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Originalarbeit – Kurzmitteilung

Erfahrungen mit der Zulassung biologischer Pflanzenschutzmittel

Experiences with the registration of biological plant protection products

Rüdiger Hauschild
Institut
GAB Consulting GmbH, Lamstedt

Journal für Kulturpflanzen, 62 (3). S. 116–120, 2010, ISSN 0027-7479, DOI: 10.5073/JfK.2010.03.13, Verlag Eugen Ulmer KG, Stuttgart

Kontaktanschrift
Dr. Rüdiger Hauschild, GAB Consulting GmbH, Hinter den Höfen 24, 21769 Lamstedt, E-Mail: ruediger.hauschild@gab-consult.de
Zur Veröffentlichung angenommen
Februar 2010

Zusammenfassung

Die wichtigsten rechtlichen Rahmenbedingungen und Datenanforderungen für die Zulassung biologischer Pflanzenschutzmittel werden erläutert. Die Erfahrungen aus Zulassungsverfahren für unterschiedliche Mikro­organismen und Produkte werden zusammengefasst dargestellt.

Stichwörter: Zulassung, Biologische Pflanzenschutzmittel, Bewertung, Datenanforderungen, Mikroorganismen, Pheromone, Pflanzenextrakte

Abstract

The legal framework and data requirements for the registration of biological plant protection products are presented. Experiences from this procedure for different micro-organisms and their products are summarised.

Key words: Registration, biological plant protection products, biocontrol agents, evaluation, data requirements, micro-organisms, pheromones, plant extracts

Rechtliche Grundlagen

Die Zulassung biologischer Pflanzenschutzmittel ist wie die der chemischen Pflanzenschutzmittel durch die EU-Richtlinie 91/414 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln sowie durch nationale Pflanzenschutzgesetze geregelt. Die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln in der EU erfolgt dabei in zwei Schritten, der Aufnahme des Wirkstoffs in den Anhang I der Richtlinie 91/414 (Annex I Aufnahme) und anschließend der Zulassung der Produkte in den einzelnen EU-Mitgliedsstaaten.

Bewertung des Wirkstoffs in der EU

Die Bewertung eines Wirkstoffs beginnt mit dem Ein­reichen des Dossiers beim „Berichterstattenden Mitgliedsstaat“ (RMS, „Rapporteur Member State“) durch den Antragsteller. Die Fachbehörden des RMS kontrollieren die Vollständigkeit des Dossiers, bewerten anschließend die vorgelegten Unterlagen und schicken den Bewertungsbericht (DAR, Draft Assessment Report) an die anderen Mitgliedsstaaten, die EU-Kommission, die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA, European Food Safety Authority) und den Antragsteller. Dabei besteht für alle Beteiligten die Möglichkeit, den DAR zu kommentieren. Anschließend organisiert die EFSA einen „Peer review“, an dem die EFSA und alle Mitgliedsstaaten beteiligt sind. Bei der Bewertung durch den RMS sowie beim Peer Review können weitere Daten vom Antragsteller gefordert werden. Die EFSA veröffentlicht schließlich einen wissenschaftlichen Bericht mit den Ergebnissen des „Peer Review“. Schließlich entscheidet die Kommission über die Aufnahme des Wirkstoffs in den Anhang I der Richtlinie 91/414. Die Annex I Aufnahme ist 10 Jahre lang gültig. Für die Bewertung gibt es keine festen Zeitvorgaben.

Nationale Zulassung von Pflanzenschutzmitteln

Die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln erfolgt in den einzelnen Mitgliedsstaaten. Dazu wird den nationalen Behörden ein Dossier vorgelegt, welches anschließend bewertet wird. Auch hier können zusätzliche Daten nachgefordert und eingereicht werden. Wenn keine Einwände der Behörden vorliegen, wird das Produkt zugelassen. Zusätzlich zu den im EU-Verfahren vorgelegten Informationen müssen Daten zur Wirksamkeit des Produkts in der geplanten Anwendung vorgelegt werden. Bei Anwendung im Freiland müssen die Versuche unter Bedingungen durchgeführt werden, die denen im Land, in dem die Zulassung angestrebt wird, entsprechen. Für Anwendungen im Gewächshaus können Daten aus der gesamten EU vorgelegt werden.

