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Originalarbeit

Züchterisches Potenzial von Roggen (Secale cereale L.) für die Biogaserzeugung

Rye (Secale cereale L.) for biogas production – Breeding capability

Steffen R. Roux1, Heinrich Wortmann2 und Michaela Schlathölter3
Institut
Julius Kühn-Institut – Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen, Institut für Züchtungsforschung an landwirtschaftlichen Kulturen, Quedlinburg1
Fa. HYBRO Saatzucht GmbH&CoKG, Schenkenberg2
P.H. Petersen Saatzucht GmbH&CoKG, Grundhof3

Journal für Kulturpflanzen, 62 (5). S. 173–182, 2010, ISSN 0027-7479, DOI: 10.5073/JfK.2010.05.02, Verlag Eugen Ulmer KG, Stuttgart

Kontaktanschrift
Dr. Steffen Roux, Julius Kühn-Institut – Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen, Institut für Züchtungsforschung an landwirtschaftlichen Kulturen, Erwin-Baur-Str. 27, 06484 Quedlinburg, E-Mail: steffen.roux@jki.bund.de
Zur Veröffentlichung angenommen
Februar 2010

Zusammenfassung

In den vorliegenden Untersuchungen wurde divergentes Roggenmaterial (Populationssorten mit Körner- und Grünschnittnutzung, Hybriden, aktuelles Zuchtmaterial, Tetraploider Roggen, pflanzengenetische Ressourcen (PGR)) in einem zweijährigen Anbau anhand seiner Biomasseleistung auf seine Eignung zur energetischen Nutzung von Roggen überprüft, die erfassten agronomischen Merkmale wurden auf ihre Relevanz für die Biomasse­bildung beurteilt, verschiedene Schnittzeitpunkte zur Biomassenutzung untersucht und über einen NIRS-Ansatz Aussagen über das Gasbildungsvermögen der untersuchten Roggenformen getroffen.

Für die Merkmale Gesamttrockenmasseertrag (GTM-Ertrag) und Biogasausbeute zu zwei Grünschnitt-Zeitpunkten – Mitte Ährenschieben und Milchreife – sowie Kornertrag lagen im untersuchten Material signifikante genotypische Varianzen vor. Bei den Grünschnitten 1 und 2 betrugen die mittleren GTM-Erträge 70,1 und 131,9 dt/ha. Grünschnittroggen-Sorten erwiesen sich im 1. Grünschnitt und Hybriden im 2. Grünschnitt als über­legen, wogegen in der Testkreuzungsleistung beim 2. Grünschnitt mehrere Grünschnittroggen und PGRs sowie eine Populationssorte die höchsten GTM-Erträge zeigten. Bei den Grünschnitten 1 und 2 sowie dem Kornertrag ergaben sich beachtliche Heterosiszuwächse von durchschnittlich 9,3%, 11,6% bzw. 32,3%. Bedeutsame Merkmale für die Biomasseproduktion (Wuchshöhe, Termin Ährenschieben, TS-Gehalt) wurden identifiziert und deren Korrelationen berechnet. Die für das Gasbildungsvermögen wesentlichen Inhaltstoffe konnten mittels NIRS-Untersuchungen quantifiziert und die Biogas­ausbeute rechnerisch bestimmt werden. Korrelationen zwischen dem GTM-Ertrag, der Biogasausbeute und dem Ligningehalt wurden ermittelt. Die Ergebnisse unter­streichen das hohe Biomassepotenzial verschiedener Roggen-Materialgruppen für die Bioenergienutzung.

Stichwörter: Bioenergie, Biomasse, Pflanzengenetische Ressourcen (PGR), NIRS, Trockenmasse, Merkmalskorrelation

Abstract

The focal points of the present investigation were to examine the suitability of different rye forms (population varieties with forage grain use, hybrids, current breeding material, tetraploid rye, plant genetic resources) for biomass production, to identify the ideal growing stage for harvesting the biomass of these rye forms, to identify relevant traits for biomass production and to estimate their potential of gas production by NIRS analysis.

In a two-year trial, significant genetic variances in both the population per se (pps) performance and the testcross performance were demonstrated for total dry matter (TDM) yield at cutting dates 1 and 2 as well as for grain yield. At cutting dates 1 and 2 the average yields amounted to 70.1 and 131.9 dt/ha TDM, respectively. Forage rye materials were superior with regard to TDM yield at cutting date 1 while forage rye, plant genetic resources and a population variety achieved the highest TDM yield at cutting date 2 in the testcross performance. The heterotic increase averaged a substantial level of 9.3%, 11.6% and 32.3% at cutting dates 1 and 2 and for grain yield, respectively. Traits with high relevance for biomass production were identified (height, date of ear emergence, dry mass content) and correlations were calculated. The biogas production of the rye entries was assessed by quantifying the essential ingredients for biogas production via NIRS. Correlations between the TDM yield, the biogas production and the content of lignin were determined. The high capability of different rye forms for bioenergy recovery was underlined.

Key words: Bioenergy, biomass, plant genetic resources, NIRS, dry matter, correlations of traits

Einleitung

Biomasse stellt eine CO2-neutrale erneuerbare Ressource dar, die in großen Mengen produziert und zur Bildung von Bioenergie genutzt werden kann (Ragauskas et al., 2006). Bereits heute werden in Deutschland knapp 70% der gesamten Endenergie aus erneuerbaren Energie­quellen durch Biomasse bereitgestellt (Anonymus, 2009). Auch in der Landwirtschaft hat die energetische Nutzung von Biomasse in den vergangenen Jahren stark an Bedeutung gewonnen. Dieser Trend wird sich langfristig fortsetzen (Schütte, 2007). Im Jahr 2008 wurde in Deutschland bereits auf ca. 580 000 ha pflanzliche Biomasse für die Biogaserzeugung produziert. Damit wurden 26% der in Biogasanlagen verwendeten Substrate durch den Anbau nachwachsender Rohstoffe (NAWARO) gedeckt (DBFZ, 2009). Bis zum Jahr 2020 kann eine Verdopplung der hierzu genutzten Fläche erwartet werden (Ramesohl und Arnold, 2005). Dabei können insbesondere Sorten mit hohem Ertragspotenzial einen Beitrag zum Klimaschutz leisten, weil sie die Biomasseerzeugung mit hoher Flächenproduktivität erlauben und somit das Substitu­tionspotenzial erneuerbarer Energieträger in der Landwirtschaft vergrößern (Wehling und Roux, 2010).

