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Originalarbeit – Kurzmitteilung

Biologische Schädlingsbekämpfung mit Insekten und Milben – Probleme und Lösungsansätze

Biological Control with Insects and Mites – Problems and Solution Statements

Peter Katz
Institut
Katz Biotech AG, Baruth

Journal für Kulturpflanzen, 62 (3). S. 63–65, 2010, ISSN 0027-7479, DOI: 10.5073/JfK.2010.03.01, Verlag Eugen Ulmer KG, Stuttgart

Kontaktanschrift
Dr. Peter Katz, Katz Biotech AG, An der Birkenpfuhlheide 10, 15837 Baruth/Mark, E-Mail: p.katz@katzbiotech.de
Zur Veröffentlichung angenommen
Februar 2010

Zusammenfassung

Der Erfolg einer biologischen Schädlingsbekämpfung hängt von der rechtzeitigen Anlieferung leistungsfähiger Nützlinge und dem richtigen Einsatz ab. Die zeitliche Steuerung der Produktion und die Erhaltung einer leistungsfähigen Nützlingspopulation sind deshalb von zentraler Bedeutung. Lange Transportwege und ungünstige Transportbedingungen können die Qualität der Nütz­linge vermindern und die Ursache von Misserfolgen sein. Im Allgemeinen ist die biologische Schädlingsbekämpfung mit Nützlingen dort erfolgreich, wo dem Gärtner kompetente Berater zur Seite stehen.

Stichwörter: Biologische Schädlingsbekämpfung, Nützling, Gewächshaus

Abstract

The success of biological pest control is dependent on the timely delivery of effective beneficials and their correct use. Therefore, the timing of culturing and the maintenance of a high potential population in culture is very important. The quality of the beneficials can be reduced if the routes of transport are very long and the conditions on transport are bad. This can sometimes be the reason for failure. In general, biological pest control works well in greenhouses where professional advisors are present.

Key words: Biological pest control, beneficial, greenhouse

Einleitung

Ziel eines Nützlingsproduzenten bzw. eines Nützlingsvertreibers ist es, dem Anwender kostengünstig zum richtigen Zeitpunkt, in ausreichender Menge und guter Qualität Nützlinge zur Verfügung zu stellen. Gelingt ihm das nicht, verlieren seine Kunden das Vertrauen in biologische Pflanzenschutzmaßnahmen, oder er verliert sie an den Wettbewerber.

Produktion

Die Bereitstellung der richtigen Nützlingsmenge zum richtigen Zeitpunkt ist nicht einfach. Die Produktions­zyklen bei nützlichen Insekten und Milben sind sehr lang. Darüber hinaus ist die Nachfrage sehr schwer zu prognostizieren, da das Schädlingsauftreten und damit die Nachfrage von nicht vorhersagbaren Faktoren abhängen. Eine weitere Schwierigkeit ist, dass die Produkte nur begrenzt lagerfähig sind und dadurch die Produktion direkt an der Nachfrage orientiert werden muss. So dauert beispielsweise ein Produktionsdurchlauf bei der Raubmilbe Phytoseiulus persimilis ca. 4 bis 5 Wochen (Abb. 1). Eine Lagerung des Produkts ist maximal eine Woche möglich. Die Nachfrage ist sehr stark von Witterungsfaktoren abhängig. In Jahren mit kühler Witterung im Frühjahr kann sich der Kulturbeginn bei wichtigen Kulturen um mehrere Wochen verzögern und damit auch der Einsatz dieser Raubmilben. Da es für einen Nützlingsproduzenten notwendig ist, ein hohes Maß an Lieferfähigkeit zu halten, kommt es in diesen Jahren dazu, dass ein Teil der Produktion nicht verkauft werden kann und vernichtet werden muss. Die Kosten für die Produktion stehen dann nicht entsprechenden Erträgen gegen­über und die Wirtschaftlichkeit dieser Kultur verschlechtert sich.

Abb. 1. Massenvermehrung von Phytoseiulus persimilis: Die Buschbohnen auf dem Rollmobiltisch sind mit Spinnmilben aus einer Basisvermehrung belegt. Die Ausbringung von Raubmilben erfolgt zu einem späteren Zeitpunkt.

Abb. 1. Massenvermehrung von Phytoseiulus persimilis: Die Buschbohnen auf dem Rollmobiltisch sind mit Spinnmilben aus einer Basisvermehrung belegt. Die Ausbringung von Raubmilben erfolgt zu einem späteren Zeitpunkt.