Datenanforderungen an Biologische Pflanzenschutz­mittel und ihre Wirkstoffe

Innerhalb der Richtlinie 91/414 werden drei Gruppen von Biologischen Pflanzenschutzmitteln und ihre Wirkstoffe unterschieden. Dabei gelten für Pflanzenextrakte und Semiochemikalien (Pheromone) formal die gleichen Datenanforderungen wie für chemische Wirkstoffe und ihre Produkte. Für Mikroorganismen existieren gesonderte Datenanforderungen, die aus denen der Chemikalien entwickelt wurden, aber an Mikroorganismen angepasst und in vielen Fällen deutlich reduziert wurden. Nützlinge (Arthropoden, entomopathogene Nematoden) werden nicht unter 91/414 geregelt und unterliegen in einigen EU-Mitgliedsstaaten nationaler Gesetzgebung.

Die Datenanforderungen in der EU werden durch die Richtlinie des Rates 91/414/EEC für Chemikalien (einschließlich der Pflanzenextrakte und Pheromone) und durch die Richtlinie der Kommission 2001/36/EC für Aktivsubstanzen, die aus Mikroorganismen bestehen (z.B. Bakterien, Pilze, Protozoen und Viren/Viroide) und deren Produkte geregelt. Im Vergleich der Anforderungen für Mikroorganismen mit denen für chemische Pflanzenschutzmittel zeigt sich, dass das Dossierformat in beiden Fällen sehr ähnlich ist: Studien, Zusammen­fassungen, Bewertung und Schlussfolgerungen werden verlangt. Einige Leitlinien zur Durchführung von Studien und Risikobewertung sind direkt aus der Bewertung chemischer Pflanzenschutzmittel übernommen und können nur bedingt verwendet werden. Spezifische Datenanforderungen für Mikroorganismen gibt es für die Biologie des Organismus, seine Sekundärmetaboliten, sein Infektionspotential an Nicht-Zielorganismen, der Möglichkeit der Sensibilisierung und der Vermehrung in der Umwelt. Die Zulassung von Mikroorganismen erfolgt generell auf Ebene des Stammes. Informationen zu anderen Stämmen der gleichen Art oder nah verwandten Arten der gleichen Gattung können jedoch verwendet werden, wenn diese Arten ähnlich sind. Jeder neue Stamm einer bereits zugelassenen Art wird neu bewertet. Bei Verwendung genetisch veränderter Mikroorganismen werden zusätzlich Daten nach Direktive 2001/18/EC verlangt.

Information zu diesen Datenanforderungen können einerseits aus wissenschaftlichen Veröffentlichungen stammen (vorwiegend auf Ebene der Art) oder aus internen Studien des Antragstellers oder Produzenten (stammspezifisch). Letztere Daten sind oft erforderlich, um den betreffenden Stamm von verwandten und eventuell pathogenen Stämmen oder Arten abzugrenzen. Die Datenanforderungen müssen nicht mit formalen Studien erfüllt werden, wenn eine begründete Argumentation vorgelegt wird.

Datenanforderungen im OECD-Format

In der EU werden Dossiers nach dem OECD-Format verlangt. Dabei sind die Datenanforderungen für den Wirkstoff und das Produkt in Sektionen gegliedert, die in Tab. 1 dargestellt sind.

