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Originalarbeit

Schätzen der Befallsstärke – (k)ein Problem

Assessing disease severity – no problem?

Eckard Moll1, Kerstin Flath2 und Jörg Sellmann1
Institut
Julius Kühn-Institut – Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen, Zentrale Datenverarbeitung, Kleinmachnow1
Julius Kühn-Institut – Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen, Institut für Pflanzenschutz in Ackerbau und Grünland, Kleinmachnow2

Journal für Kulturpflanzen, 61 (12). S. 440–442, 2009, ISSN 0027-7479, DOI: 10.5073/JfK.2009.12.02, Verlag Eugen Ulmer KG, Stuttgart

Kontaktanschrift
Dr. Eckard Moll, Julius Kühn-Institut – Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen, Zentrale Datenverarbeitung, Stahns­dorfer Damm 81, 14532 Kleinmachnow, E-Mail: eckard.moll@jki.bund.de
Zur Veröffentlichung angenommen
Juli 2009

Zusammenfassung

Die Bewertung der Resistenz von Getreidesorten erfordert eine möglichst genaue Schätzung des Befalls mit unterschiedlichen Blatt- und Ährenkrankheiten. Mit Hilfe der vorliegenden Webanwendung kann das Schätzen des prozentualen Befalls auf der Grundlage von konstruierten Befallsbildern trainiert werden. Dies erhöht die Genauigkeit, Vergleichbarkeit und Reproduzierbarkeit von Befallsschätzungen schon nach kurzer Übungszeit. Die Webanwendung ist im Internetangebot des Julius Kühn-Institutes – Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen verfügbar.

Stichwörter: Pilzliche Krankheiten, Getreide, Schadbilder, Befallsstärke

Abstract

Disease assessment of the resistance of cereal cultivars to various leaf and ear diseases requires estimations of disease severity that are as accurate as possible. Assessment of the percentage of diseased area can be practised with the given web application based on constructed drawings of cereal diseases. Thus, accuracy, comparability and reproducibility of disease assessments can be increased after a short time of practising. The web application is available on the webpage of the Julius Kühn-Institute – Federal Research Centre for Cultivated Plants.

Key words: Fungal diseases, cereals, symptoms, disease severity

Einleitung

Befallsschätzungen von Getreidekrankheiten sind ein grundlegendes Kriterium für die Bewertung der Resistenz von Zuchtstämmen und kommerziellen Sorten. Sie sollten die Einheitlichkeit zwischen unterschiedlichen Boniteuren, eine möglichst hohe Arbeitsgeschwindigkeit und vor allem die Reproduzierbarkeit der Ergebnisse über die Standorte und Jahre gewährleisten (Cooke, 2006). Eine Befallseinschätzung mit Hilfe von Boniturnoten ist selbst bei neunstufiger Skalierung recht grob, hat aber Tradition. Die Einschätzung des prozentualen Befalls eines Blattes oder einer Ähre, d. h. des Anteils der befallenen Fläche an der Gesamtfläche, wird noch nicht durchgängig vorgenommen, ist jedoch im Vergleich zu Boniturnoten wesentlich genauer. Die Genauigkeit des Schätzens des prozentualen Befalls ist aber auch ein Problem, das es gilt, so gering wie möglich zu halten. Das menschliche Auge ist in der Lage, kleinste Abweichungen zu erkennen, wenn eine Bezugsbasis existiert. Für Befallseinschätzungen könnten das ‚kein Befall’ und ‚vollständiger Befall’ sein, also 0 % und 100 %. Im Allgemeinen fallen Schätzungen eines sehr geringen Befalls genauer als die eines höheren Befalls aus. Ab etwa 20 % Befall neigt man stärker zu Überschätzungen, d. h. der Befall wird höher eingeschätzt als er tatsächlich ist. Hinzu kommt, dass der Befall auch von geübten Boniteuren auf ein Prozent genau nur im unteren Befallsbereich geschätzt werden kann. Im mittleren und hohen Befallsbereich kann nur mit einer Genauigkeit von etwa 5 % und größer gerechnet werden. Während das Schätzen des Befalls eines Blattes einer Flächenbetrachtung ähnelt, kommt beim Schätzen des Befalls einer Ähre noch die räumliche Komponente hinzu.

Die Genauigkeit der Befallsschätzungen kann vor allem durch ein gezieltes Training der Boniteure verbessert werden. Dazu wurden in der Vergangenheit bereits einfache, computergesteuerte Trainingsprogramme, wie zum Beispiel DISTRAIN (Tomerlin und Howell, 1988) und Disease.Pro (Nutter und Schultz, 1994) entwickelt, mit denen das Schätzen unterschiedlicher Befallswerte geübt werden konnte. Im vorliegenden Beitrag werden die Grundlagen aufgeführt, das Schätzen des Befalls mit einer neu entwickelten Webanwendung zu trainieren.

