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Originalarbeit

Regulierung des Kartoffelkäfers (Leptinotarsa decemlineata Say) mit biologischen Pflanzenschutzmitteln (Azadirachtin, B.t.t., Pyrethrum, Spinosad) und deren Nebenwirkungen auf Blattlausprädatoren im ökologischen Kartoffelanbau

Effect of biological plant protection products (azadirachtin, B.t.t., pyrethrum, spinosad) on Colorado potato beetle (Leptinotarsa decemlineata Say) and their side effects on aphid predators in organic potato fields

Stefan Kühne
Institut
Julius Kühn-Institut – Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen, Institut für Strategien und Folgenabschätzung im Pflanzenschutz, Kleinmachnow

Journal für Kulturpflanzen, 62 (9). S. 331–340, 2010, ISSN 0027-7479, DOI: 10.5073/JfK.2010.09.03, Verlag Eugen Ulmer KG, Stuttgart

Kontaktanschrift
Dr. habil. Stefan Kühne, Julius Kühn-Institut – Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen, Institut für Strategien und Folgenabschätzung im Pflanzenschutz, Stahnsdorfer Damm 81, 14532 Kleinmachnow, Germany, E-Mail: stefan.kuehne@jki.bund.de
Zur Veröffentlichung angenommen
Mai 2010

Zusammenfassung

Zur Regulierung des Kartoffelkäfers (Leptinotarsa decemlineata Say) im Ökologischen Landbau reichen oftmals die vorbeugenden Maßnahmen nicht aus, und nur die Anwendung z.B. von Pflanzenschutzmitteln kann die Ertragssicherheit gewährleisten. Ziel der auf einem nach EU-Ökorichtlinien zertifizierten Versuchsfeld durchgeführten Versuche war es deshalb, die dem Ökologischen Landbau zur Verfügung stehenden, biologischen Pflanzenschutzmittel hinsichtlich des optimalen Anwendungszeitpunktes, ihrer Wirkung auf den Schädling und Nebenwirkungen auf Nützlinge sowie deren Wirtschaftlichkeit zu untersuchen. Die Pflanzenschutzmittel Spruzit Neu (Pyrethrum, a.i. 4,59 g/l), Novodor FC (Bacillus thuringiensis var. tenebrionis (B.t.t.), a.i. 20 g/l), NeemAzal-T/S (Neem, a.i. 10 g/l) und SpinTor (Spinosad, a.i. 480 g/l) wurden in den Versuchsjahren von 2004 bis 2009 vergleichend auch in ihrer Kombination getestet. Die Ergebnisse dokumentieren, dass pyrethrumhaltige Präparate auch mit zweifacher Behandlung und verfeinerter Anwendungstechnik keine zufriedenstellende Wirkung mehr zeigen. Aufgrund wachsender Resistenzerscheinungen gegen diesen Wirkstoff wurde von einer Anwendung in Regionen mit intensivem Kartoffelanbau abgeraten. Auch eine einmalige Behandlung mit dem Bakterien­präparat (B.t.t.) oder dem Neem-Präparat NeemAzal T/S zeigte unzureichende Wirkungen bei hohem Schad­erregeraufkommen.

Sehr gute Erfolge erzielte die Kombination beider Präparate bei zeitversetztem Einsatz, insbesondere dann, wenn zuerst das Neem- und bis zu fünf Tagen später das Bakterienpräparat angewendet wurde. Dabei ließen sich die Aufwandmengen der Mittel sogar herabsetzen. Gleichzeitig wird mit dieser Vorgehensweise das Risiko der Ausbildung von Resistenzen gegen eines der Mittel reduziert. Eine Tankmischung aus Neem- und B.t.t.-Präparaten war der zeitversetzten Anwendung der Präparate jedoch unterlegen.

Es ist anzunehmen, dass in Zukunft das Pflanzenschutzmittel SpinTor (Spinosad), aufgrund der geringen Anwendungskosten, das bevorzugte Mittel zur Kartoffelkäferregulierung für die Landwirte sein wird. Auch unter den schwierigen Versuchsbedingungen im Jahr 2009 erzielte die einmalige Anwendung des Präparates Wirkungsgrade von über 80%. Aufgrund der möglichen Resistenzentwicklung ist aber auch hier ein jährlicher Wirkstoffwechsel unbedingt zu empfehlen.

Da die Mittel nur wenige Tage nach der Ausbringung wirksam bleiben, kommt der Festlegung des optimalen Anwendungszeitpunktes zentrale Bedeutung zu. Dabei kann die Anwendung des Prognosemodells SIMLEP3 herangezogen werden. Die erhobenen Boniturdaten stimmten mit den Prognosen des Simulationsmodells bis auf das Jahr 2009 sehr gut überein.

Das Auftreten von Blattlausprädatoren in Kartoffel­beständen ist vergleichsweise gering und wird über­wiegend durch Marienkäfer (Coccinellidae) bestimmt (> 90%). Zu den häufigsten Arten gehören der 7-Punkt Marienkäfer (Coccinella septempunctata L.) und der Asiatische Marienkäfer (Harmonia axyridis Pallas). Im Versuchsjahr 2008 konnte in allen Varianten, in denen Pflanzenschutzmittel angewendet wurden, im Vergleich zur unbehandelten Kontrolle, eine steigende Anzahl an Nutzinsekten beobachtet werden. Die Ursache liegt im starken Blattverlust durch den Käferfraß in der unbe­handelten Variante, die immer weniger Lebensraum für die Blattläuse und deren Gegenspieler bot.

Stichwörter: Ökologischer Landbau, Pflanzenschutz, Kartoffelkäfer, Nützlinge, Spinosad, Neem, Bacillus thuringiensis, Pyrethrum

Abstract

In organic farming, preventive measures frequently do not provide sufficient control of the Colorado potato beetle (CPB, Leptinotasara decemlineata Say), and treatments (e.g. plant protection products, PPPs) are needed to ensure crop safety. In the present study, we compared the efficacy of four biological insecticides – Spruzit Neu (pyrethrum, 4.59 g/l), Novodor FC (Bacillus thuringiensis var. tenebrionis (B.t.t.), 20 g/l), NeemAzal-T/S (neem, 10 g/l) and SpinTor (spinosad, 480 g/l) – against this pest in certified organic fields from 2004 to 2009.

Split application of neem and B.t.t. significantly reduced the percentage of defoliation due to larval feeding and significantly increased the potato yields, particularly when neem was applied first followed by B.t.t. up to five days later. This even made it possible to reduce the doses of the two products. At the same time, this strategy reduces the risk of resistance to one of the products. Combined application of neem and B.t.t. in tank mixes was inferior to split application of the two products.