Tab. 1. Gliederung des OECD-Dossiers nach Sektionen

Sektion #

Wirkstoff

Produkt

Sektion 1

Identität, Biologie

Identität, Formulierung

Sektion 2

Methoden
(Identifizierung, Produktion)

 

Sektion 3

Menschliche
Gesundheit

 

Sektion 4

Rückstände auf
Erzeugnissen, Futter- und Nahrungsmitteln

 

Sektion 5

Verhalten in Boden,
Wasser und Luft

 

Sektion 6

Effekte auf
Nicht-Zielorganismen

 

Sektion 7

 

Wirksamkeit

Identität und Biologie

Formal wird zur Identifizierung des Stammes eine molekularbiologische Methode verlangt, die eine eindeutige Bestimmung und taxonomische Zuordnung dieses Stammes ermöglicht. In einigen Fällen ist die eindeutige Unterscheidung von anderen Stämmen jedoch nicht möglich. Die Herkunft des Stamms und das natürliche Vorkommen der Art müssen dargestellt werden. Weiterhin müssen verwandtschaftliche Beziehungen zu bekannten Pathogenen, der Lebenszyklus, Überleben und Verbreitung in der Umwelt angeben werden. Physiolo­gische Eigenschaften wie Temperaturanforderungen, pH, Nährstoffbedarf, müssen für den Stamm angegeben werden. Besonderen Raum nimmt die Beschreibung der Zielorganismen und möglichen Wirte und der Wirkungsmechanismen ein. Angaben zur Bildung von Sekundärmetaboliten oder Toxinen stellen einen zentralen Teil der Datenanforderungen dar, um potentielle Effekte auf Nicht-Zielorganismen bewerten zu können. Wenn diese Metaboliten Teil des Wirkungsmechanismus sind, werden Daten zur chemischen Identität und zur Quantifizierung im Produkt verlangt.

Menschliche Gesundheit

Zunächst werden allgemeine medizinische Informationen zum Auftreten des Mikroorganismus und zu Berichten über negative Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit aus der publizierten Literatur und der Forschung und Produktion des betreffenden Stammes zusammengefasst. Besonderes Augenmerk liegt dabei auf Berichten zur Sensibilisierung oder Allergenität durch den Mikroorganismus.

Studien zur akuten Toxizität, Pathogenität und Infek­tiösität nach oraler, intratrachealer und intraperitonealer Gabe sind in der Regel erforderlich, können aber durch Publikationen ersetzt werden, wenn der gleiche Stamm beschrieben wurde. In mindestens einer dieser Studien muss die Persistenz des Mikroorganismus in den Versuchstieren bestimmt werden, um Informationen zur Infektivität in Säugetieren zu erhalten. Weiterhin sind Untersuchungen zur Genotoxizität von Metaboliten gefordert. Hier besteht oft das Problem, dass Standardtestsysteme, wie sie für Chemikalien entwickelt wurden, für Mikroorganismen nicht geeignet sind. Studien zur Kurzzeittoxizität, -Pathogenität und -Infektivität werden formal verlangt. Wenn aus den Studien zur akuten Gabe keine Hinweise auf negative Effekte entstehen und der Organismus nicht bei Körpertemperatur von Vögeln und Säugern wächst, kann in der Regel auf diese Studien verzichtet werden, was bei einem Teil der bislang bewerteten Mikroorganismen auch der Fall war.

Rückstände auf Erzeugnissen, Nahrungs- und Futter­mitteln

Rückstandsdaten wie für chemische Pflanzenschutz­mittel und ihre Wirkstoffe werden in der Regel nicht verlangt. Die Persistenz und Wahrscheinlichkeit der Vermehrung des Mikroorganismus auf Erntegut unter Anwendungsbedingungen soll dargestellt werden. Dazu können Literaturangaben und eigene experimentelle Daten verwendet werden. Solange keine negativen Effekte in der Bewertung der Effekte auf die menschliche Gesundheit festgestellt werden, sind keine weiteren Studien erforderlich.

Verbleib und Verhalten in der Umwelt

Hier werden Informationen zur Persistenz und Ver­mehrung des Mikroorganismus in der Umwelt und zur Mobilität in Boden, Wasser und Luft gefordert. Diese Daten können in der Regel aus publizierter Literatur zusammengestellt werden.

