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Originalarbeit

Eine Methode zur stochastischen Simulation von Abdriftwerten als Grundlage für eine georeferenzierte probabilistische Expositionsabschätzung von Pflanzenschutzmitteln

A method for a stochastic simulation of spray drift values as basis for a georeferenced probabilistic exposure assessment of surface waters

Burkhard Golla1, Jörn Strassemeyer1, Heribert Koch2 und Dirk Rautmann3
Institut
Julius Kühn-Institut – Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen, Institut für Strategien und Folgenabschätzung im Pflanzenschutz, Kleinmachnow1
Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum Rheinhessen-Nahe-Hunsrück, Abteilung, Landwirtschaft, Bad Kreuznach2
Julius Kühn-Institut – Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen, Institut für Anwendungstechnik, Braunschweig3

Journal für Kulturpflanzen, 63 (2). S. 33–44, 2011, ISSN 0027-7479, DOI: 10.5073/JfK.2011.02.02, Verlag Eugen Ulmer KG, Stuttgart

Kontaktanschrift
Burkhard Golla, Julius Kühn-Institut – Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen, Institut für Strategien und Folgen­abschätzung im Pflanzenschutz, Stahnsdorfer Damm 81, 14532 Kleinmachnow, E Mail: burkhard.golla@jki.bund.de
Zur Veröffentlichung angenommen
November 2010

Zusammenfassung

In dieser Arbeit wird eine Methode vorgestellt, um Abdrift realistisch für beliebige Entfernungen von bis zu 75 m für Feldfrüchte und bis zu 150 m für Raumkulturen als Verteilungskurve zu simulieren. Die Methode kann für georeferentierte Expositions- und Risikoabschätzungen verwendet werden. Sie wird hier exemplarisch für den Feldbau beschrieben.

Abdriftmesswerte aus Feldversuchen (Ganzelmeier et al., 1995; Rautmann et al., 1999) werden entsprechend der versuchsmethodischen Bedingungen neu interpretiert und versuchsweise analysiert. Die Vorgehensweise ermöglicht es, die Variabilität zwischen den Versuchen aufgrund meteorologischer und verfahrenstechnischer Durchführungsbedingungen (Windgeschwindigkeit, Temperatur, Düsen, Vegetation etc.) zu berücksichtigen. Die Modellierung erfolgt für Feldkulturen mittels Polynomfunktionen, welche an die Mittelwerte der logarithmierten Mittelwerte und Standardabweichungen der Mess­datensätze angepasst wurden.

Die Ergebnisse der simulierten Abdriftwerte bilden die Abdriftmesswerte sehr gut ab. Das Modell wird anschließend im Rahmen eines georeferenzierten probabilis­tischen Ansatzes auf typische Expositionssituationen in der Landschaft angewendet. Das Reduktionspotenzial einer georeferenzierten probabilistischen Expositions­abschätzung gegenüber einem deterministischen, nicht georeferenzierten Ansatz beträgt im 90. Perzentil 22% bis 62% bezogen auf die zu erwartenden Beladungen einzelner Gewässerabschnitte.

Stichwörter: Probabilistik, Abdrift, GIS, Feldbau, Pflanzenschutz, Landschaft

Abstract

In this work we propose a novel approach to model realistic spray drift deposition distributions for any distances up to 75 m for arable crops and 150 m for permanent crops. The model can be used in georeferenced exposure and risk assessments of surface waters on landscape and stream segment scale. The approach is described for field crops as an example. Drift measurement datasets of Ganzelmeier et al. (1995) and Rautmann et al. (1999) are reanalyzed and interpreted according to the underlying experimental design. The approach applies a trial-by-trial analysis of the datasets which allows to consider the variation of application conditions between trials such as air temperature, wind speed, nozzle type, vehicle speed, rel. humidity. Polynomial functions are fitted to the means of the logarithmized mean and standard deviation of the drift measurement datasets.

Results show that the output of simulations according to the experimental design for spray drift measurements fit very well to the drift measurement data. When the model is applied to a number of realistic landscape exposure situations, the simulation results show a 22% to 62% lower loading in the 90th percentile compared to a deterministic model.

Key words: Probabilistic, drift, GIS, field crop, plant protection, landscape

Einleitung

Die probabilistische Risikoabschätzung ist ein Ansatz, um mit statistischen und mathematischen Methoden die vollständige Variation der Eingangsparameter im Modell zu beschreiben. Es können die Wahrscheinlichkeit und Unsicherheit jener Faktoren quantifiziert werden, welche die Exposition und Toxizität beeinflussen (Hart, 2001). Die Variation der Exposition über Raum und Zeit wird berücksichtigt, indem verteilungsbasierte Eingangsparameter mehrfach zufällig miteinander kombiniert werden (EUFRAM, 2006a). Die Variation der Toxizität zwischen den Arten kann in gleicher Weise einbezogen werden.

Im Gegensatz dazu werden in der deterministischen Risikoabschätzung einzelne Expositionswerte mit einem einzelnen Toxizitätswert kombiniert. Wie nah das daraus resultierende Ergebnis an der Realität ist, kann mit dem deterministischen Ansatz nicht beantwortet werden.

