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Originalarbeit

Pflanzengesundheitliche Risikoanalyse und invasive Pflanzenarten: Bessere Anwendbarkeit durch PRATIQUE

Pest risk analysis and invasive alien plants: Progress through PRATIQUE

Kristina Steffen, Gritta Schrader und Uwe Starfinger
Institut
Julius Kühn-Institut – Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen, Institut für nationale und internationale Angelegen­heiten der Pflanzengesundheit, Braunschweig

Journal für Kulturpflanzen, 63 (10). S. 313–322, 2011, ISSN 0027-7479, DOI: 10.5073/JfK.2011.10.01, Verlag Eugen Ulmer KG, Stuttgart

Kontaktanschrift
Dr. Gritta Schrader, Julius Kühn-Institut – Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen, Institut für nationale und internationale Angelegenheiten der Pflanzengesundheit, Messeweg 11/12, 38104 Braunschweig, E-Mail: gritta.schrader@jki.bund.de
Zur Veröffentlichung angenommen
30. Juni 2011

Zusammenfassung

Das Entscheidungshilfeschema für pflanzengesundheitliche Risikoanalysen der EPPO ist im EU-Projekt PRATIQUE grundlegend überarbeitet worden. An den Beispielen Polygonum perfoliatum (Durchwachsener Knöterich) und Eichhornia crassipes (Wasserhyazinthe) wurde seine Anwendbarkeit auf invasive Pflanzenarten getestet. Die Ergebnisse sowie Veränderungen zum Vorgängerschema werden dargestellt. Unter anderem sorgen Antwort­hilfen, computergestützte Hilfsmittel und definierte Bewertungsskalen für verbesserte Nutzerfreundlichkeit und Konsistenz im Risikoanalyseprozess. Bei den beiden für den Test gewählten Pflanzenarten kommt man aufgrund dokumentierter Einwanderungsgeschichten und den biotischen und abiotischen Anforderungen dieser Arten zu dem Schluss, dass sie sich im europäischen Gebiet etablieren, ausbreiten und Schäden verursachen können.

Stichwörter: EU-Projekt PRATIQUE, pflanzengesundheitliche Risikoanalyse, invasive Pflanzenarten, Polygonum perfoliatum, Eichhornia crassipes

Abstract

The EPPO Decision Support Scheme for Pest Risk Analysis was fundamentally revised by the EU project PRATIQUE. Based on the examples of Polygonum perfoliatum (mile-a-minute-weed) and Eichhornia crassipes (water hyacinth), its applicability for invasive alien plants was tested. Results and changes compared to the previous scheme are presented in this paper. Among other things, rating guidance, defined assessment scales and computer assisted tools increased user friendliness and consistency in the risk analysis process. For the two plants tested here, documented invasion history as well as biotic and abiotic requirements show that they can establish and spread in Europe and cause damage.

Key words: EU-Project PRATIQUE, pest risk analysis, invasive plants, Polygonum perfoliatum, Eichhornia crassipes

Einleitung

Das EU-Projekt PRATIQUE (Enhancements of Pest Risk Analysis Techniques, März 2008 bis Mai 2011) hatte als ein wichtiges Ziel, das Entscheidungshilfeschema für pflanzengesundheitliche Risikoanalysen (PRA) der Pflanzenschutzorganisation für Europa und den Mittelmeerraum (EPPO-PRA-Schema; EPPO, 2009) zu überarbeiten, um unter anderem die Nutzerfreundlichkeit zu steigern, die Konsistenz, Nachvollziehbarkeit und Reproduzierbarkeit von Risikobewertungen mit Hilfe von definierten Skalen zu verbessern und um Missverständnisse und Doppelarbeit zu verringern (Kaminski et al., 2008; Kehlenbeck et al., 2009; Steffen et al., 2010; Schrader et al., 2011). Nachstehend soll gezeigt werden, wie sich die Anwendbarkeit des EPPO-PRA-Schemas auf invasive Pflanzenarten verbessert hat. Das neue EPPO-PRA-Schema ist hierzu beispielhaft mit zwei invasiven Pflanzenarten getestet worden, der in Asien einheimischen Landpflanze Durchwachsener Knöterich Polygonum perfoliatum und der aus Südamerika stammenden Wasserhyazinthe Eichhornia crassipes. Die Anwendung des neuen Schemas und die Ergebnisse werden im Folgenden dargestellt. Für beide Pflanzen liegen PRAs vor, die vor Überarbeitung des EPPO-PRA-Schemas erstellt wurden, so dass diese zum Vergleich herangezogen werden können.

Einschleppungswahrscheinlichkeit

Am Beginn eines jeden PRA-Prozesses stehen die Kate­gorisierung des Schadorganismus und die Begründung der Notwendigkeit, eine detaillierte Risikobewertung durchzuführen. Besteht diese Notwendigkeit, wird zunächst untersucht, auf welchen Wegen der jeweilige Schadorganismus in das Gebiet, für das die PRA durch­geführt wird (PRA-Gebiet, z.B. die EU-Mitgliedstaaten), gelangen kann, und die wahrscheinlichsten Einschleppungswege werden analysiert. Im Falle invasiver Pflanzenarten kann es sich wie bei P. perfoliatum um (unabsichtliche) Einschleppung in mit Samen verunreinigter Erde oder wie im Fall von E. crassipes um (absichtlichen) Import als Zierpflanze (und spätere Verwilderung) handeln.

