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Originalarbeit

Minimierung des Mutterkornbefalls im Hybridroggen durch Ansätze der Präzisionszüchtung

Minimizing ergot infection in hybrid rye by a SMART breeding approach

Bernd Hackauf1, Stefan Stojałowski2, Heinrich Wortmann3, Peer Wilde4, Franz Joachim Fromme3, Jutta Menzel4, Viktor Korzun4 und Peter Wehling1
Institut
Julius Kühn-Institut – Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen, Institut für Züchtungsforschung an landwirtschaftlichen Kulturen, Quedlinburg1
Agricultural University Szczecin, Department of Genetics and Plant Breeding, Szczecin Poland2
Hybro GmbH & Co KG, Schenkenberg3
KWS LOCHOW GmbH, Bergen4

Journal für Kulturpflanzen, 61 (1). S. 15–20, 2009, ISSN 0027-7479, DOI: 10.5073/JfK.2009.01.03, Verlag Eugen Ulmer KG, Stuttgart

Kontaktanschrift
Dr. Bernd Hackauf, Julius Kühn-Institut - Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen, Institut für Züchtungsforschung an landwirtschaftlichen Kulturen, Erwin-Baur-Str. 27, 06484 Quedlinburg, Tel.: (038209) 45 207, E-Mail: bernd.hackauf@jki.bund.de
Zur Veröffentlichung angenommen
Juli 2008

Zusammenfassung

In Hybridsorten bei Winterroggen führt das Restorergen Rfp1 zu einer vollständigen Restauration der männlichen Fertilität und trägt dazu bei, die Kontamination des Erntegutes mit Mutterkorn zu minimieren. Wir beschreiben Ergebnisse zur Validierung neuer Rfp1-Selektionsmarker an Elitezuchtmaterial des Roggens. Für alle per molekularer Markeranalyse genotypisierten Individuen wurde eine perfekte Übereinstimmung zwischen der postulierten genetischen Konstitution am Restorerlocus Rfp1 und dem Pollenschüttungsvermögen in den Testkreuzungsnachkommenschaften beobachtet. Rekombination zwischen den untersuchten Rfp1-Markern zeigt, dass die neuen Selektionsmarker dazu geeignet sind, rekombinativ verkleinerte, Rfp1-tragende Genomsegmente zu identifizieren. Es konnte gezeigt werden, dass die mit Rfp1 assoziierten, eng gekoppelten Markerallele diagnostisch für Rfp1 sind. Die vorgestellten Ergebnisse belegen, dass die neuen Selektionsmarker eine effiziente Genotypisierung aktueller Elitezuchtlinien im Hinblick auf das Rfp1-Restorergen ermöglichen. Für die mit Rfp1 assoziierten Selektionsmarker konnte in der vorliegenden Studie auch Kopplung mit dem Restorergen Rfc1 nachgewiesen werden. Diese Kopplungsbeziehungen lassen die validierten Marker daher für eine indirekte Selektion von Maintainer-Genotypen des C-Plasmas geeignet erscheinen. Die beobachtete Kopplung von STS-Markern zu Rfp1 bzw. Rfc1 bestätigt frühere Vermutungen, dass in dieser Region auf Chromosom 4RL entweder mehrere Restorergene lokalisiert sind oder es sich bei den betreffenden Restorergenen um Allele desselben Genortes handelt.

Stichwörter: Secale cereale, Hybridzüchtung, Claviceps purpurea, molekulare Marker, CMS, Restorer

Abstract

The restorer gene Rfp1 results in an almost complete restoration of male fertility in hybrid rye varieties and, thus, contributes to minimize harvest contamination with ergot. Here, we report on the validation of recently established Rfp1 markers located on chromosome 4RL in elite breeding lines of rye. The Rfp1 genotypes, as deduced by molecular-marker analysis, perfectly corresponded with the degree of male fertility assessed in test crosses of individual genotpes with male sterile testers. Recombination could be observed between Rfp1 markers indicating their potential to reduce the donor chromosome segment carrying Rfp1. These marker alleles proved to be diagnostic for Rfp1 in current breeding lines. Taken together, results presented qualify the novel markers as efficent molecular tools to assess the restorer gene Rfp1 in elite breeding lines of rye. In addition, we have observed linkage of the Rfp1 markers to the restorer gene Rfc1. Thus, the validated markers should be applicable for marker-assisted selection strategies of maintainer genotypes of the male sterility inducing C cytoplasm, which occur at low frequency in European rye populations as well. The observed linkage of the STS markers to both Rfp1 and Rfc1 supports the assumption that the restorer genes identified on chromosome 4RL are either alleles of a single restorer gene or represent different linked genes located in this sub-genomic region.