Während Labortests mit Nichtzielorganismen zur Beschreibung von Dosis-Wirkungsbeziehungen standardisiert werden können, ist die zu erwartende Exposition im Feld von zahlreichen Faktoren abhängig und äußerst variabel. Im Laufe der letzten zehn Jahre wurden deshalb in verschiedenen Staaten Untersuchungen durchgeführt, um das Abdriftpotenzial der verschiedenen Pflanzenschutzverfahren abschätzen zu können. In Deutschland wurden daraus die BBA-Abdrifteckwerte (BBA, 2000) generiert. Bei einmaliger Anwendung wird eine Regression über das 90. Perzentil der Driftsedimente an den Messabständen berechnet. Sie gelten im Zulassungsverfahren derzeit als „realistic worst case“ und dienen bei der Beurteilung des Risikos als Grundlage für die Kalkulation der abstands­abhängigen Konzentrationen. Die Verwendung dieses Einzelwertes wurde als Konvention zwischen den an der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln beteiligten Bundesbehörden, in Anlehnung an die durch FOCUS (2002) festgelegte Vorgehensweise, vereinbart (Rautmann et al., 1999).

Allerdings kann die Berücksichtigung eines deutlich über dem Median liegenden Perzentils, vor der abschließenden Generierung der Verteilungskurve, das tatsächlich vorhandene Risiko überschätzen und so zu einer unrealistischen Expositionsabschätzung führen (Jager et al., 2001). Bei einem probabilistischen Ansatz sollte im Sinne einer realistischen Abbildung der Risikosituation expositionsseitig die Gesamtwahrscheinlichkeit aller Annahmen das 90. Perzentil der Konzentrationsverteilung nicht überschreiten (Klein et al., 2003).

Das Ziel des hier vorgestellten Ansatzes ist es, für beliebige Entfernungen auf der Grundlage von Abdriftmesswerten ein Modell zur probabilistischen Driftabschätzung in Raum- und Flächenkulturen für georeferenzierte probabilistische Expositionsabschätzungen von Oberflächengewässern zu entwickeln. Eine wesentliche Schwierigkeit probabilistischer Verfahren besteht in der Definition der Verteilung der Eingangsparameter (EUFRAM, 2006b; Hayse, 2000; U.S. EPA, 1997). Es liegen nur für wenige expositionsrelevante Parameter repräsentative Daten zur Erstellung von Verteilungsfunktionen vor. Für einige sind Verteilungsfunktionen erst nach Abschluss weiterer Forschung und auf der Grundlage von Freilandbegehungen zu erstellen (Schulz et al., 2007). Für den Prozess „Abdrift“ liegen Messwerte aus Ganzelmeier et al. (1995) und Rautmann et al. (1999) zur Erstellung von Verteilungsfunktionen vor. Diese werden für die vorliegenden Messabstände probabilistisch ausgewertet. Die Methode und Ergebnisse werden am Beispiel des Feldbaus vorgestellt.

Methode

Für die Entwicklung einer Vorgehensweise ist es erforderlich, die am Verfrachtungsprozess von Feintropfen beteiligten Parameter, sowie die den Abdrifteckwerten zugrunde liegenden Daten bis zum Ausgangspunkt der Datengewinnung zu analysieren und für die Verwendung in einem georeferenzierten probabilistischen Ansatz neu zu interpretieren.

Abdrift

Drift ist ein Phänomen des Tropfentransports durch Luftbewegung. Man spricht von Abdrift, wenn auf einer zu behandelnden Parzelle ausgebrachte Flüssigkeitstropfen durch die aktuelle Luftbewegung verfrachtet werden und außerhalb dieses Areals sedimentieren. Verfrachtungsrichtung und -weite der Tropfen hängen von ihrer Größe/Masse sowie der Geschwindigkeit und Richtung der Luftbewegung ab. Abdriftprozesse beinhalten typischerweise eine große und nicht vorhersehbare Variabilität infolge turbulenter Luftströmungen (Testke et al., 1997). Der Einfluss meteorologischer und gerätetechnischer Faktoren auf den Abdriftprozess wurde in verschiedenen Arbeiten analysiert (Wang und Rautmann, 2008; Von der Hude, 2004; Kaul et al., 2001).

Wichtigster Parameter der verfrachteten Stoffmenge ist der Flüssigkeitsanteil, der in driftanfälligen Tropfen enthalten ist. Ein Maß hierfür ist das Feintropfen­volumen eines Zerstäubungsverfahrens. Als Feintropfenvolumen wird der Flüssigkeitsanteil bezeichnet, der in Tropfen kleiner als 150 µm ausgebracht wird. Bei sehr geringer Luftbewegung ist die Windrichtung nicht stabil sondern schwankt, was als kleinskalige Turbulenz bezeichnet wird (Böttcher, 2000). Diese Turbulenz wird noch durch die Rauhigkeit von Oberflächen, also den Pflanzenbestand selbst beeinflusst (Koch und Weisser, 2001). Eine Beschreibung der Dynamik von Windauftreten und Driftprozessen liefern Koch et al. (2005).