Um kostengünstig eine große Menge an Insekten und Milben bereitzustellen, erfolgt die Vermehrung unter optimalen Bedingungen, d.h. bei optimalen Klimabedingungen und bei hohen Beute- bzw. Wirtsdichten. Da immer nur eine Nützlingsart vermehrt wird, ist eine zwischenartliche Konkurrenz ausgeschlossen. Aus Gründen der Wirtschaftlichkeit werden hohe Individuendichten und schnelle Durchlaufzeiten in der Produktion angestrebt. Oftmals gelingt dies auch unter Einsatz von Ersatznahrung. Als Beispiel sind der Einsatz von Modermilben (Tyrophagus sp.) in der Produktion von Ambly­seius cucumeris oder die Verwendung von synthetischem Futter bei der Produktion von Chrysoperla carnea zu nennen.

Diese Situation in der Massenvermehrung kann ungünstige Effekte zur Folge haben. Es ist zu erwarten, dass eine Selektion in eine für die Anwendung ungüns­tige Richtung erfolgt. So ist davon auszugehen, dass sich die Widerstandsfähigkeit gegenüber ungünstigen klimatischen Bedingungen reduziert und sich die Fähigkeit der Beute- bzw. Wirtsfindung verringert. Möglicherweise erhöht sich auch die Neigung zu Kannibalismus. Da unter den Bedingungen einer Massenvermehrung aber auch zu erwarten ist, dass Individuen mit erhöhter Fruchtbarkeit ihren Anteil an der Population erhöhen und auch eine schnellere Entwicklungszeit unter Vermehrungsbedingungen gefördert wird, sind auch positive Effekte möglich.

Die Sonderbedingungen in einer Massenvermehrung begünstigen auch die Akkumulation von Krankheiten. Durch die unnatürlich hohen Dichten der Nützlinge ist eine Krankheitsübertragung leicht möglich. Die gegen­über dem Freiland günstigen Klima- und Ernährungs­bedingungen ermöglichen es auch Individuen, deren Fitness aufgrund von Krankheiten reduziert ist, in der Population zu überdauern. Darüber hinaus wird unter Temperaturbedingungen kultiviert, die auch für Krankheitserreger günstig sind.

Eine Erkennung einer ungünstigen Entwicklung in der Produktion von Nützlingen ist möglich, wenn gravie­rende Veränderungen auftreten, aber sehr schwierig, wenn diese Veränderungen schleichend stattfinden. Eine Bestimmung der wirklichen Leistungsfähigkeit der Nützlinge unter Einsatzbedingungen ist extrem aufwändig und in der Praxis während des Vermehrungsprozesses nicht durchführbar. Mit den von der IOBC entwickelten Testverfahren zur Nützlingsqualität ist es möglich ein­zelne Parameter, wie z.B. die Fekundität, zu bestimmen, sie können aber nur sehr begrenzt die Grundlage für die Bestimmung der tatsächlichen Leistungsfähigkeit des produzierten Nützlings sein. Hierzu müssten weit umfangreichere Tests durchgeführt werden. Aus Kostengründen ist dies für einen Nützlingsproduzenten nicht möglich. Strategien zur Erhaltung der Leistungsfähigkeit bzw. die Vermeidung von Krankheiten in einer Ver­mehrungspopulation sind die Selektion auf bestimmte Eigenschaften in der Basispopulation, das Einbringen von Freilandmaterial und die Behandlung mit Pharmazeutika. Eine Selektion auf Widerstandsfähigkeit gegenüber extremen Klimabedingungen oder auf Fruchtbarkeit ist relativ einfach durchzuführen, dagegen ist eine Selektion auf verbessertes Beute- bzw. Wirtsfindungs­vermögen extrem aufwändig und unter Praxisbedingungen nicht machbar. Ein Einbringen von Freilandmaterial wirkt sich i.d.R. positiv aus, aber es besteht immer die Gefahr einer Einschleppung von Krankheiten. Um dies zu vermeiden, bedarf es aufwändiger Quarantänemaßnahmen bzw. der Fähigkeit, vorhandene Krankheiten mittels einfacher Diagnoseverfahren zu erkennen. Dies ist nur in wenigen Fällen möglich. Die Verwendung von Pharmazeutika, z.B. Antibiotika beim Auftreten von Bakteriosen, wird teilweise durchgeführt, negative Begleiteffekte sind jedoch nicht auszuschließen.

