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Originalarbeit

Die endotrophe Mykorrhiza – eine mögliche Ursache für das Phänomen des „Johannistriebes“ von Apfelgehölzen?

Endotrophic Mycorrhiza – the cause for the phenomenon of the “Johannis-sprout” of apple trees?

Georg Otto
Institut
Dresden

Journal für Kulturpflanzen, 61 (7). S. 254–259, 2009, ISSN 0027-7479, DOI: 10.5073/JfK.2009.07.03, Verlag Eugen Ulmer KG, Stuttgart

Kontaktanschrift
Prof. Dr. Georg Otto, Dresdner Str. 45, 01326 Dresden, Tel. 0351 2618249
Zur Veröffentlichung angenommen
Mai 2009

Zusammenfassung

In der Literatur gibt es zahlreiche Angaben über Faktoren, die den Johannistrieb von Apfelgehölzen beeinflussen. Es finden sich aber keine Erklärungen dafür, warum das Triebwachstum der Apfelgehölze 4 bis 5 Wochen nach der Blüte durch Bildung einer terminalen Endknospe eingestellt wird, um nach einer Ruhepause erneut eine zweite, aber vergleichsweise sehr geringe Wachstumsphase einzuleiten.

Bei der Besiedlung der Faserwurzeln durch die endotrophe Mykorrhiza sind Schäden an den Faserwurzeln in ihrer aktiven Wachstumsphase zunächst nicht erkennbar. Das trifft auch dann zu, wenn Hyphen, Arbuskel und Vesikel in der gesamten Wurzelrinde vorgefunden werden. Mit der Größenzunahme der Vesikel sind allerdings Veränderungen ihrer sonst ovalen Form festgestellt worden. Es handelt sich dabei meist um Einschnürungen, die sehr wahrscheinlich dadurch entstehen, dass das Wurzelrindengewebe mit der Volumenzunahme der Vesikel aufreißt und die entstehenden Hohlräume von ihnen ausgefüllt werden. Diese Erscheinungen gehen mit einer erkennbaren Verringerung des Vitalitätszustandes der Faserwurzeln einher. Somit besteht die Möglichkeit, dass durch diese rein mechanische Schädigung der Faserwurzeln Störungen in der Wasser-und Nährstoffaufnahme sowie im Wuchsstoffhaushalt des Gehölzes ausgelöst werden, die zur Beendigung der ersten Wachstumsphase führen. Deshalb wird die Frage aufgeworfen, ob darin die Ursache für den Abschluss der ersten Wachstumsphase der Apfelgehölze und damit für den nachfolgenden Johannistrieb zu suchen sein könnte.

Stichwörter: Endotrophe Mykorrhiza, arbuskuläre Mykorrhiza, Johannistrieb, Apfelgehölz

Abstract

In the literature there are many explanations for the factors which influence the midsummer sprout, the so called “Johannis-sprout“. However there are no explanations for the fact that the shoot growth of apple trees stops 4 to 5 weeks after blossoming by developing terminal final buds. After a resting time they start a new but very unimportant shoot growth.

With respect to root colonizing by arbuscular mycorrhiza, damages in the rootlets are first of all not visible in the period of active root growth. This is also true if hypha, arbuscules and vesicles are occupying the whole root cortex. But with extending of the volume of vesicles there take place variations in their normal oval shape. These are mostly constrictions which occur if the root cortex is bursting by the enlargement of the vesicles and their occupying the holow spaces. These symptoms correspond mostly with a decreasing vitality of the rootlets. Consequently there exists the possibility that these mechanical damages of the rootlets may be the cause for disturbances in water and nutrient uptake and in the balance of plant hormones in the trees. Therefore the question arises, whether these processes may be responsible for terminating the first shoot growth period and accordingly for the succeeding second growth period, called Johannis-sprout.