Messung von Abdrift

Um trotz der zahlreichen driftbeeinflussenden Faktoren vergleichbare Resultate zu gewährleisten, werden die Abdriftmessungen zur Gewinnung von Daten für Abdrifteckwerte auf der Grundlage der BBA-Richtlinie 2-1.1 (BBA, 1992) durchgeführt. Die Richtlinie gibt im Sinne einer Methodenvorschrift die Rahmenbedingungen für eine vergleichbare Versuchsdurchführung vor. Wesent­liche Aspekte dieser Richtlinie sehen vor, dass die Windgeschwindigkeit während der Messungen 5 m/s nicht überschreiten sollte. Zudem sollte die Windrichtung über den gesamten Versuchszeitraum rechtwinklig zur Fahrtrichtung stehen, mit einem maximalen Windrichtungsbereich von +/–30˚. Es werden in festgelegten Entfernungen jeweils 10 Petrischalen in 1 m Abstand als künstliche Kollektoren auf einer Freifläche (gemähte Wiese) ausgestellt. Dieser Versuchsaufbau ist in Abb. 1 schematisch dargestellt.

Abb. 1. Messaufbau gemäß BBA Richtlinie 2-1.1 (BBA, 1992).

Abb. 1. Messaufbau gemäß BBA Richtlinie 2-1.1 (BBA, 1992).

Abdrift in der georeferenzierten probabilistischen Expositionsabschätzung

Räumliche oder sogenannte georeferenzierte Ansätze der Expositions- und Risikoabschätzung werden häufig für eine verfeinerte Risikoabschätzung eingesetzt (FOCUS, 2005). Es werden durch Landschaftsanalysen exposi­tionsbeeinflussende Faktoren (Entfernungen, driftmindernde Vegetation, etc.) aus räumlichen Objekten mit Hilfe Geographischer Informationssysteme (GIS) abgeleitet. Der Vorgang der Georeferenzierung überführt die Positions- oder Ortsinformationen eines realen Objekts der Landschaft (z.B. die eines Gewässers, einer Hecke, eines Feldes) in das Referenzsystem einer analogen oder digitalen Karte (Geodatenbank). Die georeferenzierte probabilistische Expositionsabschätzung beschreibt die Expositionssituation für einen festgelegten geographischen Raum. Für die Abschätzung der Exposition von aquatischen Organismen werden beispielsweise nur solche Gewässer einbezogen, die potentiell durch um­liegende Anbauflächen exponiert werden können. In Deutschland ist es eine Konvention, dass Gewässer bis 75 m um Anbauflächen einbezogen werden. Bei Expositionsabschätzungen in Raumkulturen beträgt die Entfernung 150 m (Schulz et al., 2007). Ab Entfernungen von größer 75 m bzw. 150 m sind umliegende Gewässer nicht mehr durch Abdrifteinträge gefährdet (Enzian und Golla, 2006). Für die Gewässer innerhalb dieses theoretischen Abdriftbereichs werden in festgelegten Windrichtungen die umliegenden expositionsrelevanten Landschaftsstrukturen (z.B. Hecken, Feldrand) und deren Entfernung durch GIS-Analysen bestimmt. Dies geschieht durch die Generierung von Liniensegmenten und deren Überlagerung mit der Landnutzung und den Landschaftsstrukturen, welche aus digitalen Landschafts­modellen stammen (Hendley et al., 2001). Dieser Vorgang wird in Abb. 2 schematisch dargestellt.

Abb. 2. Schematische Darstellung der acht Teile der Windrose für die eine Landschaftsanalyse vorgenommen wird.

Abb. 2. Schematische Darstellung der acht Teile der Windrose für die eine Landschaftsanalyse vorgenommen wird.

In Abb. 3 wird die Berechnungsmethode des Abstands bei direkter Nachbarschaft der Applikationsfläche zum Gewässer dargestellt. Hier wird der abdriftrelevante Abstand c relativ zur Ausrichtung des Gewässers ermittelt. Grundlage ist die Dreiecksgeometrie aus dem Gewässerpunkt A auf dem gerichteten Gewässer, dem Schnittpunkt mit der Feldkante C in orthogonaler Eintrags­richtung und dem Schnittpunkt mit der Feldkante C in der betrachteten Hauptrichtung, welche mittels Kosinusfunktion im Modell ausgewertet wird.

Abb. 3. Links: Berechnung des abdriftrelevanten Abstandes c bei direkter Nachbarschaft mittels Kosinusfunktion. Rechts: möglicher Windrichtungsbereich der Abdriftmesswerte nach BBA-Methodenvorschrift (BBA, 1992).

Abb. 3. Links: Berechnung des abdriftrelevanten Abstandes c bei direkter Nachbarschaft mittels Kosinusfunktion. Rechts: möglicher Windrichtungsbereich der Abdriftmesswerte nach BBA-Methodenvorschrift (BBA, 1992).

Die Länge der Gewässerabschnitte sollte an die Informationsdichte der zu Grunde liegenden Geodaten angepasst werden (Schulz et al., 2007) und kann 10 m oder 25 m betragen (Hommen et al., 2010; Schad et al., 2006; Golla et al., 2006; Enzian et al., 2004). In diesen Abständen werden die zu erwartenden Driftdepositionen und Freilandkonzentrationen (PECini) für verschiedene Windrichtungen nach Gleichung (1) punktweise berechnet. Dieser Wert repräsentiert die Konzentration, die innerhalb des gesamten Abschnitts zu erwarten ist.