Transport

Auf dem deutschen Markt sind mehr als 40 Insekten- und Milbenarten für die biologische Bekämpfung im geschützten Anbau erhältlich. Kein Nützlingsproduzent vermehrt alle der angebotenen Arten. Weniger als 50 % dieser Arten werden in Deutschland produziert. Der Marktanteil der in Deutschland produzierten Arten am deutschen Markt schwankt in Abhängigkeit von der Art stark. So ist die Marktabdeckung in Deutschland durch deutsche Produzenten z.B. bei Chrysoperla carnea sehr hoch, bei Aphidoletes aphidimyza sehr gering. Daraus resultiert, dass in Deutschland eingesetzte Nützlinge teilweise sehr weit und über mehrere Zwischenstationen hinweg transportiert werden. So werden wichtige Arten z.B. in Marokko, Israel oder Kenia produziert und kommen dann über Zwischenhändler in Holland, Belgien oder Dänemark zu deutschen Verteilern, die ihrerseits die Nützlinge an die Anwender weitertransportieren. Inwieweit durch diese langen Transportwege die Qualität der Nützlinge leidet, hängt von den Transportbedingungen, der Transportdauer und der Empfindlichkeit der Nützlinge ab. Generell sind als Puppen transportierte Nützlinge, wie dies z.B. bei Encarsia formosa oder Aphidoletes aphidimyza der Fall ist, weniger empfindlich als Nützlinge, die im Adultstadium versandt werden. Beispiele für als adulte Tiere versandte Tiere sind die Schlupfwespe Dacnusa sibirica oder verschiedene Schildlausparasitoiden. Raubmilben wie Amblyseius cucumeris und Amblyseius swirskii, die im Vermehrungssubstrat transportiert werden, nehmen eine Mittelstellung ein. Transportbedingungen und Transportgeschwindigkeit unterscheiden sich bei werthaltigen Sendungen und Sendungen mit geringwertigem Inhalt. Im ersteren Fall lohnt es sich, einen höheren finanziellen Aufwand zu treiben um das Produkt schnell, sicher und gut klimatisiert an den Empfänger zu senden. Bei geringwertigen Sendungen lohnt sich dies nicht. Entsprechend sind durch den Transport verursachte Qualitätseinbußen beim Versand großer Einheiten geringer als bei kleinen Sendungen zum Endabnehmer. Eine Erhöhung des Transportaufwandes macht hier aber aus ökonomischen Gründen keinen Sinn.

Anwendung

Der Nützlingseinsatz unter Glas funktioniert dort, wo der Schädlingsbefall frühzeitig erkannt oder vorbeugend gearbeitet wird. Er funktioniert dort, wo es gelingt, den richtigen Nützling und die richtige Nützlingsmenge einzusetzen und wo dieser Einsatz mit den chemischen Pflanzenschutzmaßnahmen abgestimmt wird. Dies ist in großen Betrieben der Fall, die in der Lage sind, Personal speziell für den biologischen Pflanzenschutz abzustellen, und es ist dort der Fall, wo Betriebe durch externe Berater für den biologischen Pflanzenschutz unterstützt werden. Kleine und mittlere Betriebe sind oftmals aufgrund der vielfältigen Belastung nicht in der Lage, im Bereich des Nützlingseinsatzes das Wissen für eine erfolgreiche Anwendung aufzubauen. Werden diese Betriebe nicht durch Berater unterstützt, scheitert der biologische Pflanzenschutz in vielen Fällen. Eine weitere Ausbreitung biologischer Pflanzenschutzmaßnahmen in Deutschland hängt deshalb in hohem Maße davon ab, inwieweit es gelingt, die Beratung auszubauen. Aufgrund der Finanzsituation ist dies bei der staatlichen Beratung nicht zu erwarten.

Herausforderungen

Für die Zukunft werden im Bereich der biologischen Schädlingsbekämpfung in Deutschland eine Reihe von Problemen anzugehen sein. Schädlinge wie z.B. die Miniermotte Tuta absoluta drängen nach Deutschland und gefährden die Kulturen. Bekannte Schädlinge wie Thripse, Zikaden und Wiesenwanzen nehmen aufgrund von Resistenzbildung gegenüber integrierbaren Insektiziden bzw. aufgrund veränderter Witterungsbedingungen zu. Dies erfordert die Entwicklung bzw. Weiter­entwicklung biologischer Verfahren. Im Jahr 2009 war darüber hinaus festzustellen, dass im Bereich der gärtnerischen Kulturen wieder chemische Pflanzenschutzmittel zum Einsatz kamen, die mit dem Einsatz von Nützlingen nicht vereinbar sind, z.B. der Einsatz von Neonicotinoiden in Weihnachtssternen. Ein solcher Rückfall in überholte Pflanzenschutzstrategien sollte verhindert werden.

Im Bereich der biologischen Schädlingsbekämpfung ist eine Reihe von Herausforderungen zu meistern. Dazu bedarf es einer verbesserten finanziellen Ausstattung der Einrichtungen, die sich mit diesem Thema befassen.


ISSN (elektronisch): 1867-0938
ISSN (print): 1867-0911
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