Das Risiko der Einschleppung von Schadorganismen hängt unter anderem von der Menge und der Häufigkeit des Handels möglicherweise befallener Ware ab. Um hier eine bessere Bewertungsgrundlage zu haben, ist in PRATIQUE eine Möglichkeit entwickelt worden, diese Größen in Bezug zum Risiko zu klassifizieren. Für die Bewertung der Mengeneinordnung („Wie wahrscheinlich ist es, dass die gehandelte Warenmenge die Einschleppung des Schadorganismus begünstigt?“) ist zurzeit noch keine Bewertungshilfe verfügbar. Bezüglich der Häufigkeit („Wie wahrscheinlich ist es, dass die Frequenz des Warenhandels die Einschleppung des Schadorga­nismus begünstigt?“) führt die Bewertungshilfe bei den beiden Beispielorganismen zur Erhöhung um eine Bewertungsstufe im Gegensatz zur früheren Einschätzung. In den älteren PRAs wurde die Bewertung der Häufigkeit des Warenhandels zwar auch schon in einer fünfstufigen Skala und auf jährlicher Basis geschätzt, es gab jedoch keine definierten Häufigkeitskategorien. Für die Bei­spiele ist das mit der Häufigkeit des Handels verbundene Einschleppungsrisiko in den PRAs von 2007 bzw. 2008 als „hoch“ bewertet worden. Schaut man sich die neue Definition für diese Häufigkeitskategorie im verbesserten Schema an, würde dies einem Handel in 5 bis 8 Monaten im Jahr entsprechen. Tatsächlich besteht bei beiden Pflanzen aber ein ganzjähriges Risiko hinsichtlich ihrer Einschleppung (Warenhandel tritt in 9 bis 12 Monaten des Jahres auf). Daher ist nach der neudefinierten Skala die Einschleppungswahrscheinlichkeit als „sehr hoch“ einzustufen. Dies zeigt, dass die Anwendung der neu­entwickelten Bewertungshilfe zu anderen Bewertungs­ergebnissen führen kann.

Etablierungswahrscheinlichkeit

Auf den Abschnitt zur Bewertung der Einschleppungswahrscheinlichkeit folgt im EPPO-PRA-Schema zunächst ein Abschnitt zur Bewertung der Etablierungswahrscheinlichkeit des Schadorganismus (Tab. 1). Ob sich eine eingeführte Art im PRA-Gebiet etablieren kann, hängt von Arteigenschaften und von Faktoren wie Klima- und Umweltbedingungen, bestehendem Management und gesetzlichen Regelungen ab. Der Abschnitt des Entscheidungshilfeschemas zur Etablierungswahrscheinlichkeit ist grundlegend überarbeitet worden. Die Bewertung des Etablierungsrisikos wurde in PRATIQUE in drei Phasen gegliedert: I. Festlegung des potenziellen Etablierungsgebietes, II. Feststellung des Eignungsgrades dieses Gebietes zur Etablierung und III. Erwägung von dem Schadorganismus eigenen Merkmalen, die ihm bei der Etablierung förderlich sein können. Die Anzahl der Fragen hat sich von 15 auf 21 erhöht, jedoch wurde die Beantwortung erleichtert, und zu Beginn der „Etablierungssektion“ werden zunächst die fallspezifisch relevanten Faktoren herausgesiebt und im Anschluss bewertet – dadurch werden in der Regel sowohl bestimmte Faktoren als auch das Gebiet reduziert. Im Fall von P. perfoliatum und E. crassipes sind von den 21 möglichen jeweils 17 Fragen relevant, da beide Pflanzen nicht von anderen Arten abhängig sind, um ihren Lebenszyklus zu voll­enden und auch nicht als Schadorganismen in Gewächshäusern auftreten (in Tab. 1 sind die für die Beispiel­organismen nicht relevanten Fragen grau hinterlegt).

Tab. 1. Vergleich der Hauptfragen des Etablierungsteils vor und nach PRATIQUE. Die für P. perfoliatum und E. crassipes nicht relevanten Fragen sind grau hinterlegt

 

EPPO PRA scheme 2009

 

„post-PRATIQUE“ EPPO PRA scheme 2011

I. Identification of the area of potential establishment

1

  

Identify and describe the area where the host plants or suitable habitats are present in the PRA area outside protected cultivation.

2

  

Does all the area identified in 3.01 have alternate hosts or other essential species if these are required to complete the pest’s life cycle?

3

  

Does all the area identified as being suitable for establishment in previous questions have a suitable climate for establishment?

4

  

Does all the area that is not under protected cultivation identified as being suitable for establishment in questions 3.01, 3.02 and 3.03 have other suitable abiotic factors for establishment?

5

  

Is all the area identified as being suitable for establishment in previous questions likely to remain unchanged despite the presence of competitors and natural enemies?

6

  

Is all the area identified as being suitable for establishment in previous questions likely to remain unchanged despite the management of the environment?

7

  

Are the hosts grown in protected cultivation in the PRA area? If the pest is a plant, has it been recorded as a weed in protected cultivation elsewhere?

8

  

By combining the cumulative responses to those questions 3.01 to 3.06 that have been answered with the response to question 3.07, identify the part of the PRA area where the presence of host plants or suitable habitats and other ecological and management factors favour the establishment of the pest.

II. Suitability of the area of potential establishment

9

Estimate the number of host plant species or suitable habitats in the PRA area.

