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Originalarbeit

Erfassung von phytophagen Dipterenlarven in Rapswurzeln

Collecting of phytophagous dipteran larvae in oilseed rape roots

Sabine Prescher1, Wolfgang Büchs2 und Gerhard Bartels3
Institut
Julius Kühn-Institut – Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen, Institut für Sicherheit in der Gentechnik bei Pflanzen, Braunschweig1
Julius Kühn-Institut – Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen, Institut für Pflanzenbau und Bodenkunde, Braunschweig2
31167 Bockenem3

Journal für Kulturpflanzen, 63 (1). S. 9–12, 2011, ISSN 0027-7479, DOI: 10.5073/JfK.2011.01.02, Verlag Eugen Ulmer KG, Stuttgart

Kontaktanschrift
Dr. Sabine Prescher, Julius Kühn-Institut – Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen, Institut für Sicherheit in der Gentechnik bei Pflanzen, Messeweg 11/12, 38104 Braunschweig, E-Mail: s.prescher@gmx.de
Zur Veröffentlichung angenommen
Juli 2010

Zusammenfassung

Die amtlichen Pflanzenschutzdienste der Länder vermeldeten in den letzten Jahren zunehmenden Befall von Rapsbeständen mit Fliegenlarven, die in den Wurzeln minierten. In dieser Studie sollte ermittelt werden, ob allein die Kleine Kohlfliege (Delia radicum) die Schäden verursacht oder auch weitere Fliegenarten die Rapswurzeln befallen. Aus Fraßgängen in Rapswurzeln wurden Dipterenlarven abgesammelt, aufgezogen und bis zur Art bestimmt. Von 231 Dipterenimagines gehörten 218 zur Kleinen Kohlfliege und 13 zur Blumenkohlminierfliege (Phytomyza rufipes). Da die Larven der Blumenkohlminierfliege bisher als Minierer in Rapsblättern und -stängeln bekannt waren, ist es der erste Nachweis von P. rufipes in Rapswurzeln. Alle P. rufipes Larven wurden zusammen mit D. radicum Larven in den Fraßgängen gefunden, so dass eine Koexistenz beider Arten angenommen werden kann.

Stichwörter: Winterraps, Wurzelminen, Delia radicum, Phytomyza rufipes

Abstract

The official plant protection services of various German federal states have, in recent years, reported an increasing infestation of oilseed rape with Diptera larvae mining in the roots. The aim of this study was to determine whether solely the Cabbage Root Fly (Delia radicum), or a combination of several species cause damage to rape roots. Larvae of Diptera were collected from feeding tunnels in oilseed rape roots, reared until the imago stage and determined to species level. We found 218 Cabbage Root Flies (Delia radicum) and 13 Cabbage Leaf Miners (Phytomyza rufipes). Up to now, the larvae of P. rufipes have only been known to feed by mining rape leaves and stems; therefore this is the first record for this species in oilseed rape roots. As all the P. rufipes larvae were found together with larvae of D. radicum in the tunnels, a coexistence of both species can be assumed.

Key words: Oilseed rape, root mining, Delia radicum, Phytomyza rufipes

Einleitung

Etwa ab dem Jahr 2000 gab es aus Kreisen des amtlichen Pflanzenschutzdienstes Hinweise auf das Auftreten der Kleinen Kohlfliege (Delia radicum) besonders in Ost- und Norddeutschland, aber auch in Nordrhein-Westfalen (Erichsen und Hünmörder, 2005; Rüb, 2009) oder in angrenzenden Ländern wie Luxemburg (Eickermann, 2009) als Schädling im Raps. Es wurde ein Projekt „Abwehr- und Bekämpfungsmaßnahmen der Kleinen Kohlfliege im Winterraps“ initiiert, an dem Pflanzenschutzdienste und die Biologische Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft (heute Julius Kühn-Institut) beteiligt waren. Es bestand Unklarheit darüber, ob der Befall ausschließlich durch die Kleine Kohlfliege verursacht wurde oder eine Kombination von mehreren Blumenfliegen-Arten im Raps die Schäden herbeiführte (wie z.B. die Große Kohlfliege, die Bohnenfliege oder die Lupinenfliege, die alle als Rapsschädlinge bekannt sind). In einer Studie wurden von befallenen Rapswurzeln Dipterenlarven abgesammelt und aufgezogen, bis eine sichere Artenbestimmung der Imagines möglich war.

Material und Methoden

Vom 13.10.05 bis zum 29.9.06 wurden in Rapsfeldern an verschiedenen Orten (Tab. 1) jeweils 50 Pflanzen einschließlich der Wurzel mit einem Spaten ausgegraben. Wurzeln mit Fraßstellen und Larven (Abb. 1) wurden getrennt nach Fundort ins Labor mitgenommen.

