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Originalarbeit

Modellierung der Populationsentwicklung des Westlichen Maiswurzelbohrers (Diabrotica virgifera virgifera) – Betrachtung verschiedener Eingrenzungsoptionen

Modelling of population dynamics of the Western Corn Rootworm (Diabrotica virgifera virgifera) – examination of various containment measures

Silke Krügener, Peter Baufeld und Jens-Georg Unger
Institut
Julius Kühn-Institut – Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen, Institut für nationale und internationale Angelegenheiten der Pflanzengesundheit, Braunschweig und Kleinmachnow

Journal für Kulturpflanzen, 63 (3). S. 69–76, 2011, ISSN 0027-7479, DOI: 10.5073/JfK.2011.03.02, Verlag Eugen Ulmer KG, Stuttgart

Kontaktanschrift
Silke Krügener, Julius Kühn-Institut – Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen, Institut für nationale und internationale Angelegenheiten der Pflanzengesundheit, Stahnsdorfer Damm, 14532 Kleinmachnow, E-Mail: silke.kruegener@jki.bund.de
Zur Veröffentlichung angenommen
9. Dezember 2010

Zusammenfassung

Die Entwicklung der Käferpopulation des Westlichen Maiswurzelbohrers wurde anhand einer Modellrechnung für verschiedene Bekämpfungsmaßnahmen über einen Zeitraum von neun Jahren kalkuliert, um verschiedene Eingrenzungsoptionen zu betrachten. Grundlage des Modells ist eine mittlere Eiablage von 486 Eiern pro Weibchen und eine mittlere Mortalität vom Ei bis zum adulten Tier von 97%. Daraus ergibt sich eine Wachstumsrate von 7,505, um welche die Population ohne eine Bekämpfungsmaßnahme von Generation zu Generation wächst. Findet in einem Jahr eine Bekämpfungsmaßnahme statt, wird die Abundanz um den entsprechenden Wirkungsgrad reduziert.

Die Modellrechnung ergab, dass ein Maisanteil von 75% und mehr in der Fruchtfolge zu einem rapiden Anstieg der Populationsdichte führt. Die Bekämpfung des Westlichen Maiswurzelbohrers mit insektizider Saatgutbeize oder Bodengranulat reicht beim kontinuier­lichen Anbau von Mais nicht aus, um einen deutlichen Anstieg der Populationsdichte zu verhindern. Für die Adultenbekämpfung hingegen zeigte die Modellrechnung einen Rückgang der Abundanz. Die Effektivität ist jedoch stark von den Witterungs- und Umweltbedingungen abhängig und daher als Eingrenzungsmaßnahme in großen Gebieten nicht geeignet. Ein Anteil von 66% Mais in der Fruchtfolge führt zu einem leichten Anstieg in der Abundanz, welcher in einigen Jahren aufgrund von ungünstigen Witterungsbedingungen kompensiert werden dürfte. Die Kombination von 66% Mais in der Fruchtfolge sowie eine insektizide Bekämpfungsmaßnahme mindestens im ersten Maisanbaujahr bewirkte eine Reduzierung der Populationsdichte. Weiterhin ergab die Modellrechnung, dass ein Maisanteil von höchstens 50% in der Fruchtfolge die Populationsdichte des Westlichen Maiswurzelbohrers auch ohne Insektizide reduziert.

Nach der Kalkulation sind daher ein Maisanteil von 66% Mais in Kombination mit einer insektiziden Bekämpfungsmaßnahme im ersten Maisanbaujahr sowie eine Fruchtfolge von mindestens 50% als Eingrenzungsmaßnahme zu empfehlen. Ein Maisanteil von 66% in der Fruchtfolge ist für die Eingrenzung nur dann zu empfehlen, wenn die Populationsentwicklung durch ein kontinuierliches Monitoring kontrolliert wird und bei steigenden Abundanzen eine ergänzende Maßnahme durchgeführt wird. Ungeeignet für die Eingrenzung des West­lichen Maiswurzelbohrers sind hingegen Maisanteile über 66% in der Fruchtfolge sowie die alleinige Nutzung insektizider Bekämpfungsmaßnahmen.

Stichwörter: Diabrotica virgifera virgifera, Westlicher Maiswurzelbohrer, Eingrenzungsmaßnahmen, Bekämpfung, Wirksamkeit, Fruchtfolge

Abstract

The population development of Western corn rootworm was calculated for a period of 9 years to examine various containment measures. The model takes account of various management measures. It uses a mean oviposition of 486 eggs per female and mean mortality from the egg to the adult of 97%. Without any control this results in a growth rate of 7.505 per generation. Application of control measures within a year reduces densities by the corresponding efficacy of the measure.