Auswirkungen auf Nicht-Zielorganismen

Zur Bewertung der Auswirkungen eines Mikroorganismus und des ihn enthaltenden Pflanzenschutzmittels müssen Daten zu Effekten auf Vögel, Fische, wirbellose Süßwasserlebewesen, Algen, Landpflanzen, Bienen, weitere Arthropoden, Regenwürmer und Bodenmikroorganismen vorgelegt werden. Diese Daten können aus formalen Studien mit dem Produkt oder dem Mikroorganismus allein oder Publikationen stammen. Die geplante Anwendungsmethode und die Kulturen bestimmen darüber hinaus welche Daten im Einzelnen verlangt werden, da die Exposition verschiedener Nichtzielorganismen sehr stark von der Anwendung abhängt.

Identität des Pflanzenschutzmittels

Daten zur Zusammensetzung des Pflanzenschutzmittels werden wie für chemische Pflanzenschutzmittel verlangt: Gehalt des Wirkstoffs in CFU (colony forming units) und Gramm, Gehalt und Funktion von Beistoffen. Der Herstellungsprozess sowie Methoden und Ergebnisse von Reinheit und Qualitätskontrolle sowie die Identifizierung und Quantifizierung von Kontaminanten muss beschrieben werden. Wie für chemische Pflanzenschutzmittel werden ausführliche Daten zu physikalischen, chemischen und technischen Eigenschaften und zur biologischen und technischen Stabilität unter verschiedenen Lagerungsbedingungen verlangt. Diese Daten müssen in der Regel als formale Studien unter GLP generiert werden.

Wirksamkeit des Pflanzenschutzmittels

Daten zur Wirksamkeit des Pflanzenschutzmittels werden im EU-Verfahren zur Annex I-Aufnahme nicht gefordert, werden aber von den nationalen Behörden zur Zulassung eines Produkts verlangt. Dabei unterscheiden sich in den meisten EU-Mitgliedsstaaten die Bedingungen formal nicht von denen für Pflanzenschutzmittel mit chemischen Wirkstoffen.

Daten zur Wirksamkeit müssen für jede Kombination Wirtspflanze – Schädling/Pathogen unter den jeweiligen klimatischen Bedingungen vorgelegt werden. In vielen Mitgliedsstaaten werden allerdings auch modifizierte Versuchsdurchführungen akzeptiert, wenn diese begründet werden. Geringere Wirksamkeit als bei chemischen Mitteln wird auch in der Mehrheit der Mitgliedsstaaten akzeptiert, führt aber in einigen Fällen zu Bemerkungen auf dem Etikett wie „nur bei niedrigem Befallsdruck“ oder ähnlichem.

Zusammenfassung der Datenanforderungen

Zur Erfüllung der Datenanforderungen können Daten aus Publikationen, interne Daten der Antragsteller oder Studien verwendet werden. Die erforderlichen Daten für Nicht-Zielorganismen hängen von der Anwendung des Produkts ab. Studien sind erforderlich, wenn Menschen oder Nicht-Zielorganismen exponiert sind und keine andere Information verfügbar ist.

Erfahrungen

Die Datenanforderungen für biologische Pflanzenschutzmittel sind flexibel. Diese Flexibilität ist darin begründet, dass die Mikroorganismen, die in Pflanzenschutzmitteln verwendet werden, sehr unterschiedlich sind, und die Datenanforderungen jeden denkbaren Organismus ab­decken müssen. Diese Flexibilität bietet dem Antragsteller einerseits Vorteile, da die Möglichkeit besteht, nicht alle Datenpunkte mit einer standardisierten (und oft sehr teuren) Studie abzudecken. Andererseits führt die Flexibilität der Datenanforderungen dazu, dass für den Antragsteller oft nicht klar ist, welche Daten zu einem bestimmten Punkt eingereicht werden sollen. Auch zwischen unterschiedlichen Behörden gibt es oft unterschiedliche Interpretationen der Datenanforderungen, so dass oft während des Verfahrens zusätzliche Daten nachgefordert werden, was zum Teil zu erheblichen Zeit­verzögerungen führt.

