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Originalarbeit – Kurzmitteilung

Erfahrungen mit dem biologischen Pflanzenschutz im Ackerbau in Deutschland

Biological Control in Arable Crops in Germany

Udo Heimbach
Institut
Julius Kühn-Institut – Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen, Institut für Pflanzenschutz in Ackerbau und Grünland, Braunschweig

Journal für Kulturpflanzen, 62 (3). S. 89–92, 2010, ISSN 0027-7479, DOI: 10.5073/JfK.2010.03.07, Verlag Eugen Ulmer KG, Stuttgart

Kontaktanschrift
Dr. Udo Heimbach, Julius Kühn-Institut – Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen, Institut für Pflanzenschutz in Ackerbau und Grünland, Messeweg 11/12, 38104 Braunschweig, E-Mail: udo.heimbach@jki.bund.de
Zur Veröffentlichung angenommen
Februar 2010

Zusammenfassung

Anders als im Ökoanbau spielt der biologische Pflanzenschutz im konventionellen Ackerbau in Deutschland bisher, bis auf Ausnahmen, nur eine sehr geringe Rolle. Es fehlt an finanziellen Anreizen für die Landwirte, biologische Verfahren anzuwenden, da diese meist deutlich teurer und auch unsicherer in der Wirkung sind. Außerdem ist ein hohes Maß an speziellem Fachwissen und eine aufwendigere Beratung notwendig; beides ist oft nicht gegeben.

Stichwörter: Ackerbauliche Kulturen, Biologischer Pflanzenschutz

Abstract

Biological control in arable crops is of minor importance in German conventional agriculture though there are a few exceptions. Reasons for this are the usually higher costs as well as lower efficiency and greater variability of effects of biological methods. In addition, a high degree of expert knowledge and intensive advice are necessary for a successful use of biological control, but both these factors are often missing.

Key words: agricultural crops, biological control methods

Einleitung

In dieser kurzen Übersicht soll unter biologischem Pflanzenschutz neben dem Einsatz von nützlichen Organismen als Gegenspielern von für Pflanzen oder Pflanzen­erzeugnissen schädlichen Organismen auch der Einsatz von Extrakten von Pflanzen oder Mikroorganismen und gezielte Förderungsmaßnahmen zur Schonung oder Etablierung und Ausbreitung dieser Antagonisten gerechnet werden.

Einsatz von Antagonisten

Die gezielte Freisetzung von Nematoden zur Regulierung von Bodenschädlingen ist in einigen wertvollen Kulturen bereits möglich, im Ackerbau zeichnen sich erste breitere Einsatzmöglichkeiten mit Nutzung von Heterorhabditis bacteriophora gegen Larven des Westlichen Maiswurzelbohrers (Diabrotica virgifera virgifera) ab. Noch ist kein fertiges und preislich für den Maisanbau akzeptables Produkt auf dem Markt, die Entwicklung hierzu ist aber viel versprechend. In der Regel sind die Kosten in Rela­tion zur möglichen Wertschöpfung für Ackerbaukulturen zu hoch, wie z.B. für den Einsatz von Phasmarhabditis hermaphrodita gegen Schnecken.

Für den Einsatz von antagonistischen Pilzen gegen­über Schadinsekten im Ackerbau liegen derzeit keine Zulassungen vor. Die Nutzung von Stämmen von Beauveria bassiana, Beauveria brongniartii oder Metarhizium anisopliae gegen Drahtwurm oder Engerlinge ist bei letzteren zwar auch im Feld erfolgreich, aber preislich für den Ackerbau nicht adäquat. Bei Drahtwurm ist die Wirkung im Feld noch recht unsicher. Granuloseviren wären z.B. gegen Erbsenwickler sicher entwickelbar, jedoch nur zu hohen Preisen. Larven des Kartoffelkäfers lassen sich mit einem Bacillus thuringiensis-Präparat bekämpfen, dass allerdings ab 2010 nicht mehr zugelassen ist und dessen Zulassung bisher noch nicht verlängert wurde. Das Mittel fand vorwiegend im Ökoanbau Verwendung. Ein weiteres Bacillus thuringiensis-Präparat kann gegen den Maiszünsler eingesetzt werden, aber auch hier ist die Zulassung bisher nicht längerfristig.