Because of its low cost and high efficacy, it is likely that farmers would prefer the spinosad product. A single spinosad treatment was more than 80% effective, even in the difficult test conditions in 2009. However, considering the potential for resistance development, it is recommended to change insecticides each year. In three years of field experiments, pyrethrum (Spruzit Neu) did not achieve a significant reduction of CPB larvae.

Because the PPPs remain effective only a few days after application, optimal timing of their application is crucial. The SIMLEP3 forecasting model is useful for determining the optimal timing of treatment. The field data collected showed excellent agreement with the predictions of the simulation model except for 2009.

The numbers of beneficial insects in the experimental potato fields were very low in all years. Ladybirds of the species Coccinella septempunctata L. and Harmonia axyrides Pallas were the most dominant predators. In 2008, we found a positive side effect of biological pesticides on the number of beneficial insects. Compared to untreated controls, increased numbers of beneficial insects were found in crops treated with spinosad (significant difference) 25 days after spraying. This difference was due to the foliage loss caused by the CPB larvae feeding in the untreated controls, which destroyed the habitat for aphids and their predators.

Key words: Organic farming, plant protection, Colorado potato beetle, beneficial insects, spinosad, neem, Bacillus thuringiensis, pyrethrum

1 Einleitung

Die steigende Nachfrage nach Kartoffeln aus dem Öko­logischen Landbau konnte in Deutschland trotz ausgeweiteter Anbaufläche auf mehr als 8200 ha (ZMP, 2008) nicht erfüllt werden. Ursache sind auch Ertragseinbußen, verursacht durch die Frühsommertrockenheit und den starken Befall durch Kartoffelkäfer (L. decemlineata). Das verstärkte Auftreten des Kartoffelkäfers in einigen Regionen Deutschlands ist durch die zunehmenden Flächengrößen, regionale Konzentration des Anbaus mit engen Fruchtfolgen und die steigende Resistenz der Kartoffelkäfer gegen Pyrethroide zu begründen (Nauen, 2005).

Der hohe Selektionsdruck führt seit einigen Jahren zu abnehmender Sensibilität der Schädlinge gegen diesen Wirkstoff. Da Resistenzen den Regulierungserfolg beim Kartoffelkäfer im konventionellen Landbau eingrenzen, unterliegen auch die ökologischen Anbauflächen einem höheren Schädlingsdruck. Weiterhin führen die zunehmenden milden Winter dazu, dass die auf dem Feld nach der Ernte verbliebenen Kartoffeln nicht mehr aus­reichend abfrieren und dann im Sommer in der nach­folgenden Kultur als Durchwuchs auftreten. Dort können sich die Käfer dann ungestört entwickeln. Die immer häufiger auftretende verlängerte Vegetationsperiode kann zur Ausbildung einer zweiten Käfergeneration beitragen, die zu einem allgemeinen Anstieg der Käferzahlen führt. In vielen Gebieten reichen die vorbeugenden Maßnahmen nicht aus, um Schäden durch den Kartoffelkäfer zu verhindern. In solchen Fällen können und sollten aus wirtschaftlichen Gründen auch im Ökolandbau Pflanzenschutzmittel zum Einsatz kommen. Zur Bestimmung einer nachhaltigen Strategie der Kartoffelkäferregulierung im Ökologischen Landbau führt das Julius Kühn-Institut seit 2004 auf den nach EU-Ökoverordnung zertifizierten Versuchsflächen (Kontrollnr.: D-ST-043-48291) in Dahnsdorf Feldversuche durch. Im Zentrum stehen dabei Untersuchungen zur Wirksamkeit der im Ökolandbau zulässigen Pflanzenschutzmittel, zu ihrer Kombinierbarkeit und zeitlich optimierten Ausbringung sowie den Nebenwirkungen auf Nutzorganismen. In Zusammenarbeit mit dem Institut für Pflanzenbauwissenschaften der Landwirtschaftlich-Gärtnerischen Fakultät der Humboldt-Universität (HUB) zu Berlin und der Fachhochschule Eberswalde sind in diesem Zeitraum mehrere Master- und Bachelorarbeiten entstanden*.

2 Material und Methoden

Die Versuche wurden entsprechend der EPPO-Richtlinie PP 1/12 (3) durchgeführt. In einer Blockanlage mit vier Wiederholungen wurden drei Pflanzenschutzmittel­varianten (Ausnahme: Jahr 2006 mit sieben Pflanzenschutzmittelvarianten) und eine unbehandelte Kontrolle angelegt. Die Parzellengröße jeder Variante betrug 6 m × 34 m (im Jahr 2006 6 m × 17 m). Die Anzahl der Kartoffelkäfer, der prozentuale Fraßschaden an den Kartoffelpflanzen sowie Anzahl und Artenspektrum der Nützlinge wurden im Bestand wöchentlich an denselben 10, einmal zufällig ausgewählten und markierten Pflanzen pro Variante erhoben. Das ermöglichte, die Varianz der Ergebnisse durch das lokale Auftreten der Kartoffelkäfer einzuschätzen und die Befallsentwicklung für jede einzelne Pflanze nachzuvollziehen. Bei der Nützlings­bonitur wurden nur Blattlausprädatoren einbezogen, die sich auf der Pflanze befanden. Am Boden befindliche Insekten, wie Laufkäfer (Carabiden) oder Kurzflügel­käfer (Staphyliniden), wurden nicht mitgezählt. Um die Prädatorleistung der verschiedenen Nützlingsarten zwischen den Jahren realistisch zu vergleichen, wurde das Nützlingsauftreten leistungsbezogen nach Freier et al. (2007) berechnet. Danach ist der Prädatorleistung jeder relevanten Nützlingsart, variierend nach ihren verschiedenen Entwicklungsstadien, ein Wert zwischen Null und Eins mit der Maßeinheit „Prädatoreinheit“ (PE) zuge­ordnet worden. Separat für jede Nützlingsart wurde die bonitierte Anzahl (Anzahl1Nützling) mit dem zugeordneten Faktor (PEiNützling) multipliziert und so die jeweils verfügbare Prädatorleistung (PEi) pro Boniturtermin ermittelt. Um die Prädatorleistung aller erhobenen Nützlingsarten (PEgesamt) darzustellen, wurde die Summe aus den Prädatoreinheiten der einzelnen Nützlingsarten (PE1–n) gebildet. Die hier erstmalig aufgestellte Formel (Abb. 1) entspricht dem Berechnungsmodell nach Freier et al. (2007) und wurde zum ersten Mal auf die Prädatorleistung von Nützlingen in Kartoffeln angewandt. Bei der Interpretation der Ergebnisse muss jedoch berücksichtigt werden, dass die Prädatorleistung (PEiNützling) für Getreidekulturen berechnet wurde und damit geringe Abweichungen entstehen können. In einem Kartoffelbestand kann das Auftreten der Blattläuse vergleichsweise gering sein und der Anteil an Alternativnahrung entsprechend größer. Deshalb wäre in Zukunft eine Anpassung der Prädatorleistung auch an andere landwirtschaftliche Kulturen notwendig.