How widespread are the host plants or suitable habitats in the PRA area?

 

How likely is the distribution of hosts or suitable habitats in the area of potential establishment to favour establishment?

10

If an alternate host or another species is needed to complete the life cycle or for a critical stage of the life cycle such as transmission (e.g. vectors), growth (e.g. root symbionts), reproduction (e.g. pollinators) or spread (e.g. seed dispersers), how likely is the pest to come in contact with such species?

 

How likely is the distribution of alternate hosts or other species critical to the pest’s life cycle in the area of potential establishment to favour establishment?

  

11

How similar are the climatic conditions that would affect pest establishment, in the PRA area and in the current area of distribution?

 

Based on the area of potential establishment already identified, how similar are the climatic conditions that would affect pest establishment to those in the current area of distribution?

12

How similar are other abiotic factors that would affect pest establishment, in the PRA area and in the current area of distribution?

 

Based on the area of potential establishment, how similar are other abiotic factors that would affect pest establishment to those in the current area of distribution?

13

How likely is it that establishment will occur despite competition from existing species in the PRA area, and/or despite natural enemies already present in the PRA area?

 

Based on the area of potential establishment, how likely is it that establishment will occur despite competition from existing species, and/or despite natural enemies already present?

14

To what extent is the managed environment in the PRA area favourable for establishment?

 

How favourable for establishment is the managed environment in the area of potential establishment?

15

How likely is it that existing pest management practice will fail to prevent establishment of the pest?

 

How likely is the pest to establish despite existing pest management practice?

16

If protected cultivation is important in the PRA area, how often has the pest been recorded on crops in protected cultivation elsewhere?

 

Is the pest likely to establish in protected cultivation in the PRA area?

  

17

Based on its biological characteristics, how likely is it that the pest could survive eradication programmes in the PRA area?

 

Based on its biological characteristics, how likely is it that the pest could survive eradication programmes in the area of potential establishment?

III. Other characteristics of the pest affecting the probability of establishment

18

How likely is the reproductive strategy of the pest and the duration of its life cycle to aid establishment?

How likely are relatively small populations to become established?

 

How likely are the reproductive strategy of the pest and the duration of its life cycle to aid establishment?

19

How adaptable is the pest?

 

Is the pest highly adaptable?

20

How often has the pest been introduced into new areas outside its original area of distribution?

 

How widely has the pest established in new areas outside its original area of distribution? (Specify the instances, if possible; note that if the original area is not known, answer the question only based on the countries/continents where it is known to occur)

21

If establishment of the pest is very unlikely, how likely are transient populations to occur in the PRA area through natural migration or entry through man's activities (including intentional release into the environment)?

 

If establishment of the pest is very unlikely, are transient populations likely to occur in the PRA area through natural migration or entry through man's activities (including intentional release into the environment)?

 

The overall probability of establishment should be described.

Für die Einschätzung der Größe des Risikogebietes im Hinblick auf klimatische Eignung für die Etablierung des Schadorganismus kann es sinnvoll sein, ein Klimamodell anzuwenden. Um in einem solchen Fall das passende Modell anzuwenden, wurde ein Entscheidungshilfe­schema zur Risikogebietskartierung erstellt. Je nach Verfügbarkeit von Informationen zu Autökologie und Bedeutung des Schadorganismus im Hinblick auf zu erwartende Schäden und nötige Managementmaßnahmen kann es lohnend sein, ein aufwändigeres Klimamodellierungsprogramm wie CLIMEX (Sutherst et al., 2007) anzuwenden. Bei offensichtlichen Fällen oder wenn nicht genügend Informationen vorhanden sind, um sinnvoll modellieren zu können, sollte eine Abschätzung mit Hilfe von regionalen oder globalen Klimakarten, die z.B. die Köppen-Geiger-Klimazonen (Kottek et al., 2006) dar­stellen, erfolgen. Die Anwendung von CLIMEX auf die Beispiele weist die gesamte EPPO-Region als mögliches Etablierungsgebiet für P. perfoliatum aus, während für E. crassipes das derzeitige Klima eine Etablierung nur in Südeuropa erwarten lässt.

Für weitere Faktoren, die das Etablierungsrisiko beeinflussen, gibt es Fragen und Antwortskalen mit Bewertungshilfen. Bei den Beispielorganismen wird das Etablierungspotenzial nicht nennenswert durch andere Faktoren eingeschränkt. So muss z.B. die Frage „Wie wahrscheinlich ist es, dass der Schadorganismus sich trotz Konkurrenz und natürlicher Feinde etablieren kann?“ für beide als konkurrenzstark bekannte invasive Pflanzen­arten, die bisher in Europa keine natürlichen Feinde haben, nach der Bewertungshilfe mit der höchsten Stufe 5 (sehr wahrscheinlich) beantwortet werden (Tab. 2).

Tab. 2. Bewertungshilfe für Frage 13 im Etablierungsteil: Wie wahrscheinlich ist es, dass der Schadorganismus sich trotz Konkurrenz und natürlicher Feinde im PRA-Gebiet etablieren kann?

Rating guidance

Very unlikely

The pest is known to have competitors and/or natural enemies that are very widely distributed, very abundant and could cause a very high level of mortality in the PRA area. OR another organism is already very widely distributed in the PRA area that occupies the same niche as the pest.