Material und Methode

Um das Schätzen des Befalls zu erlernen, bedarf es einer Software, die Schadbilder für eine vorgegebene Befallsstärke erzeugt, oder einer Datenbasis mit vielen, sehr genau konstruierten Schadbildern. Die Autoren haben sich für die zweite Variante entschieden. Für die folgenden pilzlichen Krankheiten im Getreide liegen jeweils eine Abbildung des natürlichen Befalls und gezeichnete Schadbilder vor:

Blumeria graminis (DC.) E.O. Speer f. sp. tritici Em. Marchal (Echter Mehltau des Weizens)

Blumeria graminis (DC.) E.O. Speer f. sp. hordei Em. Marchal (Echter Mehltau der Gerste)

Pyrenophora teres Drechs. (Netzfleckenkrankheit der Gerste)

Septoria tritici Roberge in Desmaz., Stagonospora nodorum (Berk.) Castell. & E.G. Germano (Septoria-Blattdürre des Weizens, Stagonospora-Blattbräune des Weizens)

Stagonospora nodorum (Berk.) Castell. & E.G. Germano (Stagonospora-Spelzenbräune des Weizens)

Fusarium culmorum (W.G. Smith) Sacc., Fusarium graminearum Schwabe (Partielle Weißährigkeit des Weizens)

Puccinia striiformis Westend. (Gelbrost des Weizens)

Puccinia triticina Eriks., Puccinia hordei Otth (Braunrost des Weizens, Zwergrost der Gerste)

Rhynchosporium secalis (Oudem.) J. J. Davis (Rhynchosporium-Blattkrankheit der Gerste)

Pyrenophora tritici-repentis (Died.) Drechs. (Pyrenophora-Blattdürre des Weizens)

Jedes Schadbild wurde in CorelDRAW schrittweise konstruiert, wobei die Anzahl der Pixel der den Befall charakterisierenden Fläche jeweils so lange ins Verhältnis zu den Pixeln der Gesamtfläche gesetzt wurde, bis der zu konstruierende prozentuale Befall erreicht wurde. Basis dafür war eine im Julius Kühn-Institut entwickelte JAVA-Applikation zur Ermittlung der Schwarz- und Weißanteile einer definierten Fläche. Befallene Blattflächen und Ähren wurden jeweils für folgende Befallswerte konstruiert: 0,3 %, 0,5 %, 0,75 % und 1 %, weiter bis 50 % in Einerschritten, bis 70 % in Schritten von 2 %, dann 75 %, 80 % und 90 %. Die idealisierte Farbgebung erfolgte in Anlehnung an natürliche Schadbilder. Mit dem Schadbild, das keinen Befall kennzeichnet, sind das für die genannten Krankheiten jeweils 67 einzelne Bilder, insgesamt also 670 Bilder. Zwei der Bilder sind in der Abb. 1 dargestellt. Der Befall des Blattes mit Echtem Mehltau der Gerste beträgt genau 13 % und der der Ähre mit Stagonospora-Spelzenbräune des Weizens genau 27 %.

Abb. 1. Schadbilder, deren prozentualer Befall zu schätzen ist.

Abb. 1. Schadbilder, deren prozentualer Befall zu schätzen ist.

Um das Schätzen des Befalls zu erlernen, wurden drei sich überlappende Teilbereiche gebildet:

• Befall bis einschließlich 15 %: geringer Befall,

• Befall von 10 % bis 40 %: mittlerer Befall und

• Befall größer als 30 %: hoher Befall


Ist die Entscheidung für eine der o. g. Krankheiten und für einen dieser Befallsbereiche gefallen, wird aus dem entsprechenden Befallsbereich ein Bild zufällig ausgewählt, für das der Nutzer den prozentualen Befall schätzt. Dieser Vorgang kann wiederholt erfolgen. Die Abb. 2 veranschaulicht beispielhaft den konstruierten Befall für die genannten Krankheiten. Alle Bilder stehen in einer MySQL-Datenbank, die von einer PHP-Applikation heraus angesprochen werden.

Abb. 2. Verschiedene Schadbilder mit genau konstruierter Befallsstärke.

Abb. 2. Verschiedene Schadbilder mit genau konstruierter Befallsstärke.

Ergebnisse und Diskussion

Die Webanwendung zum Erlernen von Befallsschätzungen ist im Internetangebot des Julius Kühn-Instituts unter www.jki.bund.de unter > Pflanzen schützen > Krankheiten bestimmen, Quantitative Befallsschätzung von Getreidekrankheiten zu finden. Ein direkter Zugang über die URL http://prozentualer-befall.jki.bund.de ist auch möglich.

Erste Erfahrungen zeigen, dass die Unterteilung des Befalls in die drei Teilbereiche für das Erlernen des Befallsschätzens vorteilhaft ist. Eine relativ kurze Übungszeit am Rechner vor einer Bonitur erhöht die Sicherheit und Genauigkeit der Schätzung wesentlich. Es zeigt sich aber auch, dass dieses Üben vor einer Bonitur immer dazu gehören muss. Von Vorteil ist, dass man sich für jede der aufgeführten Krankheiten ein Boniturschema mit konstruierten Befallsbildern für 0,5, 1, 3, 5, 10, 20, 30, 40, 50, 60 und 70% zusammenfassend anzeigen lassen kann. Das Boniturschema kann als Bild gespeichert werden und somit bei der Bonitur zur Hand sein.

Danksagung

Die Konstruktion der Schadbilder konnte von den Autoren nicht allein bewältigt werden. Deshalb soll für die tatkräftige Unterstützung bei der enormen Arbeit des Erstellens der Schadbilder den Kolleginnen R. Gewinnus, L. Preuss, I. Tessenow und S. Weissenberg vielen Dank gesagt werden.

Literatur

Cooke, B.M., 2006: Disease assessment and yield loss. In: Cooke, B.M., D. Gareth Jones, B. Kaye (Eds.): The Epidemiology of Plant Diseases. 2nd Ed., Dordrecht: Springer, 43-75.

Nutter, F.W., P.M. Schulz, 1995: Improving the accuracy and precision of disease assessments: selection of methods and use of computer-aided training programs. Canadian Journal of Plant Pathology 17, 174-184.

Tomerlin, J.R., T.A. Howell, 1988: DISTRAIN: A computer program for training people o estimate disease severity on cereal leaves. Plant Disease 72, 455-459.


ISSN (elektronisch): 1867-0938
ISSN (print): 1867-0911
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