Die derzeit vorherrschende Kulturart zur Bereitstellung von pflanzlicher Biomasse für Biogasanlagen ist mit einem Anteil von 78% Mais (DBFZ, 2009). Zwischen 2002 und 2009 stieg die Anbaufläche für Silomais in Deutschland durch den Ausbau der Biogasproduktion von 1,119 Mio. ha auf 1,643 Mio. ha. Dies entspricht einer Steigerung von nahezu 47%. Bei einem konstanten Maisanteil wäre bei Ausnutzung der Biogaspotentiale auf 2 Mio. ha Anbaufläche eine Verdoppelung des Maisanbaus auf über 3 Mio. ha (Feed+Non-Food), d.h. fast 30% der Ackerfläche Deutschlands erforderlich (Schütte, 2007). Dies zeigt eindringlich die Notwendigkeit neuer, an die Produktionsstandorte angepasster Energiefruchtfolgen unter Einbeziehung alternativer Kulturarten, wie sie beispielsweise der Roggen darstellt.

Roggen ist eine in Mittel- und Osteuropa traditionell angebaute Getreideart, deren Anbaufläche in Deutschland mittelfristig in einer Größenordnung von 0,7 Mio ha erwartet wird. Nur 22,5% der deutschen Roggenernte werden derzeit als Brotroggen verwendet, 51% werden verfüttert und bereits 25% für die Bioenergiegewinnung (Ethanol, 17,5%; Biogas 7,5%) eingesetzt (Blumtritt, 2007). Aufgrund des geringen Brotroggenanteils ist in Deutschland bei Ausweitung der Biogasnutzung nicht mit einer steigenden Flächenkonkurrenz von Bioenergie- und Brotroggen zu rechnen. Unter den Getreidearten eignet sich Roggen sowohl im Zweikulturnutzungssystem (Scheffer und Stülpnagel, 1993) vor z.B. Mais oder Sonnenblume (Karpenstein-Machan, 2005) als auch als Hauptfrucht (GPS) in besonderer Weise als NAWARO für die Biomasseproduktion zur energetischen Nutzung. Dies liegt in seinem breiten Aussaatfenster im Herbst, seiner beschleunigten Pflanzenentwicklung im Frühjahr und seinem leistungsstarken Wurzelsystem sowie seiner ausgeprägten Kältefestigkeit und Nährstoffeffizienz begründet, die ihm eine besondere Robustheit verleihen und auch auf nährstoffarmen, trockenen Grenzstand­orten, die einen Maisanbau nicht erlauben, eine hohe Ertragssicherheit gewährleisten. Die relative Anspruchslosigkeit von Roggen ermöglicht auch im Energie­pflanzenanbau einen niedrigen Betriebsmitteleinsatz, wodurch Roggensilage ähnlich wie Mais im Vergleich zu anderen pflanzlichen Kosubstraten das preisgünstigste Methan (Karpenstein-Machan, 2005) liefert. Der mit Roggen-GPS erzielbare Biogasertrag (Eder et al., 2004) und dessen Methangehalt liegen im Bereich von Mais­silage (Schattauer und Weiland, 2005). Winterroggen erzielt einen dem Winterweizen entsprechenden und über dem Potenzial von Triticale, Gerste, Hafer und Raps liegenden Ertrag an Trockenmasse (Karpenstein-Machan, 2005), wobei er sein Trockenmassemaximum bereits 2–3 Wochen vor Winterweizen (Ellen, 1993) im Stadium zwischen Blüte und Milchreife erreicht (Füle et al., 2004). Somit ermöglicht Roggen noch den Anbau einer ertragsrelevanten Nachfrucht.

Der optimale Erntezeitpunkt in Bezug auf den erzielbaren Methanhektarertrag erwies sich bei Mais als abhängig von der angebauten Sorte (Amon et al., 2004). Bei Roggen zeichneten sich ebenfalls sortenspezifische Unterschiede hinsichtlich des gebildeten Ganzpflanzen-Trockenmasseertrags (Anonymus, 1998) ab. Auch für Pflanzengenetische Ressourcen (PGR) wiesen Miedaner und Wilde (2007) exemplarisch ein hohes Potenzial zur Erstellung frühreifer Biogassorten nach. Nach Ergebnissen von von Buttlar et al. (1997a, 1997b) und Scheffer und Karpenstein-Machan (2001) konnten auch bei Gerste und Winterweizen mit PGR im Merkmal Ganzpflanzen-Trockenmasse vergleichbare Erträge wie mit neuen Sorten erzielt werden. Umfassende Untersuchungen zur Leistungsfähigkeit verschiedenster Roggen-Genotypen zur Biomasseproduktion für die energetische Nutzung liegen bisher allerdings nicht vor.

Die vorliegenden Untersuchungen hatten zum Ziel, (1) einen großen Teil der bei Roggen vorhandenen Bio­diversität in Form von divergentem Roggenmaterial anhand ihrer Biomasseleistung auf ihre Eignung zur energetischen Nutzung von Roggen zu überprüfen, (2) die erfassten agronomischen Merkmale auf ihre Relevanz hierfür zu beurteilen, (3) verschiedene Schnittzeitpunkte zur Biomassenutzung zu untersuchen und (4) über einen NIRS-Ansatz Aussagen über das Gas-Bildungsvermögen der untersuchten Roggenformen zu treffen.