Unlikely

The pest is known to have competitors and/or natural enemies that are widely distributed, abundant and could cause a high level of mortality in the PRA area. OR another organism is already widely distributed in the PRA area that occupies the same niche as the pest.

Moderately likely

The pest is known to have competitors and/or natural enemies that are locally distributed, occasionally common and could cause a moderate level of mortality in the PRA area. OR another organism is locally distributed in the PRA area that occupies the same niche as the pest.

Likely

Even if the pest has potential competitors and/or natural enemies in the PRA area, these are rare or likely to cause low mortality. Other organisms present in the PRA area occupying the same niche as the pest are rare.

Very likely

Even if the pest has potential competitors and/or natural enemies in the PRA area, these are very rare or very likely to cause very low mortality. Even if there are other organisms present in the PRA area, that occupy the same niche as the pest, these are very rare.

Ausbreitungswahrscheinlichkeit

Potenzielles Etablierungsgebiet und Ausbreitungspotenzial einer invasiven Art bilden den Ausgangspunkt für die Bewertung des Schadpotenzials, da die Flächengröße des möglichen neuen Verbreitungsgebietes das Schadens­ausmaß maßgeblich mitbestimmt. Eine Abschätzung der Ausbreitungswahrscheinlichkeit ist deshalb wesentlicher Bestandteil einer PRA. Die Ausbreitung kann mit Hilfe des neuentwickelten „Spread Moduls“ für einen bestimmten Zeitraum modelliert werden, das ist jedoch nur möglich, wenn u.a. Größe der Ausgangspopulation und jährliche Vermehrungsrate des Schadorganismus bekannt sind. Eine detaillierte Beschreibung des „Spread Moduls“ wird sich im PRATIQUE Endbericht 2011 (https://secure.fera.defra.gov.uk/pratique/publications.cfm, Deliverables 2.6 und 3.3) voraussichtlich ab Ende Juli 2011 finden. Polygonum perfoliatum hat in 55 Jahren eine Ausbreitungsdistanz von ca. 500 km von Stewartstown, Pennsylvania aus in mehrere Richtungen zurückgelegt, neben natürlicher Ausbreitung, z.B. durch Tiere, hat dabei die Verschleppung mit Rhododendren aus Baumschulen, in denen der Knöterich auftritt, die größte Rolle gespielt (Kumar und DiTommaso, 2005). Eichhornia crassipes hat durch Verdriftung mehrere 100 km in afrikanischen Flusssystemen zurückgelegt; sowohl Samen als auch vegetative Fragmente werden flussabwärts verbreitet (Navarro und Phiri, 2000). Bei der Wasserhyazinthe ist innerhalb eines Gewässersystems die Ausbreitungswahrscheinlichkeit sehr groß, aber der „Sprung“ in ein noch unbesiedeltes Gewässersystem, z.B. mit Hilfe von Wasservögeln oder mit Sport- und Arbeitsgeräten wie Boot, Angel oder Mähkorb, passiert nur selten. Insgesamt haben nach früherer Einschätzung beide Pflanzenarten ein hohes Ausbreitungspotenzial. Im bisherigen PRA-Schema (EPPO, 2009 und Versionen davor) wurde die Ausbreitungswahrscheinlichkeit in drei Einzelfragen bearbeitet (1. Natürliche Ausbreitung 2. Ausbreitung mit Hilfe des Menschen 3. Wahrscheinlichkeit der Eingrenzung). Im neuen PRA-Schema gibt es dafür zunächst fünf Einzelfragen (1. Natürliche Ausbreitung 2. Ausbreitung mit Hilfe des Menschen 3. Beschreibung der Gesamt­ausbreitungsrate 4. Einschätzung der Zeit, die der neue Schadorganismus braucht, um die maximal mögliche Ausbreitung im PRA-Gebiet zu erreichen und 5. Geschätzter Anteil des potenziellen PRA-Gebietes, der nach fünf Jahren besiedelt sein wird) und einen zusätzlich eingefügten Abschnitt mit drei Einzelfragen nach dem erwarteten Erfolg von Ausrottungs- und Eingrenzungsmaßnahmen und zum möglichen Auftreten von unbeständigen Populationen durch natürlich oder anthropogen bedingte Ausbreitung. Auch nach dem neuen System hat P. perfoliatum ein hohes Ausbreitungspotenzial, da die Pflanze mit Pflanzen zum Anpflanzen verbreitet wird und somit auch größere Distanzen zurücklegen kann. Bei E. crassipes verläuft die Ausbreitung über Flussläufe sehr schnell. Es sollte jedoch möglich sein, sie innerhalb eines Flusseinzugsgebietes einzugrenzen. Die Wasserläufe, in denen die Wasserhyazinthe auf der iberischen Halbinsel vorkommt, haben keine direkte Verbindung zu anderen europäischen Flusssystemen. Das Ausbreitungspotenzial der Wasserhyazinthe kann aufgrund der beobachteten schnellen Besiedlung der für sie infrage kommenden Gewässer in Afrika, Spanien und Portugal als „sehr hoch“ eingestuft werden.