Abb. 1. Formel zur Berechnung der Prädatorleistung von Nützlingsgemeinschaften abgeleitet von dem Berechnungsmodell nach Freier et al. (2007).PEi: Prädatorleistung einer Nützlingsgruppe (z.B. Marienkäfer)PEiNützling: Wert für eine Prädatoreinheit eines Nützlings (z.B. 7-Punkt Marienkäfer, Adult = 0,94)Anzahl1Nützling: Anzahl Individuen einer NützlingsgruppePEgesamt: Prädatorleistung einer Nützlingsgemeinschaft (z.B. Marienkäfer, Schwebfliegen usw.)

Abb. 1. Formel zur Berechnung der Prädatorleistung von Nützlingsgemeinschaften abgeleitet von dem Berechnungsmodell nach Freier et al. (2007).
PEi: Prädatorleistung einer Nützlingsgruppe (z.B. Marienkäfer)
PEiNützling: Wert für eine Prädatoreinheit eines Nützlings (z.B. 7-Punkt Marienkäfer, Adult = 0,94)
Anzahl1Nützling: Anzahl Individuen einer Nützlingsgruppe
PEgesamt: Prädatorleistung einer Nützlingsgemeinschaft (z.B. Marienkäfer, Schwebfliegen usw.)

In der Praxis gelten Kartoffelflächen als bekämpfungswürdig, wenn bei der Bonitur von 5 Pflanzen an 5 über den Schlag verteilten Boniturlinien im Durchschnitt ein Eigelege oder zehn Larven (L1, L2) je Pflanze zu finden sind. Zur Festlegung des Behandlungstermins wurde in allen Versuchsjahren, neben den eigenen Feldbonituren, das von der Zentralstelle der Länder für EDV-gestützte Entscheidungshilfen und Programme im Pflanzenschutz (ZEPP) entwickelte Prognosemodell SIMLEP3 (Simula­tion Leptinotarsa) herangezogen, welches die Popula­tionsdynamik (maximales Auftreten der Entwicklungsstadien) des Kartoffelkäfers und somit den optimalen Bekämpfungstermin abbilden kann. Das Modell SIMLEP3 berechnet mit Hilfe einer Temperatursummenmethode die Populationsdynamik des Kartoffelkäfers vom Erstauftreten der Eigelege bis zum Erscheinen von Junglarven. Als Eingabeparameter für die Modellrechnungen des Zeitraumes für die maximale Anzahl Junglarven und Altlarven gilt das Datum für den Erstfund von Eigelegen im Feld. Für die Prognose sind die Wetterdaten von großer Bedeutung. Hier wurden direkt die Daten der stations­eigenen Messanlage des Versuchsstandortes Dahnsdorf verrechnet. Die Anwendungen der Pflanzenschutzmittel (Tab. 1) erfolgte in den Jahren entsprechend der Her­stellerangaben zu optimalen Zeitpunkten und optimalen Wetterbedingungen (keine direkte Sonneneinstrahlung, Windgeschwindigkeit < 1 m/s, Temperatur < 20˚C) mit Ausnahme des Jahres 2009. Hier wurde bei den Feld­bonituren zum Zeitpunkt des nach SIMLEP3 prognostizierten optimalen Bekämpfungszeitraumes der Bekämpfungsrichtwert erstmalig nicht erreicht und deshalb die Anwendung der Mittel verschoben. Erst fünf Wochen nach dem Erstfund der Eigelege (26.05.2009), am 05.07.2009, war die Notwendigkeit einer Behandlung gegeben. Als Ursache hierfür ist der Kälteeinbruch Ende Mai 2009 zu Beginn der Eiablage zu nennen, in deren Folge sich der Eiablagezeitraum über mehrere Wochen verlängerte. Dadurch zog sich auch der Schlupf der Käferlarven über einen längeren Zeitraum hin und der Schwellenwert wurde fast drei Wochen später als in den vergangenen Versuchsjahren erreicht. Die Pflanzenschutzmittelanwendungen erfolgten deshalb am 07. und 10.07.2009 weit außerhalb des durch SIMLEP3 prognostizierten optimalen Behandlungszeitraumes. Durch einen Regenschauer kurz nach dem zweiten Anwendungstermin der Pflanzenschutzmittel wurde deren Wirksamkeit zusätzlich beeinträchtigt. Aufgrund der in 2009 auch später erfolgten Pflanzenbonituren wurde das Nützlingsauftreten für die 28. bis 31. Kalenderwoche (KW) ausgewertet, während für alle anderen Jahre die 26. bis 29. Kalenderwoche die Vergleichsgrundlage bildete.

Tab. 1. Biologische Pflanzenschutzmittel zur Kartoffelkäferregulierung im Vergleich

 

Spruzit Neu

NeemAzal-T/S

Novodor FC

SpinTor

Wirkstoffgehalt

4,95 g/l Pyrethrum
825,3 g/l Rapsöl

10 g/l Azadirachtin (Neem)

20 g/l Bacillus thuringiensis (B.t.t.)

480 g/l Spinosad

Wirkung gegen

Käfer und Larven

Larven

Larven

Käfer und Larven

Gefahrensymbole

Xi – reizend

keine

Xi – reizend

N – Umweltgefährlich

Gewässerschutz

Mindestabstand zu Gewässern einhalten; giftig für Fische, Fischnährtiere und Algen

kein Mindestabstand zu Gewässern notwendig

kein Mindestabstand zu Gewässern notwendig

Mindestabstand zu Gewässern einhalten; sehr giftig für Fische, Fischnährtiere und Algen

Bienenschutz

nicht bienengefährlich

nicht bienengefährlich

nicht bienengefährlich

bienengefährlich

Nutzorganismen

können geschädigt werden

mit Ausnahme von Schwebfliegen (Episyrphus balteatus) nicht schädigend

schwach schädigend für Siebenpunkt-Marienkäfer (Coccinella septempunctata)

schwach schädigend für Siebenpunkt-Marienkäfer (Coccinella septempunctata), schädigend für Erzwespe (T. dendrolini)

Aufwandmenge l/ha

8,0

2,5

3,0 (L1 bis L2)
5,0 (L3 bis L4)

0,05

Wasseraufwandmenge l/ha

1000

400

500

400

Preis pro Einheit

10 €/l

55 €/l

21 €/l

375 €/l

Applikationskosten

16 €/ha

16 €/ha

16 €/ha

16 €/ha

Kosten insgesamt

96 €/ha

154 €/ha

79 €/ha (bei 3 l/ha
gegen L1 bis L2)

35 €/ha

Die Krautfäuleregulierung (Phytophthora infestans) erfolgte nach Bedarf auf der gesamten Versuchsfläche einheitlich mit Kupferpräparaten (CUPROZIN flüssig, 750 g/ha Kupfer pro Behandlung) in vier von 6 Versuchsjahren. In den Jahren 2006 mit 1,5 kg/ha Reinkupfer, 2007 mit 3,75 kg/ha Reinkupfer, 2008 und 2009 mit 2,25 kg/ha Reinkupfer. Im Jahr 2009 konnte die Krautfäule im Gegensatz zu den anderen Versuchsjahren nur unzureichend reguliert werden.