/frames/bilder/golla_et_al_fml-001.jpg (1)

PECini i WRj

PEC des Gewässerabschnitts i bei Exposition aus Windrichtung WR j


[µg/l]

AW

Aufwandmenge

[kg/ha]

drift

Anteil von AR der durch Abdrift
aus WR j in Abschnitt i gelangt


[–]

Voli

Volumen des Wasserkörpers von Abschnitt i


[l]

RED

Reduktionsfaktoren, z.B. für abdriftmindernde Vegetation


[–]


Die Anzahl der betrachteten Windrichtungen wird wie auch in anderen Arbeiten auf acht Teile der Windrose begrenzt (Holmes et al., 2007; Abb. 2; Schad et al., 2006; Urban, 2003; vgl. Hendley et al., 2001). Die PECini-Ver­teilung jeder dieser acht determinierten Windrichtungen berücksichtigt somit die mögliche Abdrift aus einem Windrichtungsbereich von 45˚ (+/–22.5˚ zur Eintragsrichtung) (vgl. Abb. 4). Der Richtungsbereich der Abdriftmesswerte von 60˚ (+/–30˚, vgl. Abb. 1) wird nicht überschritten, was im Sinne der BBA-Methodenvorschrift (BBA, 1992) unzulässig wäre.

Abb. 4. Windrichtungsbereich im georeferenzierten Ansatz (hellblau) und nach BBA-Methodenvorschrift (cyan).

Abb. 4. Windrichtungsbereich im georeferenzierten Ansatz (hellblau) und nach BBA-Methodenvorschrift (cyan).

Ohne die Kenntnis der standortspezifischen Wind­verhältnisse wird in der Expositionsberechnung davon ausgegangen, dass die Richtungen des Windauftretens am Gewässerabschnitt gleichverteilt sind (Golla et al., 2010; Schulz et al., 2007).

Das zufällige Aufeinandertreffen möglicher Ereignisse wird je Gewässerpunkt und Windrichtung mit Hilfe spezieller statistischer Verfahren (z.B. Monte-Carlo Simulation) vielfach simuliert. Hierfür werden aus unabhängig erhobenen Daten (z.B. Abdriftmesswerte, Gewässerparameter) Verteilungsfunktionen erzeugt. Durch die vielfache Simulation werden alle möglichen Kombinationen von Punkten der eingehenden Verteilungskurven berechnet und die sich jeweils ergebende Expositionskonzentration bestimmt. Das Ergebnis ist eine neue Verteilungskurve, welche die mög­lichen Expositionssituationen an einem Gewässerpunkt für acht Hauptwindrichtungen beschreibt. Neben der lokalen Expositionssituation (am Gewässerpunkt) werden diese Verteilungen oder statistischen Kennwerte der Verteilungen (z.B. Median, 90. Perzentil) für einen Untersuchungsraum ausgewertet. Dieser kann für ein einzelnes Anbau­gebiet oder deutschlandweit durchgeführt werden.

Verwendete Daten und Datenanalyse

Die Arbeit wertet die den Abdriftversuchen für Feldkulturen zugrunde liegenden Messwerte der neueren Abdriftversuche aus. Diese umfassen die Messungen aus den Jahren 1996 bis 1999. Auf die Einbeziehung von 16 Abdriftversuchen aus dem Jahr 1990 wurde zugunsten einheitlicherer Erfassungs- und Auswertungsbedingungen (hinsichtlich Messwiederholung, Messabstand, Objektträger, Analysemethode) verzichtet. Der Datensatz der neueren Versuche umfasst 42 Messungen und beinhaltet 260 Messwerte für die Messabstände 1 m und 3 m, für alle weiteren Messabstände 420 Werte.

Es werden zunächst die Mittelwerte je Messabstand und Versuch ermittelt. Diese folgen einer Lognormal Verteilung (vgl. Abb. 5). Für jeden Versuch und Messabstand x wird der Logarithmus der Versuchsmittelwerte (n = 42 bzw. 26) gebildet. Bei einem Versuch am Messabstand von 50 m wurde für alle Einzelmessungen ein Abdrift­sediment von Null gemessen. Da der Logarithmus von Null nicht definiert ist, wurde für die Berechnungen der Mittelwert des Versuchs bei der Messentfernung von 50 m auf 0,001% gesetzt (Abb. 6).

Abb. 5. Häufigkeitsverteilung der Abdriftmesswerte für Feldspritzgeräte bei unterschiedlichen Messentfernungen.

Abb. 5. Häufigkeitsverteilung der Abdriftmesswerte für Feldspritzgeräte bei unterschiedlichen Messentfernungen.

Abb. 6. Häufigkeitsverteilungen der Versuchsmittelwerte für Feldspritzgeräte bei unterschiedlichen Messentfernungen.

Abb. 6. Häufigkeitsverteilungen der Versuchsmittelwerte für Feldspritzgeräte bei unterschiedlichen Messentfernungen.

Die logarithmierten Versuchsmittelwerte können für jeden Messabstand x mit einer Normalverteilung dargestellt werden. Die Normalverteilungen wiederum können durch einen Mittelwert und eine Standardabweichung beschrieben werden. Mittels nicht linearer Regression (PROC NLIN; SAS Institute, 2002) werden die Funktionen (1) und (2) ermittelt, die die logarithmierten Mittelwerte und Standardabweichungen in Abhängigkeit zur Entfernung y beschreiben.