Key words: Secale cereale, hybrid breeding, Claviceps purpurea, molecular markers, cms, restorer

Einleitung

Roggen (Secale cerale L.) ist unter den kleinkörnigen Getreidearten die einzige fremdbefruchtende Art. Aufgrund seiner Blühbiologie ist er in besonderem Maße anfällig für die Ausbildung von Mutterkorn, welches durch die Infektion der Narben mit dem parasitischen Pilz Claviceps purpurea (Fr.) Tul. hervorgerufen wird. Als Mutterkorn werden die Überdauerungsorgane (Sklerotien) des Pilzes bezeichnet, die sich nach Infektion auf den Ähren bilden. Die Sklerotien enthalten als bedeutende Inhaltsstoffe Mutterkornalkaloide, welche bei Mensch und Tier Vergiftungen hervorrufen können. Eine technische Entfernung der Sklerotien aus dem Ernte- oder Saatgut ist ökonomisch aufwendig, so dass der Mutterkornbefall sowohl durch pflanzenbauliche als auch durch züchterische Maßnahmen verringert werden muss.

Beim Roggen ermöglicht Hybridzüchtung eine optimale Ausschöpfung des Ertragspotenzials von Erbkomponenten durch Maximierung der Heterozygotie in der Hybridsorte. Für die Produktion von Hybridsaatgut hat sich beim Roggen ein System der Befruchtungskontrolle durchgesetzt, welches auf der Nutzung der cytoplasmatischen männlichen Sterilität (CMS) beruht. Obwohl verschiedene sterilitätsinduzierende Cytoplasmen beschrieben worden sind (łapiński, 1972; Adolf und Winkel, 1985; Kobyljanskij et al., 1994; Warzecha und Salak-Warzecha, 1996), dominiert die Nutzung des Pampa (P)-Cytoplasmas (Geiger und Schnell, 1970). Restorergene aus europäischem Zuchtmaterial können die männliche Fertilität im P-Cytoplasma nur unvollständig restaurieren. Die unvollständige Restauration erhöht insbesondere bei ungünstiger, feuchter Witterung zum Zeitpunkt der Roggenblüte das Risiko einer Infektion der Ährchen mit C. purpurea (Geiger und Miedaner, 1996). Effektivere, zu einer vollständigen Restauration der männlichen Fertilität führende Restorergene sind in züchterisch nicht-adaptierten („exotischen“) genetischen Ressourcen identifiziert worden (Geiger und Miedaner, 1996). Diese als Rfp1 und Rfp2 bezeichneten, dominanten Restorergene sind auf Chromosom 4RL kartiert worden und bedingen eine sehr gute Restauration der männlichen Fertilität im P-Cytoplasma (Miedaner et al., 2000). Gene für die Restauration der männlichen Fertilität im C-Cytoplasma (Stoja­łowski et al., 2004, 2005) und G-Cytoplasma (Börner et al., 1998) wurden ebenfalls beschrieben und werden dementsprechend als Rfc- bzw. Rfg-Gene bezeichnet.