Breitere Anwendung hat bei der Freisetzung von Nutzarthropoden im Ackerbau bisher nur die Erzwespe Trichogramma brassicae gefunden. Die Maiszünsler­bekämpfung wird seit vielen Jahren auf großer Fläche (mehr als 15 000 ha), oft unterstützt durch regionale Förderprogramme, erfolgreich mit diesem Eiparasitoid durchgeführt (Abb. 1). Auch der Einsatz von Contans, einem Produkt auf Basis des Pilzes Coniothyrium minitans, zur Reduktion des Sklerotinia-Befalls (Abb. 2) hat zugenommen und ist sogar preislich mit chemischen Produkten konkurrenzfähig. Zur Bekämpfung verschiedener samenbürtiger Krankheiten an Getreide (Abb. 3) steht seit kurzem ein auf einem Bakterium (Pseudomonas chlororaphis MA 342) basierendes Mittel zur Verfügung. Ob es über den Ökoanbau hinaus auch im konventionellen Ackerbau Anwendung finden wird, bleibt abzu­warten.

Abb. 1. Parasitiertes Eigelege des Maiszünslers mit z.T. bereits von Trichogramma brassicae verlassenen Wirtseiern (eine frisch geschlüpfte Wespe befindet sich in der Mitte des Fotos).

Abb. 1. Parasitiertes Eigelege des Maiszünslers mit z.T. bereits von Trichogramma brassicae verlassenen Wirtseiern (eine frisch geschlüpfte Wespe befindet sich in der Mitte des Fotos).

Abb. 2. Bei der biologischen Bekämpfung der Sklerotinia-Fäule mit Coniothyrium minitans werden die Sklerotien des Erregers (Foto) im Boden abgebaut.

Abb. 2. Bei der biologischen Bekämpfung der Sklerotinia-Fäule mit Coniothyrium minitans werden die Sklerotien des Erregers (Foto) im Boden abgebaut.

Abb. 3. Der Befall mit Weizensteinbrand (das Foto zeigt die mit Sporen gefüllten Brandbutten) lässt sich durch eine Saatgutbehandlung mit einem Bakterienpräparat vermindern.

Abb. 3. Der Befall mit Weizensteinbrand (das Foto zeigt die mit Sporen gefüllten Brandbutten) lässt sich durch eine Saatgutbehandlung mit einem Bakterienpräparat vermindern.

Einsatz von Extrakten und Stoffwechselprodukten

Extrakte von Pflanzen und Stoffwechselprodukte von Mikroorganismen, die zum Schutz der Pflanzen genutzt werden sollen, müssen als Pflanzenschutzmittel zuge­lassen werden. Solche Produkte haben mittlerweile eine deutlich breitere Nutzung auch im Ackerbau vor allem bei Biobetrieben erfahren. So sind im Markt z.B. ein Produkt mit Extrakten des Neem-Baumes (Wirkstoff Azadirachtin), ein Mittel mit natürlich aus Pflanzen gewonnenem Pyrethrum, ein Mittel mit Stoffwechsel­produkten und Sporen von Bacillus thuringiensis sowie der Wirkstoff Spinosad, der aus Kulturen des Bakteriums Saccharopolyspora spinosa gewonnen wird. Letzterer ist derzeit im Ackerbau nur zur Bekämpfung des Kartoffelkäfers zugelassen. In einigen, aber nicht allen Fällen, sind diese Produkte wirkungsschwächer als die zurzeit genutzten chemisch synthetisierten Pflanzenschutzmittel. Oft sind sie aber teurer.