Einige Punkte, die recht häufig zu unterschiedlichen Anforderungen der Behörden führen, sind die Bewertung von Metaboliten, mikrobielle Kontaminationen und die Klassifizierung als „sensibilisierend“. In diesen Fällen ist weitere Harmonisierung nötig, und Arbeiten dazu werden unternommen.

Die sehr lange Zeit zwischen Antragstellung und Annex I Aufnahme stellt eines der größten Probleme in der Zulassung biologischer Wirkstoffe dar. Das bislang schnellste Verfahren für einen Mikroorganismus dauerte 58 Monate, wobei Zeitverzögerungen sowohl durch lange Bearbeitungszeiten in den Behörden, aber auch durch Zeitbedarf für zusätzliche Studien entstehen. Auch für nationale Zulassungen nach Annex I Aufnahme werden Fristen von mindestens einem Jahr, oft aber deutlich längere Zeiten benötigt. Die Zulassung von Wirkstoffen und Produkten ist insgesamt sehr zeitaufwendig und kostenintensiv, wobei die entscheidende Schwierigkeit sowohl im EU-Verfahren als auch in der nationalen Zulassung darin besteht, dass sowohl die Dauer als auch die Kosten für das Verfahren schwer vorherzusagen sind.

Besondere Schwierigkeiten ergeben sich oft bei der Bewertung der Wirksamkeit. Da Mikroorganismen anders und häufig langsamer, dafür oft aber auch nachhaltiger wirken als chemische Referenzmittel, kann die Wirksamkeit in Standardversuchen oft nicht überzeugend dargestellt werden. In diesen Fällen muss der Versuchsaufbau angepasst werden, oder andere Parameter müssen zur Bonitierung herangezogen werden. Die Akzeptanz dieser modifizierten Studien auf Seiten der Behörden ist aber weiterhin sehr unterschiedlich. In einigen EU-Mitgliedsstaaten sind die Anforderungen an die Wirksamkeitsdaten für biologische Pflanzenschutzmittel gegenüber chemischen Mitteln reduziert, was sich sowohl auf die Zahl „erfolgreicher“ Versuche als auch auf den Grad der erzielten Wirksamkeit bezieht.

Nach Aufnahme in Annex I besteht ein anerkannter Datensatz für den Wirkstoff und das Produkt, der in nationalen Verfahren verwendet werden kann. Damit werden nationale Zulassungen erleichtert. Außerdem ist eine Aufnahme in den Anhang I (91/414) in der EU auch in nicht EU-Staaten nützlich, wenn nicht sogar Voraussetzung für eine Zulassung.

Ein weiteres Problem in der Bewertung biologischer Pflanzenschutzmittel und ihrer Wirkstoffe besteht darin, dass in einigen Mitgliedsstaaten spezialisiertes und erfahrenes Personal fehlt und Mikroorganismen nach Maßstäben für Chemikalien behandelt werden. Dem gegen­über stehen in anderen Mitgliedsstaaten aber auch Spezialisten mit großer Erfahrung in der Beurteilung biologischer Pflanzenschutzmittel. Unterschiede zwischen den Mitgliedsstaaten wurden auch in der Kommunikation zwischen Antragstellern und Behörden beobachtet. Am besten bewährt hat sich die Kombination aus einem Treffen schon vor dem Einreichen des Dossiers (“Pre-submission meeting“), in dem kritische Datenpunkte diskutiert werden, und einer direkten Kommunikation, um Fragen schon früh im Bewertungsprozess direkt zu klären und fehlende Informationen gegebenenfalls schnell nachzuliefern.

Bei allen Vorbehalten herrscht generell aber die Überzeugung vor, dass Regulierung notwendig ist. Die Regulierung vermittelt Vorteile, denn nur geprüfte Produkte kommen auf den Markt, und diese Produkte sind „sicher und wirksam“. Durch die Prüfung besteht ein Schutz vor Produkten, deren Sicherheit und Wirksamkeit nicht geprüft wurde, und die dadurch das Ansehen des Biologischen Pflanzenschutzes schädigen. Im Endeffekt führen die wirtschaftlichen Anstrengungen für die Zulassung zu einer besseren Position am Markt.