Tab. 1. Datum und Orte der Probenahme und vom Landwirt geschätzte Befallsstärke

Datum

Ort

Befallsstärke

20.09.06

Göddeckenrode (Stadt Osterwieck, Landkreis Harz

starker Befall

25.09.06

Göddeckenrode (Stadt Osterwieck, Landkreis Harz)

starker Befall

29.09.06

Einbeckhausen (Süntel)

starker Befall

13.10.05

Grassel (nördl. Braunschweig)

mittlerer Befall

13.10.05

Gr. Twülpstedt (Landkreis Helmstedt)

geringer Befall

17.10.05

Lage (bei Rostock)

starker Befall

18.10.05

Grassel (nördl. Braunschweig)

mittlerer Befall

18.10.05

Gr. Twülpstedt (Landkreis Helmstedt)

geringer Befall

08.11.05

Ahlum (Stadtteil von Wolfenbüttel)

geringer Befall

Abb. 1. Von Kohlfliegen befallene Rapswurzel mit darin enthaltener Larve von Delia radicum.

Abb. 1. Von Kohlfliegen befallene Rapswurzel mit darin enthaltener Larve von Delia radicum.

Im Labor wurden die in den Wurzeln gefunden Dipterenlarven in Plastikkästen mit Agar gesetzt und gezählt. Die Plastikkästen wurden im September bzw. Oktober in Klimakammern bei 15°C aufbewahrt. Als Futter für die Larven dienten Scheiben von Kohlrabi und geschnittener Rosen- und Blumenkohl. Die Larven verpuppten sich bis zum 23.10. der jeweiligen Versuchsjahre. Puppen wurden in Gefäßen mit Erde bei 6°C gehalten. Ab dem 20.3. beider Jahre wurden die Gefäße mit Puppen in eine Klimakammer mit 20°C verbracht (die Klimakammern waren während der Versuche auf 12 Stunden Hell/Dunkelrhythmus eingestellt). Ab dem 25.3. (2006) bzw. dem 28.3 (2007) bis zum 7.4. (2006) bzw. 10.4. (2007) schlüpften die Imagines.

Ergebnisse

Es wurde versucht, schon die lebenden Larven nach Brooks (1951) zu bestimmen. Das gelang aber durch heftige Bewegungen der Tiere unter dem Binokular nur teilweise. Zwei in Grassel (bei Braunschweig) gesammelte Dipterenlarven wurden als Muscidae (Stubenfliegen) und Dolichopodidae (Langbeinfliegen) erkannt (Dolichopodidaelarven ernähren sich räuberisch) und nicht weiter aufgezogen. Nach der Verpuppung wurden die Kohlfliegenpuppen mit dem Schlüssel von Schnitzler (1969) anhand der Papillenanordnung am letzten Abdominalsegment (Abb. 2) determiniert. Es blieben aber 20 Puppen, die auch mit 4-5 mm deutlich kleiner waren als die 8-9 mm großen Kohlfliegenpuppen, unbestimmt.

Abb. 2. Kohlfliegenpuppe mit typischen zweispitzigen mittleren Papillen.

Abb. 2. Kohlfliegenpuppe mit typischen zweispitzigen mittleren Papillen.

Im Frühjahr schlüpften dann 63% (2006) bzw. 72% (2007) aller gesammelten Larven (Tab. 2). Die Imagines der unbekannten Puppen konnten mit Hilfe von Spencer (1976) als Blumenkohlminierfliegen (Phytomyza rufipes Meigen 1830) identifiziert werden (Puppe siehe Abb. 3).

Tab. 2. Anzahl und Arten der Larven, Puppen und Imagines aus befallenen Rapswurzeln

Datum

Ort

Anzahl Larven
Delia radicum

Anzahl sonstige Larven (L) oder Puppen (P)

Anzahl Imagines
Delia radicum

Anzahl Imagines
Phytomyza rufipes

20.09.06

Göddeckenrode

37

24 L/2 P

31

12

25.09.06

Göddeckenrode

36

 

28

 

29.09.06

Einbeckhausen

100

2 L

73

1

13.10.05

Grassel

10

 

7

 

13.10.05

Gr. Twülpstedt

12

 

10

 

17.10.05

Lage

94

 

59

 

18.10.05

Gr. Twülpstedt

4

 

0

 

18.10.05

Grassel

17

2 L

10

 

08.11.05

Ahlum

0

 

0

 
Abb. 3. Puppe von Phytomyza rufipes aus einer Rapswurzel.

Abb. 3. Puppe von Phytomyza rufipes aus einer Rapswurzel.

Diskussion

Die Blumenkohlminierfliege (Phytomyza rufipes) kann als Schädling in Kohlgewächsen bedeutende Schäden verursachen (Crüger, 2002). Die Larven fressen in Rapsblättern sowie bei jungen Pflanzen auch im Stängel. Die Weibchen legen ihre Eier in der Blattspreite ab. Die Larven minieren sich durch das Blatt von der nächsten Ader zur Mittelrippe oder bis zum Stängel. Der wirtschaftliche Schaden in Raps wird aber eher als gering eingeschätzt (Frey, 1951; Zuranska, 1985).