The model calculation shows that 75% of maize and more in crop rotation cause a rapid increase in population density. In this case insecticide seed dressing or soil granules are not sufficient to prevent a rapid increase in population density. The model shows that the control of adults leads to a decrease of the density. Since, however, efficiency is heavily dependent on weather and environmental conditions this measure is not suitable for containment on a large area. 66% of maize in crop rotation causes only a slight increase in density which could be compensated within several years when weather con­ditions are unfavourable. A combination of 66% of maize in crop rotation and insecticide application at least in first-year maize causes a reduction in population density. Furthermore, the model shows that a maximum of 50% of maize in rotation reduces Western corn rootworm density also without insecticide use.

Calculations recommend the following measures for containment: 66% of maize in rotation combined with insecticide application in first-year maize, or a maximum of 50% of maize in rotation. 66% of maize in rotation can only be recommended in combination with continuous monitoring and additional measures in case of increasing densities. Containment of Western corn rootworm is not achieved when maize exceeds 66% in rotation or only insecticide treatment is applied.

Key words: Diabrotica virgifera virgifera, Western corn rootworm, containment measures, pest control, efficacy, crop rotation

Einleitung

Der Westliche Maiswurzelbohrer Diabrotica virgifera virgifera LeConte stammt ursprünglich aus Nordamerika. Dort richtete er jährlich durch Ertragsverluste und notwendige Bekämpfungsmaßnahmen, wie beispielsweise Pflanzenschutzmittelaufwendungen, Kosten von etwa einer Milliarde US-Dollar an (Metcalf, 1986; Chandler, 2003). Im Jahr 1992 wurden erstmals Käfer in Europa am Belgrader Flughafen entdeckt. Seitdem breitet er sich zunehmend in Europa aus. Neben der natürlichen Ausbreitung des Käfers kommt es in Europa auch immer wieder zu lokalen Neueinschleppungen durch Transpormittel in bisher befallsfreie Gebiete (Kiss et al., 2005). Die ersten Käfer in Deutschland wurden 2007 in Bayern und Baden-Württemberg festgestellt (Baufeld, 2009). Hierbei handelte es sich um lokale Einschleppungen, da die Fundstellen fernab des natürlichen Ausbreitungsgebietes lagen.

Der Westliche Maiswurzelbohrer ist für seine Entwicklung auf Mais angewiesen, da sich vor allem die Larven fast ausschließlich von Mais ernähren. Er durchläuft eine Generation pro Jahr. Die Eier werden im Sommer in den Boden abgelegt und überdauern dort den Winter. In Deutschland ist ab Juni das erste von drei Larvenstadien zu erwarten. Die Larven richten durch den Fraß an den Maiswurzeln den größten Schaden an, da es zu einer reduzierten Nährstoff- und Wasseraufnahme und zu geringerer Standfestigkeit kommt (Spencer et al., 2005). Nach der Verpuppung im Boden schlüpfen ab Juli die ersten Käfer. Diese fressen an den Narbenfäden, wodurch es zu einer reduzierten Kornausbildung kommen kann, sowie an Maispollen und -blättern (Baufeld, 2009). Spätestens am Ende der Vegetationsperiode oder bei Eintreten des ersten Frostes sterben die Käfer (Spencer et al., 2005). Der univoltine Generationszyklus des Westlichen Maiswurzelbohrers erleichtert eine Modellrechnung zur Populationsentwicklung.

Aufgrund seiner wirtschaftlichen Bedeutung ist der Westliche Maiswurzelbohrer seit 1998 in der Euro­päischen Union als Quarantäneschädling eingestuft und seit Oktober 2003 liegen europäische Maßnahmen vor (basierend auf der EU-Entscheidung 2003/766/EG), um die weitere Ansiedlung und Ausbreitung zu verhindern. Bezugnehmend auf diese Regelung wurde 2004 eine deutsche Leitlinie zur Durchführung von amtlichen Maßnahmen gegen den Schädling verfasst (Anonym, 2004).