Schadpotenzial

Der Abschnitt zur Bewertung des Schadpotenzials war ursprünglich wie die anderen Abschnitte auch auf alle Schadorganismengruppen gleichermaßen anwendbar. Für ökonomische Schadensbewertung wurde das generische Modell beibehalten, für die Bewertung von Umweltschäden erfolgte jedoch eine Auftrennung in mikrobiologische und tierische Schadorganismen auf der einen und invasive Pflanzenarten auf der anderen Seite. Grundsätzlich unterscheiden sich die Versionen darin, dass aufgrund bisheriger Erfahrungen davon ausgegangen wird, dass die Auswirkungen invasiver Pflanzen auf die Umwelt in der Regel nur aufgrund von Beobachtungen außerhalb des natürlichen Verbreitungsgebietes bewertet werden können, während bei den direkten Schad­organismen häufig aufgrund ihrer Wirtsspezifität bereits aus ihrem Verhalten in der Heimat auf mögliche Aus­wirkungen im PRA-Gebiet geschlossen werden kann. Nur unter der Voraussetzung, dass bereits eine dokumentierte Invasionsgeschichte vorliegt, kann bei invasiven Pflanzenarten das Risiko für das PRA-Gebiet bestimmt werden. Bei ihnen liegt der Schwerpunkt ihrer schädlichen Auswirkungen in den meisten Fällen auf Schadwirkungen für die Umwelt. Außerdem können ökonomische Aus­wirkungen zum Beispiel durch Bekämpfungskosten, blockierte Transportwege oder Ernteeinbußen entstehen.

Eine dokumentierte Einwanderungsgeschichte liegt beim Durchwachsenen Knöterich für Nordamerika vor, wo er Schäden anrichtet, indem er heimische Wild­kräuter und kleine Bäume überwuchert und erstickt. In Virginia hat er bei einer Aufforstungskampagne Kosten von 60–500 US-Dollar/ha verursacht (Stanosz und Jackson, 1991). Diese entstanden durch die intensiven Arbeiten, die nötig waren, um die Fläche vom Knöterich zu befreien, aber auch nach der Pflanzung, da einige Jung­bäume ersetzt werden mussten, nachdem sie über­wuchert worden waren.

Auch E. crassipes besitzt eine Invasionsgeschichte, die Pflanze ist heimisch in Südamerika und mittlerweile auf allen Kontinenten außer der Antarktis zu finden. In Europa ist sie bisher nur in Spanien, Portugal und Italien etabliert, das potenzielle Etablierungsgebiet erstreckt sich jedoch über den gesamten Mittelmeerraum. Einerseits erhöht der schwimmende Neophyt die Habitatheterogenität für aquatische Invertebraten, andererseits wird jedoch die Phytoplanktonmasse reduziert, da die Wasserhyazinthe den Lichteinfall vermindert. Dies kann sich negativ auf die Diversität, z.B. von Fischarten auswirken (Villamagna und Murphy, 2010). In Uganda hat die Wasserhyazinthe 1995 Kosten von mehreren Mio. US Dollar verursacht, darunter 3–5 Mio. US-Dollar, um die Schiffspassage nach Port Bell am Viktoriasee freizuhalten, und etwa 0,6 Mio. US Dollar für Beeinträchtigungen in Landwirtschaft und Fischerei (Mailu, 2001).

Im Unterschied zum ehemaligen generischen Schema ermöglicht der in PRATIQUE entwickelte speziell an invasive Pflanzenarten angepasste Fragenkatalog zur Bewertung von Umweltschäden eine differenziertere Bewertung. Während im Schema von 2009 eine große Zahl zu bedenkender Einflussgrößen in einer Fußnote zusammengefasst waren, enthält das neue Schema acht Unterfragen aus den Bereichen 1. Negative Folgen für die heimische Biodiversität, 2. Veränderungen ökosystemarer Prozesse und 3. Naturschutzbelange, die zunächst auf einer dreistufigen Skala einzeln bewertet werden (Tab. 3). Die Einzelwertungen werden zusammengefasst, und das Ergebnis dient als Grundlage für die Ermittlung des zu erwartenden Ausmaßes von Auswirkungen für die Umwelt im PRA-Gebiet.

Tab. 3. Unterfrage mit zugehöriger Bewertungshilfe aus dem an invasive Pflanzenarten angepassten Fragenkatalog zur Bewertung von Umweltschäden

Rating

To what extent does the plant cause a decline in native species and changes in communities of native species?

Low

The decline in native species and changes in the composition and structure of the communities of native species has been studied but not observed. If no study has been carried out to determine the level of impact, according to the information available on the invasion status and bio-ecological characteristics of the plant as well as on the characteristics of the invaded habitats, a decline in native species is unlikely. In particular it can be assumed that species that never build large and dense populations have low impacts on native species.

Examples: Oxalis stricta is found in disturbed or man-made habitats without making dense populations, suggesting that it has a very limited effect on native species. Ambrosia artemisiifolia mainly colonises bare soils and is unlikely to outcompete other plant species. The impact of the invasive seaweed Sargassum muticum on a low intertidal macroalgal assemblage was assessed at a rocky shore in Spain and was found to be negligible.

Medium

A decline has been observed in native species populations and/or change in the composition and structure of the communities of native species, but the decline or change is not persistent and is limited in area. If no study has been carried out to determine the level of impact, according to the information available on the invasion status and bio-ecological characteristics of the plant as well as on the characteristics of the invaded habitats, the impact level is considered to be medium. In particular species that are able to build large and dense but not persistent populations have a medium impact on native species.

Examples: Senecio inaequidens occasionally invades semi-natural areas in dense populations but mainly in open areas because it is a relatively weak competitor.