Key words: Endotrophic mycorrhiza, arbuscular mycorrhiza, Johannis-sprout, apple tree

Einleitung

In fast allen Lehrbüchern des Obstbaues finden sich im Zusammenhang mit der Beschreibung des Verlaufs des Triebwachstums bei Apfelgehölzen auch Angaben über den sogenannten Johannistrieb. Die Ausführungen sind so einheitlich, dass es ausreicht, die von Friedrich und Preusse (1970) als allgemeingültig zu zitieren: „Ein Spross wächst nicht ständig mit gleicher Intensität. Einer kurzen Zeitspanne langsamer Anfangsentwicklung folgt eine Hauptwachstumsperiode. Im Juli setzt nach vorübergehender Wachstumsruhe ein neues, nunmehr schwächeres Längenwachstum ein. Der Wachstumsverlauf des Jahres ähnelt etwa einer S-Kurve, die – bedingt durch die Spanne der Ruhe im Sommer – einen Knick aufweist“. Der Begriff „Johannistrieb“ leitet sich aus der Tatsache ab, dass er in der Regel erst nach dem 24. Juni, also dem Tag Johanni, einsetzt. Neben den von Hilkenbäumer (1964) erwähnten günstigen Witterungsverhältnissen, finden sich auch Angaben über den Einfluss der Wasser- und Mineralstoffversorgung auf den Johannistrieb, sowie von den vorhandenen Baustoffen, die die Triebkraft bedingen (Kobel, 1954). Der Alternanz (Schumacher, 1965) und besonders wachstumsfördernden Außeneinflüssen wird ebenfalls eine Wirkung zugeschrieben (Winter et al., 1974). Erwähnt wird auch, dass nach Abschluss des Johannistriebes Ende Sommer oder im Herbst eine dritte Wachstumsperiode einsetzen kann, wenn nach einer sommerlichen Trockenperiode reichliche Niederschläge erfolgen und zugleich große Mengen an leicht aufnehmbarem Stickstoff zur Verfügung stehen (Kobel, 1954). Diese Angaben ließen sich noch fortsetzen. Ihnen allen aber ist eigentümlich, dass sie sich ausschließlich auf die auslösenden Faktoren und auf das Ausmaß des Johannistriebes beziehen. In keinem Fall wird der Frage nachgegangen, warum die erste Wachstumsperiode bereits 4 bis 5 Wochen nach der Blüte durch Bildung einer terminalen Endknospe beendet wird (Winter et al., 1974). Dabei hat die Blüte nur eine Bedeutung als zeitliche Markierung, da das Phänomen „Johannistrieb“ auch an nicht fruchtenden Bäumen und sogar an einjährigen Apfelsämlingen zu beobachten ist. Ob Witterungsverhältnisse für den Johannistrieb ursächlich in Frage kommen könnten, muss deshalb bezweifelt werden, weil es dann Jahre geben müsste, in denen der Abschluss der ersten Wachstumsperiode zu unterschiedlichen Zeiten auftreten würde, in manchen Jahren sogar ganz unterbleiben dürfte. Da der Zeitpunkt des Abschlusses der ersten Wachstumsperiode in verschiedenen Jahren aber keinen sehr ausgeprägten Schwankungen unterliegt, erscheint auch ein Schädlingsbefall als Ursache äußerst unwahrscheinlich. Ebenso kommt ein Einfluss veränderter Tageslichtdauer in dieser Jahreszeit nicht in Betracht.

