer- und Leichtgutabtrennung

Abb. 6. Leichtgutabgang

Abb. 6. Leichtgutabgang

Abb. 7. Schwergutabgang

Abb. 7. Schwergutabgang

3. Formsortierung

Die mittlere Fraktion, welche dieses Verfahren passiert hat, wird nun im dritten Schritt, der Formsortierung zugeführt. Die Formsortierung erfolgt mittels eines Trieurs. Das sind lange zylindrische Walzen, in welchen halb­kugelförmige Mulden eingepresst sind (s. Abb. 8). Bei Rotation dieser Zylinder kann durch angepasste Größe der Mulden die Ware mehr oder weniger stark über den Rutschpunkt hinaus transportiert werden und über eine separate Mulde aufgefangen werden. Je nach Einstellung der Maschine können kurze, runde oder längliche Objekte abgetrennt werden. Die Durchmesser der Halbschalen liegen zwischen 1,5 und 15 mm. Wir nutzen für die TA-Abtrennung mehrere Systeme hintereinander, welche sowohl kurze als auch lange Teile abtrennen (s. Abb. 9 und 10).

Abb. 8. Trieur; links frontale Ansicht, rechts seitliche Ansicht

Abb. 8. Trieur; links frontale Ansicht, rechts seitliche Ansicht

Abb. 9. Kurzkornauslese

Abb. 9. Kurzkornauslese

Abb. 10. Langkornauslese

Abb. 10. Langkornauslese

4. Optoelektronische Sortierung

Nach der Formsortierung wird der Warenstrom einer optoelektronischen Sortierung zugeführt. Hierbei können drei verschiedene Systemausführungen genutzt werden. Das sind monochromatische Systeme, die hauptsächlich auf unterschiedliche hell-dunkel Reaktionen hin sortieren. Polychromatische Systeme hingegen nutzen die unterschiedlichen Farbreflektionsspektren des sichtbaren Spektralbereiches. Infrarot – und Nahinfrarotsysteme nutzen Wellenlängen dieses Spektralbereiches für die entsprechenden Selektionsentscheidungen. Wir nutzen ein Gerät, welches alle drei Systeme beinhaltet und damit eine sehr breite Kombinationspalette anbietet (s. Abb. 11).

Abb. 11. Optoelektronische Sortierung

Abb. 11. Optoelektronische Sortierung

Je nach Definition des Sortierbereiches werden alle falsch reflektierenden Bestandteile per Druckluft aus dem fallenden Warenstrom entfernt. Ein Sortierergebnis für Fenchel ist in Abb. 12 zu sehen.

Abb. 12. Abgang der optischen Auslese

Abb. 12. Abgang der optischen Auslese

Da optische Auslesesysteme sehr sensibel reagieren, ist die richtige Programmeinstellung besonders wichtig. Es ist notwendig, für verschiedene Chargen einer Art Programmalternativen zu haben, da immer eine chargengenaue Anpassung erfolgen muss, um den Sortiererfolg sicherzustellen. Eine solche Programmanpassung bedeutet einen Arbeitszeitaufwand zwischen zwei und zwölf Stunden.


Innerhalb der letzten vier Jahre wurden bei uns mehrere hundert Chargen mit einer Gesamtmenge von über 1000t (600t KBA, 400t konventionell) gereinigt. Die erzielten Ergebnisse sind in Tabelle 1 dargestellt.

Tab. 1. Erzielte Nachreinigungsergebnisse der letzten Jahre

Fruchtart

Chargen­­anzahl

Menge
in t

PA (μg/kg)
vor Reinigung

TA (μg/kg)
vor Reinigung

PA (μg/kg) nach Reinigung

TA (μg/kg) nach Reinigung

Abgänge
in %

Bitterfenchel

14

84

n.n.

1,30–260

n.n.

n.n.

8,40

Süßfenchel

64

110

1,1–284

1,3–140

n.n.–16

n.n.

6,4

Kümmel

12

270

n.n.

1,2–184

n.n.

n.n.