High

A decline has been observed in native species populations and/or changes in the composition and structure of the communities of native species, and the impact is likely to be widespread within the habitats occupied by the species and persistent at least if no management option is taken. If no study has been carried out to determine the impact, according to the information available on the invasion status and bio-ecological characteristics of the plant as well as on the characteristics of the invaded habitats, the impact level is considered to be high. In particular it can be assumed that species with a known ability to build large, dense and persistent populations have high impacts on native species.

Examples: Crassula helmsii and Ludwigia grandiflora form dense and persistent populations in water bodies, strongly competing with native species. Fallopia japonica produces large monopecific populations that cause local decline of native plants. In Florida, Melaleuca quinquenervia forms very dense stands, reducing plant and wildlife diversity. In Australia, Mimosa pigra, by converting open sedge wetland to shrubland, caused the loss of native plant and animal communities. Heracleum mantegazzium reduces plant species diversity as compared to non invaded areas in the Czech Republic.

Allgemeine und technische Neuerungen am EPPO PRA Schema

Für die Abschätzung des Risikopotenzials einzelner Faktoren werden Bewertungshilfen angeboten, unterlegt mit Beispielen bereits bewerteter Organismen. Diese Be­wertungshilfen bestehen entweder aus Fragenkatalogen oder Tabellen (s.o.), die möglichst umfassend die zu bedenkenden Faktoren beinhalten, oder es handelt sich um computergestützte Hilfsmittel. So ist der so genannte „Visualizer“ ein technisches Werkzeug, welches bereits abgegebene Bewertungen einschließlich der Größe von Unsicherheiten graphisch darstellt und dem Anwender so den Einfluss einzelner Entscheidungen auf das Gesamtergebnis veranschaulicht (Abb. 1).

Abb. 1. Visualizer Diagramm für den Abschnitt zur Bewertung der Einschleppungswahrscheinlichkeit von P. perfoliatum (dargestellt mit „GENIE“ aus der computergestützten Version des EPPO-PRA-Schemas CAPRA, v2.51).

Abb. 1. Visualizer Diagramm für den Abschnitt zur Bewertung der Einschleppungswahrscheinlichkeit von P. perfoliatum (dargestellt mit „GENIE“ aus der computergestützten Version des EPPO-PRA-Schemas CAPRA, v2.51).

Der „Invasive Risk Impact Simulator“ (IRIS) ist ein Programm, das vor allem geeignet ist, Bewertungsprofile unterschiedlicher Schadorganismen auf monetärer Ebene miteinander zu vergleichen (Abb. 2). Zum Beispiel lässt die PRA annehmen, dass die Wasserhyazinthe E. crassipes im PRA-Gebiet mittleren Schaden hervorruft. In der Abbildung 2 ist dies durch die dunkelrote Kurve dargestellt, deren größter Abschnitt im mittleren, orange gefärbten Bereich der x-Achse (zu erwartende Schäden: 11 Mio.–110 Mio. €/Jahr) liegt. Auf der y-Achse ist die Wahrscheinlichkeit des Zutreffens dieser Einschätzung zu erkennen, der Abschnitt zwischen 0,25 und 0,65 lässt darauf schließen, dass die Schadensvorhersage für die Wasserhyazinthe mit 40%iger Wahrscheinlichkeit getroffen wird. Ihr haftet somit eine mittelgroße Unsicherheit an. Dagegen sind von der in Sri Lanka heimischen Fruchtfliege Bactrocera invadens, in der Abbildung 2 durch die lilafarbene Kurve dargestellt, im klimatisch gemäßigten Europa geringe Schäden (1,1 Mio.–11 Mio. €/Jahr), ebenfalls bei mittlerer Unsicherheit, zu erwarten. Je flacher die Kurve, desto größer die Unsicherheit. Das Monetarisieren der Schäden dient dem Vergleich und erfolgt auf Grundlage vorhandener Daten, die auf den zu erwartenden Schaden im PRA-Gebiet nach 5 Jahren hoch­gerechnet werden, um den Maximalwert zu erhalten. So wurden zur Bekämpfung von E. crassipes in Spanien über drei Jahre ca. 14,5 Mio. € aufgewendet, um die dichte Pflanzendecke auf dem Guadiana Fluss auf 75 km Länge mechanisch zu entfernen (Cifuentes et al., 2007). Für die Hochrechnung auf 5 Jahre für die Kostenschätzung im PRA-Gebiet wird die Größe der potenziellen Ausbreitungsfläche herangezogen, die im Fall der Wasserhyazinthe die europäischen stehenden und langsam fließenden Binnengewässer ausmachen. Eine detaillierte Beschreibung der „IRIS“ Anwendung wird sich im PRATIQUE-Endbericht (https://secure.fera.defra.gov.uk/pratique/publications.cfm, Deliverable 3.2/3.4) voraussichtlich ab Ende 2011 finden.

Abb. 2. IRIS Diagramm zum Vergleich von Auswirkungen durch fünf Arten: Kirschessigfliege, Wasserhyazinthe, Apfelbaumbohrer, eine Fruchtfliege und ein Wurzelgallnematode (https://secure.fera.defra.gov.uk/pratique/publications.cfm, Deliverable 3.2/3.4).

Abb. 2. IRIS Diagramm zum Vergleich von Auswirkungen durch fünf Arten: Kirschessigfliege, Wasserhyazinthe, Apfelbaumbohrer, eine Fruchtfliege und ein Wurzelgallnematode (https://secure.fera.defra.gov.uk/pratique/publications.cfm, Deliverable 3.2/3.4).