Neben dem auf einem Neemextrakt basierenden Mittel NeemAzal-T/S und dem Bacillus thuringiensis var. tene­brionis (B.t.t.)-Präparat Novodor FC, für die bereits Erfahrungen vorliegen (z.B. Schrod et al., 1996; Basedow und Peters, 1997), wurde erstmals ein auf Pyrethrum und Rapsöl basierendes Pflanzenschutzmittel (Spruzit Neu) im ökologischen Kartoffelanbau einem Wirkungstest unterzogen. Im Jahr 2008 wurde der Wirkstoff Spinosad in die EU-Ökoverordnung als Insektizid neu aufgenommen und kann seitdem im Ökolandbau angewendet werden. Es handelt sich dabei um ein Stoff­wechselprodukt des Bodenbakteriums Saccharopolyspora spinosa, das durch aerobe Fermentation gewonnen wird. Pflanzenschutzmittel mit diesem Wirkstoff sind in Deutschland bisher im Weinbau, bei Zierpflanzen und im Gemüsebau gegen verschiedene Schadinsekten zuge­lassen. Eine Zulassung eines Pflanzenschutzmittels mit dem Wirkstoff Spinosad für die Indikation Kartoffelkäfer in Kartoffeln ist in Deutschland erstmalig für das Jahr 2010 erfolgt.

Spinosad wirkt als Nervengift und führt zu einer vollständigen, irreversiblen Lähmung des Schädlings. Die Aufnahme des Wirkstoffes Spinosad erfolgt durch Fraßaktivitäten sowie durch Kontakt mit dem Wirkstoff. Er ist als Bienengefährlich (B1) eingestuft.

Aufgrund der Neuaufnahme von Spinosad in die EU-Ökoverordnung wurden die bisher erfolgreichen Regulierungsstrategien mit Neem- und B.t.t.-Präparaten der einmaligen Anwendung von Spinosad in den Versuchsjahren 2008 bis 2009 gegenüber gestellt und einem Effizienzvergleich unterzogen.

3 Ergebnisse und Diskussion

3.1 Kartoffelkäferregulierung

In den seit 2004 durchgeführten Feldversuchen zur Regulierung des Kartoffelkäfers im Ökologischen Landbau sind die getesteten Wirkstoffe den sich verändernden Verfügbarkeiten der Pflanzenschutzmittel ständig angepasst worden bzw. wurden aufgrund ihrer geringen Wirkung nur zeitlich begrenzt getestet.

Die Versuche 2004 bis 2006 haben belegt, dass sogar eine zweimalige Anwendung der Pyrethrumpräparate keine ausreichende Wirkung gegen den Kartoffelkäfer hat (Tab. 2). Das natürliche Pyrethrum besitzt den gleichen Wirkmechanismus wie die synthetischen Pyrethroide, gegen die der Käfer durch die jahrelange Anwendung im konventionellen Landbau bereits Resistenzen ausgebildet hat. Von einer Kartoffelkäferregulierung mit Spruzit Neu in intensiven Kartoffelanbauregionen wurde der Praxis deshalb abgeraten (Kühne et al., 2007; Reelfs et al., 2007). In den Folgejahren wurde die Regulierungsstrategie mit Pyrethrum auf den Versuchsflächen in Dahnsdorf nicht weiter verfolgt.

Tab. 2. Kartoffelkäferregulierung mit biologischen Pflanzenschutzmitteln, Dahnsdorf, Brandenburg, Wirkungsgrad in % bezogen auf den geschätzten Blattflächenverlust durch Kartoffelkäferfraß 24 bis 25 Tage nach der ersten Behandlung und Mehrertrag (dt/ha) im Vergleich zur unbehandelten Kontrolle. * Statistisch gesichert zur unbehandelten Kontrolle (Tukey; P < 0,05). Aktive Wirksubstanz (a.i.): Pyrethrum 4,59 g/l (Spruzit Neu), Bacillus thuringiensis var. tenebrionis (B.t.t.) 20 g/l (Novodor FC), Neem 10 g/l (NeemAzal-T/S), Spinosad 480 g/l (SpinTor)

Jahr

1. Behandlung

Produkt l/ha

2. Behandlung

Produkt l/ha

Zeitpunkt der
2. Behandlung

Wirkungsgrad in %

Mehrertrag zur UK in dt/ha

2004

Pyrethrum

8

keine

keine

keine

  5

  29

2005

Pyrethrum

8

keine

keine

keine

  9

  16

2006

Pyrethrum

8

Pyrethrum

8

+ 12 Tage

16

  17

2004

B.t.t.

3

keine

keine

keine

44 *

    2

2005

B.t.t.

5

keine

keine

keine

30

  25

2006

B.t.t.

5

keine

keine

keine

45

  17

2006

B.t.t.

5

Pyrethrum

8

+ 2 Tage

43

    9

2008

B.t.t.

3

B.t.t

5

+ 4 Tage

78 *

  54 *

2009

B.t.t.

3

B.t.t.

5

+ 3 Tage

37 *

  40 *

2004

Neem

2,5

keine

keine

keine

39 *

  –6

2005

Neem

2,5

keine

keine

keine

44 *

  54 *

2006

Neem

2,5

keine

keine

keine

57 *

  19

2006

Neem

2,5

Pyrethrum

8

+ 2 Tage

71

    0

2006

Neem

2,5

B.t.t.

5

+ 2 Tage

80 *

  42 *

2007

Neem

2,5

B.t.t.

5

+ 5 Tage

87 *

  62 *

2008

Neem

2,5

B.t.t.

3

+ 5 Tage

82 *

  70 *

2009

Neem

2,5

B.t.t.

5

+ 3 Tage

43 *

  53 *

2006

Neem

2,5

B.t.t.

1,7

Tankmischung mit 1. Behandlung

77 *

  18

2007

Neem

2,5

B.t.t.