Material und Methoden

Material und Struktur der Leistungsprüfungen

Anhand von Vorversuchen wurden 81 Prüfglieder verschiedener Sortentypen (Grünschnittroggen, PGR weltweiter geographischer Herkunft, Populationssorten, Zuchtmaterial, Hybridsorten, Tetraploider Roggen) für Eigenleistungsprüfungen (E-LP) in den Jahren 2007 und 2008 ausgewählt. Zur späteren Beurteilung des Heterosiszuwachses wurden von insgesamt 45 Prüfgliedern der Sortentypen Grünschnittroggen (3), PGR (25), Popula­tionssorten (5) und Zuchtmaterial (12) unter der Verwendung eines cms-Testers aus dem aktuellen Zuchtmaterial des Nicht-Restorerformenkreises zusätzlich Testkreuzungsnachkommenschaften erstellt und diese in entsprechenden Testkreuzungsleistungsprüfungen (TK-LP) in den Jahren 2007 und 2008 zusammen mit aktuellen Hybridsorten geprüft. Die E-LP und TK-LP erfolgten als 9 × 9- bzw. 7 × 7-Gitteranlage an jeweils drei Orten – Groß Lüsewitz (Mecklenburg-Vorpommern), Wulfsode (Niedersachsen) und Lundsgaard (Schleswig-Holstein) – in zwei Wiederholungen in einer ortsüblichen Parzellengröße von ca. 5 m2 (Abb. 1). Sowohl die E-LP als auch die TK-LP wurden in separaten Blöcken für zwei Grünschnittvarianten und eine Körnerernte mit der in Tab. 1 aufgeführten Struktur durchgeführt. Zur Vermeidung extremen Lagers wurden mit Ausnahme der Versuche zu Grünschnitternte 1 alle Versuche einer einmaligen Behandlung mit Wachstumsregler unterzogen. Die Düngung erfolgte ortsüblich.

Abb. 1. Gesamtprüfanlage des Biomasseversuchs bei Roggen, Groß Lüsewitz am 23. April 2007.

Abb. 1. Gesamtprüfanlage des Biomasseversuchs bei Roggen, Groß Lüsewitz am 23. April 2007.

Tab. 1. Struktur der Eigenleistungsprüfung (E-LP) und der Testkreuzungsleistungsprüfung (TK-LP) in den Anbaujahren 2007 und 2008

Sortentyp

Anzahl Prüfglieder

 

E-LP

TK-LP

Grünschnittroggen

3

4

Pflanzengenetische Ressourcen (PGR)

53

25

Populationssorten

5

5

Zuchtmaterial

12

12

Hybridsorten

 

3

Tetraploider Roggen

8

 

Summe

81

49

Erntevarianten und erfasste Merkmale

Die E-LP und TK-LP wurden in zwei Grünschnittvarianten (Stadien Ährenschieben und Milchreife) und einer Kornvariante beerntet. Die Grünschnitternte erfolgte in Wulfsode und Lundsgaard mit Hilfe eines Parzellenernters für Grünfutter und in Groß Lüsewitz mittels eines reihenunabhängigen Maishäckslers (Abb. 2). Zur Erfassung des Trockensubstanzgehaltes wurden von den Grünschnittparzellen direkt bei der Ernte eine Probe von ca. 1 kg Grünschnitt entnommen, gewogen und zeitnah schonend getrocknet. Die gewählten Grünschnittzeitpunkte stellen zum einen Termine dar, an dem eine optimale Einbindung von Roggen in Biomassefruchtfolgen denkbar wäre. Zum anderen hat Roggen bereits zwischen Blüte und Milchreife sein Trockenmassepotenzial nahezu vollständig ausgeschöpft (Füle et al., 2004). Zur Synchronisation der beernteten Entwicklungsstadien der Bestände wurde die Grünschnittroggensorte ‘Protector’ an allen Standorten als Vergleichsstandard angebaut. Es wurde angestrebt, die Grünschnitternte 1 zum Entwicklungsstadium ‘spätes Ährenschieben’ der Vergleichssorte ‘Protector’ durchzuführen. Bei Erreichen des Entwicklungsstadiums ‘Milchreife’ durch die Sorte ‘Protector’ wurden die Versuche zur Grünschnitternte 2 beerntet.

Abb. 2. Biomasseernte am Versuchsort Groß Lüsewitz zum 1. Schnittzeitpunkt im Entwicklungsstadium Ährenschieben.

Abb. 2. Biomasseernte am Versuchsort Groß Lüsewitz zum 1. Schnittzeitpunkt im Entwicklungsstadium Ährenschieben.

In den beiden Grünschnittvarianten wurde der Gesamttrockenmasseertrag (GTM-Ertrag) in dt/ha bezogen auf 0% Restfeuchte bestimmt, während in der Kornerntevariante der Kornertrag in dt/ha bezogen auf eine Restfeuchte von 14% ermittelt wurde. Zur Beurteilung ihrer Relevanz für die Ertragsbildung wurden in allen Ver­suchen entsprechend der Versuchsdauer zusätzlich die Merkmale ‘Stand vor Winter’, ‘Stand nach Winter’, ‘Termin Ährenschieben’ und ‘Wuchstyp’ auf einer Skala von 1–9 bonitiert sowie die Merkmale ‘Termin Blüte’ (Tage im Mai), ‘Bestandesdichte’ (Anzahl ährentragender Halme/m2) und ‘Trockensubstanzgehalt’ (%) erfasst. Außerdem erfolgte an bis zu vier Terminen die Messung der Wuchshöhe und, wenn durch natürlichen Befall möglich, eine Bonitur des Braunrostbefalls.

Die Serienverrechnung der Ergebnisse erfolgte mit dem Statistikprogramm PLABSTAT (Utz, 2001).

