JfK Kopfgrafik
Home / Archiv / Bd. 64 Nr. 4 (2012) / Mitteilungen und Nachrichten
Mitteilungen und Nachrichten

Mitteilungen und Nachrichten

Fachgespräch „Kirschessigfliege – Drosophila suzukii “ am 23. Februar 2012 im Julius Kühn-Institut, Institut für Pflanzenschutz in Obst- und Weinbau, Dossenheim

Journal für Kulturpflanzen, 64 (xxx). S. 137–143, 2012, ISSN 1867-0911, Verlag Eugen Ulmer KG, Stuttgart


Expert meeting on the „Spotted Wing Drosophila – Drosophila suzukii“, held on 23rd February 2012 at the Julius Kühn-Institut, Institut für Pflanzenschutz in Obst- und Weinbau, DossenheimDie invasive Kirschessigfliege Drosophila suzukii, die ursprünglich aus Asien stammt und zu den Obst-, Essig- oder Taufliegen (Diptera: Drosophilidae) gehört, ist innerhalb kurzer Zeit zu einer enormen Bedrohung für den europäischen Obst- und Weinbau geworden. Sie befällt im Gegensatz zu anderen Arten derselben Familie gesunde Früchte und verfügt über ein sehr breites Wirtspflanzenspektrum: Prunus (Kirsche, Pfirsich, Pflaumen), Rubus (Brombeere, Himbeere, Stachelbeere), Vaccinium (Heidel­beere), Fragaria (Erdbeere) sowie Vitis vinifera (Tafel- und Weintraube) und zahlreiche Wildpflanzen. Der Erstnachweis für Europa erfolgte 2008 in Spanien. Inzwischen hat die Art in Spa­nien, Frankreich und Italien bereits hohe Schäden verursacht und zu enormen wirtschaftlichen Verlusten geführt. In Deutschland wurde sie erstmals im Herbst 2011 an vier Standorten in Bayern, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz nachgewiesen.

Die Kirschessigfliege stellt den Pflanzenschutz vor enorme Herausforderungen. Die hohe Vermehrungsrate (300–600 Eier pro Weibchen), der kurze Entwicklungszyklus (10–14 Tage pro Generation), das breite Wirtspflanzenspektrum und der bevorzugte Befall von reifenden und reifen Früchten, machen die Bekämpfung sehr schwierig. Diese wird ein Instrumentarium verschiedenster Maßnahmen erfordern.

Um dem Gefahrenpotential zu begegnen, sind verstärkte gemeinsame Anstrengungen notwendig. Die anstehenden Frage­stellungen zur Entwicklung von Lösungsansätzen sind vielfältig und erfordern eine gute Abstimmung und Koordination zwischen Bund und Ländern. Das Julius Kühn-Institut (JKI) hat daher am 23. Februar 2012 zu einem Fachgespräch eingeladen, bei dem der aktuelle Kenntnisstand vermittelt wurde und das zum Ziel hatte, den Handlungs- und Forschungsbedarf zu erläutern, zu diskutieren und abzustimmen.

An dem Fachgespräch nahmen etwa 50 Teilnehmer aus ganz Deutschland teil: Vertreter des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) und des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL), Mitarbeiter/innen der Pflanzenschutzdienste der Länder aus dem Obst- und Weinbau sowie der Pflanzengesundheit, Wissenschaftler/innen von Universitäten und JKI-Instituten sowie Vertreter aus der Industrie. Der Vizepräsident des Julius Kühn-Institutes, Herr Dr. Gerhard Gündermann, und der Instituts­leiter des Institutes für Pflanzenschutz in Obst- und Weinbau, Herr Prof. Dr. Wilhelm Jelkmann, begrüßten die Teilnehmer und übergaben die Moderation des Fachgespräches an Frau Dr. Heidrun Vogt (Obstbau) und Herrn Dr. Christoph Hoffmann (Weinbau).


In vier Vorträgen wurde zunächst der aktuelle Kenntnisstand vermittelt:

Biologie, Phänologie, Wirtspflanzenspektrum und Chemische Ökologie (Heidrun Vogt, Christoph Hoffmann, Jürgen Gross, Institut für Pflanzenschutz in Obst- und Weinbau des JKI);

Risikobewertung (Peter Baufeld, Institut für nationale und internationale Angelegenheiten der Pflanzengesundheit des JKI);

Monitoring und Fallen (Kirsten Köppler, LTZ, Karlsruhe, Heidrun Vogt, JKI);

Bekämpfungsansätze (Heidrun Vogt, Christoph Hoffmann, Jürgen Gross, JKI, Kirsten Köppler, LTZ).


Bei jedem Themenblock wurde auf Fragen eingegangen und bereits ausgiebig diskutiert.

Im Anschluss an die Vorträge erfolgten die Diskussion und soweit möglich die Abstimmung über den Handlungsbedarf, unterschieden nach Sofortmaßnahmen und langfristigen Aufgaben, nämlich die Entwicklung von nachhaltigen Lösungsansätzen.

Im Folgenden werden die Vereinbarungen zusammenfassend dargestellt:

Handlungsbedarf

Diagnose: Neben Diagnosefaltblättern, die noch erstellt werden (JKI), sollten so bald vorhanden, in Alkohol eingelegte Originaltiere über den Pflanzenschutzdienst an Endnutzer (z.B. Betriebsleiter, Landwirte) abgegeben werden.

Monitoring: Um mit hoher Sicherheit das Auftreten der Art zeitnah festzustellen und den weiteren Verlauf zu beobachten, wurde vereinbart, ein intensives Monitoring mit Köderfallen durchzuführen. Es fanden Abstimmungen zum Fallentyp, zur Köderflüssigkeit und zu den zu überwachenden Stand­orten (Obstanlagen, Weinberge, unter Beachtung von Sorten und Reifezeiten; Obstumschlagplätze wie Großmärkte und Lebens­mitteleinzelhandel; Wildfrüchte in Hecken und Wäldern) statt.

Fallentyp und Köderflüssigkeit

Als einfache und preiswerte Standardfallen haben sich durchsichtige Plastiktrinkbecher bewährt, in die Öffnungen von 3–4 mm Durchmesser gebohrt werden und die mit Köderflüssigkeit befüllt werden. Die kleinen Drosophila-Arten gelangen durch die Öffnungen in die Falle, während sich unerwünschte Nebenfänge größerer Insekten in Grenzen halten. Größere Öffnungen erhöhen erfahrungsgemäß die Fängigkeit der Falle, da die Geruchsstoffe des Apfelessigs besser austreten können. Der Nachteil besteht jedoch im höheren Anteil unerwünschter Beifänge. Dies zeigte sich in aktuellen Studien zur Verwendung von sogenannten McPhail oder Dome traps, die aber prinzipiell verwendet werden können. Einige Teilnehmer sprachen sich für die Verwendung dieser im Handel erwerbbaren und stabileren Fallen aus. Bei der Firma Pherobank (NL) kosten entsprechende Fallen 6,– bis 7,– €, mit 10% Rabatt ab 100 Stück (s. http://www.pherobank.nl/). Dieser Fallentyp, beködert mit Bananenbrei statt Köderflüssigkeit, eignet sich zum Lebendfang von D. suzukii-Stadien für die geplante Erhebung von Antagonisten (siehe Punkt: Tierproben zur Untersuchung von möglichen Antagonisten (Parasitoide und Pathogene).