1,7

Tankmischung mit 1. Behandlung

68 *

  16 *

2008

Spinosad

0,05

keine

keine

keine

82 *

103 *

2009

Spinosad

0,05

keine

keine

keine

83 *

  37 *

Eine einmalige Behandlung mit dem Bakterienpräparat Bacillus thuringiensis var. tenebrionis (B.t.t.) zeigte in den Jahren 2004 bis 2006 ebenfalls nur schwache Wirkungsgrade von unter 50% und konnte das hohe Schaderregeraufkommen nicht ausreichend reduzieren. Die Wirkungsgrade der einmaligen Anwendung des Neem-Präparates NeemAzal T/S im gleichen Untersuchungszeitraum (2004–2006) zeigte zwar jedes Jahr statistisch gesicherte Unterschiede zur unbehandelten Kontrolle auf, jedoch konnte mit dem maximal erzielten Wirkungsgrad von 57% im Jahr 2006 auch hier der Kartoffelkäfer nicht zufriedenstellend reduziert werden (Kühne et al., 2007).

In den weiteren Versuchen wurde geprüft, ob die Kombination der Neem- und B.t.t.-Präparate effektiver ist als die alleinige Anwendung eines Mittels. In den Versuchsjahren 2006 bis 2008 zeigten sich sehr gute Erfolge durch die Kombination beider Präparate bei zeitversetztem Einsatz. Insbesondere dann, wenn zuerst das Neem- und bis zu fünf Tage später das Bakterienpräparat angewendet wurde. Dabei ließen sich die Aufwandmengen der Mittel sogar reduzieren. Demgegenüber war eine Tankmischung aus beiden Präparaten (Versuchsjahre 2006 und 2007) der zeitversetzten Anwendung der Mittel unterlegen. Obwohl sich die Unterschiede statistisch nicht absichern ließen, ist die verminderte Wirkung der Tankmischung aus den Wirkmechanismen der beiden Insektizide erklärbar. Die Aufnahme von Novodor FC führt zu einem relativ schnellen Fraßstopp und ver­hindert bei gleichzeitiger Applikation von Neem die ausreichende Aufnahme dieses häutungshemmenden Wirkstoffes. Deshalb sollte bei der Anwendung der zeitlich versetzten Doppelstrategie immer zuerst das Neem­präparat und dann erst das B.t.t.-Präparat angewendet werden. In drei von vier Jahren (2006 bis 2008) wurden mit dieser Strategie Wirkungsgrade von über 80% und Mehrerträge zwischen 42 und 70 dt/ha erzielt (Kühne et al., 2008). Vergleichbare, sehr gute Erfolge konnte man auch mit der zweimaligen B.t.t.-Behandlung im Jahre 2008 erzielen. Aufgrund der Gefahr der Ausbildung von Resistenzen ist der Praxis allerdings von einer zweimaligen Anwendung des gleichen Wirkstoffes in einem Jahr abzuraten (Kühne et al., 2009).

Überraschend war die Effizienz der einmaligen Spinosad-Behandlung (2008 und 2009), die auch unter den schwierigen Versuchsbedingungen im Jahr 2009 Wirkungsgrade von über 80% erzielte. Zum besseren Vergleich der Ergebnisse zeigt die Abb. 2 die Entwicklung des durchschnittlichen Blattflächenverlustes pro Pflanze durch Kartoffelkäferlarvenfraß in Abhängigkeit von den Behandlungsvarianten und der unbehandelten Kon­trolle. Hier zeigt sich die deutliche Vorteilswirkung des schnell wirkenden Nervengiftes Spinosad, dessen Wirksamkeit, im Gegensatz zum Neem- und B.t.t.-Präparat, nicht vom Entwicklungsstadium des Zielorganismus abhängig ist. Zum Anwendungszeitpunkt der Pflanzenschutzmittel 2009 befanden sich erstmalig 35% der Kartoffelkäfer im dritten und vierten Larvenstadium (Abb. 3). In diesem Entwicklungsstadium müssen die Käferlarven wesentlich mehr Wirkstoffmengen von Neem oder B.t.t. aufnehmen, um die Fraßaktivität einzustellen. Der Wirkungsgrad der zweimaligen B.t.t.-Behandlung und der Neem/B.t.t.-Spritzfolge war im Vergleich zu den anderen Versuchsjahren 2007 und 2008 deshalb um die Hälfte (37% und 43% Wirkungsgrad) verringert. Auch das Regenereignis zum zweiten Behandlungstermin hat sicher zur verminderten Wirkung in diesen Varianten geführt. Während der Blattflächenverlust in der Spinosad-Variante statistisch abgesichert nur bei durchschnittlich 11% (2009) im Vergleich zu den anderen beiden Behandlungsvarianten (42% Neem/B.t.t.; 48% B.t.t./B.t.t. Blattflächenverlust) lag, konnte sich dieses Ergebnis nicht in einem höheren Ertrag im Vergleich zu den anderen Behandlungsvarianten niederschlagen. Ursache hierfür war die schnelle Ausbreitung der Krautfäule, die im Jahr 2009 nicht ausreichend kontrolliert werden konnte und zu einem raschen Blattflächenverlust führte. Der Mehrertrag der Behandlungsvarianten zur unbehandelten Kontrolle konnte allerdings statistisch abgesichert werden und betrug zwischen 37 dt/ha und 53 dt/ha.

Abb. 2. Entwicklung des durchschnittlichen Blattflächenverlustes pro Pflanze durch Fraß der Kartoffelkäferlarven in Abhängigkeit von den Behandlungsvarianten und der unbehandelten Kontrolle. * statistisch gesichert zur unbehandelten Kontrolle (UK) (Tukey; P < 0,05); ** statistisch gesichert zur unbehandelten Kontrolle (UK) und den anderen Behandlungsvarianten (Tukey; P < 0,05); WG – Wirkungsgrad in % bezogen auf den geschätzten Blattflächenverlust durch Kartoffelkäferfraß 24 Tage nach der ersten Behandlung.

Abb. 2. Entwicklung des durchschnittlichen Blattflächenverlustes pro Pflanze durch Fraß der Kartoffelkäferlarven in Abhängigkeit von den Behandlungsvarianten und der unbehandelten Kontrolle. * statistisch gesichert zur unbehandelten Kontrolle (UK) (Tukey; P < 0,05); ** statistisch gesichert zur unbehandelten Kontrolle (UK) und den anderen Behandlungsvarianten (Tukey; P < 0,05); WG – Wirkungsgrad in % bezogen auf den geschätzten Blattflächenverlust durch Kartoffelkäferfraß 24 Tage nach der ersten Behandlung.