Extrakte verschiedener Organismen können aber auch als Pflanzenstärkungsmittel die Abwehrkräfte der Kulturpflanze mobilisieren oder Schadorganismen durch Konkurrenz klein halten. Dies kann sowohl für eine Saat oder Pflanzgutbehandlung z.B. mit Bacillus subtilis FZB24 gelten als auch für Spritzanwendungen von Mitteln an Pflanzen.

Bei Unkräutern hat sich bisher noch kein Einsatz von Antagonisten in der Praxis in Deutschland bewährt. Zwar werden auch Unkräuter z.B. von Pilzen und Insekten befallen, diese sind jedoch bisher nicht so geschickt steuerbar, dass Schaden an den Kulturpflanzen verhindert werden kann. Pflanzenextrakte erzielen zwar teils deutliche Wirkung auf Unkräuter, die jedoch nicht lang andauert. Sie haben oft unspezifisch phytotoxische Wirkung auch auf die Kulturpflanze.

Förderung und Schonung von Antagonisten

Die Förderung und Schonung von potentiellen Antagonisten von Schadorganismen ist wohl im Ackerbau die verbreiteteste biologische Maßnahme, auch wenn sie oft nur unbewusst geschieht. Eine direkte Aussetzung von Gegenspielern ist aber im Ackerbau, im Gegensatz zum Unterglasanbau, wegen des großen Anwendungsumfangs, der hohen Mobilität und zwischenartlicher Regulierung (z.B. Hyperparasitierung) wenig aussichtsreich. Sinnvoll dagegen kann die Förderung von Gegenspielern durch Schaffung eines geeigneten Umfelds sein, da so die Häufigkeit und das Ausmaß eines Schadauftretens reduziert werden kann. Nützliche Arthropoden (z.B. Schwebfliegen, Abb. 4), Marienkäfer, Laufkäfer, Spinnen, Parasitoide) können z.B. durch Schaffung von geeigneten Ackerrandstreifen (strukturreich, blütenreich) gefördert werden. Mulchschichten auf dem Boden fördern allgemein das Bodenleben, was das pilzliche Infektionspotential durch Förderung nützlicher Mikroorganismen oder von Regenwürmern reduzieren kann. Auf gemulchtem Boden sind aber auch mehr nützliche Arthropoden zu finden und Blattläuse können so durch mehr Gegen­spieler reduziert werden. Gemulchte Flächen sind auch für die Besiedlung durch Blattläuse weniger attraktiv, Virusinfektionsraten werden so reduziert. Da aber die Schaffung eines geeigneten Umfelds für Antagonisten ökonomisch teurer sein kann, bedarf sie oft eines finan­ziellen Ausgleichs für den Landwirt. Zudem ist der ökonomische Nutzen nur schwer zu fassen. Auch können die Bedingungen für andere Schadorganismen verbessert werden. Der Verzicht auf den Pflug fördert zwar viele Gegenspieler, kann z.B. aber auch die Infektionsraten mit einigen Pilzkrankheiten, den Schneckenbefall und das Maiszünslerauftreten fördern.

Abb. 4. Schwebfliegen sind wichtige Nützlinge im Ackerbau, die es bei Pflanzenschutzmaßnahmen zu schonen gilt.

Abb. 4. Schwebfliegen sind wichtige Nützlinge im Ackerbau, die es bei Pflanzenschutzmaßnahmen zu schonen gilt.

Das Aufstellen von Sitzkrücken für Greifvögel kann eine wirksame Maßnahme gegen Schäden durch Mäuse sein. Förderung des Bodenlebens insbesondere auch von Regenwürmern kann den Infektionsdruck durch Pilzkrankheiten deutlich mildern.