Als Köderflüssigkeit hat sich 1:1 mit Wasser verdünnter natur­trüber Apfelessig gut bewährt, dem wenige Tropfen geruchsneutrale Flüssigseife oder Spülmittel zugefügt wird, um die Oberflächenspannung zu reduzieren. (Hinweis: Trüber Apfelessig hat sich als fängiger erwiesen als klarer. Der Essigsäuregehalt beim Apfelessig beträgt i.d.R. 4,5–5%. Nach Erfahrungen aus den USA und Spanien ist verdünnter Apfelessig mit 2–2,5% Essig­säuregehalt fängiger).

Andere Mischungen, z.B. Apfelessig und Rotwein oder Hefe-Zucker-Mischungen erzielen nach aktuellen Versuchen in Befalls­ländern höhere Fänge, jedoch ist erstere teurer, letztere verdirbt rascher und weist höhere Beifänge auf. Apfelessig dagegen verfügt über leicht konservierende Eigenschaften. Für das Moni­toring ist Apfelessig als Köderflüssigkeit ausreichend fängig.

Das Monitoring sollte gestartet werden, wenn die Tagestemperaturen regelmäßig 10°C erreichen oder überschreiten bzw. in bedrohten Kulturen rechtzeitig vor Reifebeginn der Früchte (früheste Kulturen und Sorten berücksichtigen!).

Wichtig ist die wöchentliche Kontrolle der Fallen, mit Aussieben/Abfiltern der Fänge und dem Austausch der Köderflüssigkeit. Es wird davon abgeraten, die Köderflüssigkeit erneut zu verwenden, auch wenn sie noch gut erscheint. Nur bei regelmäßigem Erneuern bleibt die Attraktivität der Falle erhalten (noch bessere Fangergebnisse wurden z.B. in Spanien mit 2maligem Erneuern pro Woche erzielt). Wenn die Früchte reifen, treten diese in Konkurrenz zu den Fallen. Daher ist es umso wichtiger, die Fallen rechtzeitig vor Reifebeginn auszubringen.

Sichtung der Drosophiliden: Die Männchen sind anhand der charakteristischen schwarzen Flecken zur Flügelspitze hin gut und rasch festzustellen. Da den Weibchen diese Flecken fehlen, sind sie anhand des sägeartigen Ovipositors zu erkennen, was nur mit einer Lupe oder einem Binokular möglich ist. Zu Beginn der Aktivität der Tiere nach der Überwinterung, können Weibchen deutlich früher als Männchen gefangen werden (Erfahrungen aus den USA, Oregon, Dr. Peter Shearer). Daher empfiehlt es sich zu Beginn des Monitorings, auch nach Weibchen zu schauen. Mit Zunahme der Fangzahlen fängt man mit großer Sicherheit beide Geschlechter, so dass man sich auf das Feststellen der Männchen beschränken kann. In Abhängigkeit der Fragestellung kann aber auch dann das exakte Feststellen beider Geschlechter erforderlich sein.

Befallserhebungen

Um Larven festzustellen ist die Salzwassermethode geeignet: die Früchte werden in eine 10%ige Salzlösung eingelegt. Die Larven schwimmen oben auf.

Adulte können aus befallenen Früchten herangezogen werden. Hierzu die Früchte in Behälter mit dicht schließendem Gaze­deckel einlegen. Nach 10 bis 14 Tagen können die Behälter eingefroren und die Adulten gesichtet werden.

Befallserhebungen sollten nicht nur in Erwerbskulturen, sondern auch in Wildfrüchten erfolgen, um das Wirtsspektrum besser einschätzen zu können. LTZ und JKI werden entsprechende Beprobungen durchführen. Zusätzliche Beprobungen, ggf. auch in Verbindung mit Fallen im eigenen Haus- oder Vorgarten bzw. in Wohnungsnähe (z.B. Holunder, Kornelkirsche, Rose, weitere Prunus-Arten u.a.), können ebenfalls zum Verständnis des Verhaltens und der Biologie unter mitteleuropäischen Bedingungen beitragen und können ggf. mit wenig Aufwand vorgenommen werden.

Standorte für das Monitoring

Bedrohte Kulturen (Risikoflächen): Obstanlagen (Erdbeeren, Himbeeren, Brombeeren, Kirschen, Pflaumen, Aprikosen, Pfirsiche, Johannisbeeren, Heidelbeeren) und Weinberge; Sorten und Reifezeiten beachten!

Obstumschlagplätze, Anlieferungsstellen für Importware (Risikoplätze): Großmärkte, Lebensmitteleinzelhandel;

Migrationsverhalten: Hecken, Wälder, Gärten.

Die Überwachung von Obstkulturen und Weinbergen sowie Obstumschlagplätzen kann gemäß Rückmeldung der Teilnehmer durch den Pflanzenschutzdienst übernommen werden. Um das Fallennetz möglichst ausgedehnt zu betreiben, sollten Betriebe für die Mitarbeit gewonnen werden. Hierzu sollen den Betriebsleitern Fertigbausätze zur Verfügung gestellt werden mit Informationsmaterial, Fallen, Köderflüssigkeit sowie Behältnissen zur Aufbewahrung der Proben, wenn diese nicht selbst gesichtet werden können.

Hinsichtlich des Migrationsverhaltens werden LTZ Stuttgart, JKI Dossenheim, DLR Neustadt, Universität Geisenheim, Lfl Freising und TLL Jena Fallen im Umfeld von Obstanlagen und Weinbergen in Hecken und Waldrändern aufhängen. Unter­suchungen zum Migrationsverhalten sind erforderlich, um ein besseres Verständnis zu gewinnen, wo sich die Tiere aufhalten und wie sie sich zwischen Kultur- und Nichtkulturland bewegen. Diese Kenntnisse stellen wichtige Voraussetzungen für die Entwicklung von Bekämpfungsstrategien dar.

Tierproben zur Untersuchung von möglichen Antago­nisten (Parasitoide und Pathogene)

Wenn möglich, sollten an den Monitoringstandorten neben den Essig-Köderfallen auch Bananen-Köderfallen für Lebendfänge angebracht werden. Dazu sollten Standardfallen statt mit Köder­flüssigkeit mit Bananenbrei als Eiablagesubstrat befüllt und regel­mäßig ausgetauscht werden.

Im Rahmen von Befallserhebungen an Kulturfrüchten oder Wildpflanzen, die von Pflanzenschutzdiensten betreut werden, sollten Tierproben in tiefgefrorenem oder lebendem Zustand entnommen werden.

So gewonnene Drosophila suzukii-Stadien und ihre Antagonisten sollten dann zur weiteren Untersuchung an die Kollegen des JKI, Institut für Biologischen Pflanzenschutz, Darmstadt geschickt werden.

Bitte kontaktieren Sie uns für die detaillierte Absprache:

Kontakt: Dr. Annette Herz/Dr. Regina Kleespies, Julius Kühn-Institut (JKI), Heinrichstr. 243, 64287 Darmstadt, Deutschland, Tel.: 06151-4070. E-Mail: annette.herz@jki.bund.de; regina.kleespies@jki.bund.de.

Versuche

Es wurde angeregt, Versuche zur Rückstandsanalytik von geeigneten bisher in den jeweiligen Kulturen aber nicht zugelassenen Insektiziden im Hinblick auf Genehmigungen bei „Gefahr im Verzug“ schon vor den ersten Schäden zu machen.