NIRS-Untersuchungen

NIRS-Messungen erfolgten an repräsentativen Biomasseproben aller in den verschiedenen Versuchen angebauten Prüfglieder der Jahre 2007 und 2008. Die Proben wurden dafür zeitnah schonend bei 60–65˚C getrocknet, gemahlen (ZM 200, Retsch) und die Spektren auf einem NIR-Systems5000-Gerät (Foss) aufgezeichnet. Mittels einer von der VDLUFA Qualitätssicherung NIRS GmbH (Kassel) anhand von Biomasseproben verschiedenster Kulturarten aus dem Anbaujahr 2007 erstellten NIRS-Kalibrierungskurve für die Schätzung der Gesamtbiogasausbeute aus Biomasse war es möglich, für das untersuchte Roggenmaterial die Biogasausbeute in Biogas-Normlitern je kg organischer Trockensubstanz (Biogas NL oTS) zu schätzen.

Eine ebenfalls anhand dieser Proben entwickelte NIRS-Kalibrierungskurve für Parameter der Futtermittelkunde, z.B. ADL in %TS (= acid detergent lignin), ermöglichte die Bestimmung auch dieses Parameters im untersuchten Roggenmaterial.

Ergebnisse

Ertragsleistungen

Trotz der Orientierung an der Vergleichsorte ‘Protector’ war es aufgrund von verschiedenen Einflussfaktoren (Witterung, Verfügbarkeit der Erntetechnik) nicht immer möglich, die Bestände bei Erreichen der angestrebten Trockensubstanzgehalte zu beernten. Die realisierten Erntetermine lagen in den beiden Prüfjahren für Grünschnitt 1 in der 1. Maihälfte und für Grünschnitt 2 in der 2. Junihälfte. Die mittleren TS-Gehalte bei Grünschnittnutzung sind in Tab. 2 zusammengefasst.

Tab. 2. Mittlere Trockensubstanzgehalte (%) von Grünschnitt 1 und 2 der Leistungsprüfungen 2007 und 2008 an den drei Prüfstandorten

 

Grünschnitt 1

 

Grünschnitt 2

 

2007

2008

 

2007

2008

Eigenleistungsprüfung

     

Groß Lüsewitz

19,5

18,1

 

35,2

Wulfsode

21,9

15,2

 

39,0

40,0

Lundsgaard

18,7

14,9

 

37,5

43,5

Testkreuzungsleistungsprüfung

     

Groß Lüsewitz

20,4

18,8

 

35,2

35,6

Wulfsode

24,0

15,7

 

40,4

39,5

Lundsgaard

20,6

19,5

 

35,5

41,2

Im untersuchten Material wurde in den beiden Prüfjahren eine hohe Variabilität sowohl in dem für die Biomasseproduktion relevanten Merkmal GTM-Ertrag an den beiden ersten Schnittzeitpunkten als auch im ermittelten Kornertrag nachgewiesen. In der E-LP betrugen die mittleren GTM-Erträge zum früheren Schnittzeitpunkt 70,1 dt/ha GTM und zum späteren Zeitpunkt 131,9 dt/ha GTM. In der Kornernte-Variante wurde ein mittlerer Ertrag von 56,1 dt/ha erreicht. In der TK-LP wurden mittlere GTM-Erträge von 75,5 dt/ha (Grünschnitt 1) und 155,7 dt/ha (Grünschnitt 2) sowie ein mittlerer Korn­ertrag von 77,6 dt/ha erzielt. Die mittleren Erträge über sechs Umwelten sind für die verschiedenen Nutzungszeitpunkte pro Sortentyp in Tab. 3 zusammengefasst.

Tab. 3. Über 6 Umwelten gemittelter Gesamttrockenmasseertrag (GTM in dt/ha) der beiden Grünschnitte (Ährenschieben (Schnitt 1), Milchreife (Schnitt 2)) und gemittelter Kornertrag (dt/ha) der in den Eigenleistungs- und den Testkreuzungs­leistungsprüfungen eingesetzten Sortentypen sowie die entsprechenden Heritabilitäten

Eigenleistung

 

GTM (dt/ha)

Kornertrag (dt/ha)

  

Grünschnitt 1

Grünschnitt 2#

 

Sortentyp

LSD (5%)

6,39

15,45

8,50

Grünschnittroggen

 

82,98

144,25

57,65

PGR

 

70,94

132,84

56,06

Populationssorten

 

72,70

139,59

70,80

Zuchtmaterial

 

63,20

122,04

62,44

Tetraploider Roggen

 

68,24

130,99

37,30

Heritabilität

 

0,88

0,61

0,92

Testkreuzungsleistung

 

GTM (dt/ha)

Kornertrag (dt/ha)

  

Grünschnitt 1

Grünschnitt 2

 

Sortentyp

LSD (5%)

5,25

10,82

6,53

Grünschnittroggen

 

81,45

164,58

76,69

PGR

 

76,07

156,34

75,70

Populationssorten

 

73,04

155,19

78,40

Zuchtmaterial

 

73,78

152,10

80,76

Hybridsorten

 

73,59

153,58

79,88

Heritabilität

 

0,75

0,48

0,65

# Eigenleistungsprüfung Schnitt 2 = Mittel aus 5 Umwelten

Grünschnittroggen erwies sich im Grünschnitt 1 sowohl in der E-LP als auch in der TK-LP als überlegen gegenüber den anderen Sortentypen. In der E-LP war das aktuelle Zuchtmaterial in Schnitt 1 allen anderen Sortentypen deutlich unterlegen, wogegen Populationssorten und PGRs vergleichbare Erträge erzielten. Die in der TK-LP als Vergleichssorten mit geprüften Hybridsorten erbrachten in Schnittvariante 2 verglichen mit den Leistungen der anderen Sortentypen in der E-LP die höchsten GTM-Erträge. Die mittleren Eigenleistungen des Grünschnittroggens und der Populationssorten folgten bei dieser Erntevariante auf einem vergleichbaren GTM-Niveau vor den PGR.

Die höchsten mittleren GTM-Erträge in der TK-LP wurden zu beiden Grünschnittzeitpunkten für die Grünschnittroggen registriert, gefolgt von den PGR, den Populationssorten und den Hybridsorten, die jeweils miteinander vergleichbare Erträge erreichten. In der TK-Leistung wurden bei Grünschnitt 2 bei allen Sortentypen sehr große sortenspezifische Unterschiede festgestellt. Eine Grünschnittroggensorte erbrachte hier deutlich überlegene TK-Leistungen (Abb. 5). Die höchsten Kornerträge in der E-LP wiesen die Populationssorten auf, wogegen sich in der TK-LP die Hybridsorten und das aktuelle Zuchtmaterial als am leistungsfähigsten erwiesen.