Für die Restorergene Rfp1 und Rfp2 konnten flankierende, einem dominanten Erbgang folgende PCR-Marker entwickelt werden (Stracke et al., 2003). Von diesen wurde der Marker SCXX04 für die markergestützte Selektion von Rfp1 in kommerziellen Züchtungsprogrammen eingesetzt. Mit der Überführung der neuen Restorergene exotischer Provenienz in adaptiertes Zuchtmaterial wurden auch unerwünschte Gene für größere Wuchshöhe übertragen (Miedaner et al., 2000). Die Wuchshöhe ist dabei eng gekoppelt mit der Restaurationsfähigkeit. Um diese genetische Korrelation von Restauration und Wuchshöhe aufzubrechen, sind weitere molekulare Selektionsmarker erforderlich, die enger als die bislang verfügbaren Marker mit der Restaurationsfähigkeit gekoppelt sind und es somit erlauben, bei der züchterischen Selektion auf gute Restauration die unerwünschten Wuchshöhe-Gene auszuklammern. Durch einen vergleichenden Ansatz der Genkartierung und die Nutzung des vollständig entschlüsselten Reisgenoms als Modell sind kürzlich für Rfp1 sequenzspezifische (sequence tagged site, STS) Marker beschrieben worden (Hackauf et al., 2006, 2007). Die enge Kopplung sowie der kodominante Erbgang dieser STS-Marker eröffnen neue Perspektiven, um Zuchtmaterial des Pollenelter-Genpools markergestützt und mit einer zuvor nicht möglichen Präzision mit dem Restorergen Rfp1 auszustatten und damit das Pollenschüttungsvermögen von Hybriden zu verbessern.

In vorliegender Arbeit beschreiben wir Ergebnisse zur Validierung der neuen Rfp1-Selektionsmarker an Elitezuchtmaterial des Roggens. Darüber hinaus berichten wir über die Charakterisierung der durch die Selektionsmarker definierten Region auf Chromosom 4RL in einer für das Restorergen Rfc1 aufspaltenden Kartierungsfamilie, um zu prüfen, ob diese STS-Marker auch für markergestützte Selektion in anderen CMS-Systemen des Roggens nutzbar sind.

Material und Methoden

Für die Markeranalysen standen neben Elitezuchtmaterial der Hybro GmbH & Co. KG, Kleptow, sowie der KWS Lochow GmbH, Bergen, eine für das Restorergen Rfc1 spaltende F2-Familie im C-Cytoplasma aus der Kreuzung der männlichen sterilen Inzuchtlinien 544cms-C und der Restorerlinie Ot0-20 (Stojałowski et al., 2004, 2005) zur Verfügung. Zur Validierung der Rfp1-Marker wurden 482 Individuen aus Elitelinien der KWS Lochow, in die das dominante Restorergen Rfp1 eingelagert worden ist, mit Hilfe der Marker Xiac69, Xiac86, Xiac76 und SCXX04 genotypisiert. In einem weiteren Experiment wurden 281 S2-Linien aus dem Pollenelterformenkreis der Hybro im Hinblick auf die Präsenz der Rfp1-Allele für die Markerloci Xiac69, Xiac86, Xiac76 untersucht. Für die Markeranalysen wurden jeweils 8 Einzelpflanzen einer S2-Linie zu einer Mischprobe zusammengefasst. Um die Expression des Rfp1-Gens im Untersuchungsmaterial zu bestimmen, wurde das beschriebene Material auf männlich sterile Tester ausgekreuzt. Der Grad der Fertilität in den Testkreuzungsnachkommenschaften wurde durch visuelle Bonitur der Antheren nach dem Schema von Geiger und Morgenstern (1975) erfasst. Die Analyse der Marker erfolgte wie zuvor beschrieben (Hackauf et al., 2006, 2007). Die statistische Auswertung zur Beurteilung der Beziehung zwischen männlicher Fertilität und molekularen Markern erfolgte wie früher dargestellt (Stojałowski et al., 2004; Stojałowski, 2007).

Ergebnisse

Elitelinien mit eingelagertem Rfp1

Unter Verwendung des dominanten Markers SCXX04 konnte lediglich in 50 (10,4%) von 482 untersuchten Individuen das mit der Anwesenheit von Rfp1 assoziierte DNA-Fragment („Allel“) dieses Markers nachgewiesen werden; 432 (89,6%) der Individuen waren hingegen SCXX04-negativ. In 36 (72%) der 50 SCXX04-positiven Proben konnte auch für die kodominanten Marker Xiac69, Xiac86 und Xiac76 das jeweilige mit Rfp1 assoziierte Marker-DNA-Fragment nachgewiesen werden. Unter den verbliebenen 14 Proben war in 12 der Marker Xiac76 indikativ für die Präsenz von Rfp1; zwei weitere Proben wurden anhand ihres Xiac86-Markergenotyps als Rfp1-positiv eingestuft. Unter den SCXX04-negativen Genotypen offenbarte sich Rekombination zwischen den untersuchten Markern auf Chromosom 4RL (Abb. 1). In 365 (84,5%) der für SCXX04-negativen Proben ließ mindestens einer der beiden kodominanten Marker, Xiac86 oder Xiac76, auf die die Präsenz von Rfp1 im homo- oder heterozygoten Zustand schließen.