Der Verfasser hat Dauerpräparate der Längsschnitte von Faserwurzeln von Apfelgehölzen, die bei früheren mikroskopischen Untersuchungen wegen bestimmter Auffälligkeiten aufgehoben worden sind, erneut durchgemustert. Das Material stammt aus weiter zurückliegenden Untersuchungen über arbuskuläre Mykorrhiza (AM) bei Apfelgehölzen und aus Untersuchungen über die Ursache der Bodenmüdigkeit bei Apfelgehölzen in den Jahren 1977 bis 1996. Dabei sind Gedanken erwachsen, die möglicherweise einen Beitrag zum aufgeworfenen Problem leisten können. Sie fußen also auf Erkenntnissen aus zwei völlig voneinander unabhängigen Arbeitsgebieten. Dabei waren die visuellen Eindrücke bei der erneuten mikroskopischen Durchmusterung des umfangreichen Materials zur AM von entscheidender Bedeutung. Um die Entstehung dieser Gedanken besser nachvollziehbar zu machen, soll zunächst eine kurze Darstellung der Erkenntnisse erfolgen, die bei den Arbeiten über die Ursache der Bodenmüdigkeit bei Apfelgehölzen erzielt worden sind.

Einfluss der Bodenmüdigkeit auf die Faserwurzeln und auf das Wuchsverhalten von Apfelgehölzen

Nach Untersuchungen von Otto und Winkler (1977) und Westcott und Beer (1983, 1987) wird die Bodenmüdigkeit bei Apfelgehölzen durch wurzelpathogene Aktinomyzeten verursacht. Der Befall der Faserwurzeln ist bereits 8 bis 10 Tage nach Beginn des Wurzelwachstums nachweisbar und steigt danach kontinuierlich an (Otto und Winkler, 1993). Nach sechs Wochen sind Maximalwerte befallener Faserwurzeln erreicht. In Fällen starker Bodenmüdigkeit sind bis zu 80% der Faserwurzeln davon betroffen (Otto und Winkler, 1993). Die Aktinomyzeten dringen durch die Epidermis in die Wurzelrinde ein und zerstören die Epidermis- und Wurzelrindenzellen. Auch der Besatz der Faserwurzeln mit Wurzelhaaren wird in Abhängigkeit vom Befallsgrad, also dem Grad der Bodenmüdigkeit, verringert (Otto und Winkler, 1996). Diese Schäden führen zu einer Beeinträchtigung der Wasser- und Nährstoffaufnahme und zur Reduzierung der Masse der Faserwurzeln. Letzteres zählt neben der Verringerung des Triebwachstums zu den charakteristischen Merkmalen der Bodenmüdigkeit bei Apfelgehölzen (Otto und Winkler, 1977).

Erstaunlich war nun die Feststellung, dass am Ende der zweiten Hälfte der Vegetationsperiode, und unabhängig von dem Grad der Bodenmüdigkeit, nur noch ein sehr geringer Befall der Faserwurzeln durch Aktinomyzeten in der Größenordnung von etwa 4% nachweisbar war (Otto und Winkler, 1993). Weiterführende Untersuchungen haben ergeben, dass ein Zusammenhang zwischen dem Befallsverlauf in den Faserwurzeln und dem Wuchsstoffhaushalt der Apfelgehölze besteht (Otto et al., 1994). Das heißt, dass es nur dann zu einem Befall der Faserwurzeln durch die Aktinomyzeten kommt, wenn die terminalen Vegetationspunkte aktiv sind, die dort synthetisierten Wuchsstoffe in die Wurzeln gelangen, von diesen direkt ausgeschieden werden oder die Ausscheidung anderer Stoffe verursachen und damit die Dauerformen der Aktinomyzeten im Boden stimulieren. Es konnten Hinweise dafür gefunden werden, dass zwischen den in der Zeitfolge wechselnden Befallsraten der Faserwurzeln und den nicht immer kontinuierlich verlaufenden Zuwachsraten des Trieblängenwachstums Zusammenhänge bestehen (Otto et al., 1993). Es kann also davon ausgegangen werden, dass durch den Befall und die damit verbundene Schädigung der Faserwurzeln der Wuchsstoffhaushalt der Gehölze aus dem Gleichgewicht gerät, indem in den Wurzeln weniger Wuchsstoffe synthetisiert und an den Spross weitergeleitet werden. Dadurch wird das Trieblängenwachstum beeinträchtigt oder sogar nahezu völlig eingestellt. Mit der erneuten Ausbildung von Faserwurzeln wiederholt sich dieser Ablauf. Dabei wird der Befallsgrad der Faserwurzeln durch die Aktinomyzeten durch das Ausmaß der Wuchsstoffsynthese in den nun wieder wachsenden Terminalknospen und den beigeordneten jungen Blättern bestimmt. Damit ergibt sich eine plausible Erklärung für die Tatsache, dass die Häufigkeit des Befalls der Faserwurzeln durch die Aktinomyzeten in der zweiten Hälfte der Vegetationsperiode und insbesondere an deren Ende sehr gering ist. Wie dargestellt wurde, ist in dieser Zeitspanne der Trieblängenzuwachs im Vergleich zur ersten Wachstumsperiode nahezu unbedeutend, was mit Sicherheit der geringeren und abnehmenden Quantität der synthetisierten Wuchsstoffe zuzuschreiben ist. Damit dürfte die Stimulierung der Dauerformen der Aktinomyzeten im Boden durch Wurzelausscheidungen abnehmen, bzw. ganz zum Erliegen kommen. In diesen Abläufen findet sich schließlich auch eine Erklärung dafür, dass Apfelgehölze auch auf sehr stark müden Böden mit extrem niedrigen Jahrestrieblängen keine höheren Ausfallquoten aufweisen als auf jungfräulichen Böden, weil sich die geschädigten Wurzelsysteme in der zweiten Hälfte der Vegetationsperiode wieder regenerieren können.