Abb. 5. Beziehung zwischen dem Gesamttrockenmasseertrag (dt/ha) an den beiden Grünschnittterminen (1: Ährenschieben und 2: Milchreife) in der Testkreuzungsleistungsprüfung von verschiedenen Roggen-Materialgruppen.

Abb. 5. Beziehung zwischen dem Gesamttrockenmasseertrag (dt/ha) an den beiden Grünschnittterminen (1: Ährenschieben und 2: Milchreife) in der Testkreuzungsleistungsprüfung von verschiedenen Roggen-Materialgruppen.

Sowohl in der E-LP als auch in der TK-LP ergab die Verrechnung der Gesamtversuche für alle Erntetermine signifikante genotypische Varianzen (P = 0,01) für das Merkmal GTM-Ertrag (dt/ha). Mit Ausnahme von Grünschnitt 2 der TK-LP traten hierfür ebenfalls signifikante Genotyp × Umwelt-Interaktionen auf.

In den Abb. 3 und 4 sind die GTM-Erträge und Korn­erträge der Prüfglieder im Einzelnen für die E-LP dargestellt und die Beziehungen zwischen den untersuchten Nutzungsformen aufgetragen.

Abb. 3. Beziehung zwischen dem Gesamttrockenmasseertrag (dt/ha) an den beiden Grünschnittterminen (1: Ährenschieben und 2: Milchreife) in der Eigenleistungsprüfung von verschiedenen Roggen-Materialgruppen.

Abb. 3. Beziehung zwischen dem Gesamttrockenmasseertrag (dt/ha) an den beiden Grünschnittterminen (1: Ährenschieben und 2: Milchreife) in der Eigenleistungsprüfung von verschiedenen Roggen-Materialgruppen.

Abb. 4. Beziehung zwischen Kornertrag (dt/ha) und dem Gesamt­trockenmasseertrag (dt/ha) an Grünschnitttermin 2 (Milchreife) in der Eigenleistungsprüfung von verschiedenen Roggen-Material­gruppen.

Abb. 4. Beziehung zwischen Kornertrag (dt/ha) und dem Gesamt­trockenmasseertrag (dt/ha) an Grünschnitttermin 2 (Milchreife) in der Eigenleistungsprüfung von verschiedenen Roggen-Material­gruppen.

In der E-LP konnte eine enge positive Korrelation zwischen den Ergebnissen der beiden Grünschnitternten ermittelt werden (r = 0,82), wogegen die Korrelationen zwischen den Grünschnitten und dem Kornertrag nur lose (Grünschnitt 1 vs. Kornernte: r = 0,32; Grünschnitt 2 vs. Kornernte: r = 0,33) waren. Bei Nicht-Berücksich­tigung der tetraploiden Roggenformen stieg die beo­bachtete Korrelation zwischen Grünschnitt 2 und dem Kornertrag deutlich an (r = 0,43). In der TK-LP trat zwischen den Grünschnittvarianten ebenfalls eine positive Korrelation auf (r = 0,67). Die TK-LP-Erträge von Grünschnitt 1 und Grünschnitt 2 waren dagegen negativ mit dem Kornertrag korreliert.

Heterosiszuwachs

Zur Beurteilung des Heterosiszuwachses im heterotischen Merkmal Biomasseertrag wurde bei insgesamt 45 Prüfgliedern die Eigen- und die Testkreuzungsleistung ver­glichen. Der Heterosiszuwachs entspricht der Mehr­leistung, die ein heterozygoter Kreuzungspartner nach Kreuzung auf einen Tester-Genotyp im Vergleich zu seiner Eigenleistung erbringt. Betrug der Heterosiszuwachs im Durchschnitt 9,3%, 11,6% und 32,3% für die Grünschnitte 1 und 2 sowie für die Kornvariante, so wurden in den drei Erntevarianten maximale sortenspezifische Heterosiszuwachseffekte von bis zu 38,3%, 34,4% und 77,8% festgestellt. Den höchsten mittleren Heterosis­zuwachs wiesen in Grünschnitt 1 und 2 das Zucht­material und die PGR auf, wogegen im Kornertrag die PGR und die Grünschnittroggen die höchsten Werte erreichten. Zum Grünschnittzeitpunkt 2 realisierten zwei der drei geprüften Grünschnittroggen trotz einer hohen Eigenleistung einen beachtlichen Heterosiszuwachs.

Korrelationen agronomischer Merkmale mit dem Gesamttrockenmasseertrag

Die Korrelationen zwischen ausgesuchten agronomischen Merkmalen und dem ermittelten Gesamttrockenmasseertrag der Grünschnitte 1 und 2 sind für die E-LP und die TK-LP in Tab. 4 zusammengefasst.

Tab. 4. Korrelationen(§) zwischen agronomischen Merkmalen und den ermittelten Gesamttrockenmasseerträgen (GTM (dt/ha)) bei den Grünschnitten 1 und 2 der E-LP und der TK-LP

Erntevariante
bzw. Versuch

WH-VB

WH-30.4+

WH-15.5

WH-1.6

W-Typ

LB

AES

Blüte

Bestand.