Herr Geipel regte auch Laborversuche zur Wirksamkeit an. Hierfür müssten Laborzuchten aufgebaut werden. Quarantäneschadorganismen und nichtendemische Schadorganismen, solange sie nicht weit verbreitet sind, dürfen allerdings nur unter Quarantänebedingungen und nach Genehmigung des Pflanzen­schutzdienstes des zuständigen Bundeslandes gehalten bzw. für Versuche verwendet werden (Ausnahmen für Forschungs­zwecke gemäß RL 2008/61/EG unter den o.g. Bedingungen). Da diese Art nur schwer unter Kontrolle gehalten werden kann, setzt sie zum aktuellen Zeitpunkt besonders strenge Quarantäne­sicherheitsmaßnahmen voraus.

Was ist zu tun, wenn D. suzukii in Kulturen festgestellt wird und Befall droht?

Wichtig ist, dass jegliches Auftreten den Pflanzenschutzdiensten sofort gemeldet wird. Nur dann können Sofortmaßnahmen zur Eingrenzung der Vermehrung und Ausbreitung greifen!

Einnetzen von Kulturen

Die Anwendung von feinmaschigen Netzen (Maschenweite max. 0,8 mm) kann vor Befall schützen, allerdings nur auf kleineren Flächen, bei Tunnelanbau oder überdachten Anlagen und muss vonseiten der Praktikabilität sowie hinsichtlich der Einflüsse auf das Mikroklima im Einzelfall geprüft werden. Für den Haus- und Kleingarten stellt dies eine Option dar.

Insektizide

Wirksame Insektizide gegen die Adulten sind nach bisherigen Erfahrungen aus Befallsländern Wirkstoffe aus der Gruppe der Phosphorsäureester, Pyrethroide und Spinosyne. Neonicotinoide ergaben nur eine begrenzte Wirkung gegen Eier und Larven. Auch wenn Insektizide allein, im kleinparzelligen Umfeld (Zuflug und damit Minderwirkung) und langfristig keine Lösung darstellen (Rückstände, Resistenzen, Naturhaushalt), könnten sie auf größeren oder isoliert liegenden Flächen helfen, den Befall einzugrenzen. Da für die anfälligen Kulturen in Deutschland Insektizide aus den o.g. Gruppen allerdings nicht oder nur sehr eingeschränkt zur Verfügung stehen, sollten geeignete Insektizide (z.B. Perfekthion, Karate mit Zeon-Technologie, SpinTor) für den Ernstfall (Erstauftreten im Obst/Wein) beim BVL beantragt werden, möglichst durch die Bundesfachgruppe Obstbau. Die Insektizide sollten auch für Nacherntebehandlungen eingesetzt werden können, insbesondere dann, wenn ein komplettes Abernten von Früchten nicht erfolgen kann. – Offen blieb, ob ein Notfallplan zur Bekämpfung vor allem der Eingrenzung der Weitervermehrung des Schadorganismus dienen oder den Betrie­ben unter Berücksichtigung von Wartezeiten (Rückstände) die Vermarktung zumindest über einen gewissen Zeitraum ermöglichen soll. Letzteres ist allerdings als äußerst schwierig einzuschätzen, da die Eiablage in reifende und reife Früchte, also bis zur Ernte erfolgt, und die Entwicklung der Larven sehr rasch von statten geht.

Splitting

Diskutiert wurde, ob geeignete Wirkstoffe, die voraussichtlich für nur eine Anwendung genehmigt werden (z.B. Karate mit Zeon-Technologie, Perfekthion) aufgrund ihrer hohen Wirksam­keit durch Splitting besser genutzt werden können. Rechtlich ist ein Splitting wohl möglich. Das Risiko einer möglichen mangeln­den Wirksamkeit liegt beim Anwender. Auch ist die Möglichkeit der Ausbildung von Resistenzen in die Entscheidung einzubeziehen.

Perimeterfang

Nach Berichten aus Italien (Grassi und Pallaoro, 2012, Eco­fruit) konnte der Befall in einer Heidelbeeranlage mit einem Fallennetz um die Anlage herum über mehrere Wochen verhindert bzw. deutlich in Grenzen gehalten werden. Die Fläche war ca. 800 m2 groß; am Rand der Anlage wurde ab KW 28 alle 2 m eine Falle aufgehängt (150 ml Apfelessig und 50 ml Rotwein), eine Falle in der Mitte der Plantage sowie einige Fallen an Bäumen in der nahen Umgebung. Ergebnis: Die Randfallen erzielten hohe Fänge (> 2000 D. suzukii), während die Falle in der Mitte nur zwei Individuen erfasste. Im Inneren der Plantage war über mehrere Wochen (KW 29–33) kein oder sehr geringer Befall festzustellen, während der Befall am Rand deutlich früher einsetzte und hö­her war. Erst zum Ende der Erntezeit (KW 33–34) nahm auch im inneren Bereich der Plantage der Befall deutlich zu.

Inwiefern solch ein aufwendiges Verfahren genutzt werden könnte, muss im Einzelfall geprüft werden. Der Erfolg hängt sicher von der jeweiligen Situation (Flächengröße einer Kultur, Umfeld (Zuflug), Populationsdruck) ab. Aber gerade bei den geringen Populationsdichten, wie sie gegenwärtig in Deutschland registriert wurden, könnte diese Methode erfolgreich zur Anwendung kommen. Die meisten Teilnehmer zeigten sich nicht überzeugt, wenn höhere Abundanzen erreicht werden.

Hygienemaßnahmen: Abernten und Entfernen befallener Früchte

Zur Eingrenzung der weiteren Vermehrung kommen beim Auftreten von Befall folgende Sofortmaßnahmen in Frage: keine Früchte am Baum belassen bzw. Nacherntebehandlung, wenn möglich; Entfernen von frisch abgefallenen Früchten, die noch Befall aufweisen können; Abtöten der Eier und Larven durch Solarisation befallener Früchte, d.h. in Plastikbeuteln oder unter Folienabdichtung intensiver Sonneneinstrahlung (hohe Temperaturen, die zur Mortalität führen) aussetzen. Vom Kompostieren ist abzuraten, da es die einzelnen Entwicklungsstadien nicht mit Sicherheit abtötet.

Die Pflanzenschutzdienste haben mit der Pflanzenbeschauverordnung (gültig ab 1. Januar 2012) alle Optionen, ein Vernichten befallener Früchte/Kulturen anzuordnen. § 4a bezieht sich auf neue Schadorganismen, die nicht oder noch nicht Quarantäneschadorganismen sind. In der Richtlinie 2000/29/EG sind die Quarantäneschadorganismen aufgeführt. Die JKI-Risiko­analyse und die EPPO-Risikoanalyse (also international anerkannt) liegen zudem bereits vor und weisen auf die große phyto­sanitäre Gefahr hin (zudem in der EPPO A2 „List of pests recommended for regulation as quarantine pests“ gelistet). Die Vernichtung von befallenen Warensendungen, ist entsprechend § 4a rechtlich abge­sichert. Auch befallene Früchte (Pflanzen) im Freiland können entsprechend § 4a ggf. entsprechend den Anweisungen des Pflanzenschutzdienstes behandelt oder vernichtet werden. Auch ein Monitoring gehört zu den Maßnahmen und muss geduldet werden. Das gleiche gilt für Untersuchungen vor Ort und auch für die Entnahme von Proben, die ebenfalls geduldet werden müssen.