(1) m_lndrift(y) = a · ln(y)2 + b · ln(y) + c

(2) s_lndrift(y) = a · ln(y)2 + b · ln(y) + c

m_lndrift(y)

Mittelwerte des Logarithmus eines Abdriftwertes bei Entfernung y

s_lndrift(y)

Standardabw. des Logarithmus eines Abdriftwertes bei Entfernung y

y

Georeferenzierte Entfernung eines Gewässerabschnitts von der Applikationsfläche in WRj

a,b,c

empirische Parameter der polynomischen Funktionen (2. Ordnung)

Ergebnisse

Versuchsauswertung

Die Methode der versuchsweisen Auswertung der Abdriftmesswerte führt bei der Betrachtung des Median zu etwas höheren Abdriftwerten (maximal 0,1% bei 1 m) gemessen in Prozent Abdriftsediment. Im 90. Perzentil sind die Versuchsmittelwerte um maximal 0,1% (bei 3 m) geringfügig niedriger (vgl. Tab. 1).

Tab. 1. Vergleich der Mediane und 90. Perzentile der Abdriftmesswerte mit den Versuchsmittelwerten

  

Abdriftsediment* [%]

Messabstand [m]

 

1

3

5

10

20

30

50

75

Messwerte
n = 420 (260)

Median

0.727

0.341

0.249

0.123

0.059

0.042

0.029

0.011

Versuchsmittelwerte
n = 42 (26)

0.832

0.375

0.269

0.134

0.064

0.042

0.031

0.012

Abweichung

0.105

0.034

0.020

0.011

0.005

0

0.002

0.001

Messwerte
n = 420 (260)

90. Perzentil

2.317

0.856

0.643

0.328

0.160

0.099

0.078

0.030

Versuchsmittelwerte
n = 42 (26)

2.275

0.745

0.566

0.323

0.132

0.098

0.083

0.030

Abweichung

–0.042

–0.111

–0.077

–0.005

–0.028

–0.001

0.005

0

* Abdriftsediment in % des Nominalaufwandes auf der Behandlungsfläche

Modellierungen der Abdriftwerte

In Abb. 7 sind die für den Feldbau abgeleiteten Funk­tionen dargestellt. Entsprechend der Entfernung y eines konkreten Gewässerabschnitts zur Applikationsfläche werden der logarithmierte Mittelwert m_lndrift(y) und die logarithmierte Standardabweichungen s_lndrift(y) bestimmt. Anschließend wird ein logarithmierter Abdriftwert gezogen, indem m_lndrift(y) und s_lndrift(y) in eine Funktion für zufällige Normalverteilungen (RAND; ebd.) eingesetzt werden (Funktion 3).

Abb. 7. Regressionen an die Mittelwerte der logarithmierten Versuchsmittelwerte (a) und der logarithmierten Standardabweichungen (b) bei Messabstand x.

Abb. 7. Regressionen an die Mittelwerte der logarithmierten Versuchsmittelwerte (a) und der logarithmierten Standardabweichungen (b) bei Messabstand x.


(3) lndrift(y) = rand(norm;m_lndrift(y); s_lndrift(y))


Die modellierte Abdrift entspricht Funktion (4):


(4) drift = exp(lndrift(y))


Für die Anwendung in einer georeferenzierten proba­bilistischen Expositionsabschätzung werden durch vielfache Wiederholung der Funktion (3) die Verteilungen der Abdriftwerte gewässerabschnitts- und windrichtungsweise berechnet, wobei die Entfernung zwischen Gewässer und Applikationsfläche in Windrichtung WRj aus GIS-Analysen stammt. Zur Überprüfung des Modells werden für die einzelnen Messabstände Abdriftwerte nach Funktion (4) simuliert (n = 40 000). Übertragen auf ein hypothetisches Expositionsszenario in der Landschaft erfolgen die Einträge aller Windrichtungen mit der gleichen Entfernung (vgl. Abb. 8). Das ist nicht realistisch, jedoch für die Überprüfung des Modells notwendig. Hierdurch wird die Situation der Abdriftversuche nach BBA (1992) nachgestellt, wo die Sedimentationen der Bodenkollektoren eines Messabstands jeweils einer Entfernung zugeordnet werden (vgl. Abb. 1). In Tab. 2 werden die Simulationsergebnisse mit der Verteilung der Versuchsmittelwerte und der Versuchseinzelwerte aus Tab. 1 verglichen.

Abb. 8. Links: Schematische Darstellung des hypothetischen Expositionsszenarios als Grundlage für die Bewertung der Simulationsergeb­nisse (Beispiel Messabstand 1 m). Rechts: Häufigkeitsverteilungen der modellierten Abdriftwerte für dieses Expositionsszenario (N = 40 000).

Abb. 8. Links: Schematische Darstellung des hypothetischen Expositionsszenarios als Grundlage für die Bewertung der Simulationsergeb­nisse (Beispiel Messabstand 1 m). Rechts: Häufigkeitsverteilungen der modellierten Abdriftwerte für dieses Expositionsszenario (N = 40 000).