TS%

Grünschnitt 1

          

E-LP-5#

          

GTM

0,79**

0,84**

  

–0,41**

 

0,68**

 

–0,21

0,41**

TK-LP-5

          

GTM

0,74**

0,82**

  

–0,18

 

0,64**

 

0,25

0,38**

           

Grünschnitt 2

          

E-LP-4

          

GTM

0,63**

0,70**

0,67**

0,48**

–0,35**

0,17

0,53**

–0,45**

–0,18

0,37**

TK-LP-5

          

GTM

0,56**

0,73**

0,72**

0,68**

–0,20

0,61**

0,37**

–0,02

–0,18

0,56**

           

(§) Graustufe: dunkel = signifikant negativ, hell = signifikant positiv, keine = nicht signifikant; # Anzahl Umwelten; WH-VB = Wuchshöhe zu Vegetationsbeginn; + Wuchshöhe am 30.4; W-typ = Wuchstyp; LB = Lager bei Blüte; AES = Termin Ährenschieben; Bestand = Anzahl ährentragender Halme pro m2; TS% = Trockensubstanz in %; ** signifikant bei P = 0,01

Bei den beiden Grünschnitternten erwiesen sich die mehrfach gemessenen Wuchshöhen sowie die Merkmale ‘Termin Ährenschieben’ und ‘Trockensubstanzgehalt’ sowohl in der E-LP als auch in der TK-LP als jeweils hochsignifikant positiv korreliert mit dem GTM-Ertrag. Der Termin der 'Blüte' war in der E-LP signifikant negativ mit dem GTM-Ertrag korreliert, d. h. Prüfglieder mit einem späten Blühtermin erbrachten entsprechend einem späten Ährenschiebentermin einen geringeren GTM-Ertrag. In beiden Schnittvarianten korrelierten die Merkmale ‘Mängel im Stand vor bzw. nach Winter’ negativ mit dem GTM-Ertrag. Die 'Bestandesdichte' hatte bei beiden Grünschnittvarianten sowohl in der E-LP als auch in der TK-LP keinen nachweisbaren Einfluss auf den erzielten GTM-Ertrag. In der E-LP beider Grünschnittvarianten konnte im Entwicklungsstadium BCCH 25-29 jeweils ein signifikant negativer Zusammenhang des ‘Wuchstyps repens’ (flachliegende Blatthaltung) mit dem erzielten GTM-Ertrag nachgewiesen werden. In 3-ortigen Ergebnissen zeigte sich in der E-LP von Grünschnitt 2 außerdem eine signifikant negative Korrelation zwischen der Braunrostbefallsstärke und dem GTM-Ertrag.

Gasbildungsvermögen

Anhand einer NIRS-Kalibrierungskurve für die Schätzung der Gesamtbiogasausbeute aus Biomasse, die auf der Grundlage von Biomasseproben verschiedenster Kulturarten aus dem Anbaujahrs 2007 erstellt wurde, war es erstmals möglich, für ein umfangreiches Roggenmaterial die Biogasausbeute in Biogas-Normlitern je kg organischer Trockensubstanz (Biogas NL oTS) zu schätzen.

Auf der Grundlage der Ergebnisse von 5 bzw. 6 Versuchsumwelten ergaben sich für die E-LP und die TK-LP zu beiden Schnittzeitpunkten signifikante genotypische Varianzen (P = 0,01) für das Merkmal Biogasausbeute. Signifikante G × U-Interaktionen wurden nur für die Grünschnitte 1 der E-LP (P = 0,01) und der TK-LP (P = 0,05) nachgewiesen. Die Heritabilitäten für die Biogasausbeute und für ADL in %TS fielen moderat bzw. hoch aus (Tab. 5). Absolut wurden bei Grünschnitt 1 in der E-LP und in der TK-LP mit mittleren Biogasausbeuten von 583,0 bzw. 600,6 BiogasNL oTS deutlich höhere Biogasausbeuten erreicht, als in Grünschnitt 2 (E-LP: 498,3 BiogasNL oTS; TK-LP: 507,2 BiogasNL-oTS).

Tab. 5. In der E-LP und der TK-LP errechnete Heritabilitäten für die Merkmale Biogasausbeute (Biogas-NL oTS) und ADL in %TS

  

Anzahl

Heritabilität

Versuch

Grünschnitt

Umwelten

Biogas-NL oTS

ADL in %TS

E-LP

1

5

0,56

0,89

E-LP

2

5

0,70

0,88

TK-LP

1

5

0,54

0,90

TK-LP

2

6

0,64

0,86

ADL = acid detergent lignin

Durch die parallele Ermittlung des ADL-Gehaltes in %TS konnten Korrelationen zur Biogasausbeute berechnet werden. Diese fielen ausnahmslos hoch signifikant negativ aus. Die Korrelationen zwischen der Biogasausbeute und ADL in %TS, der Biogasausbeute und dem GTM-Ertrag sowie dem GTM-Ertrag und ADL in %TS für die E-LP und die TK-LP zu den beiden Grünschnittzeitpunkten sind in Tab. 6 zusammengefasst. Der GTM-Ertrag weist in allen Versuchen eine signifikante positive Korrelation mit dem Ligningehalt auf. Dementsprechend zeigten sich negative Korrelationen zwischen dem GTM-Ertrag und der Biogasausbeute.

Tab. 6. Korrelationen zwischen der Biogasausbeute (Biogas-NL oTS) und dem GTM-Ertrag (dt/ha), der Biogasausbeute und ADL in %TS sowie dem GTM-Ertrag und ADL in %TS der beiden Grünschnittvarianten der E-LP und der TK-LP

Versuch

Grünschnitt

Anzahl
Umwelten

GTM-Ertrag
vs. ADL

ADL vs.
Biogas-NL

GTM-Ertrag
vs. Biogas-NL

E-LP

1

5

0,628**

–0,642**

–0,468**

E-LP

2

5

0,302**

–0,693**

–0,464**

TK-LP

1

5

0,702**

–0,600**

–0,620**

TK-LP

2

6

0,603**

–0,864**

–0,529**

ADL = acid detergent lignin; ** signifikant bei P = 0,01

Sowohl in der E-LP als auch in der TK-LP trat bei Grünschnitt 1 ein hochsignifikant positiver Zusammenhang zwischen dem Termin des Ährenschiebens und dem Ligningehalt auf. Aufgrund der negativen Korrelation zwischen dem Ligningehalt und der Biogasausbeute erwies sich das Merkmal Ährenschieben ebenfalls als hochsignifikant negativ korreliert mit der Biogasaus­beute. Diese Korrelationen zeigten sich beim 2. Grünschnitt nur in der TK-LP.