Leider werden nicht alle rechtlichen Möglichkeiten genutzt. So verweigern einige Mitgliedsstaaten die vorläufige Zulassung von Pflanzenschutzmitteln vor der Aufnahme des Wirkstoffs in Anhang I und warten, bis der DAR verfügbar ist, oder sogar bis zur Annex I Aufnahme, bevor ein Antrag zur nationalen Zulassung eingereicht werden kann oder bearbeitet wird. Dadurch entstehen enorme Verzögerungen in der Markteinführung neuer Produkte.

In einigen EU-Mitgliedsstaaten gibt es Programme zur Förderung biologischer Pflanzenschutzmittel. So ist 2002 in den Niederlanden das GENOEG-Projekt („Gewasbeschermingsmiddelen van Naturlijke Oorsprong Effectief Gebruiken“) ins Leben gerufen worden, um mehr biologische Produkte auf den Markt zu bringen. Dabei werden Antragsteller bei der Erzeugung neuer, zulassungsrelevanter Daten finanziell unterstützt und erhalten Beratung im Registrierungsprozess. Während der ersten Phase des Projekts wurde die Risikobewertung an biologische Pflanzenschutzmittel angepasst, und wissenschaftliche Stellungnahmen wurden häufiger anstelle von Studien akzeptiert.

Ein ähnliches Ziel wird in Großbritannien mit dem “Biopesticide Scheme“ verfolgt. Hier bekommen Antragsteller sehr früh im Registrierungsprozess Beratung durch die Behörden und können so schon während der Produktentwicklung regulatorische Anforderungen berücksichtigen. Weiterhin wird die Kommunikation zwischen Antragstellern und den Behörden intensiviert, und Fristen bis zur Zulassung des Produkts werden angegeben.

Aktuelle Entwicklungen

Im Rahmen des EU-Projekts REBECA (Regulation of Biological Control Agents 2006/2007) wurde in Dis­kussionen unter Beteiligung der EU Kommission, der Mitgliedsstaaten und von Forschungsinstituten und Produzenten ein Vorschlag zur Vereinfachung der Zulassung neuer Baculoviren-Isolate erarbeitet. Dieser Vorschlag stützt sich auf das „OECD Consensus document No 20 on information used in the assessment of environmental applications involving baculoviruses“ (kurz „OECD Consensus Dokument“) und die in diesem Zeitraum noch laufende Bewertung für SeMNPV (Spodoptera exigua Nucleopolyhedrovirus) und CpGV (Cydia pomonella Granulovirus). Aus diesem Vorschlag entstand das „Guidance Document on the assessment of new isolates of baculovirus species already included in Annex I of Council Directive 91/414/EEC“, mit dem neue Isolate einer bereits im Annex I (91/414) gelisteten Baculo­viren-Art schneller in den Annex I aufgenommen werden können, um Produkte mit neuen Isolaten schneller auf den Markt bringen zu können. Im Oktober 2009 ist das erste Produkt mit einem neuen CpGV-Isolat in einem Mitgliedsstaat zugelassen worden. Die Annex I Aufnahme für CpGV wird um das neue Isolat ergänzt. Weitere neue Isolate verschiedener Baculovirenarten sind derzeit in der Bewertung. Besondere Bedeutung hat diese vereinfachte Bewertung, da auf diese Weise neue Isolate, die in der Lage sind, die Resistenz einiger Apfelwickler­populationen gegen das „traditionelle“ Isolat CpGV-M zu brechen, auf den Markt gebracht werden können. Außerdem zeigt dieses Beispiel, dass in Fällen, bei denen wissenschaftlich begründet werden kann, dass kein Risiko für Menschen, die Umwelt und Nicht-Zielorganismen besteht, die Zulassungsprozeduren vereinfacht und somit beschleunigt werden können.


ISSN (elektronisch): 1867-0938
ISSN (print): 1867-0911
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