Der Haus- und Kleingartenbereich hat für weitere Verschleppungen wahrscheinlich eine Schlüsselrolle, weil hier häufig verdorbene Früchte auf dem Komposthaufen landen, in dessen Umfeld sich meist Obst- und Beerenobstpflanzen befinden. Jelkmann schlug deshalb vor, ein Informationsfaltblatt zu erstellen, das gezielt Kleingärtner anspricht und über den Verband der Haus- und Kleingartenbetreiber gestreut wird.

Langfristige Maßnahmen, Forschungsbedarf

Die Bekämpfung der Kirschessigfliege wird langfristig nur durch ein Paket verschiedener Maßnahmen möglich. Zur Entwicklung alternativer Bekämpfungsverfahren bedarf es intensiver Forschung, v.a. in den Bereichen Phänologie und Migrationsverhalten unter Berücksichtigung regionaler Gegebenheiten, chemische Ökologie (Suche nach selektiven attraktiven und repellenten Stoffen zur Nutzung in Massenfangverfahren oder Push & Pull-Strategien), natürliche Gegenspieler (v.a. Parasitoide, ggf. Prädatoren), insektenpathogene Viren und Pilze, Habitatmana­gement (Fangpflanzen) und Züchtung (Nutzung von Resistenzmechanismen).

Hinsichtlich natürlicher Regulationsmechanismen sollte ein Austausch mit China, dem vermuteten Ursprungsgebiet der Fliege, angestrebt werden. Dort könnte man am besten die natürlichen Regulationsmechanismen studieren und effektive natürliche Feinde ausfindig machen.

Informationen

Gegenwärtig finden Sie bereits unter folgender Internet-Adresse des JKI (Pflanzengesundheit) erste Informationen: http://pflanzen­gesundheit.jki.bund.de.

Zukünftig wird das JKI ein umfangreiches Themenportal auf der JKI Website einrichten mit wichtigen Informationen über D. suzukii (incl. Downloads für z.B. Faltblatt, Fallenbeschreibung) und regelmäßigen Aktualisierungen. Es wird ein Nutzerkreis eingerichtet werden, so dass Anfragen und Diskussionen möglich sind sowie der Zugriff auf Dokumente (z.B. Protokolle). Es wird vorgeschlagen, das Portal zu nutzen, um die Fallenfänge aus dem Monitoring zentral und zeitnah zu erfassen, wobei die Einträge durch die autorisierten Nutzer direkt erfolgen sollen.

Die Teilnehmer waren sich einig, dass eine gute und hin­reichende Information der Erwerbsbetriebe, aber auch im Haus- und Kleingartenbereich erfolgen muss. Die Gestaltung von Infor­mationsmaterial und die Einrichtung des Themenportals sind daher sehr wichtig.

Heidrun Vogt (JKI Dossenheim)

Bericht über das Fachgespräch „Prozessionsspinner 2012 – Fakten, Folgen, Strategien“ vom 6. bis 7. März 2012 im Julius Kühn-Institut, Berlin-Dahlem

Journal für Kulturpflanzen, 64 (4). S. 137–143, 2012, ISSN 1867-0911, Verlag Eugen Ulmer KG, Stuttgart


Der Eichenprozessionsspinner (Thaumetopoea processionea), kurz EPS, erweitert seit mehreren Jahren sein Verbreitungs­areal in Deutschland und besiedelt verstärkt auch Erholungs- und Siedlungsbereiche des Menschen. Sein humanpathogenes Potenzial beruht auf den sog. „Brennhaaren“, die ab dem 3. Larven­stadium gebildet werden. Bis zum Erreichen des 6. und letzten Larvenstadiums nimmt die Anzahl und Länge der „Brennhaare“ mit jeder Häutung zu. Das dort enthaltende Nessel­gift Thaumetopoein gefährdet die menschliche Gesundheit. Bei Kontakt können Hautirritationen, Augenreizungen, Atem­beschwerden und pseudoallergische Reaktionen auftreten, die bisweilen auch zu krankheitsbedingten Ausfällen führen können. Neben einer drastischen Nutzungseinschränkung betroffener Areale, birgt die wärmeliebende und auf Eiche (Quercus spp.) spezialisierte Schmetterlingsart zudem massive Probleme für die Forstwirtschaft.

Das Julius Kühn-Institut (JKI) als Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen ist ein wichtiger Partner bei der Wirksamkeitsbewertung von Pflanzenschutzmitteln und deren Wirkstoffen im Rahmen der nationalen Zulassung, der EU-Wirkstoff­prüfung und der Erklärung seines Benehmens u.a. für den Forstbereich und das Urbane Grün. Ein wissenschaftlich kompetenter Partner im Pflanzenschutz, für die Bewertung bestehender und neuer gesundheitlicher Risiken u.a. im Bereich der Chemikaliensicherheit ist das Bundesforschungsinstitut für Risiko­bewertung (BfR). Beide Bundesoberbehörden im Geschäfts­bereich des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) haben sich des aktuellen Themas angenommen.

Das Institut für Pflanzenschutz in Gartenbau und Forst (Arbeits­gruppe Forst) des JKI und die Abteilung für Chemi­kaliensicherheit des BfR veranstalteten vom 6. bis 7. März 2012 in Berlin-Dahlem ein Fachgespräch zum Thema „Prozessionsspinner: Fakten, Folgen, Strategien“. Dort trafen sich u.a. Vertreter aus dem BMELV, dem BfR, dem JKI, der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA), dem Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) und dem Umweltbundesamt (UBA) sowie Vertreter forstlicher Versuchsanstalten, amtlicher Pflanzenschutzdienste und Gesundheitsämter, Universitäten und Schädlingsbekämpfungsfirmen aus Deutschland und Österreich. In 18 Fachvorträgen wurden die aktuelle Gefährdungssituation, die gesundheitlichen Gefahren – verursacht durch die Brennhaare des EPS und durch den Einsatz von geeigneten Insektiziden – die aktuellen Bekämpfungsmöglichkeiten, die Zulassungssituation und die Wirksamkeit von verfügbaren Mitteln sowie deren Anwendungssicherheit im Pflanzenschutz- und Biozidbereich sowie die Rechtsgrundlagen in den Regelungsbereichen dargestellt und diskutiert.

In seinem Grußwort wies der Präsident des JKI, Dr. Georg F. Backhaus, auf den EPS als einen Wanderer zwischen den Welten hin, der einerseits als Pflanzenschädling z.B. im Forst, auf Grundlage des Pflanzenschutzrechts grundsätzlich mit Insektiziden bekämpft werden kann, andererseits auch die Gesundheit des Menschen beeinträchtigt und damit dem Biozidgesetz unterliegt.

Regionale Berichte über das Schadenspotenzial im Forst sowie zu den gesundheitlichen Risiken für Mensch und Tier wurden am Anfang der Veranstaltung erörtert. Es wurde deutlich, dass die sog. „Brennhaare“ in den Befallsgebieten verbleiben und aufgrund ihrer langen Beständigkeit noch über Jahre eine Gefahr für die Gesundheit darstellen. So lagern sich die Raupenhaare am Baumstamm, im Unterholz bzw. Boden­bewuchs an. Auch die Gespinstnester, die im 5. Larvenstadium am Baum angelegt werden, bleiben nach dem Schlupf der Falter erhalten. Im medizinischen Bereich fehlen jedoch neben epidemiologischen Stu­dien, die den Nachweis einer Typ-I-Allergie führen könnten, auch aktu­elle umweltmedizinische Datenerhebungen in den einzelnen Bundes­ländern, die eine Statistik von EPS-Erkrankungsfällen aufzeigen und Symptome manifestieren könnten.