Abb. 1. Genetischer Fingerabdruck von 15 Roggenpflanzen zum Nachweis des Restorergens Rfp1 (A). Die Abfolge der dargestellten Marker (a-d) entspricht ihrer Reihenfolge auf Roggenchromosom 4RL (Hackauf et al., 2006). In Pflanze #2 liegt eine Rekombination zwischen dem Marker SCXX04 (d) und den proximal lokalisierten Markern Xiac76 (c), Xiac86 (b) und Xiac69 (a) vor; Pflanze #1 ist durch eine doppelte Rekombination zwischen SCXX04 (d) und Xiac76 (c) sowie zwischen Xiac76 (c) und Xiac86 (b) charakterisiert. Das Restorergen Rfp1 kann mit Hilfe molekularer Marker (Pfeil) nachgewiesen werden. Fehlt das Restorergen, vermag die Pflanze keinen oder nur wenig Pollen zu produzieren (B) und die Blüte wird leicht zugänglich für den Mutterkornpilz. Die Gegenwart von Rfp1 führt zu einer zu einer starken Pollenschüttung (C), die Roggenblüte wird unzugänglich für den gefährlichen Ährenparasiten.

Abb. 1. Genetischer Fingerabdruck von 15 Roggenpflanzen zum Nachweis des Restorergens Rfp1 (A). Die Abfolge der dargestellten Marker (a-d) entspricht ihrer Reihenfolge auf Roggenchromosom 4RL (Hackauf et al., 2006). In Pflanze #2 liegt eine Rekombination zwischen dem Marker SCXX04 (d) und den proximal lokalisierten Markern Xiac76 (c), Xiac86 (b) und Xiac69 (a) vor; Pflanze #1 ist durch eine doppelte Rekombination zwischen SCXX04 (d) und Xiac76 (c) sowie zwischen Xiac76 (c) und Xiac86 (b) charakterisiert. Das Restorergen Rfp1 kann mit Hilfe molekularer Marker (Pfeil) nachgewiesen werden. Fehlt das Restorergen, vermag die Pflanze keinen oder nur wenig Pollen zu produzieren (B) und die Blüte wird leicht zugänglich für den Mutterkornpilz. Die Gegenwart von Rfp1 führt zu einer zu einer starken Pollenschüttung (C), die Roggenblüte wird unzugänglich für den gefährlichen Ährenparasiten.

Die Zuverlässigkeit der mittels markergestütztem DNA-Fingerprinting durchgeführten Genotypisierung wurde anschließend durch die Phänotypisierung derselben Pflanzen validiert. Als Phänotyp wurde dabei das Pollenschüttungsvermögen von Testkreuzungsnachkommen verwendet. Für alle per molekularer Markeranalyse genotypisierten Individuen wurde eine perfekte Übereinstimmung zwischen der postulierten genetischen Konstitution am Restorerlocus Rfp1 und dem Pollenschüttungsvermögen in den Testkreuzungsnachkommenschaften beobachtet (nicht gezeigt).