Abb. 3. Durchschnittliche Anzahl Kartoffelkäferlarven/Pflanze vor der Behandlung (Entscheidungsbonitur) in den Jahren von 2004 bis 2009.

Abb. 3. Durchschnittliche Anzahl Kartoffelkäferlarven/Pflanze vor der Behandlung (Entscheidungsbonitur) in den Jahren von 2004 bis 2009.

3.2 Wirtschaftlichkeit der Anwendung biologischer Pflanzenschutzmittel

Am Beispiel der Versuchsergebnisse aus dem Jahr 2008 soll die Wirtschaftlichkeit der Anwendung biologischer Pflanzenschutzmittel anhand des behandlungskostenfreien Erlöses (BkfE) genau untersucht werden. Dazu ist es notwendig, die in der Praxis anfallenden Anwendungskosten von dem Erlös der Kartoffelerträge abzu­ziehen. Diese werden wie folgt berechnet:


Einnahmen = (Erträge – Sortierabgang) × Verkaufspreis


Behandlungskosten = (Menge × Preis) + (Anzahl Überfahrten × 16 €)


Die pauschalen Kosten für den Arbeits- und Maschineneinsatz einer Überfahrt werden mit 16 €/ha (www.ktbl.de) berechnet. Die Verkaufsmenge errechnet sich aus 100% Ernteertrag abzüglich eines Sortierabganges von 20%. Der Verkaufspreis für Öko-Kartoffeln war in den ver­gangenen Jahren starken Schwankungen ausgesetzt. Im krautfäulebedingt sehr angebotsknappen Jahr 2007 konnten noch Durchschnittspreise für Öko-Kartoffeln von 50 €/dt erzielt werden (Abgabe an den Bio-Großhandel, frei Rampe, lose und ohne Mehrwertsteuer). Im Jahr 2008 fielen sie auf 40 €/dt und 2009 weiter auf 26 €/dt (Scholvin und Meyercordt, 2010). Für die Kostenberechnung im Jahr 2008 wurde deshalb der Verkaufspreis von 40 €/dt (Abgabe an den Bio-Großhandel, frei Rampe, lose und ohne Mehrwertsteuer) zu Grunde gelegt (Tab. 3).

Tab. 3. Berechnung des behandlungskostenfreien Erlöses (BkfE) für die Kartoffelerträge aus dem Jahr 2008

Variante

Ertrag

dt/ha

Verkaufsmenge

dt/ha

Verkaufspreis

€/dt

Einnahmen

€/ha

Behandlungs­kosten
€/ha

BkfE

€/ha

unbeh. Kontrolle

158

127

40

5080

5080

Spinosad

261

209

40

8360

  35

8325

B.t.t./B.t.t.

212

170

40

6800

200

6600

Neem/B.t.t.

213

171

40

6840

233

6607

Der Durchschnittsertrag in der unbehandelten Kontrolle lag im Jahr 2008 mit 158 dt/ha sehr niedrig, bei der Neem-B.t.t.-Spritzfolge und zweifachen B.t.t.-Anwendung fast gleich hoch bei 212 dt/ha und 213 dt/ha und bei der Spinosad-Variante bei 261 dt/ha. Gegenüber der UK konnte in der Spinosad-Variante ein signifikanter Mehrertrag von 103 dt/ha erzielt werden. Während alle drei Behandlungsstrategien zu einem vergleichbar sehr guten Regulierungserfolg des Kartoffelkäfers im Jahr 2008 führten, unterscheiden sie sich aber hinsichtlich der Behandlungskosten. Während die einmalige Anwendung von Spinosad sehr niedrige Kosten von etwa 35 €/ha verursacht (16 € Maschinen- und Ausbringungskosten, 19 € Pflanzenschutzmittel) werden für die Behandlungen mit Neem und B.t.t. ca. 233 €/ha (32 € Maschinen und Ausbringungskosten, 201 € Pflanzenschutzmittel) und für die zweifache B.t.t.-Behandlungen 200 €/ha (32 € Maschinen und Ausbringungskosten, 168 € Pflanzenschutzmittel) berechnet. Aus der Tab. 3 geht hervor, dass die Spinosad-Variante im Jahr 2008 einen Mehrerlös für den Landwirt von 3245 €/ha erzielte. Der Mehrerlös für die Neem-B.t.t.-Spritzfolge war unwesentlich höher als für die zweifache B.t.t.-Anwendung (1520 €/ha) und betrug 1527 €/ha.

Die Tab. 4 verweist auf die notwendigen Mehrerträge zur Kostendeckung der einzelnen Pflanzenschutzvarianten bei einem zu Grunde gelegten Durchschnittspreis für Öko-Kartoffeln von 30 €/dt. Vergleicht man dazu die signifikanten Mehrerträge der Versuchsjahre 2004 bis 2009 (Tab. 2) so wird deutlich, dass eine Pyrethrum-Behandlung mit Spruzit Neu und eine einmalige B.t.t.-Behandlung mit Novodor FC nicht wirtschaftlich sein kann. Auch eine einmalige Neem-Anwendung mit NeemAzal-T/S kann die Mehrkosten nicht in allen Jahren ausreichend decken. Erst eine zweimalige B.t.t.-Anwendung oder eine Neem/B.t.t.-Spritzfolge ist wirtschaftlich und deckt die Anwendungskosten für die Pflanzenschutzmittel meist um ein vielfaches ab. Eine einmalige Spinosad-Behandlung mit SpinTor kann aufgrund der geringen Behandlungskosten, den hohen Wirkungsgraden und der sicheren Mehrerträge als die zurzeit wirtschaftlichste Variante bewertet werden.

Tab. 4. Berechnung des notwendigen Mehrertrages in dt/ha (Marktware) zur Kostendeckung der unterschiedlichen Pflanzenschutzvarianten

Variante

1. Behandlung

l/ha

2. Behandlung

l/ha

Verkaufspreis

€/dt

Behandlungskosten

€/ha

Notwendiger Mehrertrag
dt/ha

Pyrethrum

8,0

30

96

3,2

Spinosad

0,05

30

35

1,2

B.t.t./B.t.t.

3,0

5,0

30

200

6,7

Neem/B.t.t.