Der schlechte Vitalitätszustand der Eiche gibt ebenfalls Anlass zur Besorgnis. Vitalitätsverluste, massive Absterbeerscheinungen und erneute Bestandesgefährdungen durch jährlich wieder­holten Kahlfraß der Eichenfraßgesellschaft, inkl. EPS, lassen im Interesse des Waldschutzes Präventionsmaßnahmen immer notwendiger werden, die nur über die Regulation der blatt­fressenden Schadinsekten erfolgen kann. Auf Grund der eingeschränkten Verfügbarkeit von Pflanzenschutzmitteln für die luftgestützte Ausbringung im Forst und neu festgesetzten Anwen­dungsbestimmungen, ist immer häufiger eine nachhaltige Anwendung zugelassener Insektizide nicht mehr möglich. Infolge­dessen konnten einzelne Behandlungen von massiv befallenden Flächen im letzten Jahr nicht durchgeführt werden.

Im Bereich des Pflanzenschutzes unterliegen die Gegenmaßnahmen einem Abwägungsprozess, basierend auf Grundlage einer fachkundigen Begutachtung der Forstverwaltungen, die ein regelmäßiges und flächendeckendes Monitoring mit bewährten Verfahren nutzen. In Wäldern wird bei einer existenziellen Bestandesgefährdung die luftgestützte Ausbringung von Insektiziden favorisiert und anerkannt. Hierbei sind im Waldschutz drei Wirkungssegmente notwendig. Dazu gehören Bakterienpräparate, biotechnische Hemmstoffe und synthetische Insektizide, die je nach Belaubungszustand, Witterungsverlauf und Vitalität des Waldbestandes Anwendung finden sollten. Ebenfalls einem Abwägungsprozess unterliegen der Nutzen eines Insektizideinsatzes und die dadurch verursachten Risiken für die Umwelt. Hierbei ist, nach Angaben des UBA, das Umwelt­risiko für Vögel, Kleinsäuger und Arthropoden im behandelten Waldbestand und in angrenzenden Bereichen durch geeignete Maßnahmen einzugrenzen bzw. zu minimieren. Die Bewertungen sind entsprechend den Risiko-Nutzenabwägungen und den daraus folgenden Risikominderungsmaßnahmen auf den konkreten Einzelfall abzustimmen und ggf. anzupassen. Es stellt sich hier die Frage: „Was ist schwerwiegender, die Wirkung der „Brennhaare“ auf die Gesundheit von Mensch und Tier und das Absterben von wertvollen Eichenwaldökosystemen oder die begrenzten Nebenwirkungen einer Insektizid-Anwendung“?

Nach Biozidrecht besteht ebenfalls Handlungsbedarf für gesundheitlich induzierte Maßnahmen im urbanen Umfeld, weil bislang wenig bzw. keine Biozide zur Bekämpfung verfügbar sind. Hier gilt es insbesondere die Betroffenen zu bewegen, bei der zuständigen Behörde (BAuA) Anträge auf Verwendung weiterer Wirkstoffe zu stellen oder Sondergenehmigungen zu bean­tragen, soweit diese im Ermessensspielraum des Biozidrechts möglich sind. Aktuelle Gegenmaßnahmen im Urbanen Grün beinhalten zum einen die Sperrung befallener Areale und lokale Maßnahmen, bei denen Insektizide mittels Bodengeräten ausgebracht oder Raupennester von Spezialisten abgesaugt werden. Dabei sind Risikominderungs- und Schutzmaßnahmen bei Anwendern zu berücksichtigen. Die Ausbringung von Insekti­ziden mittels Bodengeräten wird in Zukunft einer neuen Bewertung unterliegen, die ggf. zu neuen Anwendungsbestimmungen (u.a. Abstandsauflagen, Risikominderungs- und Schutzmaßnahmen bei Nebenstehenden) im Biozidbereich führen werden. Die Bekämpfung des EPS auf Flächen, die für die Allgemeinheit bestimmt sind (§ 17 PflSchG; Gündermann, 2012), ist grundsätzlich zur Vermeidung gesundheitlicher Schäden auch auf der Grundlage der Sicherheitsgesetze der Länder, in Bayern beispielsweise nach Art. 11 ff. Polizeiaufgabengesetz möglich.

Die Experten der Veranstaltung waren sich einig, dass geeignete Gegenmaßnahmen ergriffen werden müssen, um den Forst- und Gesundheitsschädling einzudämmen und eine weitere Ausbreitung zu verhindern. Aufgrund der vielfältigen und aktuellen Informationen werden auch die beteiligten Bundesbehörden ihre derzeitige Position überprüfen und gemeinsam an einer Strategie arbeiten, um schnellstmöglich Lösungen für das Urbane Grün und den Waldschutz bereitzustellen bzw. einen zukünf­tigen Handlungskatalog zum Eichenprozessionsspinner zu entwickeln.

Das Institut für Pflanzenschutz in Gartenbau und Forst des JKI wird zukünftig die Biodiversitätsforschung und die Prüfung der Auswirkungen von Pflanzenschutzmitteln auf Nutz­arthropoden intensivieren sowie bei der Ausgestaltung der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln auf Flächen für die Allgemeinheit verstärkt mitwirken. Für die Bewertung gesundheitlicher Risiken möchte das BfR verstärkt auf umweltmedizinische Daten­erhebungen setzen, wie sie von den Kreisverwaltungen in Teltow-Fläming (Brandenburg) und Kleve (Nordrhein-Westfalen) zur Verfügung stehen. In Zukunft gilt es hier bundesweite Daten über die gesundheitliche Bedeutung des EPS zu erheben.

Gündermann, G. 2012: Kurzgutachten zur Anwendung von Pflanzenschutzmitteln auf Flächen, die für die Allgemeinheit bestimmt sind. (unveröffentlicht).


Nadine Bräsicke, Karl-Heinz Berendes (JKI Braunschweig)

Arbeitstreffen zu Erhaltungsstrategien für die Diversität wildlebender Verwandter von Kultur­arten und Landsorten, Palanga, Litauen – Reisebericht

Journal für Kulturpflanzen, 64 (4). S. 137–143, 2012, ISSN 1867-0911, Verlag Eugen Ulmer KG, Stuttgart


Das Treffen (5. bis 9. September 2011) wurde als außerplanmäßiges Treffen einer erweiterten In-situ-/On-farm-Gruppe des Europäischen Kooperationsnetzes für pflanzengenetische Ressourcen (ECPGR) vom EU-finanzierten Vorhaben PGRSecure (http://www.pgrsecure.org/) ausgerichtet. Weitere Informa­tionen sowie alle auf dem Treffen vorgetragenen Präsentationen sind zu finden unter http://www.pgrsecure.org/palanga_workshop. Das Ziel von PGRSecure besteht darin, mit den in Europa für diesen Bereich Verantwortlichen ins Gespräch zu kommen und insbesondere die Entwicklung nationaler Strategien für wildlebende Verwandte von Kulturarten (WVK) und Land­sorten anzuregen. Hierfür stehen Projektmitarbeiter an der Universität Birmingham beratend zur Seite. Zunächst geht es um die Konzeption, noch nicht um die Implementierung. Mögliche Vorgehensweisen wurden vorgestellt und sind auch in einer Anleitung („Toolkit“, http://www.pgrsecure.org/documents/toolkit_draft_31-08-11.doc), gegenwärtig als Entwurfsversion verfügbar. Neben Plenumsvorträgen fanden Vorträge und Diskussionen in drei Arbeitsgruppen (Wildlebende Verwandte von Kulturarten, WVK, Landsorten, Aufbau nationaler Inventare und Datenlieferung an EURISCO) statt. Der Berichterstatter war der Arbeitsgruppe WVK zugeordnet.