Seit 2006 besteht die Verpflichtung der EU-Mitgliedsstaaten Eingrenzungsmaßnahmen durchzuführen (EU-Entscheidung 2006/564/EG). Die EU-Empfehlung sieht vor, Mais nur mit einem Anteil von 50% in der Fruchtfolge anzubauen. Wird Mais stattdessen mit einem Anteil von 66% in der Fruchtfolge (zweimal Mais in drei Jahren) angebaut, müssen in den Maisanbaujahren ergänzende Insektizidbehandlungen gegen die adulten Tiere oder Maßnahmen mit einer vergleichbaren Wirkung durch­geführt werden.

Ziel der vorliegenden Untersuchung ist es, aufgrund der aktuellen Situation in Deutschland die Maßnahmen der EU-Empfehlung auf ihre Effektivität zu überprüfen, als auch alternative Bekämpfungsstrategien diesbezüglich zu prüfen, um daraus die wirksamsten Optionen zur Eingrenzung des Schädlings in Bayern und Baden-Würt­temberg aber auch für mögliche neue Eingrenzungszonen in Deutschland abzuleiten sowie die Praktikabilität für die betroffenen Betriebe zu verbessern.

Material und Methoden

Die Berechnungen der Populationsentwicklung des Westlichen Maiswurzelbohrers wurden jeweils auf die Fläche eines Hektars bezogen. Es wird angenommen, dass die Männchen das weibliche Sexualpheromon etwa in diesem Areal wahrnehmen und sich die Käfer zur Begattung zusammenfinden können. Grundlage für die Berechnung der Wirksamkeit der verschiedenen Bekämpfungsmaßnahmen auf die Populationsentwicklung des Westlichen Maiswurzelbohrers ist die natürliche Wachstumsrate r von einer Generation zur Nächsten unter der Annahme von Monomaisanbau. Diese wurde wie folgt ermittelt:


/frames/bilder/kruegener_et_al_fml-001.jpg (1)


wobei N1 die Abundanz der Käfer der F1-Generation, c1 die Eiablage pro Weibchen (Median), c2 die prozentuale Mortalität von der Eiablage bis zum adulten Tier (Median) und N0 die Abundanz der Ausgangspopulation ist.

Zur Ermittlung der Wachstumsrate des Westlichen Maiswurzelbohrers wurden in der Literatur angegebene Mortalitäts- und Eiablageraten herangezogen (Tab. 1 und 2) und der jeweilige Median für die Berechnung der Wachstumsrate verwendet. Daraus ergab sich eine mittlere Mortalität von rund 97% von der Eiablage bis zum adulten Tier und eine mittlere Eiablage von 486 Eiern pro Weibchen. Die Ausgangspopulation für die Berechnung der Wachstumsrate betrug zwei Käfer und bestand aufgrund des Geschlechterverhältnisses des Westlichen Maiswurzelbohrers von 1:1 aus einem Weibchen und einem Männchen. Somit ergab sich eine Wachstumsrate von 7,505 pro Populationszyklus.

Tab. 1. Prozentuale Mortalitätsrate des Westlichen Maiswurzelbohrers von der Eiablage bis zum Adulten bei unterschied­lichen Einflussfaktoren

Mortalität (%)

Einflussfaktoren

Varianten

Quelle

96,25

Düngungseinfluss

0 kg N/ha

Spike und Tollefson (1988)

95,35

 

168 kg N/ha

 

95,75

 

336 kg N/ha

 

97,9

Pflanzendichte

39 000 Pflanzen/ha

 

95,75

 

63 000 Pflanzen/ha

 

95,6

 

87 000 Pflanzen/ha

 

95,7

Befallsrate

300 Eier pro 30,5 cm Reihe

Branson und Sutter (1985)

94,2

 

600 Eier pro 30,5 cm Reihe

 

97,6

 

1200 Eier pro 30,5 cm Reihe

 

98,4

 

2400 Eier pro 30,5 cm Reihe

 

97,54

Pflanz- und Befallszeitpunkt

Kalendertag 138 und 138

Fisher et al. (1991)

98,41

 

Kalendertag 138 und 148

 

97,93

 

Kalendertag 148 und 148

 

98,82

 

Kalendertag 158 und 148

 

98,9

 

Kalendertag 158 und 158

 

95,94

Befallsrate

100 Eier pro 30,5 cm Reihe

Branson et al. (1980)

96,63

 

300 Eier pro 30,5 cm Reihe

 

96,55

 

600 Eier pro 30,5 cm Reihe

 

96,912

 

1200 Eier pro 30,5 cm Reihe

 