Vorgänge in den Faserwurzeln von Apfelgehölzen nach der Besiedlung durch die endotrophe Mykorrhiza

In früheren Untersuchungen des Verfassers ist die Häufigkeit und der Verlauf der Besiedlung der Faserwurzeln von Apfelsämlingen durch die AM untersucht worden (Otto, 1962a, b). Danach erfolgt die Besiedlung der Faserwurzeln ebenfalls sehr bald nach dem Beginn ihres Wachstums. Die Hyphen dringen mit charakteristischen Windungen durch die Epidermiszellen in die Wurzelrinde ein. Dort verbreiten sie sich inter- und intrazellulär. Schon zu Beginn der Besiedlung entstehen bereits die Arbuskel, und bald danach kommt es auch zur Anlage von Vesikeln. Sie entstehen generell terminal an den Hyphen, gelegentlich aber auch interkalar. Sie befinden sich fast ausschließlich in den Interzellularen. Nur selten werden sie intrazellulär angetroffen. Sie erscheinen zunächst als mehr oder weniger ausgeprägte Erweiterungen der Hyphen (Abb. 1). Diese Stadien sind nicht sehr oft zu registrieren, woraus geschlussfolgert werden kann, dass ihre Größe nach der Anlage sehr rasch zunimmt. Das Volumen eines ausgewachsenen Vesikels übersteigt das einer Wurzelrindenzelle sehr deutlich, meist um ein Vielfaches (Abb. 2). Auch die Anzahl der Vesikel je Wurzellängeneinheit kann sehr erheblich sein (Abb. 2). Trotz der Besiedlung der Faserwurzeln durch die Hyphen, der Bildung der Arbuskel und auch der Anlage der Vesikel erscheint das mikroskopische Bild des Wurzelgewebes zunächst als völlig intakt. Das trifft für eine gewisse Zeit nach dem Beginn der Besiedlung zu, auch wenn sich der Endophyt in der ganzen Wurzelrinde ausgebreitet hat.

Abb. 1. Beginn der Entwicklung eines Vesikels.

Abb. 1. Beginn der Entwicklung eines Vesikels.

Abb. 2. Vorkommen zahlreicher großer Vesikel in einer Faserwurzel.

Abb. 2. Vorkommen zahlreicher großer Vesikel in einer Faserwurzel.