Tab. 2. Vergleich der 90. Perzentile der Versuchsmittelwerte mit den Ergebnissen der Simulation der Abdriftsedimente für Entfernungen, die mit Messwerten belegbar sind

  

Abdriftsediment in %

Entfernung [m]

Wert

1

3

5

10

20

30

50

75

Versuchsmittelwerte
N = 42 (N = 26)

90. Perzentil

2,275

0,795

0,566

0,323

0,132

0,098

0,083

0,03

Simulation des Abdriftsedimentes
N = 40 000

90. Perzentil

2,232

0,778

0,500

0,293

0,182

0,141

0,058

0,027

Der Vergleich zeigt, dass bis einschließlich des Messstandes von 10 m die 90. Perzentile der Versuchsmittelwerte durch die simulierten Abdriftsedimente gering­fügig unterschätzt werden. Die maximale Abweichung beträgt 0,066% Abdriftsediment beim Messabstand von 5 m. Die weiter entfernten Messabstände werden geringfügig überschätzt. Hier beträgt die maximale Abweichung 0,05% Abdriftsediment beim Messabstand von 20 m. Diese gute Übereinstimmung verdeutlicht zum einen, dass mit der beschriebenen Methode die tatsäch­liche Abdriftverteilung für eine beliebige Entfernungen abbildet werden kann. Darüber hinaus kann im Rahmen einer georeferenzierten probabilistischen Expositionsabschätzung diese Verteilung mit weiteren verteilungsbasierten Parametern kombiniert werden, um die realistischere Beschreibung der Expositionssituation zu erreichen.

Diskussion

Versuchsauswertung

In der hier vorgestellten Methode wird die Auswertung der Messwerte versuchsweise vorgenommen und damit die Heterogenität der einzelnen Versuche (als Applika­tionsereignisse) in den Vordergrund gestellt. Die Variabilität im kleinskaligen Bereich der Petrischalenabstände (1 m) ist nicht kennzeichnend für ein Applikations­ereignis, d.h. der Überfahrt während eines Versuchs (vgl. EUFRAM, 2006a). In diesem Punkt unterscheidet sich das hier vorgestellte Modell von Ansätzen, die zur Beschreibung von Abdrift die Verteilung der Einzelwerte als statistische Grundgesamtheit betrachten (Von der Hude, 2004; FOCUS, 2002). Es sind zufällig wirkende Ein­flüsse, wie lokale Turbulenzen und spontane Veränderungen der Windverhältnisse, die die kleinskalige Variabilität beeinflussen (Kaul et al., 2001). Die meteorologischen und verfahrenstechnischen Bedingungen für einen Versuch (Windgeschwindigkeit, Windrichtung, Temperatur, Düsen, Vegetation etc.) können aufgrund der Durchführungsvorschriften (BBA, 1992) als annähernd konstant angenommen werden (Kaul et al., 2001).

Daher ist in einer georeferenzierten probabilistischen Expositionsabschätzung eine Übertragung der Phäno­mene einzelner Petrischalen-Messwerte auf einen Gewässerabschnitt von 10 m oder 25 m Länge nicht sinnvoll. Ein extrem hoher oder niedriger Abdriftwert in einer Petrischale repräsentiert nicht die Abdrift, die den gesamten Gewässerabschnitt erreicht.

Windrichtung und Windstärke

In der deterministischen Expositionsabschätzung wird die gleichzeitige PSM-Anwendung auf allen Flächen angenommen. An einem Gewässerabschnitt kann realistischerweise der Wind nicht gleichzeitig aus allen Richtungen auf das Gewässer stehen. Die Applikationsdauer entlang eines 25 m langen Gewässerabschnittes beträgt 11,25 s bei einer Fahrgeschwindigkeit von 8 km/h. Die Sedimentation verdrifteter Tröpfchen beschränkt sich daher an einer bestimmten Position auf einen Zeitraum von wenigen Sekunden. Zu diesem Zeitpunkt wird nur eine der berücksichtigten Himmelsrichtungen (+/–30˚) die mögliche Eintragsrichtung sein. An dieser Stelle wird deutlich, dass die Kenntnis über Windrichtung und Windstärke für das Auftreten von Abdrift während einer Pflanzenschutzmittelapplikation lokal relevant ist und die Expositionssituation individueller Gewässerabschnitte beeinflussen kann.

Dabei sollte auch der Zusammenhang von Windstärke und Windrichtung für die Belange einer georeferenzierten probabilistischen Expositionsabschätzung beachtet werden. Einen Hinweis darauf kann das nachfolgende Beispiel geben. Für den Standort Mannheim wurden Daten des DWD ausgewertet (Koch et al., 2005). Sie umfassen aus dem 30-jährigen Zeitraum von 1969 bis 1999 die Tagesstunden zwischen 1. März und 31. August als dem wesent­lichen Zeitraum für Pflanzenschutzmittelanwendungen. Insgesamt wurden von ca. 85 000 Stunden die Stunden­mittelwerte in 10 m Höhe gemessen und seinerzeit in die Windklassen 0–3 m/s und 3,1–5 m/s gruppiert (Abb. 9).