Diskussion

In den vorliegenden Untersuchungen, in denen die Eignung von Roggen zur energetischen Nutzung im Mittelpunkt der Betrachtungen stand, wurde ein sehr breites Spektrum der bei Roggen vorhandenen Diversität in Form von divergentem Roggenmaterial eingesetzt. Demzufolge zeigte sich eine hohe Variabilität sowohl in dem Merkmal GTM-Ertrag bei den beiden Grünschnitten als auch im Kornertrag. In der E-LP wurden sowohl für die GTM-Erträge zu beiden Schnittzeitpunkten, als auch für die Biogasausbeuten höhere genotypische Varianzen und demnach erwartungsgemäß höhere Heritabilitäten als in der TK-LP ermittelt. Trotz eines Anteils von 75% z.T. nicht optimal an die Bedingungen der Prüfumwelten adaptierter pflanzengenetischer Ressourcen (PGR) bzw. tetraploidem Roggen unter den Prüfgliedern, fiel der mittlere Kornertrag in der Eigenleistung beachtlich hoch aus. Dies kann in dem teilweise ansprechenden Lei­stungsniveau vereinzelter PGR und dem allgemein hohen Ertragsniveau der beiden Prüfjahre begründet liegen.

Die Überlegenheit von Grünschnittroggen gegenüber den anderen Sortentypen zum ersten Grünschnitttermin sowohl in der E-LP als auch in der TK-LP liegt in seiner sehr schnellen Frühjahrsentwicklung begründet. Demgegenüber erklärt sich die Unterlegenheit des aktuellen Zuchtmaterials durch seine bislang vornehmliche Selektion auf Kornertrag. Für die Zwischenfruchtnutzung bei Grünschnitt zum Entwicklungsstadium Ährenschieben (Grünschnitt 1) bietet sich somit Grünschnittroggen als Vorfrucht z.B. vor Mais oder Sorghum gegenüber den anderen Materialgruppen an. Beim Schnitt zur Milchreife (Grünschnitt 2) blieben die Grünschnittroggen in der E-LP aber ebenso wie einzelne PGRs und Populationssorten deutlich unter dem Ertragsniveau der Hybridsorten. Zur Konkurrenzfähigkeit von PGR im Vergleich zu Sorten im Stadium Milchreife werden auch für die Gerste vergleichbare Resultate berichtet (von Buttlar et al., 1997b, Scheffer und Karpenstein-Machan, 2001).

Selbst leistungsstarke Grünschnittroggen und PGR sind derzeit aufgrund ihrer Lagerneigung meist nur mit hohem Einsatz von Wachstumsreglern bzw. gar nicht direkt für die Biomasseproduktion in der Milchreife einsetzbar. Das hohe Ertragsniveau in Grünschnitt 2, das einige PGR und Grünschnittroggen in der TK-LP auf­wiesen und das deutlich über den Ertragsleistungen der Hybriden lag (Abb. 5), verdeutlicht jedoch das Potenzial dieser bislang züchterisch weniger bearbeiteten Ressourcen für die Züchtung neuer Sorten mit optimierter Biomasseleistung. Die Entwicklung leistungsstarker Energie-Hybridsorten unter der Einbeziehung von Grünschnittroggen und PGR auf der Pollenelterseite in Kreuzungen mit einem adaptierten, standfesten Kreuzungspartner erscheint aufgrund der ermutigenden Heterosiszuwächse, die bei einigen Prüfgliedern trotz einer hohen Eigenleistung beobachtet wurden, für diese Nutzungsform bereits mittelfristig Erfolg versprechend. Unterstützt wird dies von der Tatsache, dass Kornqualitätsmerkmale aufgrund der frühzeitigen Ernte bei der Züchtung von Biomasseroggen nicht berücksichtigt werden müssen. Da in den vorliegenden Untersuchungen bislang nur ein einzelner Tester-Genotyp verwendet werden konnte, bedarf es jedoch trotz der bislang beobachten Heterosiszuwächse einer weiteren begleitenden Verifikation der effizienten Nutzbarkeit von PGR und Grünschnittroggen in der Hybridzüchtung.

Auf der Grundlage des zurzeit vorhandenen Sortenspektrums empfiehlt sich für Grünschnitt 2 derzeit aufgrund ihrer überlegenen Biomasseleistung der Einsatz von bislang für die Körnernutzung entwickelten Hybridsorten. In Abhängigkeit von Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen bietet sich alternativ der Anbau bereits vorhandener Grünschnittroggensorten unter Wachstumsreglereinsatz an.

Innerhalb von Energie-Fruchtfolgen kann die Grünschnittnutzung von Roggen in der Milchreife (Mitte Juni) in Abhängigkeit von den klimatischen Voraussetzungen der Anbauregion den anschließenden Anbau einer Zweitfrucht, z.B. Sorghum, oder einer Zwischenfrucht, z.B. Welsches Weidelgras, zur maximalen GTM-Bildung innerhalb einer Vegetationsperiode ermöglichen. Unterstrichen wird dies durch die im günstigen Anbaujahr 2006 bei Aussaat Ende Juni am Standort Groß Lüsewitz erreichten GTM-Erträge mit Sorghum-Experimentalhybriden von bis 146 dt/ha (Wehling und Roux, 2010). Das Ertragspotenzial des Anbausystems ‘Roggen/Sorghum’ liegt somit im Bereich deutlich über 300 dt/ha GTM, selbst wenn, wie in diesen Untersuchungen, sowohl bei Roggen als auch bei Sorghum genetisches Material verwendet wurde, das noch nicht züchterisch optimal an die Nutzungsrichtung bzw. die klimatischen Verhältnisse angepasst worden ist.