Die Form der Vesikel ist in der Regel oval. Lediglich bei intrazellulären Vesikeln treten nahezu runde Formen auf, was sicher auf die etwa gleichmäßige Begrenzung der Größenzunahme durch die Zellwände zurück zu führen ist. Abweichungen von der ovalen Form sind häufig festgestellt worden, wenn die Vesikel durch ihre Volumenvergrößerung aneinander stoßen (Abb. 2). Vielfach sind jedoch auch sehr skurrile Abweichungen von den üblichen Formen registriert worden (Abb. 3, 4, 5). Solche Formen deuten darauf hin, dass sie wahrscheinlich durch das Eindringen der Vesikel in die Hohlräume zustande kommen, die durch das Aufreißen des Zellverbandes der Wurzelrinde als Folge ihrer Größenzunahme entstehen. Die nicht oder nur begrenzt nachgebenden Zellwände führen zu derartigen Einschnürungen. Als Folge derartiger Destrukturierungen des Rindengewebes kann eine Schädigung mit anschließendem Zerfall von Faserwurzelpartien und schließlich ein Absterben der gesamten Faserwurzel angenommen werden (Abb. 6).

Abb. 3. Vesikel mit einer Einschnürungsstelle.

Abb. 3. Vesikel mit einer Einschnürungsstelle.

Abb. 4. Vesikel mit zwei bzw. drei Einschnürungsstellen.

Abb. 4. Vesikel mit zwei bzw. drei Einschnürungsstellen.

Abb. 5. Vesikel, dessen Form durch das Austreten aus einer geborstenen Subepidermiszelle gekennzeichnet ist.

Abb. 5. Vesikel, dessen Form durch das Austreten aus einer geborstenen Subepidermiszelle gekennzeichnet ist.

Abb. 6. Vesikel in zerfallendem Wurzelrindengewebe.

Abb. 6. Vesikel in zerfallendem Wurzelrindengewebe.

Zu den seinerzeit von Otto (1962a, b) durchgeführten Untersuchungen sind Wurzelstücke herangezogen worden, die etwa 2 mm hinter den Wurzelspitzen entnommen wurden. Die Ergebnisse zeigten, dass nicht nur die Besiedlung der Faserwurzeln durch die AM sehr zeitig beginnt, sondern dass auch die Anlage der Vesikel in noch ganz jungen Wurzelpartien erfolgt. Leider ist damals bei der mikroskopischen Auswertung nur die Häufigkeit des Auftretens von Vesikeln, bezogen auf die Gesamtzahl der untersuchten Wurzelstücke, nicht aber deren Quantität in den einzelnen Wurzelstücken erfasst worden. Man darf aber mit Sicherheit davon ausgehen, dass die Anzahl der Vesikel in wachsenden Faserwurzeln in den basalen Abschnitten weiter zunimmt. Ebenso ist davon auszugehen, dass bei einer Verlangsamung oder gar Einstellung des Faserwurzelwachstums mehr Vesikel in den Wurzelpartien unmittelbar hinter der Wurzelspitze vorzufinden sind, als bei einer gerade beginnenden Verpilzung in einer aktiven Wurzelwachstumsphase (Otto, unveröffentlichte Daten).

Neben dem Auftreten der AM mit ihren drei Merkmalen in der Wurzelrinde ist von Otto (1959) auch über Vesikel im Zentralzylinder berichtet worden. Es ist damals davon ausgegangen worden, dass es sich um eine Ausnahmeerscheinung handelt, weil die Hyphen der AM nicht in der Lage zu sein schienen, durch eine intakte Endodermis in den Zentralzylinder zu gelangen. In späteren Untersuchungen konnten aber häufiger Vesikel in Zentralzylindern festgestellt werden. Auch in diesen Fällen war in der Regel ein Aufreißen der Gewebestrukturen der Zentralzylinder zu beobachten (Abb. 7). Möglicherweise sind die Hyphen doch in der Lage, aktiv in die intakten Zentralzylinder einzudringen und auch hier ein Aufreißen der Zellstrukturen zu verursachen.