Ein weiteres zum Einsatz kommendes „Werkzeug“ ist das mit Hilfe des Programmes GENIE generierte „Matrix Model“, welches alle Einzelwertungen mit ihren Verknüpfungen in der zugehörigen Risikomatrix sichtbar macht (Abb. 3). Für das gesamte Schema sind Algorithmen für die Zusammenführung der Einzelbewertungen entwickelt worden. Zum Beispiel besteht für P. perfoliatum ein hohes Einschleppungsrisiko. Es setzt sich unter anderem daraus zusammen, dass der Knöterich, wenn er einmal als Saat in Erde an importierten Pflanzen gelangt ist, mit großer Wahrscheinlichkeit lebend und unentdeckt eingeschleppt wird. Es gibt derzeit keine Vorschrift in den EU-Richtlinien zur Pflanzengesundheit, die Unkrautsamen in Substrat zum Gegenstand hat. In der Abbildung 3 ist zu erkennen, dass die Einzelfaktoren in einer fünfstufigen Skala („vl“ = sehr niedrig bis „vh“ = sehr hoch) bewertet werden. Je mehr die Antwort anteilsmäßig auf die fünf Kategorien verteilt ist, desto größer ist die Unsicherheit der Bewertung. Eine genaue Beschreibung der zugrundeliegenden Algorithmen wird sich im PRATIQUE-Endbericht (https://secure.fera.defra.gov.uk/pratique/publications.cfm, Deliverable 3.2/3.4) voraussichtlich ab Ende 2011 befinden.

Abb. 3. Risikomatrix für den Abschnitt zur Bewertung der Einschleppungswahrscheinlichkeit von P. perfoliatum (dargestellt mit „GENIE“ aus CAPRA v2.51).

Abb. 3. Risikomatrix für den Abschnitt zur Bewertung der Einschleppungswahrscheinlichkeit von P. perfoliatum (dargestellt mit „GENIE“ aus CAPRA v2.51).

In der Risikomatrix ist auch festgelegt, ob mehrere Einzelbewertungen als Durchschnittswert zusammengeführt werden, oder ob der minimale oder der maximale Wert bestimmend ist. Um beispielsweise das Etablierungspotenzial zu bewerten, wird ein Vergleich der Klimabedingungen und anderer abiotischer Faktoren im PRA-Gebiet mit denen im aktuellen Verbreitungsgebiet durchgeführt. Die Zusammenführung geschieht in diesem Fall in einer Minimum-Matrix. Für E. crassipes bedeutet dies, dass der minimale Wert aus Ähnlichkeit der Klimabedingungen („moderat ähnlich“, da im Süden des PRA-Gebietes sehr ähnlich und im Norden sehr unähnlich) und Ähnlichkeit anderer abiotischer Faktoren (sehr ähnlich, im gesamten PRA-Gebiet sind Süßgewässer mit mittleren pH-Werten und relativ hohen Nährstoffkonzentrationen, wie sie von der Pflanzen besiedelt werden, vorhanden), also „moderate Ähnlichkeit“ (nur im Süden ist eine Etablierung möglich) in die Gesamtwertung eingeht. Dagegen wird eine Maximum-Matrix angewendet, wenn es um die Faktoren Anpassungsfähigkeit und Regenerationspotenzial geht. Polygonum perfoliatum wurde beispielsweise schon außerhalb seines Herkunftsgebietes in Nordamerika, Neuseeland und der Türkei eingeführt, der Knöterich kommt unter variablen Umweltbedingungen in temperierten und tropischen Klimaten vor, daher wird eine „hohe“ Anpassungsfähigkeit angenommen. Das Regenerationspotenzial wird bei der einjährigen Pflanze, die 50–100 Samen im Jahr bildet und einen Zuwachs von bis zu 15 cm/Tag hat, als „sehr hoch“ angenommen. Durch die Maximum-Matrix geht also der Wert „sehr hoch“ in die Gesamtbewertung des Etablierungs­potenzials ein.

Unabhängig davon ist es jedoch auch immer möglich, aufgrund fallspezifischer Erfahrungswerte und bestehender Unsicherheiten individuell zu gewichten und die Grundmatrix entsprechend zu verändern. Ausschlaggebend für die Bewertung bleibt das Fachwissen des Experten, der in seinem Bewertungsergebnis von der Empfehlung unter Nennung von Gründen abweichen kann.

Visualizer und Matrix Model wurden in das computergestützte EPPO-PRA Schema CAPRA integriert, das ebenfalls im Zuge des Projektes entwickelt wurde und eine komfortablere Beantwortung der Fragen ermöglicht.