S2-Linien aus dem Rfp1-Einlagerungsprogramm

Mit den Markern Xiac69, Xiac86 und Xiac76 wurden 281 S2-Linien genotypisiert. Für den Marker Xiac86 waren im untersuchten Material drei Fingerprint-Fragmente – A (Nullallel) sowie B und IR mit 1000bp bzw. 1100bp Größe – zu beobachten (nicht gezeigt). Am Locus Xiac76 konnten im untersuchten Material nach HaeIII-Verdau des PCR-Produktes ebenfalls 3 Allele – A, B und IR mit 600bp, 800bp bzw. 700bp Größe – nachgewiesen werden (nicht gezeigt). Für beide Marker lassen sich die aus dem Rfp1-Donor stammenden Allele Xiac86-IR bzw. Xiac76-IR eindeutig von den jeweils anderen Allelen nach Agarosegelelektrophorese differenzieren (nicht gezeigt). Im Untersuchungsmaterial waren diese beiden Allele nur in geringer Frequenz nachweisbar. Übereinstimmend mit den Pedigree-Daten war das Allel Xiac86-IR nur in einer S2-Familie (0,4%) zu beobachten, während das Markerallel Xiac76-IR in 5 Familien (1,8%) auftrat. Die molekulare Markeranalyse ermöglichte eine Gruppierung des Materials in 9 dihybride Markergenotyp-Klassen (Abb. 2). In vier der 281 Linien zeigte das Markerallel Xiac76-IR (Markerklassen M8 und M9) sowie die allelische Konstitution am Markerlocus Xiac69 die Präsenz des Restorergens Rfp1 an. Diese vier Linien erwiesen sich in der Phänotypisierung als die einzigen, die eine vollständige Restauration der männlichen Fertilität mit mehr als 80% voll fertiler Testkreuzungsnachkommen bewirken konnten (Abb. 2). Die auf der Grundlage des molekularen Fingerprintings postulierte genetische Konstitution am Restorer-Genort Rfp1 stand somit in Übereinstimmung mit dem Restaurationsverhalten der untersuchten Linien.

Abb. 2. Häufigkeitsverteilung des Pollenschüttungsvermögens in Testkreuzungsnachkommenschaften aus 281 S2-Linien, aufgeschlüsselt nach 9 Markerklassen. Für das Pollenschüttungsvermögen sind die Obergrenzen der Phänotypklassen in % voll fertiler Testkreuzungsnachkommen angegeben. Markerklasse M1: Xiac86-A/Xiac76-A, M2: Xiac86-B/Xiac76-A, M3: Xiac86-IR/Xiac76-A, M4: Xiac86-A/Xiac76-B, M5: Xiac86-B/Xiac76-B, M6: Xiac86-A/Xiac76-H, M7: Xiac86-B/Xiac76-H, M8: Xiac86-A/Xiac76-IR, M9: Xiac86-B/Xiac76-IR. Xiac76-H bezeichnet einen Genotyp, der beide Markerallele A und B am Locus Xiac76 trägt. Für eine Erläuterung der anderen Allelsymbole dieser beiden Marker siehe Text.

Abb. 2. Häufigkeitsverteilung des Pollenschüttungsvermögens in Testkreuzungsnachkommenschaften aus 281 S2-Linien, aufgeschlüsselt nach 9 Markerklassen. Für das Pollenschüttungsvermögen sind die Obergrenzen der Phänotypklassen in % voll fertiler Testkreuzungsnachkommen angegeben. Markerklasse M1: Xiac86-A/Xiac76-A, M2: Xiac86-B/Xiac76-A, M3: Xiac86-IR/Xiac76-A, M4: Xiac86-A/Xiac76-B, M5: Xiac86-B/Xiac76-B, M6: Xiac86-A/Xiac76-H, M7: Xiac86-B/Xiac76-H, M8: Xiac86-A/Xiac76-IR, M9: Xiac86-B/Xiac76-IR. Xiac76-H bezeichnet einen Genotyp, der beide Markerallele A und B am Locus Xiac76 trägt. Für eine Erläuterung der anderen Allelsymbole dieser beiden Marker siehe Text.

Rfc1-Kartierungsfamilie

Zur weiteren Charakterisierung der durch die Selektionsmarker definierten Region auf Chromosom 4RL wurde die F2-Familie [544cms-C x Ot0-20] genotypisiert, die für ein im C-Cytoplasma restaurierendes Restorergen, Rfc1, aufspaltet. Die in dieser Familie erstellte Kopplungskarte für Chromosom 4R beschreibt die Position von 25 Markern und definiert einen subgenomischen Bereich von 80,1 cM (Abb. 3). Dieser Bereich wird nicht gleichmäßig durch die Marker abgedeckt. Während im proximalen Bereich 5 Marker ein genetisches Intervall von 55,5 cM definieren, gruppieren sich die verbleibenden 20 Marker in einem Bereich von 24,6 cM. Zur Lokalisation des Restorergens Rfc1 wurde eine QTL-Intervallkartierung auf Grundlage einer visuellen Antherenbonitur durchgeführt, die eine enge Kopplung zwischen Rfc1 und den Markern Xiac70, Xiac74, Xiac76, Xiac86, SCP14M55, SCP15M55, SCP16M58 sowie SCXX04 offenbart (Abb. 4). Das in diesem Intervall lokalisierte Restorergen Rfc1 erklärt 27,3% der phänotypischen Variation in der F2-Familie [544cms-C x Ot0-20]. Mit Xiac74 konnte ein weiterer, kodominanter Marker in der Zielregion auf Chromosom 4RL kartiert werden, der bislang noch nicht in Beziehung zu einem Restorergen im Roggen gesetzt werden konnte.