Abb. 7. Vesikel im Zentralzylinder einer Faserwurzel mit erkennbarer Schädigung.

Abb. 7. Vesikel im Zentralzylinder einer Faserwurzel mit erkennbarer Schädigung.

Schlussfolgerung

Bei den mikroskopischen Untersuchungen der Faserwurzeln von Apfelgehölzen in beiden Arbeitsgebieten war erkennbar, dass sich der augenscheinliche Vitalitätszustand der Faserwurzeln mit dem Beginn des Wurzelwachstums von sehr gut, mit dem Nachlassen des Triebzuwachses aber, als weniger gut bis deutlich verschlechtert (Otto, unveröffentlichte Daten).

Im Falle der Bodenmüdigkeit gibt es dafür eine sehr plausible Erklärung. Die als Ursache angesehenen Aktinomyzeten sind vermutlich pathogene Organismen, auch wenn das Koch´sche Postulat bisher noch nicht erfüllt werden konnte. Ihr pathogener Charakter wird aber auch von Szabó et al. (1996) als erwiesen angesehen, weil in elektronenmikroskopischen Untersuchungen die dafür typischen Membranablösungen und Papillenbildungen in den befallenen Wurzelzellen nachgewiesen werden konnten. Die Aktinomyzeten hinterlassen nach dem Eindringen in die Faserwurzeln ein eindeutiges Schadbild und bringen die Faserwurzeln schließlich zum Absterben.

Ein solcher Vorgang ist im Falle der AM vordergründig nicht erkennbar. Auch bei einer starken Besiedlung der Wurzelrinden durch die Mykorrhizapilze ist zunächst keine Schädigung des Wurzelgewebes feststellbar. Auffällig ist aber, dass bei Wurzeln mit einem höheren Besatz von Vesikeln, die offenbar ihre Endgröße erreicht haben, meist ein geringerer Vitalitätszustand des Wurzelgewebes vorliegt. Damit stellt sich die Frage, ob durch die Bildung der Vesikel und insbesondere durch ihre Größenzunahme das Aufreißen des Rindengewebes in so einem Maße erfolgt, dass die Faserwurzeln in ihrer Funktion beeinträchtigt werden. Das wäre ebenfalls eine Schädigung der Faserwurzeln, allerdings durch rein mechanische Vorgänge, die schließlich auch zur Einstellung des Wurzelwachstums und zum Absterben der Faserwurzeln führen kann. Somit ist auch in diesem Fall eine Beeinträchtigung der Wasser- und Nährstoffaufnahme durch die Faserwurzeln sowie ihrer Syntheseleistung für Wuchsstoffe denkbar. Das wäre ein analoger Vorgang zu dem, der durch die Schädigung der Faserwurzeln durch die wurzelpathogenen Aktinomyzeten ausgelöst wird. Hierbei sind noch drei Aspekte erwähnenswert, die diese Vorstellungen unterstützen.

Die Beeinträchtigung des Triebzuwachses im Falle der Bodenmüdigkeit tritt bereits unmittelbar nach der Pflanzung bzw. nach dem Austrieb auf, weil der Befall der Wurzeln und damit ihre Schädigung sofort nach dem Beginn des Wurzelwachstums erfolgt. In jungfräulichen Böden, in denen die wurzelpathogenen Aktinomyzeten keine Rolle spielen, wird das Trieblängenwachstum erst zu einem viel späteren Zeitpunkt eingestellt, weil die vermutete Schädigung der Faserwurzeln erst als Folge der Entwicklung der Vesikel und deren Größenzunahme eintritt.