Abb. 9. Verteilung der Windrichtung und Windgeschwindigkeit am Standort Mannheim. Stundenmittelwerte in 10 m, 1969 bis 1999, Tagesstunden zwischen 1.4. und 31.8.; links: 0–3 m/s; ca.  55 000 Std. von 85 000 Std.; rechts: 3,1–5 m/s; ca. 30 000 Std. von 85 000 Std. (Daten DWD, Geisenheim).

Abb. 9. Verteilung der Windrichtung und Windgeschwindigkeit am Standort Mannheim. Stundenmittelwerte in 10 m, 1969 bis 1999, Tagesstunden zwischen 1.4. und 31.8.; links: 0–3 m/s; ca.  55 000 Std. von 85 000 Std.; rechts: 3,1–5 m/s; ca. 30 000 Std. von 85 000 Std. (Daten DWD, Geisenheim).

Abb. 9 zeigt bei Windgeschwindigkeiten bis 3 m/s eine durch den Rheingraben bedingte Nord-Süd-Ausrichtung. Oberhalb von 3 m/s wird eine vorherrschende Windrichtung aus Südwest erkennbar. Die Auswertungen zeigen, dass bei geringen Windgeschwindigkeiten gewisse Standorteffekte erkennbar werden, ansonsten aber eher eine Gleichverteilung auftritt. Erst bei deutlichem Wind ergibt sich eine vorherrschende Windrichtung. Von insgesamt ca. 85 000 Stunden werden etwa 55 000 Stunden (65%) mit weniger als 3 m/s ausgewiesen. Etwa 30 000 Stunden (35%) liegen zwischen 3,1 und 5 m/s. Ein vergleichbares Verhältnis zeigen Daten aus einem Abdriftmess­programm im Jahr 2000 für den Standort Dienheim. Hier liegt ebenfalls 35% des Windauftretens zwischen 3,1 und 5 m/s (Abb. 10).

Abb. 10. Beispiel für Windauftreten am Standort Dienheim, Rheinhessen. 80% der aufgezeichneten Stundenmittelwerte ermöglichen eine Anwendung nach Guter fachlicher Praxis.

Abb. 10. Beispiel für Windauftreten am Standort Dienheim, Rheinhessen. 80% der aufgezeichneten Stundenmittelwerte ermöglichen eine Anwendung nach Guter fachlicher Praxis.

Für eine Expositionsabschätzung auf Landschafts­ebene zeigen eigene Auswertungen im Obstbau keinen signifikanten Einfluss auf die Verteilungskurven. Jedoch kann auf lokaler Ebene, d.h. für zusammenhängende Gewässerabschnitte, die Konzentrationsverteilung durch die Windrichtung beeinflusst werden.

Die Extrapolation der Windgeschwindigkeit in Standardhöhe (10 m über Grund) kann auf geringeren Höhen (z.B. 2 m über Grund) mittels des halbempirisches Potenzgesetzes vorgenommen werden (Hupfer und Kuttler, 2006, 138f.).

Übertragung des Versuchsdesigns auf die Landschaft

Die Frage der vorherrschenden Windrichtungen stellt sich bei deterministischen Expositionsmodellen (z.B. Winkler, 2001) nicht. Hier ist die zum Eintrag führende Windrichtung durch das Versuchsdesign festgelegt. Die Abdrift findet demnach immer und senkrecht (+/–30˚) zur Versuchsanordnung statt; auf die Landschaft übertragen findet sie senkrecht zum Gewässer statt, in immer gleicher (Mess)entfernung (vgl. Abb. 8).

In einer georeferenzierten Expositionsabschätzung wird ein Gewässerabschnitt i aus bis zu acht Richtungen exponiert (vgl. Abb. 11) und die Entfernungen aus Landschaftsmodellen abgeleitet. Abb. 11 stellt drei typische Expositionssituationen dar: Situation A und B zeigen einen Gewässerabschnitt mit Applikationsflächen in direkter Nachbarschaft auf beiden Uferseiten. Situation C zeigt einen Gewässerabschnitt, der nur auf einer Ufer­seite eine Nachbarschaft zu Applikationsflächen hat. Weitere meteorologische Parameter wie z.B. die Windstärke werden bei der versuchsweisen Auswertung der Messwerte indirekt berücksichtigt, da diese die Variabilität zwischen den Versuchen mitbestimmen.

Abb. 11. Links: Schematische Darstellung von möglichen Eintragssituationen. Rechts: Häufigkeitsverteilungen der modellierten Abdriftwerte [%] für die Situationen A bis C (n = 40 000).

Abb. 11. Links: Schematische Darstellung von möglichen Eintragssituationen. Rechts: Häufigkeitsverteilungen der modellierten Abdriftwerte [%] für die Situationen A bis C (n = 40 000).

In Abb. 11 sind die Ergebnisse der modellierten Abdriftwerte für typische Expositionssituationen in der Landschaft als Häufigkeitsverteilungen mit weiteren statistischen Merkmalen für die Entfernung von 1 m dargestellt (rechte Spalte). Ergänzend hierzu werden in Tab. 3 die Ergebnisse für weitere Entfernungen dargestellt. Tab. 4 vergleicht diese Ergebnisse mit den Simulationen, welche das Versuchslayout nachbilden (vgl. Abb. 8 und Tab. 2).