Die ermittelten Korrelationen zwischen den Ernte­varianten können zur Beurteilung der Frage herangezogen werden, inwieweit Sorten, die für die Körnernutzung entwickelt werden, auch Relevanz für die Biomasse­nutzung besitzen. Die engen Korrelationen zwischen den beiden Grünschnitternten im Vergleich zu den losen Beziehungen der Grünschnitternten mit dem Kornertrag deuten auf die Notwendigkeit einer getrennten züchterischen Materialentwicklung für die Biomassenutzung hin. Trotz einer ermittelten engeren Korrelation zwischen dem Grünschnitt zur Milchreife und dem Kornertrag empfehlen auch Miedaner und Wilde (2007) eine sepa­rate Prüfung des Zuchtmaterials auf Biomasseleistung. Aus züchtungsmethodischer Sicht sollte deshalb auch für Populations- und Hybridroggen noch ein beachtliches Potenzial für Zuchtfortschritte im Merkmal GTM-Ertrag erwartet werden können.

Der nachgewiesene Zusammenhang zwischen dem Merkmal ‘Wuchshöhe’ und dem GTM-Ertrag der Grünschnitte stimmt mit bereits bekannten Ergebnissen (Miedaner und Wilde, 2007) überein. Als indirektes Selektionsmerkmal für einen hohen GTM-Ertrag erscheint im Hinblick auf Grünschnitt 1 neben dem ‘Termin Ährenschieben’ und einer Wuchshöhenmessung zu einem fortgeschrittenen Entwicklungszeitpunkt bereits die ‘Wuchshöhe zu Vegetationsbeginn’ im Frühjahr geeignet zu sein. Kandidaten für die Biomasse-Nutzung mit einem hohen GTM-Ertragspotenzial zum zweiten Erntetermin (Grünschnitt 2) können anhand von schnellem Wuchshöhenzuwachs im Frühjahr und früher Termine des Ährenschiebens und der Blüte frühzeitig identifiziert werden. Aufgrund vereinzelt auftretender Spätfrostgefahr sollte bei der Sortenzüchtung jedoch möglichst die Entwicklung regional angepasster Sorten angestrebt werden, um den hohen Kornanteil an der Gesamtbiomasse beim Schnitt zur Milchreife nicht zu gefährden. Die in einer bisherigen Untersuchung (Anonymus, 1998) bei Roggen festgestellte, nicht-signifikant positive Korrelation der Bestandesdichte zum GTM-Ertrag konnte nicht bestätigt werden.

Weitere ermittelte Korrelationen zeigen, dass vor allem unter der Einbeziehung von PGR und Grünschnittroggen bei der Sortenentwicklung für die Biomassenutzung zusätzlich agronomische Eigenschaften wie Standfestigkeit und Krankheitsresistenzen eine besondere Berücksichtigung finden müssen, um einerseits die Erntbarkeit der Bestände zu gewährleisten und andererseits einem Biomasseverlust durch Krankheitsbefall entgegen zu wirken.

Da für die Schätzung der Biogasausbeute bislang eine NIRS-Kalibrierung zur Verfügung steht, die auf Biomasseproben aus nur einem Anbaujahr basiert, können die untersuchten Sortentypen noch nicht abschließend auf ihr Gasbildungsvermögen beurteilt werden. Die ermittelte moderate Heritabilität und die signifikante genotypische Varianz deuten jedoch auf die bestehende Möglichkeit einer züchterischen Verbesserung des Merkmals Biogasausbeute bei Roggen hin. Die deutlich geringeren Biogasausbeuten bei Grünschnitt 2 verglichen mit dem früheren Grünschnitt 1 bestätigen Ergebnisse bei Mais und Roggen, wonach das spezifische Methanbildungsvermögen mit zunehmendem Alter der Pflanzen abnimmt (Amon et al., 2003, 2004; Pralle, 2007).

Dem Merkmal ‘ADL in %TS’ kann die Rolle eines indirekten Selektionsmerkmals für die Biogasausbeute zukommen, sofern eine hohe Heritabilität des Merkmals ‘ADL’ in Verbindung mit einer engen Korrelation der Merkmale ‘ADL’ und ‘Biogasausbeute’ vorliegt. Ergänzend zur nachgewiesenen hohen Heritabilität des Ligningehalts zeigte sich dieser als signifikant negativ mit der Biogasausbeute korreliert. Dies liegt in der Tatsache begründet, dass Cellulose und Lignin durch Vergärung mikrobiologisch schwerer bzw. nicht abgebaut werden können (Heiermann et al., 2006) und sich ein hoher Ligningehalt in der Biomasse somit negativ auf das spezifische Methanbildungsvermögen auswirkt (Amon et al., 2005). Der positive Zusammenhang zwischen ‘Ligningehalt’ und ‘GTM-Ertrag’ bzw. ‘Termin Ährenschieben’ führt zu einer negativen Korrelation der essentiellen Merkmale ‘GTM-Ertrag’ bzw. ‘Termin Ährenschieben’ und ‘Biogasausbeute’. Demzufolge wird die für Grünschnitt 1 erwünschte schnelle Bestandesentwicklung im zeitigen Frühjahr verbunden mit einem frühen ‘Termin Ährenschieben’ durch ein Absinken der ‘Biogasausbeute pro kg organischer Trockensubstanz’ erkauft. Für die zukünftige Sortenentwicklung zur Biomasserzeugung ist somit die Kombination einer schnellen Bestandesentwicklung verbunden mit einem hohen GTM-Ertrag in Kombination mit einem moderaten Ligningehalt und damit ausreichender Biogasausbeute anzustreben. Eine exaktere Beurteilung einzelner Züchtungskandidaten wäre hierbei durch die Bestimmung ihres absoluten Gasertrages möglich. Hierfür sind allerdings methodische Vorarbeiten, z.B. über einen NIRS-Ansatz, zur Bestimmung des Aschegehalts und somit des jeweiligen Anteils organischer Trockensubstanz in der Gesamt-Trockensubstanz notwendig.


Das diesem Bericht zugrunde liegende Forschungsvor­haben wurde mit Mitteln des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz unter dem Förderkennzeichen 22018305 gefördert. Die Verantwortung für den Inhalt liegt bei den Autoren.

Literatur

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