98,85

 

2400 Eier pro 30,5 cm Reihe

 

99,28

Anbaubedingungen

Freilandbedingungen (Ungarn)

Toepfer und Kuhlmann (2006)

Tab. 2. Eiablage pro Diabrotica virgifera virgifera Weibchen bei unterschiedlichen Einflussfaktoren

Eiablage

Einflussfaktoren

Varianten

Quelle

516

Pflanz- und Befallszeitpunkt

Kalendertag 138 und 138

Fisher et al. (1991)

435,2

 

Kalendertag 138 und 148

 

509,1

 

Kalendertag 148 und 148

 

486,1

 

Kalendertag 158 und 148

 

384,8

 

Kalendertag 158 und 158

 

353

Anbaubedingungen

Laborbedingungen

Toepfer und Kuhlmann (2006)

142

 

Freilandbedingugen (Ungarn)

 

845,5

Befallsrate

300 Eier pro 30,5 cm Reihe

Branson und Sutter (1985)

855,4

 

600 Eier pro 30,5 cm Reihe

 

735,6

 

1200 Eier pro 30,5 cm Reihe

 

506,6

 

2400 Eier pro 30,5 cm Reihe

 

125,3

Nahrungsangebot

Stadium 4,0 bis 9,0 der Hanwayskala

Elliot et al. (1990)

234,6

 

Stadium 5,0 bis 10,0 der Hanwayskala

 

178,9

 

Stadium 5,0 bis 10,0 der Hanwayskala

 

441,4

 

konstant Stadium 5,0 der Hanwayskala

 

735,6

Schlupfzeitpunkt der Adulten

Intervall 1

Boetel und Fuller (1997)

437,9

innerhalb der Saison

Intervall 2

 

794,6

(unterteilt in zweiwöchige

Intervall 3

 

497

Intervalle)

Intervall 4

 

546

 

Intervall 5

 

356,8

 

Intervall 6

 

Auf der Grundlage dieser Wachstumsrate wurde das natürliche Populationswachstum von Generation zu Generation wie folgt bestimmt:


Nt+1 = r * Nt (2)


wobei Nt die Abundanz der Käfer zum Zeitpunkt t ist.

Fand in einem Jahr eine Bekämpfungsmaßnahme statt, wurde die Abundanz um den jeweiligen Wirkungsgrad der Maßnahme reduziert (Tab. 3). Die Wirkungsgrade in diesem Artikel wurden aus der deutschen Leitlinie herangezogen (Anonym, 2004). Diese resultieren aus den deutschen Fachgesprächen zum Westlichen Maiswurzelbohrer 2004 und stellen eine allgemein akzeptierte Experteneinschätzung dar.

Tab. 3. Angenommene Wirkungsgrade der Bekämpfungsmaßnahmen (Anonym, 2004)

Bekämpfungsmaßnahme

Wirkungsgrad

Fruchtwechsel

98%

Adultenbekämpfung

90%

Larvenbekämpfung mit Bodengranulat als Insektizid

70%

Larvenbekämpfung mit einer insektiziden Saatgutbeize

60%

Der Populationsverlauf wurde über neun Generationen kalkuliert. Als Ausgangspopulation der weiteren Berechnungen wird von 100 Käfer ausgegangen. Bei dieser Populationsdichte ist davon auszugehen, dass ein Auftreten des Westlichen Maiswurzelbohrers mit Hilfe von Lockstofffallen nachgewiesen werden kann. Zudem ermöglicht diese Annahme eine optimale Darstellung der unterschiedlichen Wirkungen der Maßnahmenkombinationen auf die Populationsentwicklung.

Das Ergebnis der Kalkulationen ist die Adultenanzahl nach der jeweiligen Bekämpfungsmaßnahme und wird bis zu einer Käferanzahl von 80 000 Käfern pro Hektar grafisch dargestellt. Dies entspricht der ökonomischen Schadensschwelle von rund einem Käfer pro Pflanze (EPPO, 1995), welche ökonomische Schäden im Mais für das Folgejahr ankündigt. Fand jedoch im Jahr danach eine Bekämpfungsmaßnahme statt, die zu einem Absinken der Abundanz unter 80 000 Käfer führte, wird die Populationsgröße nicht anhand der maximal dargestellten 80 000 Käfer sondern der tatsächlich errechneten Käfer­anzahl ermittelt.