Eine Auswahl von für Antagonisten schonenden Pflanzenschutzmitteln findet im Ackerbau im Gegensatz zu Dauerkulturen und im Unterglasanbau kaum statt. Die Wirkung von Nützlingen wie Parasitoiden, Marien­käfern, Spinnen etc. lässt sich nur schwer in einen monetären Wert umrechnen, so dass es nur einen geringen Anreiz für Landwirte gibt, Mittel gezielt nach ihren Nebenwirkungen auf Antagonisten auszuwählen. Der Nutzen der Auswahl eines schonenden Mittels ist für den Landwirt kaum erkenntlich, obwohl bekannt ist, dass es nach Ausbringung von z.B. Pyrethroiden vermehrt zu Blattlausbefall kommen kann und Untersuchungen in den USA zeigten, dass entomopathogene Pilze im Kartoffelbau durch den intensiven Fungizideinsatz ausgeschaltet werden, was wiederum förderlich für die Blattlaus­entwicklung war.

Resümee

Eine biologische Bekämpfung im Ackerbau dürfte derzeit wohl unter 5% der gezielten Maßnahmen liegen. Größere Anteile werden durch die fast immer deutlich höheren Kosten gegenüber den chemischen Alternativen ver­hindert. Die Lagerung und Verfügbarkeit von lebenden Antagonisten ist oft aufwendig vor allem für die Behandlung großer Areale und die Anwendung mit hohem Beratungsaufwand verbunden. In der Regel ist der Anwendungstermin exakt einzuhalten, die Art der Ausbringung ist sehr spezifisch und vorhandene Technik kann nicht immer genutzt werden. Häufig ist auch der Wirkungsgrad niedrig oder die Wirkung setzt zu langsam ein (z.B. Gegenspieler). Eine bessere Ausbildung des Landwirtes wäre notwendig, da oft Wissen fehlt, um Fehlschläge zu vermeiden.

Biologische Pflanzenschutzmittel wirken in der Regel sehr spezifisch und unterliegen Zulassungskriterien mit aufwendigen Versuchen, die zu hohen Produktpreisen führen und von den meist nur kleinen entwickelnden Betrieben nicht in Vorleistung gebracht werden können. Der ständige Wechsel der Kulturen im Ackerbau und periodisch brach liegende Flächen erlauben nur das Überleben von stark angepassten Gegenspielern und engen das mögliche Spektrum der Antagonisten daher ein.

Trotzdem steigt der Einsatz in letzter Zeit etwas an, da mehr Antagonisten und biologische Produkte zum Einsatz angeboten werden und immer weniger günstige chemische Möglichkeiten zur Verfügung stehen.

Ein hohes Maß an biologischer Regulation findet aber im Ackerbau unbemerkt statt und führt dazu, dass z.B. nicht in jedem Jahr im Getreide Blattläuse schädlich werden.

Eine Reduktion des chemischen Pflanzenschutzes bei Erhaltung eines hohen Ertragsniveaus ist nur möglich, wenn mehr in Beratung und praxisnahe Forschung investiert wird und auch finanzielle Anreize gesetzt werden, biologische Verfahren zu nutzen. Die Entwicklung von biologischen Verfahren und Mitteln müsste mehr gefördert werden und vor allem auch der Wissensstand der Landwirte und der Beratung im Hinblick auf biologische Verfahren erhöht werden. Ein völliger Ersatz des chemischen Pflanzenschutzes durch den biologischen dürfte aber zu deutlichen Ertragsreduktionen und auch zu deutlichen Verschiebungen zwischen den Kulturen führen. Die kürzlich verabschiedete EU-Rahmenrichtlinie zur nachhaltigen Verwendung von Pflanzenschutzmitteln hat als Ziel, die Anwendung chemischer Maßnahmen einzuschränken und weckt daher die Hoffnung, dass die relative Vorzüglichkeit für biologische Verfahren durch gezielte Fördermaßnahmen steigt und mehr Möglichkeiten für eine breitere Anwendung biologischer Verfahren auch im Ackerbau geschaffen werden.


ISSN (elektronisch): 1867-0938
ISSN (print): 1867-0911
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Verantwortlicher Herausgeber
Präsident und Professor
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