Unsicherheiten

Da bei Risikoanalysen hypothetische Situationen angenommen werden und Voraussagen getroffen werden, werden Unsicherheiten immer ein Bestandteil der Bewertungen sein. Fehlende Kenntnisse über das Verhalten eines Schadorganismus in einem neuen Gebiet und seine Auswirkungen auf abiotische und biotische Faktoren im neuen Gebiet sind Beispiele für die Ursache von Un­sicherheiten und müssen sehr genau benannt und auch quantifiziert werden. Beispielsweise sind die Erfahrungen mit E. crassipes in Ländern, in denen sie bereits Kosten verursacht hat, fundiert, so dass nur geringe Unsicherheit besteht, dass auch im PRA-Gebiet massive Kosten verursacht würden, wenn keine Bekämpfungs- und Präventivmaßnahmen angewendet werden. Die Art kommt in Europa bereits in Portugal, Spanien und Italien vor, wo sich ihr Vorkommen negativ auf die Landwirtschaft auswirkt (Guerreiro, 1976; Moreira et al., 1999). Die Wasserhyazinthe bildet dichte Schwimmdecken auf stehenden und langsam fließenden Gewässern aus, und amerikanische Studien haben gezeigt, dass die Verdunstung im Vergleich zur offenen Wasserfläche um das 2,7 bis 3,2-fache erhöht wird (Penfound und Earle, 1948, Lallana et al., 1987), so dass Wasserknappheit entstehen kann und die Kosten zur Bewässerung ansteigen. In der Reisproduktion wird die Ernte durch Unterdrückung der Feldfrucht und Festsetzen in Erntemaschinen geschmälert. In Nordamerika fallen Kosten von jährlich ca. 500 000 US Dollar in Kalifornien und etwa 3 Mio. US Dollar in Florida für die Bekämpfung der Wasserhyazinthe an (Mullin et al., 2000). Größere Unsicherheit besteht dagegen bei der Ausdehnung des potenziellen Etablierungsgebietes. Begrenzender Faktor für die Ausbreitung von E. crassipes sind niedrige Wintertemperaturen, da sie länger anhaltende Temperaturen unter 5°C nicht überlebt. Im temperierten Europa ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass Bestände der Wasserhyazinthe gebildet werden können, jedoch ist deren Beständigkeit ungewiss, da nicht bekannt ist, ob sie zur Samenreife kommen können. Ein Unsicherheitsfaktor bei P. perfoliatum ist die frühzeitige Entdeckung nach einer Einschleppung, da die Samen sich über mehrere Jahre im Zustand der Dormanz befinden können. Durch die neuen Verfahren (Visualizer, IRIS und Matrix Model) können Unsicherheiten dargestellt und zusammengefasst werden. Dies erhöht die Transparenz der PRA und zeigt Schwachpunkte in der Datenlage auf, die auf weiteren Forschungsbedarf hinweisen können und – je nach Gewicht der jeweiligen Unsicherheit – auch die Meinungsbildung des Risiko­managers beeinflussen können, z.B. in Richtung eines größeren Sicherheitsspielraums bei der Festlegung von Maßnahmen.

Schluss

Für die beiden Beispielpflanzen ergeben die mit den neuen Methoden durchgeführten PRAs eindeutige pflanzengesundheitliche Risiken. Die bereits vorhandenen, auf dem alten Schema (EPPO, 2009) beruhenden PRAs ergaben zwar ein ähnliches Bild, mit dem neuen Schema sind die Ergebnisse jedoch wesentlich transparenter und nachvollziehbarer und die Erstellung der PRAs war deutlich einfacher, da viele Hilfestellungen die Beantwortung der Fragen erleichtern. Das Ergebnis der PRA für E. crassipes ist, dass ihre Einfuhr ein nicht akzeptables Risiko für die EU darstellt. Aufgrund ihrer negativen Auswirkungen auf Süßwasserökosysteme und auf in Gewässernähe angesiedelte Wirtschaftszweige in Gebieten, die sie erobert hat, und auch weil ihre Vorkommen in Europa bisher noch lokal begrenzt sind, sollten Maßnahmen ergriffen werden, die eine weitere Einbringung und Ausbreitung verhindern. Auch für P. perfoliatum ergibt sich aus der PRA ein Gefährdungspotenzial für das Gebiet der EU. Durch die schnellwüchsige Pflanze sind Schäden in der Biodiversität zu erwarten, aber auch anfallende Kosten für ihre Bekämpfung in Baumschulen und Forsten. Sowohl die Wasserhyazinthe als auch der Durchwach­sene Knöterich eignen sich für eine Einstufung als potenzielle Quarantäneschadorganismen. Ein Einfuhrverbot für diese Pflanzen könnte ein wichtiges Instrument sein, um die Gefahren durch bereits in Europa vorkommende Bestände nicht weiter zu erhöhen.

Das neue EPPO PRA-Schema bietet durch die Risikomatrizen und die Bewertungshilfen sehr viel Transparenz und Übersichtlichkeit. Die geeichten Bewertungsskalen verbessern die Vergleichbarkeit von Bewertungsergebnissen für einzelne Faktoren und die zur Verfügung gestellten Beispiele helfen dem Anwender, ein angemessenes Verständnis der Bewertungskategorien zu erhalten. Auch die Entwicklung unterschiedlicher technischer Hilfsmittel, die in die elektronische Version des EPPO PRA-Schemas (CAPRA) integriert worden sind und so dem Anwender zur Verfügung stehen, verbessern die Nutzerfreundlichkeit. Insgesamt wurde der PRA-Prozess für pflanzengesundheitliche Schadorganismen bis ins Detail überarbeitet. Dies resultiert in einer verbesserten Anwendbarkeit auch auf invasive Pflanzen.

Danksagung

Wir danken den vielen Beteiligten im PRATIQUE-Projekt, die Beiträge geleistet, die Ergebnisse kommentiert und die neuen Methoden getestet haben. Das Projekt wurde vom 7. Forschungsrahmenprogramm der Europäischen Union finanziert, Fördernummer 212459.

Literatur

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