Ergebnisse

Nach der Modellrechnung würde die Population des Westlichen Maiswurzelbohrers rapide ansteigen, wenn kontinuierlich Mais angebaut wird. Bei diesem Anbauverfahren wird bereits nach vier Jahren die ökonomische Schadensschwelle von 80 000 Käfern pro Hektar erreicht (Abb. 1). Auch bei einer Kulturführung von 75% Mais in der Fruchtfolge zeigt die Kalkulation eine rasante Zu­nahme der Populationsdichte und erreicht bereits nach drei Jahren eine Dichte von mehr als 40 000 Käfern. Im 7. Jahr wird erstmals die ökonomische Schadensschwelle überschritten. Im Gegensatz dazu erreicht die Population bei einem Anteil von 66% Mais in der Fruchtfolge die ökonomische Schadensschwelle innerhalb der berücksichtigten Jahre nicht und weist eine vergleichsweise geringe Abundanz auf (Abb. 1 und 2).

Abb. 1. Kalkulierte Populations­entwicklung des Westlichen Maiswurzelbohrers bei Maisanteilen von 66, 75, und 100% in der Fruchtfolge über einen Zeitraum von neun Jahren; Käferanzahl bis zur ökonomischen Schadensschwelle von 80 000 Käfern pro Hektar grafisch dargestellt.

Abb. 1. Kalkulierte Populations­entwicklung des Westlichen Maiswurzelbohrers bei Maisanteilen von 66, 75, und 100% in der Fruchtfolge über einen Zeitraum von neun Jahren; Käferanzahl bis zur ökonomischen Schadensschwelle von 80 000 Käfern pro Hektar grafisch dargestellt.

Abb. 2. Vergleich der Popula­tionsentwicklung des Westlichen Maiswurzelbohrers bei Maisanteilen von 33, 50 und 66% in der Fruchtfolge über einen Kalkula­tionszeitraum von neun Jahren.

Abb. 2. Vergleich der Popula­tionsentwicklung des Westlichen Maiswurzelbohrers bei Maisanteilen von 33, 50 und 66% in der Fruchtfolge über einen Kalkula­tionszeitraum von neun Jahren.

Darüber hinaus leitet sich aus der Modellrechnung ab, dass ein Maisanteil von 66% Mais in der Fruchtfolge nicht ausreicht, um die Population dauerhaft zu reduzieren. Die Käferanzahl nimmt hier tendenziell zu, unabhängig davon, ob direkt mit dem Fruchtwechsel begonnen wird oder erst im dritten Jahr kein Mais angebaut wird. Aus Abb. 2 ist auch zu entnehmen, dass die Populationsdichte bei 66% Mais in der Fruchtfolge, wenn der Fruchtwechsel erst im dritten Jahr stattfindet, wesentlich höhere Abundanzen erreicht, als wenn direkt im ersten Jahr mit einem Fruchtwechsel begonnen wird.

Im Gegensatz dazu wird nach der Modellrechnung die Populationsdichte sowohl bei einem Maisanteil von 50%, wenn direkt mit einem Fruchtwechsel begonnen wird, als auch von 33% in der Fruchtfolge, reduziert. Beide Varianten resultieren in einer Reduktion der Käferzahlen nach drei Jahren auf null und somit in einer Ausrottung (Abb. 2). Findet der Fruchtwechsel bei einem Maisanteil von 50% hingegen im zweiten Jahr statt, führt dies erst im sechsten Jahr zu einer Ausrottung der Population (nicht dargestellt).

Die Kalkulationen zu den insektiziden Bekämpfungsmaßnahmen zeigen, dass bei der insektiziden Saatgutbeize ein deutlicher Anstieg der Abundanz stattfindet und bereits nach sieben Jahren die ökonomische Schadensschwelle erreicht ist (Abb. 3). Ebenfalls steigt die Population des Westlichen Maiswurzelbohrers konti­nuierlich an, wenn Bodengranulat zur Bekämpfung eingesetzt wird. Die Wirkung des Bodengranulats auf die Larven des Westlichen Maiswurzelbohrers führt jedoch zu einem etwas langsameren Anstieg der Käferzahlen. Trotzdem wird auch bei dieser Bekämpfungsmethode nach neun Jahren die ökonomische Schadensschwelle überschritten. Im Gegensatz dazu bewirkt die regelmäßige, jährliche Adultenbekämpfung einen Rückgang in der Populationsdichte, so dass nach neun Jahren nur noch acht Käfer von anfangs 100 vorhanden wären (Abb. 3).