PGRSecure: Neue Charakterisierungstechniken und Erhaltungsstrategien – ein Projekt zu WVK und Landsorten im europäischen Forschungsrahmenprogramm

Das Projekt vereint 11 Partner, darunter auch internationale Organisationen wie Bioversity International und EUCARPIA. Die Ziele des Projekts wurden von S. Kell und N. Maxted (Universität Birmingham, UK) vorgestellt: Unterstützung der Entwicklung nationaler Erhaltungsstrategien mit einer strategischen Vorgehensweise, Anregung nationaler Inventuren, Datenmanagement, Herstellen von Kontakten mit Nutzern und Charakterisierung von WVK mit Methoden der Phänotypisierung, Genom- und Metabolomforschung. Der Förderung der Nutzung von WVK und Landsorten in der Pflanzenzüchtung gilt besonderes Augen­merk. Das betreffende Arbeitspaket 5 mit einem finanziellen Umfang von 665 000 Euro wurde von G. Poulsen (NorgGen, Schweden) vorgestellt. Es führt Workshops, Interviews und Befragungen zur Nutzung von WVK und Landsorten bei vier Zielgruppen („stakeholders“) in Ländern Nord-, Zentral- und Südeuropas durch und erstellt eine SWOT-Analyse. Dies soll die Bildung neuer Partnerschaften erleichtern und Begrenzungen für die Nutzung von WVK und Landsorten aufzeigen. In dieses Arbeitspaket ist das Julius Kühn-Institut (JKI), Institut für Züchtungsforschung an landwirtschaftlichen Kulturen, mit zwei Mitarbeitern (L. Frese, G. Neuhaus) eingebunden. Eine angeregte Diskussion ergab sich zu der Frage, wie der Naturschutz für die Thematik gewonnen werden könne. Als bedeutsam wird die Möglichkeit gesehen, für die Schutzgebiete zusätzliche Argumente zu erschließen.

Multilaterale Initiativen und Projekte zur Erhaltung von Wildverwandten und Landsorten

N. Maxted (Universität Birmingham) stellte die Thematik in einen politischen Zusammenhang, indem er die verschiedenen internationalen Vereinbarungen, ausgehend von der Biodiversitätskonvention (CBD) 1992, vorstellte. Das ECPGR gründete 1999 ein In-situ- und On-farm-Netzwerk mit zwei Initiativgruppen, die 2007 zu Arbeitsgruppen erhoben wurden. Im Gefolge einer 2008 erstellten globalen Strategie für WVK und einer euro­päischen Strategie für die Erhaltung pflanzlicher Ressourcen wurden 25 genetische Reservate in Europa eingerichtet. In der von den Vertragsstaaten der CBD 2010 verabschiedeten globalen Strategie 2011–2020 finden WVK zweimal Erwähnung.


Zu WVK konnten in den letzten Jahren vier von der EU geförderte Projekte etabliert werden:

1. PGRForum fokussierte auf In-situ-Erhaltungsmaßnahmen in bereits geschützten Gebieten sowie auf Fragen zu gene­tischer Erosion und unerwünschten Einkreuzungen. Aus der floristischen Datenbank Euro+Med, dem Mansfeld-Verzeichnis und weiteren Kulturpflanzenverzeichnissen wurde ein Europäischer Katalog für WVK entwickelt. Dieser wird in PGRSecure zwar nicht weiterentwickelt, aber unter Verwendung einer neuen Version von Euro+Med und Einbeziehung der USDA-GRIN-Fruchtartenliste anstelle des Mansfeld-Verzeichnisses nochmals aktualisiert. Ferner wurde das Nachrichtenblatt „Crop Wild Relative“ initiiert.

2. AEGRO bot ein europäisches Forum zur Diskussion von Katalogen und Methoden. Es wurden In-situ-bzw. On-farm-Strategien für Avena, Beta, Brassica und Prunus erarbeitet, ein Informationssystem für WVK auf Populationsebene entwickelt und Methoden, wie z.B. ein Verbreitungsmodell für Landsorten, erarbeitet. Das AEGRO-Projekt wurde durch JKI (L. Frese, JKI-ZL) koordiniert.

3. Auf Initiative der International Union for Conservation of Nature (IUCN) und gefördert durch die Europäische Kommission bearbeitet S. Kell gegenwärtig 800 WVK systematisch unter Nutzung des Rote-Liste-Informationsdienstes der IUCN nach standardisierten Kriterien, um basierend auf dem Europäischen Katalog für WVK eine thematische Rote Liste für WVK in Europa zu erstellen. Hierzu werden Daten zu Taxonomie, Verbreitung, Populationen, Habitatökologie, Nutzung, Handel, Bedrohung und Erhaltungsmaßnahmen benötigt. Von 571 bisher untersuchten Arten mussten 3,5% bzw. 4% den höchsten Gefährdungskategorien (kritisch gefährdet und gefährdet) zugeordnet werden. Die Rote Liste umfasst derzeit 188 Arten. Von den in der europäischen Habitatdirektive genannten Arten sind 67% Wildverwandte der Kulturpflanzen.

4. In PGRSecure soll die systematische Erfassung von WVK und Landsorten mit Fokus auf der Nutzung erfolgen.

Kurzfristige und längerfristige Prioritäten

Es wurden Ergebnisse einer Befragung nach Prioritäten in der Erhaltung von WVK und Landsorten vorgestellt, die im Rahmen einer ähnlichen, im Vorjahr vom AEGRO-Projekt veranstalteten Konferenz mit den anwesenden Experten durchgeführt wurde. Als kurzfristige Prioritäten wurden genannt eine systematische Erhaltung in genetischen Schutzgebieten („genetic reserves“), die Integration der Erhaltung von WVK im Rahmen von On-farm-Initiativen mit traditionellen Anbausystemen, Lückenanalyse, eine Gesetzgebung zum Schutz von WVK und Landsorten, für letztere auch ein günstigeres Saatgutverkehrsrecht und eine stärkere Nutzung in Züchtungsprogrammen; für Landsorten zusätz­lich eine Inventarisierung auf landwirtschaftlichen Betrieben und in Hausgärten und partizipatorische Management- und Überwachungsmodelle. Als längerfristige Prioritäten wurde ein europäisches Netzwerk genetischer Reservate, assoziiert mit Natura 2000, genannt.