2,5

3,0

30

233

7,8

3.3 Nebenwirkungen auf Blattlausprädatoren

In der Abb. 4 sind die mittleren Prädatoreinheiten im ökologischen Kartoffelbau für jede Erhebung (n = 4) und für jede Pflanze (n = 640) (2004–2008, 26. bis 29. Kalenderwoche; 2009, 28. bis 31. Kalenderwoche) im Beobachtungszeitraum für die einzelnen Versuchsjahre dargestellt. Es wird deutlich, dass an Kartoffelpflanzen das Auftreten von Blattlausprädatoren vergleichsweise gering ist (Kühne und Reelfs, 2008). Von 2005 bis 2007 und 2009 liegen die Prädatoreinheiten (PE) zwischen 0,01 und 0,19 PE/Pflanze. Nur 2008 liegen sie mit einem mittleren Wert von 0,36 PE/Pflanze etwa um das 2 bis 20fache höher. In allen Jahren wird das Blattlausgegenspielerspektrum durch die Marienkäfer bestimmt (≥ 90%). In vier von sechs Jahren folgen die Florfliegenlarven mit Ausnahme von 2004 und 2008, in der die Schwebfliegenlarven eine entsprechende Bedeutung haben.

Abb. 4. Mittlere Prädatoreinheiten (PE) im ökologischen Kartoffelbau je Erhebung (n = 4) und je Pflanze (n = 640 mit Ausnahme 2006 n = 1280) (2004–2008 – 26. bis 29. Kalenderwoche; 2009 – 28. bis 31. Kalenderwoche) im Beobachtungszeitraum und Jahr.

Abb. 4. Mittlere Prädatoreinheiten (PE) im ökologischen Kartoffelbau je Erhebung (n = 4) und je Pflanze (n = 640 mit Ausnahme 2006 n = 1280) (2004–2008 – 26. bis 29. Kalenderwoche; 2009 – 28. bis 31. Kalenderwoche) im Beobachtungszeitraum und Jahr.

Zu den regelmäßig in allen Jahren vorkommenden Nützlingen zählen Marienkäfer der Art Coccinella septempunctata, Propylea quatordecimpunctata und Adalia bipunctata. Im Jahr 2007 konnte erstmalig der Asiatische Marienkäfer Harmonia axyridis auf den Kartoffelschlägen des Versuchsfeldes nachgewiesen werden (Abb. 5a, b). In den Folgejahren zählte er schon zu den häufigsten Marienkäfern (Anteil 2008 = 34%, 2009 = 42%). Die Abb. 5 gibt eine Übersicht zur Vielfalt der Nützlinge, die in dem Beobachtungszeitraum an den Kartoffeln beo­bachtet worden sind. Weitere Blattlausgegenspieler wie die Larven der Florfliegen (Chrysopidae) und Schwebfliegenlarven (Syrphidae) sowie Baldachinspinnen (Linyphiidae) (Abb. 5d), die insbesondere geflügelte Blatt­läuse mit ihren Netzen fangen, zählen ebenfalls zu den regelmäßigen Nützlingen in den Kartoffelbeständen.

Abb. 5.    Nützlingsvielfalt im Kartoffelfeld. a: Asiatische Ma­rienkäfer Harmonia axyridis bei der Kopulation; b: Larve von Harmonia axyridis frisst Larve des 7-punkt Marienkäfers Coccinella septempunctata; c: Augenmarienkäfer Anatis ocellata; d: Baldachinspinne (Linyphiidae); e: Larve einer Florfliege (Chrysoperla sp.) saugt ein Eigelege des Kartoffelkäfers aus; f: Kamelhalsfliege Phaeostigma notata; g: Räube­rische Fliege der Gattung Platypalpus (Hybotidae); h: Puppe einer Schwebfliege (Syrphidae)

Abb. 5.    Nützlingsvielfalt im Kartoffelfeld. a: Asiatische Ma­rienkäfer Harmonia axyridis bei der Kopulation; b: Larve von Harmonia axyridis frisst Larve des 7-punkt Marienkäfers Coccinella septempunctata; c: Augenmarienkäfer Anatis ocellata; d: Baldachinspinne (Linyphiidae); e: Larve einer Florfliege (Chrysoperla sp.) saugt ein Eigelege des Kartoffelkäfers aus; f: Kamelhalsfliege Phaeostigma notata; g: Räube­rische Fliege der Gattung Platypalpus (Hybotidae); h: Puppe einer Schwebfliege (Syrphidae)

Im Jahr 2006 konnte mehrfach beobachtet werden, dass Larven der Florfliege sowohl Eigelege (Abb. 5e) als auch Kartoffelkäferlarven aussaugen. Regelmäßig waren auch räuberische Fliegen aus der Gattung Platypalpus (Hybotidae) an den Pflanzen auf Beutefang nach kleinen Dipteren zu beobachten (Abb. 5g). Weiterhin traten auch räuberische Nahrungsgäste wie z.B. der Augenmarien­käfer Anatis ocellata (Abb. 5c) oder die Kamelhalsfliege Phaeostigma notata (Abb. 5f) auf, die wahrscheinlich aus dem benachbarten Waldrand in die Bestände eingeflogen sind.

Im Jahr 2008 konnten erstmalig statistisch abgesicherte Unterschiede im Auftreten von Blattlausprädatoren zwischen den Behandlungsvarianten festgestellt werden (Abb. 6). Eine Ursache war das zahlenmäßig höhere Nützlingsauftreten im Versuchsjahr. Im Verlauf des Untersuchungszeitraumes konnte in allen mit Pflanzenschutzmitteln behandelten Varianten im Vergleich zur unbehandelten Kontrolle eine steigende Anzahl an Nutzinsekten beobachtet werden. Die Ursache liegt im starken Blattverlust durch den Käferfraß in der unbehandelten Variante, die immer weniger Lebensraum für die Blattläuse und deren Gegenspieler bot. Die meisten Blatt­lausprädatoren konnten 23 Tage nach Versuchsbeginn in der Spinosad-Variante mit durchschnittlich 3 Blattlaus­prädatoren/Pflanze im Vergleich zur Kontrolle mit nur einem Blattlausprädator/Pflanze gezählt werden. Dieses Ergebnis konnte statistisch abgesichert werden (α = 0,05; Simulate-Verfahren). Spinosad hat keine Nebenwirkungen auf Blattläuse, ist nur gering toxisch für Nützlinge und wird sehr schnell in der Natur abgebaut (Schmutterer und Huber, 2005). Somit wurde die Nahrungsgrundlage für die Nützlinge in dieser Variante nicht negativ beeinflusst. Neem hat dagegen Nebenwirkungen auf Blattläuse und kann Schwebfliegen schädigen. B.t.t.-Präparate können sich schwach schädigend auf den Siebenpunkt-Marienkäfer (C. septempunctata) auswirken (Tab. 1). So ist zu erklären, warum die zweifache B.t.t.-Anwendung und die Neem/B.t.t.-Spritzfolge zu einem geringeren Nützlingsbesatz im Vergleich zur Spinosad-Variante führten. Festzuhalten bleibt jedoch, dass im Gegensatz zur allgemeinen Lehrmeinung die Anwendung biologischer Pflanzenschutzmittel im Kartoffelanbau zu einer Förderung der Blattlausprädatoren beitragen kann.