Nach allen Angaben in der Literatur fressen die Larven an Raps in den Blättern und im Stamm, während ein Auftreten in den Wurzeln bisher unbekannt war. In allen Wurzelgängen mit P. rufipes befanden sich auch Kohlfliegenlarven. Die Fraßgänge waren mit bis zu 5 mm Breite auch deutlich größer wie die ca. 1,5 mm breiten P. rufipes Larven. Das sind Hinweise darauf, dass die Blumenkohlminierfliegen die vorher von den Kohlfliegen geschaffenen Gänge nutzten. Trotz vermuteter Nahrungskonkurrenz sprechen die Funde für eine Koexistenz beider Arten im selben Mikrohabitat (Beispiel für die Funde in einem Fraßgang siehe Abb. 4). Die zwei gefundenen Puppen bestätigen die Angabe von Spencer (1976), dass die Verpuppung im Boden, aber auch innerhalb der Mine stattfinden kann.

Abb. 4. In der Mine einer Rapswurzel (Fundort: Göddeckenrode, Landkreis Harz) nachgewiesene Larven bzw. Puppen. Links oben: Larve von Phytomyza rufipes, links unten: Larve von Delia radicum, rechts: zwei Puppen von Phytomyza rufipes.

Abb. 4. In der Mine einer Rapswurzel (Fundort: Göddeckenrode, Landkreis Harz) nachgewiesene Larven bzw. Puppen. Links oben: Larve von Phytomyza rufipes, links unten: Larve von Delia radicum, rechts: zwei Puppen von Phytomyza rufipes.

P. rufipes wurde nur im September in den Fraßgängen gefunden. Möglichweise hatten bei der Erfassung im Oktober schon alle Larven die Fraßgänge verlassen und sich im Boden verpuppt. Auch im Labor verpuppten sich die Larven von P. rufipes spätestens am übernächsten Tag nach dem Absammeln.

Aus Bodenproben unter und neben Rapswurzeln wurden im selben Projekt Puppen der Bohnenfliege (Delia platura) und der Lupinenfliege (Delia florilega) in großer Zahl gesammelt. Auch in Bodenphotoeklektoren über Raps konnte man viele Imagines dieser Arten fangen (Büchs und Prescher, 2006). Bei der vorliegenden Untersuchung wurden keine Larven von D. platura oder D. florilega gefunden, so dass Frass an Rapswurzeln für die Arten nicht nachzuweisen war.

Danksagung

Das Projekt wurde von der Union zur Förderung der Raps- und Proteinpflanzen (UFOP) gefördert (Projekt Nr. 521/052).

Literatur

Büchs, W., S. Prescher, 2006: Study of harmful Anthomyiidae in oilseed rape fields with different drilling dates. IOBC WRPS Bulletin 29(7), 109-116.

Brooks, A.R., 1951: Identification of the Root Maggots (Diptera: Anthomyiidae) Attacking Cruciferous Garden Crops in Canada, with Notes on Biology and Control. The Canadian Entomologist LXXXIII(5), 109-120.

Crüger, G., 2002: Pflanzenschutz im Gemüsebau. 4., völlig neu bearb. und erw. Aufl., Stuttgart, Verlag Eugen Ulmer, 318 S.

Eickermann, M., 2009: Krankheiten und Schädlinge im Winterraps.- Pflanzenbauberatung der Landwirtschaftskammer Luxemburg, http://www.lwk.lu/beratung/sentinelle/Sentinelle_2010-16.pdf Gesehen am 15.6.2010.

Erichsen, E., S. Hünmörder, 2005: Kohlfliegen in Raps – Bericht über ein Gemeinschaftsprojekt von 8 Länderpflanzenschutzdiensten und der BBA. Gesunde Pflanzen 57(6), 149-157.

Frey, W., 1951: Über das Auftreten der Minierfliege Phytomyza rufipes Mg. an Raps. Zeitschrift für Pflanzenkrankheiten, Phytopathologie und Pflanzenschutz 58(1-2), 10-20.

Rüb, B., 2009: Schädlinge im Raps. Ratgeber der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen, http://www.landwirtschaftskammer.de/landwirtschaft/pflanzenschutz/ackerbau/raps/schaedlinge-pdf.pdf. Gesehen am 5.6.2010.

Schnitzler, W.H., 1969: Über morphologische Unterscheidungsmerkmale von Puppen einiger phytophager Diptera-Arten – eine Anleitung für diagnostische Untersuchungen des Pflanzenschutzwarndienstes. Zeitschrift für angewandte Entomologie 63, 174-179.

Spencer, K.A., 1976: The Agromyzidae (Diptera) of Fennoscandia and Denmark. Fauna entomologica scandinaviaca 5(1), 1-304; 5(2), 305-606.

Zuranska, I., 1985: Damage caused by larvae of Phytomyza rufipes (Meig.) (Diptera) to winter rape crops in Olsztyn Province. Polskie Pismo Entomologiczne 55(2), 381-185.


ISSN (elektronisch): 1867-0938
ISSN (print): 1867-0911
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