Abb. 3. Kalkulierter Populationsverlauf des Westlichen Maiswurzelbohrers bei verschiedenen insektiziden Bekämpfungsmaßnahmen über einen Zeitraum von neun Jahren; Käferanzahl bis zur ökonomischen Schadensschwelle von 80 000 Käfern pro Hektar grafisch dargestellt.

Abb. 3. Kalkulierter Populationsverlauf des Westlichen Maiswurzelbohrers bei verschiedenen insektiziden Bekämpfungsmaßnahmen über einen Zeitraum von neun Jahren; Käferanzahl bis zur ökonomischen Schadensschwelle von 80 000 Käfern pro Hektar grafisch dargestellt.

Nach den Berechnungen führt die Kombination aus einer Fruchtfolge mit 66% Maisanteil mit dem Einsatz einer insektiziden Bekämpfungsmaßnahme in den Maisanbaujahren sowohl bei der insektiziden Beize, dem Bodengranulat als auch bei der Adultenbekämpfung zu einem Rückgang in der Populationsdichte und letztlich zum Aussterben der Population. Bei der Kombination von 66% Mais in der Fruchtfolge mit einer Adultenbekämpfung in den Maisanbaujahren sind nach vier Jahren keine Käfer mehr vorhanden, wenn erstmals drei Jahre nach der Käferfeststellung kein Mais angebaut wird. Im Gegensatz dazu dauert es bei einer Kombination mit Bodengranulat beziehungsweise einer insektiziden Beize sieben beziehungsweise neun Jahre, bis die Population getilgt ist (Abb. 4). Ein vergleichbarer Rückgang in der Abundanz wäre bei einem Maisanteil von 66% in der Fruchtfolge mit einer insektiziden Bekämpfungsmaßnahme gegeben, wenn im jeweils ersten Maisanbaujahr nach dem Fruchtwechsel die Maßnahme angewendet würde (Abb. 5).

Abb. 4. Erwartete Populationsentwicklung des Westlichen Maiswurzelbohrers bei unterschied­lichen insektiziden Bekämpfungsmaßnahmen in allen Maisanbaujahren in Kombination mit 66% Mais in der Fruchtfolge über einen Zeitraum von neun Jahren; der Fruchtwechsel findet in allen Varianten erstmals drei Jahre nach Käferfeststellung statt.

Abb. 4. Erwartete Populationsentwicklung des Westlichen Maiswurzelbohrers bei unterschied­lichen insektiziden Bekämpfungsmaßnahmen in allen Maisanbaujahren in Kombination mit 66% Mais in der Fruchtfolge über einen Zeitraum von neun Jahren; der Fruchtwechsel findet in allen Varianten erstmals drei Jahre nach Käferfeststellung statt.

Abb. 5. Vergleich des Populationsverlaufs des Westlichen Maiswurzelbohrers bei 66% Mais in der Fruchtfolge in Kombination mit einer insektiziden Bekämpfungsmaßnahme jeweils nur im ersten Maisanbaujahr über einen Kalkulationszeitraum von neun Jahren; der Fruchtwechsel findet in allen Varianten erstmals drei Jahre nach Käferfeststellung statt.

Abb. 5. Vergleich des Populationsverlaufs des Westlichen Maiswurzelbohrers bei 66% Mais in der Fruchtfolge in Kombination mit einer insektiziden Bekämpfungsmaßnahme jeweils nur im ersten Maisanbaujahr über einen Kalkulationszeitraum von neun Jahren; der Fruchtwechsel findet in allen Varianten erstmals drei Jahre nach Käferfeststellung statt.

Wird jedoch direkt mit einem Fruchtwechsel begonnen, führt sowohl ein Maisanteil von 66% in der Fruchtfolge mit einer insektiziden Bekämpfungsmaßnahme in allen Maisanbaujahren als auch nur im ersten Mais­anbaujahr nach den Berechnungen dazu, dass bei einer Ausgangspopulation von 100 Käfern nach vier Jahren keine Käfer mehr vorhanden sind (nicht dargestellt).