Tab. 3. Simulation typischer Expositionssituationen in der Landschaft: 90. Perzentile der simulierten Abdriftwerte für die Situationen A, B, C (n = 40 000)

  

Abdriftsediment in %

Entfernung** [m]

 

1

3

5

10

20

30

50

75

Simulation

         

Situation A
8 Windrichtungen
(Situation A)

90. Perzentil

1,600

0,594

0,391

0,223

0,136

0,087

0,032

0,017

Situation B
6 Windrichtungen
(Situation B)

90. Perzentil

1,626

0,591

0,384

0,223

0,136

0,103

0,031

0,017

Situation C
3 Windrichtungen
(Situation C)

90. Perzentil

1,199

0,445

0,283

0,155

0,084

0,060

0,022

0,013

** bezieht sich auf die minimale Entfernung der Situationen A, B und C (vgl. Abb. 11).
In A beträgt diese davon abweichend 1,1 m; 3,2 m; 5,4 m; 10,8 m; 21,6 m; 32,5 m; 54,1 m; 81,2 m

Tab. 4. Reduktionspotenzial [%] des georeferenzierten probabilistischen Modells gegenüber des deterministischen Modells: Vergleich der 90. Perzentile aus Situation A bis C mit der Situation nach Abb. 8

  

Reduktionspotenzial [%]

Entfernung [m]

 

1

3

5

10

20

30

50

75

Simulation

         

Situation A
8 Windrichtungen
(Situation A)

90. Perzentil

28

24

22

24

25

38

45

37

Situation B
6 Windrichtungen
(Situation B)

90. Perzentil

27

24

23

24

25

27

47

37

Situation C
3 Windrichtungen
(Situation C)

90. Perzentil

46

43

43

47

54

57

62

52

Beim Vergleich der drei Expositionssituationen fällt zunächst auf, dass die modellhaften Eintragssituationen A und B zu sehr ähnlichen simulierten Abdriftwerten im 90. Perzentil führen. Beide Situationen sind durch eine direkte Nachbarschaft auf beiden Uferseiten des Gewässers charakterisiert. Die Entfernungen der einzelnen Eintragsrichtungen unterscheiden sich jedoch leicht. In Situation B treffen zwei Eintragsrichtungen (90˚ und 270˚) auf keine Applikationsfläche. Diese beiden Richtungen führen im Simulationsmodell zu keinem Eintrag. Die vergleichbaren Ergebnisse zeigen jedoch, dass die modellhafte Expositionsabschätzung der realen Landschaftssituationen (Applikationsflächen beidseits des Gewässers) durch die acht vordefinierten Eintragsrichtungen möglich ist. Zwei Windrichtungen, die nach dem Modell zu keinem Eintrag führen, beeinflussen nicht das Ergebnis von Expositions­situationen die in der realen Landschaft vergleichbar sind. Im Vergleich mit Situation C zeigt sich, dass die geringere Eintragswahrscheinlichkeit bei Applikations­flächen auf nur einer Uferseite zu geringeren Abdriftwerten im 90. Perzentil der simulierten Driftverteilung führt.

Der Vergleich in Tab. 4 verdeutlicht das Reduktions­potenzial einer georeferenzierten probabilistischen Methode gegenüber dem deterministischen, nicht georeferenzierten Ansatz: Die berechneten Beladungen einzelner Gewässerabschnitte für die drei analysierten Expositionssituationen ist im Nahbereich bis 10 m um bis zu 47% geringer als nach deterministischen Modell berechnet. Im gesamten Messbereich sind die berechneten Depositionen zwischen 22% und 62% geringer.

Ausblick

Der vorgestellte Modellierungsansatz kann für georeferenzierte Expositions- und Risikoabschätzungen auf Landschaftsebene wie auch auf Ebene einzelner Gewässerabschnitte angewendet werden. Weitere verteilungsbasierte Parameter wie die Variabilität der Windrichtung oder der Filterwirkung von Ufervegetation als auch Unsicherheiten in der Distanzmessung sollten im Sinne einer realitätsnäheren Expositions- und Risikoabschätzung einbezogen werden. Die nun anstehende Herausforderung besteht darin, das Modell in die dynamische Simulation des Expositions- und Risikopotenzials kleiner Fließsysteme zu integrieren (Golla et al., 2009; Krumpe et al., 2007).

Die dargestellten Reduktionspotenziale des georeferenzierten probabilistischen Modells (vgl. Tab. 4) gelten bei Annahme der Gleichverteilung der Windrichtungen am Gewässerabschnitt. Ist die lokale Windrichtung zum Zeitpunkt der Applikation bekannt oder werden Ver­teilungskurven windrichtungsweise berechnet, sind die Verteilungskurven der Sedimentationswerte für die Beispiele A, B, C unter Umständen kongruent. Daher ist die Extrapolation der Windgeschwindigkeit auf abdrift­relevante Höhen eine notwendige Grundlage, um Landschaftsbereiche mit erhöhter mittlerer Windgeschwindigkeit abzugrenzen. Für diese Landschaften kann die Simulation der Beladung von Gewässern durch Abdrift gewichtet nach vorherrschenden Windrichtungen vorgenommen und dadurch die realitätsnähere Beschreibung der Expositionssituation von Gewässern weiter verbessert werden.

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