Eine europäische Erhaltungsstrategie für WVK und Landsorten

Grundlegende Aspekte für eine europäische Erhaltungsstrategie wurden von S. Kell vorgestellt. Als WVK werden grob alle Arten definiert, welche dem Genpool einer Nutzpflanze angehören. Global und bei weiter Definition des Begriffs Nutzpflanze erfasst diese Definition etwa 58 000 Arten, europaweit etwa 26 000 oder 83% der gesamten Flora (ca. 31 000 Arten). Von den europäischen WVK sind 90% in Europa heimisch und 58% endemisch. Für die Formulierung einer Erhaltungsstrategie kann ein floristischer Ansatz, welcher für ein Gebiet (z.B. Staats­gebiet) alle Arten erfasst, oder ein monographischer Ansatz, der sich auf bestimmte (z.B. priorisierte) Taxa beschränkt, gewählt werden. In der Regel wird eine Kombination beider Ansätze zielführend sein. Basierend auf einer Inventur erfolgen die unum­gängliche Priorisierung von Taxa, Lückenanalysen sowie die Planung aktiver Erhaltungsmaßnahmen. Diese können ex situ (in Genbanken, vor allem als Sicherheitsreserve) und/oder in situ (am natürlichen Standort) erfolgen. N. Maxted verwies auf die Ebenen vom Schutzgebiet über Land oder Region bis zum globalen Aspekt. Aus Sicht von Schutzgebietsmanagern sei vor allem wichtig, dass zu den Arten eine für die Öffentlichkeit inte­ressante Geschichte erzählt werden kann. Gegenwärtig gibt es allerdings in den meisten Schutzgebieten noch keine vollstän­dige floristische Inventarisierung.

Für globale Betrachtungen kommt vor allem der monographische Ansatz in Betracht. Die insgesamt 195 Gattungen, deren Arten als Nahrungspflanzen genutzt werden, umfassen 6000 verwandte Wildarten in Europa. Betrachtet man die 19 wichtigsten Gattungen, verbleiben 297 Arten. Weitere 19 Gattungen mit 207 Wildarten in Europa sind im Annex II des Internatio­nalen Vertrags gelistet. Als Beispiel stellte S. Kell den Genpool für Beta (Zucker, Futter-, Garten- und Blattrüben) vor, der zwei Gattungen und 12 Arten umfasst. Alle Arten haben züchterisches Nutzungspotenzial. So wurde eine in heutigen Zuckerrüben­sorten genutzte Resistenz gegen Zystennematoden aus dem tertiären Beta-Genpool gewonnen.

Vier WVK-Arten zu Beta und zwei Unterarten sind bedroht. B. patula, B. vulgaris ssp. adanensis und B. nana sind in Europa endemisch. Zur Komplexität von Erhaltungsstrategien trägt bei, dass auch bei den verbreiteten Arten interessante Merkmalsausprägungen auf bestimmte Populationen beschränkt sein können. Dies muss bei Schutzmaßnahmen berücksichtigt werden.

In-situ- und On-farm-Informationsmangement

Theo van Hintum (CGN, Niederlande) sieht den für den Ex-situ-Bereich entwickelten EURISCO-Katalog als Modell und tritt für ein kohärentes Ex-situ- und In-situ-Informations­management ein. EURISCO erfasst als Internet-basierter Katalog gegenwärtig 1,1 Mio. Genbank-Akzessionen und basiert auf einem Netz natio­naler Inventare.

Für den Bereich In-situ/On-farm sind im ECPGR derzeit in 32 Ländern Kontaktpersonen nominiert. Es wird aber noch Klärungsbedarf zur Frage gesehen, wer eigentlich die Nutzer eines Informationssystems für den in In-situ-Bereich sein werden und auch, ob dazu bereits Daten verfügbar sind. Es existiert eine Deskriptoren-Liste mit 38 Deskriptoren für In-situ- und On-farm-Erhaltungsdaten, die auch solche für traditionelles Wissen einschließt. Diese Liste wird als revisionsbedürftig betrachtet. In Projekten wurden ein Katalog von wildlebenden Verwandten der Kulturpflanzen (http://www.pgrforum.org/cwris/cwris.asp) sowie Informationssysteme auf Populations­niveau (http://aegro.jki.bund.de/aegro/index.php?id=168) ent­wickelt. Als vorrangig werden die Entwicklung und Vereinbarung von Minimalstandards für den Datenaustausch, von nationalen Inventaren, die Entwicklung von Schnittstellen zu EURISCO und die Erweiterung von EURISCO-Datenstrukturen gesehen.

Sonja Dias (Bioversity International) stellte die Pläne für ein im Rahmen von PGRSecure zu entwickelndes Informations­portal für züchterische Merkmale vor. Das Portal soll eine Daten­bank, Importwerkzeuge, Annotationswerkzeuge und Sichten auf verschiedene Datentypen webbasiert zur Verfügung stellen. Gegenwärtig werden ein Überblick vorhandener Information und eine Bedarfsanalyse mit Züchtern durchgeführt. Auf dieser Grundlage sowie auf der Grundlage kontrollierter, hierarchisch aufgebauter Vokabulare (Ontologien) sollen Datentypen definiert werden. Das Generation Challenge Programme der CGIAR-Zentren unterhält Ontologien für Fruchtarten und Merkmale, die über eine Webanwendung kooperativ bearbeitet werden können. Es wurden Fragen aufgeworfen, wer das System unterhalten soll, inwieweit Links oder Datenübernahmen erfolgen sollen, welche Funktionen, welche Datentypen und Download-Formate das System unterstützen soll. So bestünde die Möglichkeit, es mit dem bei Bioversity betriebenen globalen Informationssystem GENESYS zu verlinken und die verwendete Technologie zu nutzen.

Ergebnisse aus den Arbeitsgruppendiskussionen

Im Zentrum der Präsentationen und Diskussionen zu WVK standen erforderliche Schritte und die Methodologie zur Entwicklung nationaler Erhaltungsstrategien sowie bereits erfolgreich abgeschlossene Beispiele in Großbritannien, Irland und Portugal. Die vorzunehmenden Schritte bestehen (1) in der Identifizierung des Inventars auf der Basis einer nationalen Flora und einer Auflistung von Nutzpflanzen, wobei gleiche Gattungszugehörigkeit, optimalerweise aber die Zugehörigkeit zu Genpools (siehe https://nacms.co.uk/croptrust/) herausgefiltert wird, (2) im Priorisieren, wobei sowohl die wirtschaftliche Bedeutung der Kulturarten (z.B. FAO-Agrar-Statistiken) als auch der Bedrohungsgrad (z.B. Rote-Liste-Arten) berücksichtigt werden, (3) in einer Bedrohungs- und Lückenanalyse, auch unter Berücksichtigung vorhandener Ex-situ-Sammlungen und (4) in der Erarbeitung von Empfehlungen. Züchter sollten in das Prio­risieren von Arten einbezogen werden. Die Lückenanalyse basiert idealerweise auf Erhebungen zur genetischen Diversität, kann bei deren Fehlen aber durch ökogeographische Daten approximiert werden. Idealerweise wird sie mit Analysen zum Klimawandel komplettiert. Dieser wird als besondere künftige Bedrohung für Wildverwandte gesehen, während gegenwärtig Überweidung, invasive Arten, Umweltverschmutzung, urbane und touristische Entwicklung vor allem in Küstengebieten als hauptsächliche Bedrohungsfaktoren wirken. Für die Bedrohungsanalyse sind für viele Arten unzureichende Informationen verfügbar. Die Entwicklung von Methoden zur Bestimmung der Erosion der innerartlichen Diversität wird als wichtig erachtet. Die IUCN-Kriterien greifen vorrangig auf Artniveau.