9,35

Anis

84

116

1,5–7339

n.n.

n.n.–1300

n.n.

8,85

Kreuzkümmel

8

26

1,8–168

n.n.–60

n.n.–10

n.n.

11

Eine besondere Herausforderung ist, von dem bisher üblichen Reinheitsgrad von 99% zu einer Reinheit von 10ppm zu gelangen, welche benötigt wird, um Ware sicher verkehrsfähig zu machen. Dieses Ziel konnte bei über 90% aller aufgereinigten Chargen nach ein oder mehrmaligen Reinigungen erreicht werden. Hiermit wird nachgewissen, dass es möglich ist, mit entsprechender Expertise und erhöhten Kosten fast alle wegen PA- und TA-Besatz gesperrten Chargen wieder verkehrsfähig zu machen.

Zusammenfassend kann man feststellen, dass bei ein- oder mehrmaliger Reinigung nahezu 100% aller Fremd­saaten und fremden Pflanzenteile abtrennbar sind. Damit können mehr als 90% aller Chargen mit ein- oder mehrmaliger Reinigung wieder in verkehr gebracht werden. Ungelöst bzw. schwierig zu lösen ist das Problem der Anhaftungen. Diese können nur im Multispek­tralbereich sicher erfasst und abgetrennt werden. Hierzu besteht noch weiterer Forschungsbedarf.

Interessenskonflikte

Die Autoren erklären, dass keine Interessenskonflikte vorliegen.

Literatur

Bundesinstitut für Risikobewertung, 2013: Stellungnahme 08/2013: Pyrrolizidinalkaloide in Kräutertees und Tees.

Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie e. V., 2016: Code of Practice to prevent and reduce pyrrolizidine alkaloid contaminations of medicinal products of plant origin. Online verfügbar unter https://www.journals.elsevier.com/journal-of-applied-research-on-medicinal-and-aromatic-plants/news/code-of-practice-to-prevent-and-reduce-pyrrolizidine-alkaloi.

Dittrich, H., K. Hösel, H. Sievers, B. Klier, F. Waimer, H. Heuberger et al., 2016: Code of Practice zur Vermeidung und Verringerung von Kontaminationen pflanzlicher Arzneimittel mit Pyrrolizidinalkaloiden. Pharmazeutische Industrie 78, 836-845.

HMPC, 2016: Public Statement on contamination of herbal medicinal products/traditional herbal medicinal products with pyrrolizidine alkaloids – Transitional recommendations for risk management and quality control (EMA/HMPC/328782/2016). 31 May 2016. Zugriff: 3. November 2019, online verfügbar unter: https://www.ema.europa.eu/documents/public-statement/public-statement-contamination-herbal-medicinal-products/traditional-herbal-medicinal-products-pyrrolizidine-alkaloids_en.pdf.


ISSN (elektronisch): 1867-0938
ISSN (print): 1867-0911
Verlag
Eugen Ulmer KG
Ulmer-Logo
Verantwortlicher Herausgeber
Präsident und Professor
Prof. Dr. Frank Ordon
Julius Kühn-Institut - Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen
Erwin-Baur-Str. 27
06484 Quedlinburg
Schriftleitung
Dr. Anja Hühnlein
Julius Kühn-Institut - Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen
Erwin-Baur-Str. 27
06484 Quedlinburg
E-Mail: journal-kulturpflanzen@julius-kuehn.de
Co-Schriftleitung
Dr. Ulrike Stahl
Julius Kühn-Institut - Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen
Layout/Technische Umsetzung
mediaTEXT Jena GmbH
mediaTEXT-Logo
Julius Kühn-Institut (JKI)
Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen
 
Erwin-Baur-Str. 27
06484 Quedlinburg
Deutschland
Fon: 03946 47-0
Fax: 03946 47-255
Mail: poststelle@julius-kuehn.de
De-Mail: poststelle@julius-kuehn.de-mail.de
Impressum
 
Diese Zeitschrift wird vom Julius Kühn-Institut herausgegeben.
JKI-Logo