Abb. 6. Mittlere Anzahl Blattlausprädatoren je Pflanze (n = 40) und Behandlungsvariante, Dahns­dorf 2008, * statistisch gesichert zur unbehandelten Kontrolle (UK) (Simulate-Verfahren; P < 0,05).

Abb. 6. Mittlere Anzahl Blattlausprädatoren je Pflanze (n = 40) und Behandlungsvariante, Dahns­dorf 2008, * statistisch gesichert zur unbehandelten Kontrolle (UK) (Simulate-Verfahren; P < 0,05).

Danksagung

Von der Planung, der Anlage der Versuche über die Erhebungen und Behandlungen bis zur Ernte, Daten­aufbereitung und -auswertung braucht es viele helfende Hände und Köpfe.

Ich danke meiner Mitarbeiterin und Assistentin Frau Britta Friedrich, die mir schon viele Jahre in allem mit Rat und Tat zur Seite steht. Ich danke den Studentinnen und Studenten der Humboldt-Universität zu Berlin und der Fachhochschule Eberswalde für ihren Einsatz und ihre Leidenschaft beim Anfertigen ihrer Abschlussarbeiten. Nicht zuletzt möchte ich dem langjährigen Leiter der Außenstelle Kleinmachnow der damaligen Biologischen Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft, Herrn Prof. Dr. Ulrich Burth, meinen Dank aussprechen. Er hat in jeder Hinsicht die Versuche unterstützt und der angewandten Forschung dadurch uneingeschränkte Möglichkeiten geboten. Allen Kolleginnen und Kollegen des Institutes für Folgenabschätzung im Pflanzenschutz danke ich für ihre Unterstützung und für gute, konstruktive und kritische Gespräche.

Literatur

Basedow, T., A. Peters, 1997: Control of Colorado Potato Beetle (Leptinotarsa decemlineata Say) by an azadirachtin-formulation (Neem-Azal T/S), by Bacillus thuringiensis var. tenebrionis (Novodor), and in combinations of both: short-term and long-term effects. In: Neem Ingredients and Pheromones: Proc. of the 5th workshop vom 22. bis 25. Januar 1990 in Wetzlar, Germany, 59-66.

Freier, B., H. Triltsch, M. Möwes, E. Moll, 2007: The potential of predators in natural control of aphids in wheat: Results of a ten-year field study in two German landscapes. BioControl 52, 775-788.

Kowalska, J., S. Kühne, 2009: Controlling of Colorado Potato Beetle (Leptinotarsa decemlineata Say) in the organic fields with Spinosad. J. of Research and Applications in Agricultural Engineering, Poznan 54 (3), 146-148.

Kühne, S., T. Reelfs, E. Moll, B. Kleinhenz, 2007: Optimised application of plant protection products to control Colorado Potato Beetle (Leptinotarsa decemlineata Say) in organic farming. Beiträge zur 9. Wissenschaftstagung Ökologischer Landbau, Band 1, Universität Hohenheim, 20.–23. März 2007, (Hrsg.) Zikeli, S., W. Claupein, S. Dabbert, B. Kaufmann, T. Müller, A. Valle Zarate), 337-340.

Kühne, S., U. Priegnitz, F. Ellmer, E. Moll, 2009: Öko-Knollen: Neues Mittel im Käfer-Kampf. Top agrar 6. 2009, 56-59.

Kühne, S., T. Reelfs, 2008: Beneficial insect occurrence in organic potato farming. DgaaE-Nachrichten 22 (1), 37.

Kühne, S., T. Reelfs, F. Ellmer, E. Moll, B. Kleinhenz, C. Gemmer, 2008: Efficacy of biological insecticides to control the Colorado potato beetle (Leptinotarsa decemlineata) in organic farming. In: Neuhoff, D., N. Halberg, T. Alföldi, W. Lockeretz, A. Thommen, I.A. Rasmussen, J. Hermansen, M. Vaarst, L. Lueck, F. Caporali, H.H. Jensen, P. Migliorini, H. Willer (Eds.): Cultivating the Future Based on Science. Volume 1 – Organic Crop Production. Proceedings of the Second Scientific Conference of the International Society of Organic Agriculture Research (ISOFAR), 18–20 June 2008, Modena, Italy, 480-483.

Nauen, R., 2005: Insecticide resistance in European agriculture: Research instead of rumours. In: Congress Proceedings: The BCPC Congress – Crop Science & Technology 2005 from 31st Oct – 2nd Nov. 2005, Glasgow, 123-130.

Reelfs, T., S. Kühne, F. Ellmer, E. Moll, B. Kleinhenz, 2007: Doppelt hält besser – neue Strategien zur Regulierung des Kartoffelkäfers im Ökologischen Landbau. Kartoffelbau 6. 2007, 227-229.

Schmutterer, H., J. Huber (Hrsg.), 2005: Natürliche Schädlings­bekämpfungsmittel. Stuttgart, Eugen Ulmer, 263 S.

Scholvin, A., A. Meyercordt, 2010: Ergebnisse des Landessortenversuchs Öko-Speisekartoffeln 2009 der Landwirtschaftskammer Niedersachsen. Hrsg. Landwirtschaftskammer Niedersachsen, Fachbereich Ökologischer Landbau, Wilhelm-Seedorf-Str. 3, 29525 Uelzen.

Schrod, J., Th. Basedow, G.A. Langenbruch, 1996: Untersuchungen zur Bionomie und zur biologischen Bekämpfung des Kartoffel­käfers (Leptinotarsa decemlineata Say, Col., Chrysomelidae) an zwei Standorten in Südhessen (BRD). J. Appl. Ent. 120, 619-626.

ZMP (Zentrale Markt- und Preisberichtstelle für Erzeugnisse der Land-, Forst- und Ernährungswirtschaft), 2008: Ökomarkt Forum, Marktbericht, 38.


Fußnoten:

*  

 Reelfs, T., 2007: Optimierte Anwendung von Pflanzenschutzmitteln zur Regulierung des Kartoffelkäfers (Leptinotarsa decemlineata Say) im Ökologischen Landbau. Humboldt-Universität zu Berlin, Studiengang Pflanzenbauwissenschaften, Masterarbeit, 101 S. Diese Master­arbeit ist mit dem Humboldt-Preis 2007 der HUB für ausgezeichnete wissenschaftliche Arbeiten und dem Wilhelm-Rimpau-Preis 2008 für innovative und praxisnahe Diplom- und Masterarbeiten in der Pflanzenproduktion der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft e.V. (DLG) ausgezeichnet worden.

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