Abb. 3. Eine genetische Karte von Chromosom 4R in der F2 Familie 544cms-C x Ot0-20.

Abb. 3. Eine genetische Karte von Chromosom 4R in der F2 Familie 544cms-C x Ot0-20.

Abb. 4. LOD-score-Kurve über ein Marker-Intervall für die Restauration der männlichen Fertilität durch Rfc1 in der Familie 544cms-C x Ot0-20.

Abb. 4. LOD-score-Kurve über ein Marker-Intervall für die Restauration der männlichen Fertilität durch Rfc1 in der Familie 544cms-C x Ot0-20.

Diskussion

Die Verbesserung des Pollenschüttungsvermögens in Hybridsorten bei Winterroggen trägt dazu bei, die Kontamination des Erntegutes mit Mutterkorn zu minimieren. Das Pollenschüttungsvermögen moderner Roggensorten kann durch Restorergene, die in exotischen, für den Anbau selbst nicht geeigneten Roggenherkünften gefunden wurden (Miedaner et al., 2000), entscheidend verbessert werden. Das direkte Erkennen solcher Gene in einer Pflanze ist jedoch nicht ohne weiteres möglich und erfordert zudem kostbare Zeit für Testkreuzungsprogramme und visuelle Bonitur der männlichen Fertilität zum Zeitpunkt der Blüte. Die markergestützte Selektion von Restorergenen kann vor diesem Hintergrund wesentlich zur Beschleunigung des Zuchtprozesses beitragen, da die gewünschte Information über das Vorhandensein des Restorergens frühzeitig und ohne aufwändige Testkreuzungen erfasst werden kann. Über einen vergleichenden Ansatz der Genkartierung ist es kürzlich gelungen, ein molekulares Diagnoseverfahren für das Restorergen Rfp1 im Roggen zu optimieren (Hackauf et al., 2006, 2007). Um das Potenzial der damit verfügbaren, neuen Marker im Hinblick auf den erzielbaren Zuchtfortschritt einschätzen zu können, ist es erforderlich, Zuchtmaterial verschiedener züchterischer Herkunft zu durchmustern und zu prüfen, in welchem Umfang die entwickelten molekularen Marker diagnostisch für die Anwesenheit des Restorergens sind.

Die in vorliegender Arbeit vorgestellten Ergebnisse belegen, dass die neuen Selektionsmarker eine effiziente Genotypisierung aktueller Elitelinien im Hinblick auf das Rfp1-Restorergen ermöglichen. Die perfekte Übereinstimmung der über die Markeranalyse abgeleiteten Rfp1-Genotypen mit dem Pollenschüttungsvermögen in den korrespondierenden Testkreuzungsnachkommenschaften bestätigen die zuvor in zwei Experimentalpopulationen (Hackauf et al., 2006, 2007) postulierte Position der Marker relativ zu Rfp1. In einem Satz S2-Linien konnten die mit Rfp1 assoziierten Markerallele nur nachgewiesen werden, wenn Rfp1 zuvor in dieses so genannte Second-cycle-Material eingekreuzt worden ist. Dieser Befund zeigt, dass die mit Rfp1 assoziierten, eng gekoppelten Markerallele diagnostisch für Rfp1 sind. Unter Verwendung des dominanten Markers SCXX04 waren fast 90% der untersuchten Einzel­pflanzen bezüglich ihrer genetischen Konstitution am Rfp1-Locus nicht diagnostizierbar, weil das dominante Donor-Allel dieses von Rfp1 relativ weit entfernten Markers infolge von Rekombination nicht mehr mit Rfp1 assoziiert war. Demgegenüber konnten sämtliche der betreffenden rekombinanten Individuen mit einem oder mehreren der neuen Marker bezüglich der Präsenz von Rfp1 sicher genotypisiert werden. Im Gegensatz zu den bislang verfügbaren, dominanten Rfp1-Markern (Stracke et al., 2003) ermöglichen es die neuen Marker mit ihrer kodominanten Ausprägung, im Rahmen von Kreuzungsprogrammen die wertvollen homozygoten Rfp1-Genotypen unter den Kreuzungsnachkommen effizient und sicher zu erkennen.