Weiterhin ist zu bedenken, dass im Falle der Bodenmüdigkeit die Beeinträchtigung des Trieblängenzuwachses vom Grad der Bodenmüdigkeit abhängt, auf verschiedenen Standorten also sehr unterschiedlich sein kann. Unabhängig vom Ausmaß des Trieblängenzuwachses auf müden und nicht müden Böden tritt die Einstellung des Trieblängenwachstums im Juni aber generell auf allen Standorten auf. Das dürfte damit zusammenhängen, dass Apfelgehölze bereits im ersten Standjahr eine beachtliche Häufigkeit der Besiedlung der Faserwurzeln durch die AM aufweisen können. Im zweiten, spätestens aber im dritten Standjahr sind nahezu alle Faserwurzeln, d. h. über 90% besiedelt (Otto, 1962a). Das lässt sich mit der jährlichen Wiederkehr der Einstellung des Trieblängenwachstums im Juni gut in Übereinstimmung bringen.

Ein dritter Aspekt ist die Beobachtung, dass Sämlinge, die in mineralischen Substraten in Klimakammern angezogen wurden, im Gegensatz zu Sämlingen in natürlichen Böden, keine vergleichbare Verringerung des Vitalitätszustandes der Faserwurzeln erkennen ließen. Die Ausbildung terminaler Endknospen erfolgte erst nach längeren Standzeiten (Otto, unveröffentlichte Daten). Es kann davon ausgegangen werden, dass in solchen Sub­straten keine oder nur eine unbedeutende Besiedlung der Faserwurzeln durch die AM erfolgt ist und somit keine mechanische Schädigung des Wurzelrindengewebes durch die Volumenzunahme der Vesikel.

Die dargestellten Gedanken und Vorstellungen über eine mögliche Ursache für das Phänomen „Johannistrieb“ von Apfelgehölzen basieren nicht auf Ergebnissen von Untersuchungen, die mit entsprechenden Fragestellungen angestellt worden sind, weil sich der Verfasser schon seit einigen Jahren im Ruhestand befindet. Es ist aber sein Anliegen, diese Gedanken zur Diskussion zu stellen. Sollten diese in der Zukunft eine Bestätigung finden, könnten möglicherweise auch noch Zusammenhänge zwischen zwei weiteren Fakten und der mechanischen Zerstörung der Faserwurzeln durch die Volumenvergrößerung der Vesikel in Betracht gezogen werden.

Von Otto und Winkler (1995) sind Untersuchungen durchgeführt worden, in wieweit neben Faserwurzeln von Malus-Arten auch andere Arten aus der Familie der Rosaceae durch wurzelpathogene Aktinomyzeten befallen werden. Bei diesen Untersuchungen ist auch die Häufigkeit der Besiedlung der Faserwurzeln durch die VAM mit erfasst worden. Neben anderen Rosaceae-Arten ist auch bei Rosa glauca eine Besiedlung der Faserwurzeln durch die AM festgestellt worden. Man könnte also unterstellen, dass es auch in diesem Fall zu ähnlichen Vorgängen in den Faserwurzeln kommt, wie bei den Apfelgehölzen. Es wäre also zu prüfen, ob entsprechende Ähnlichkeiten im Wuchsverhalten der Rosen damit in Zusammenhang stehen. Schließlich kommt es auch bei der Rose nach der ersten Blüte zu einem Triebabschluss. Mit dem erneuten Austrieb werden neue Blütenstände gebildet, was sich bei günstigen Witterungsbedingungen noch ein drittes Mal wiederholen kann.

Hinsichtlich des „Junifruchtfalls“ hat Saure (2000) darauf hingewiesen, dass im Zusammenhang mit dem Baumschnitt und dem Junifruchtfall bei Apfelgehölzen noch viele Fragen zu klären sind. Dass bei diesen Vorgängen der Wuchsstoffhaushalt der Gehölze eine zentrale Rolle spielt, wird von ihm hervorgehoben. Ohne auf Details der sehr sensiblen Reaktionen im Wechselspiel der Wuchsstoffe einzugehen, könnte allein die zeitliche Übereinstimmung der möglichen Schädigung der Faserwurzeln durch die Volumenzunahme der Vesikel der AM mit den damit verbundenen Veränderungen im Wuchsstoffhaushalt der Gehölze und dem Junifruchtfall Veranlassung sein, auch über solche Zusammenhänge nachzudenken.