Diskussion

Die Population des Westlichen Maiswurzelbohrers bei Monomaisanbau und 75% Mais in der Fruchtfolge ohne den Einsatz von insektiziden Bekämpfungsmaßnahmen steigt nach den Ergebnissen der hier dargestellten Kalkulationen rasch an und führt bei Monomaisanbau sowie einer Ausgangspopulation von 100 Käfern bereits nach vier Jahren zum Erreichen der ökonomischen Schadensschwelle. Diese Ergebnisse der Kalkulation werden durch Kiss et al. (2005) bestätigt. Sie stellten bei Untersuchungen in befallenden Gebieten fest, dass nach fünf bis sechs Jahren ökonomische Schäden durch den Fraß der Larven auftraten, wenn keine Bekämpfungsmaßnahmen durchgeführt wurden. Dieses entspricht dem Erreichen der ökonomischen Schadensschwelle von einem Käfer pro Pflanze vier bis fünf Jahre nach Feststellung der ersten Käfer.

Auch eine Bekämpfung der Larven mit Bodengranulat oder einer insektiziden Beize reicht nach vorliegenden Berechnungen nicht aus, um ein schnelles Populationswachstum zu vermeiden. Das heißt, dass diese Maßnahmen für die Eingrenzung ebenfalls nicht geeignet sind. Darüber hinaus ergab die Kalkulation, dass von den insektiziden Maßnahmen lediglich die regelmäßige Bekämpfung der adulten Käfer zu einem Rückgang in der Population führt. Die Wirksamkeit der Adultenbekämpfung hängt allerdings sehr stark vom optimalen Bekämpfungszeitpunkt, der damit verbundenen Verfügbarkeit der Applikationstechnik (Stelzenschlepper), den Witterungsbedingungen und der Befahrbarkeit (Hangneigung, Feldgrößen, Nachbarkulturen) während der Applikation ab. Außerdem muss die Applikation über die Eiablage­periode wiederholt werden, um einen Wirkungsgrad von 90% zu erreichen. Das heißt für die Empfehlung, dass die Adultenbekämpfung als alleinige Maßnahme für eine Eingrenzung mit hohen Unsicherheitsfaktoren verknüpft ist und aus Gründen der Praktikabilität ein großräumiger Einsatz nicht zu empfehlen ist.

Die Modellrechnung hat weiterhin ergeben, dass auch ein Maisanteil von 66% Mais in der Fruchtfolge nicht völlig ausreicht, um das Populationswachstum zu verhindern, jedoch wird dieses deutlich verzögert, besonders dann, wenn möglichst unmittelbar nach Feststellung von Käfern mit einem Fruchtwechsel begonnen wird. Auch ist zu erwarten, dass die Maßnahme in Jahren, in denen die Bedingungen beispielsweise durch einen kalten Sommer ungünstig sind, zu einer Stabilisierung oder einem Rückgang in der Populationsdichte führen könnte. Inwieweit dies jedoch zutrifft, ist experimentell noch nicht hinreichend nachgewiesen. Aus diesem Grund sollte bei einem Maisanteil von 66% in der Fruchtfolge die weitere Populationsentwicklung durch ein kontinuierliches Monitoring beobachtet werden und gegebenenfalls ein zusätz­licher Fruchtwechsel oder eine insektizide Bekämpfungsmaßnahme durchgeführt werden. Wird die Populationsentwicklung kontinuierlich beobachtet und gegebenenfalls eine ergänzende Maßnahme durchgeführt, ist ein Maisanteil von 66% in der Fruchtfolge als Eingrenzungsmaßnahme geeignet.

Die Empfehlung der Europäischen Kommission vom 11. August 2006 sieht verstärkend zu einem Fruchtwechsel mit 66% Maisanteil eine insektizide Bekämpfungsmaßnahme in allen Maisanbaujahren vor. Die vorliegenden Kalkulationen bestätigen, dass eine ergänzende insektizide Bekämpfungsmaßnahme in allen Maisanbaujahren zu einem Rückgang der Populationsdichte führt und dies damit eine sehr sichere Maßnahme zur Populationseingrenzung darstellt. Die Kalkulationen zeigen weiterhin, dass bereits ein Maisanteil von 66% in der Fruchtfolge mit einer ergänzenden insektiziden Maß­nahme nur im jeweils ersten Maisanbaujahr ausreicht, um die Abundanz zu reduzieren. Das heißt, dass ein Maisanteil von 66% in der Fruchtfolge mit einer ergänzenden insektiziden Maßnahme im ersten Maisanbaujahr als Eingrenzungsmaßnahme bereits geeignet ist.