Ein oftmals in Rückkreuzungsprogrammen auftretendes Problem ist der so genannte 'linkage drag' (Brinkman und Frey, 1977; Tanksley et al., 1989), d.h. die gemeinsame Vererbung von erwünschten und züchterisch unerwünschten Merkmalsgenen, die aus dem exotischen Donor in das züchterisch adaptierte Elitematerial überführt wurden. Das Aufbrechen solcher Genkomplexe durch die natürliche, zufällige Rekombination erfolgt selten; daher ist es um so wichtiger, günstige Rekombinanten schnell und sicher zu erfassen. Die in der vorliegenden Arbeit beschriebene Rekombination zwischen den untersuchten Rfp1-Markern zeigt, dass die neuen Selektionsmarker dazu geeignet sind, rekombinativ verkleinerte, Rfp1-tragende Genomsegmente zu identifizieren. Ob damit auch die beobachtete Korrelation von Restauration der männlichen Fertilität und unerwünschter Wuchshöhe (Miedaner et al., 2000) aufgebrochen werden kann, ist in weiteren Untersuchungen zu prüfen. Zusammen mit weiteren, an anderer Stelle im Roggengenom kartierten molekularen Markern (Saal und Wricke, 1999; Korzun et al., 2001; Hackauf und Wehling, 2003; Khlestkina et al., 2004, 2005; Hackauf et al., 2008) ermöglichen die das Restorergen Rfp1 eng flankierenden Marker eine wirkungsvolle Strategie, die Rfp1-Zielregion im Roggengenom markergestützt in Elitezuchtmaterial zu übertragen und effizient gegen den unerwünschten genetischen Hintergrund des Donorgenoms zu selektieren. Diese als Präzisionszüchtung oder auch SMART (Selection with Markers and Advanced Reproductive Technologies) Breeding (Davis et al., 1997) bezeichnete Züchtungsstrategie ist beispielsweise beim Reis zur Verbesserung der Toleranz gegenüber mehrere Wochen andauernde Überschwemmungen der Felder erfolgreich angewendet worden (Xu et al., 2006).

Mittels Intervallkartierung konnten wir in der vorliegenden Arbeit zeigen, dass die mit Rfp1 assoziierten Selektionsmarker auch mit dem Restorergen Rfc1 gekoppelt sind. Rfc1 restauriert eine durch das C-Cytoplasma induzierte männliche Sterilität (Stojałowski et al., 2004, 2005). Im Gegensatz zum P-Plasma ist es aufgrund einer hohen Frequenz an Restorergenotypen in Roggenpopulationen schwierig, für das C-Plasma, ebenso wie für andere Plasmen des Vavilov (V)-Typs (Geiger, 1982; Melz et al., 2003), geeignete Maintainergenotypen zu identifizieren. Bislang sind insbesondere RAPD- sowie die drei dominanten SCAR-Marker SCP14M55, SCP15M55, SCP16M58 als gekoppelt zu Rfc1 beschrieben worden (Stojałowski et al., 2004, 2005). Die enge Kopplung der in vorliegender Arbeit validierten Marker mit Rfc1 lassen diese Marker auch für eine indirekte Selektion von Maintainer-Genotypen des V-Plasmotyps geeignet erscheinen.

Die in vorliegender Studie beobachteten Kopplungsbeziehungen von STS-Markern zu Rfp1 bzw. Rfc1 liefern weitere Evidenz für frühere Vermutungen (Börner et al., 1998; Stojałowski et al., 2005), nach denen in der betreffenden Region auf Chromosom 4RL entweder mehrere Restorergene lokalisiert sind oder es sich bei den betreffenden Restorergenen um Allele desselben Genortes handelt.

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