Literatur

Friedrich, G., H. Preusse, 1970: Obstbau in Wort und Bild. Radebeul, Neumann Verlag.

Hilkenbäumer, F., 1964: Obstbau. Berlin und Hamburg, Verlag Paul Parey.

Kobel, F., 1954: Lehrbuch des Obstbaues auf physiologischer Grundlage. Berlin-Göttingen-Heidelberg, Springer-Verlag.

Otto, G., 1959: Vesikel der endotrophen Mykorrhiza im Zentralzylinder der Wurzeln von Apfelsämlingen, Die Naturwissenschaften 46, 7.

Otto, G., 1962a: Das Auftreten und die Entwicklung der endotrophen Mykorrhiza an ein- bis dreijährigen Apfelsämlingen auf verschiedenen Standorten. I. Teil: Häufigkeit, Intensität und morphöologische Merkmale der endotrophen Mykorrhiza. Zentralbl. f. Bakteriol., Parasitenkde., Infektionskrh. und Hygiene, II Abt. 115, 404-438.

Otto, G., 1962b: Das Auftreten und die Entwicklung der endotrophen Mykorrhiza an ein- bis drei-jährigen Apfelsämlingen auf verschiedenen Standorten. II. Teil: Beziehungen zwischen der endotrophen Mykorrhiza und den Faktoren Pflanze und Standort. Zentralbl. f. Bakteriol., Parasitenkde., Infektionskrh. und Hygiene, II Abt. 115, 525-544.

Otto, G., H. Winkler, 1977: Untersuchungen über die Ursache der Bodenmüdigkeit bei Obstgehölzen. VI. Nachweis von Aktinomyzeten in Faserwurzeln von Apfelsämlingen in Böden mit verschiedenen Müdigkeitsgraden. Zentralbl. f. Bakteriol., Parasitenkde., Infektionskrh. und Hygiene, II Abt. 132, 593-606.

Otto, G., H. Winkler, 1993: Colonization of rootlets of apple seedlings from replant soils by actinomycetes and endotrophic mycorrhiza, Acta horticulturae 324, 53-59.

Otto, G., H. Winkler, 1995: Nachweis von Actinomyceten und Auftreten der endotrophen Mycorrhiza in den Faserwurzeln von Ziergehölzen aus der Familie der Rosaceae. Zeitschr. Pflanzenkrankh. und Pflanzenschutz 102, 599-605.

Otto, G., H. Winkler, 1996: Influence of root pathogenic actinomycetes on the trimming of the rootlets of some species of rosaceae. Acta horticulturae 477, 49-54.

Otto, G., H. Winkler, K. Szabó, 1993: Investigations about the Course of Infestation of Rootlets of Apple Seedlings by Root Pathogenic Actinomycetes in Soils with Specific Apple Replant Disease. Zentralbl. Mikrobiol. 148, 467-476.

Otto, G., H. Winkler, K. Szabó, 1994: Influence of growth regulators on the infection of rootlets of apple seedlings in SARD soils by actinomycetes. Acta horticulturae 363, 101-107.

Saure, M., 2000: Physiologische Grundlagen des Obstbaumschnittes., In: Friedrich, G., M. Fischer: Physiologische Grundlagen des Obstbaues. Stuttgart, Verlag Eugen Ulmer, 314-322.

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Szabó, K., H. Winkler, H. Petzold, R. Marwitz, 1996: Evidence for the pathogenicity of actinomycetes in rootlets of apple seedlings from soils conducive to specific apple replant disease. Acta horticulturae 477, 55-65.

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Winter, F., H. Janssen, W. Kennel, H. Link, R. Silbereisen, 1974: Lucas´Anleitung zum Obstbau. Stuttgart, Verlag Eugen Ulmer.


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