Noch effektiver ist ein Maisanteil von 50% in der Fruchtfolge auch ohne weitere Maßnahmen, welcher zu einem Rückgang der Populationsdichte und letztlich zur Ausrottung der Population führt. Das heißt, dass ein Mais­anteil von 50% in der Fruchtfolge als Eingrenzungsmaßnahme sehr gut geeignet ist. Ergänzend ist demzufolge auch ein geringerer Maisanteil von 33% in der Frucht­folge als Eingrenzungsmaßnahme hervorragend geeignet.

Entscheidend für den Erfolg der Eingrenzungsmaßnahmen ist neben den Maßnahmen im Eingrenzungs­gebiet auch die Abundanz des Westlichen Maiswurzelbohrers in den angrenzenden Befallsgebieten. Ist die Populationsdichte in den Befallsgebieten hoch, herrscht ein ständiger Ausbreitungsdruck der dortigen Populationen, und es wandern immer wieder Käfer ins Eingrenzungsgebiet ein. Es ist daher notwendig, die Population auch in angrenzenden Befallsgebieten durch Unter­drückungsmaßnahmen zu begrenzen und die Eingrenzungsgebiete nicht zu kleinräumig auszulegen sowie die Maßnahmen in den einmal ausgewiesenen Eingrenzungsgebieten mittelfristig aufrechtzuerhalten.

Danksagung

Die Arbeiten wurden über das Diabrotica-Forschungsprogramm aus Mitteln des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) finanziert.

Literatur

Anonym, 2004: Leitlinie zur Durchführung von amtlichen Maßnahmen gegen Diabrotica virgifera Le Conte“. Bundesanzeiger Nr. 146/2004.

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Boetel, M.A., B.W. Fuller, 1997: Seasonal Emergence-Time Effects on Adult Longevity, Fecundity, and Egg Viability of Northern and Western Corn Rootworms (Coleoptera: Chrysomelidae). Environmental Entomology 26 (6), 1208-1212.

Branson, T.F., G.R. Sutter, 1985: Influence of Population Density of Immatures on Size, Longevity, and Fecundity of Adult Diabrotica virgifera virgifera (Coleoptera: Chrysomelidae). Environmental Entomology 14, 687-690.

Branson, T.F., G.R. Sutter, J.R. Fisher, 1980: Plant Response to Stress Induced by Artifical Infestation of Western Corn Rootworm. Environmental Entomology 9, 253-257.

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Elliot, N.C., R.D. Gustin, S.L. Hanson, 1990: Influence of adult diet on the reproductive biology and survival of the western corn rootworm, Diabrotica virgifera virgifera. Entomologia Experimentalis et Applicata 56, 15-21.

EPPO, 1995: European and Mediterranean Plant Protection Organisation, Doc. 96/5451, 1–10, International workshop on „Western Corn Rootworm in Europe 95” Gödöllö (HU), 08.11.1995.

Fisher, J.R., G.R. Sutter, T.F. Branson, 1991: Influence of Corn Planting Date on the Survival and on Some Reproductive Parameters of Diabrotica virgifera virgifera (Coleoptera: Chrysomelidae). Environmental Entomology 20 (1), 185-189.

Kiss, J., C.R. Edwards, H.K. Berger, P. Cate, M. Cean, S. Cheek, J. Derron, H. Festic, L. Furlan, J. Igrc-Barcic, I. Ivanova, W. Lammers, V. Omelyuta, G. Princzinger, P. Reynaud, I. Sivcev, P. Sivicek, G. Urek, O. Vahala, 2005: Monitoring of Western Corn Rootworm (Diabrotica virgifera virgifera LeConte) in Europe 1992–2003. In: Western Corn Rootworm: Ecology and Management (Vidal, S., U. Kulhmann, C.R. Edwards, eds.), 29–39. Wallingford, U.K., CABI Publishing.

Metcalf, R.L., 1986: Forward. In: Methods for the Study of Pest Diabrotica (Krysan, J.L., T.A. Miller, eds.), 7–15. New York, Springer Verlag.

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Toepfer, S., U. Kuhlmann, 2006: Constructing life tables for the invasive maize pest Diabrotica virgifera virgifera (Col.; Chrysomelidae) in Europe, Journal of Applied Entomology 130 (4), 193-205.


ISSN (elektronisch): 1867-0938
ISSN (print): 1867-0911
Verlag
Eugen Ulmer KG
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Verantwortlicher Herausgeber
Präsident und Professor
Prof. Dr. Frank Ordon
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