Gegenwärtig wird eine Liste von 300 priorisierten Arten für Europa diskutiert, die sich an der globalen Bedeutung der mit ihnen verwandten Kulturpflanzen orientiert. Für sie soll in EURISCO überprüft werden, ob mindestens zehn Populationen in Ex-situ-Sammlungen verfügbar sind. Bezüglich der Dokumentation ist zu beachten, dass In-situ-Arteninventare nur der Ausgangspunkt zum Priorisieren für die Erhaltung sind. In dessen Verlauf bildet sich ein Konzept heraus, welches dem der Ex-situ-Akzession entspricht, und dessen Bestimmungskrite­rium die Verfügbarkeit ist. Es wurde diskutiert, wie in den Ländern die Voraussetzungen für die Entwicklung nationaler Strategien geschaffen werden könnten. N. Maxted plant, die nationalen Koordinatoren für genetische Ressourcen und das Sekretariat des ECPGR zu kontaktieren und auf die Hilfestellung von PGRSecure bei der Entwicklung nationaler Strategien hinzuweisen. Für die Entwicklung der in PGRSecure modellhaft zu entwickelnden Strategien sind beispielsweise 100 000 Euro in Spanien bzw. sechs Mannmonate in Finnland eingeplant. Lorenzo Maggioni (ECPGR-Sekretariat) wies diesbezüglich aber darauf hin, dass im Fokus des ECPGR nach wie vor die Ex-situ-Erhaltung und AEGIS mit dem Aufbau einer europäischen Sammlung stehen. Es gibt bisher keine Implementierungsziele für In-situ-Maßnahmen.

Auch in den Diskussionen der Arbeitsgruppe zu Landsorten spielten Fragen der Inventarisierung, der Lücken- und Bedrohungsanalyse eine Rolle. Das On-farm-Management hängt durch die Verzahnung von Erhaltung und Nutzung von mehr gesellschaftlichen Einflussfaktoren ab als andere Erhaltungsmaß­nahmen. Rechtliche Aspekte des Saatgutaustausches spielen eine Rolle, wie regionale Exklusivität der Rechte an Landsorten, Mengenbeschränkungen in regionalen Saatgutmärkten und die Beschränkung auf autochthones Material. Auch für die Inventarisierung werden andere Ansätze benötigt. Nach V. Negri (Universität Perugia, Italien) sind Landsorten genetisch strukturierte Populationen, aber doch eindeutig erkennbar, lokal adaptiert, und mit einer lokalen Kultur verbunden. Sie können eingeführt oder wiedereingeführt sein, sollten aber von Landwirten erhalten werden. Die Motivation für eine On-farm-Erhaltung ist ebenso zu betrachten wie geeignete Anbau- und Vermarktungssysteme. Neben Felddemonstrationen wird eine Notwendigkeit für Vorstufenzüchtung sowie für Merkmale, die eine einfache Identifizierung der Sortenechtheit durch den Landwirt erlauben, gesehen. Das PGRSecure-Projekt wird eine Inventur von Landsorten für Europa durchführen, allerdings beschränkt auf autochthone Landsorten, und in drei Ländern nationale Strategien für priorisierte Genpools erarbeiten. Es lassen sich regionale Konzentrationen von Landsorten feststellen, vor allem in Gebieten mit agroökologischen Besonderheiten, z.B. auf schottischen Inseln mit hohem Magnesium-Gehalt des Bodens. Sie sind häufig verknüpft mit partizipatorischer Pflanzenzüchtung, wie beim Emmer-Weizen in Italien. Zur Dokumentation wurde eine Liste von zehn Minimumdeskriptoren vorgeschlagen: Genus, Spezies, Autorenschaft der Taxonomie, lokaler Name, geographische Koordinaten des Anbauers (Länge, Breite, Höhe), Zeitdauer der Kultivierung, Wiedereinführungsstatus und Saatgutaustausch.

Die Arbeitsgruppe zur Dokumentation brachte Nationale Kontaktpersonen zusammen, um die Frage verfügbarer Informationen zu klären. Derzeit existieren in der Mehrzahl der Länder keine Inventuren oder Monitoring-Programme für die In-situ- bzw. On-farm-Erhaltung, was vor allem mit der fehlenden Finan­zierung für solche Aktivitäten zusammenhängt. Einige Länder haben zur Durchführung der Richtlinie 2008/62/EG offizielle Listen von Erhaltungssorten. Auch das im AEGRO-Projekt entwickelte Informationssystem auf Populationsebene wurde als Informationsquelle diskutiert. Existierende Entwürfe für Deskrip­torlisten sollen vom ECPGR-Informationsnetzwerk überarbeitet und zu einer Minimumliste reduziert werden. Kriterien zum Prio­risieren von Arten sind bereits verfügbar und müssen bereit­gestellt werden, wobei die Länder unterschiedliche Kriterien benutzen können. Ferner sollte das Nutzungspotential klarer definiert und geklärt werden, inwieweit die nationalen Inven­tare Informationen auf Populationsniveau sowie innerhalb und/oder außerhalb von Schutzgebieten erheben sollen. Bezogen auf Genpool 1 und 2 der priorisierten Kulturarten soll das Vorhandensein in Genbanken überprüft werden. Vor allem bei der On-farm-Erhaltung von Landsorten müssen spezielle Interaktionen bezüglich ihrer Nutzung abgebildet werden. N. Maxted formulierte generell folgende Erwartungen an die Dokumentation: Verfügbarmachen nationaler Inventare, Listen von Namen und Vorkommen einschließlich verfügbarer Literatur, und Detail­informationen zum Management von Populationen.

Querschnittsfragen

Eine mögliche Verknüpfung der Erhaltung von Landsorten und von Wildverwandten, sowie eine Fokussierung auf definierte Arten müssen weiter diskutiert werden. Hier geht es darum, inwieweit beim On-farm-Management von Landsorten auch WVK berücksichtigt werden könnten und inwieweit Methoden zum Nachweis innerartlicher genetischer Erosion für beide Kate­gorien anwendbar und zu entwickeln wären.

Relevanz für das JKI

JKI ist in die dargestellten Aktivitäten zur In-situ-Erhaltung genetischer Ressourcen, vor allen bezüglich der verwandten Wildarten, eingebunden. Dies findet seinen Niederschlag in der Koordinierung des EU-Projektes AEGRO durch JKI und der Mitwirkung am EU-Vorhaben PGRSecure. Dokumentationsfragen spielen weiter eine wichtige Rolle in den Diskussionen, wobei gegenwärtig mit EURISCO in Rom eine eher zentrale Lösung favorisiert wird, weil sich die weitgehend auf freiwillige Bei­träge und Projektmittel nationaler Institutionen begründete, bisherige kooperative Informationsstruktur nicht bewährt hat. Eine Nachhaltigkeit ausschließlich über Drittmittelprojekte aufgebauter Informationssysteme ist i.d.R. nicht gegeben. Ob sich unterdessen eine fern von den praktischen Arbeiten zentralisierte Informationseinheit bewähren wird, muss die Zukunft zeigen. Aus Sicht des Berichterstatters wäre eine stärker mit der praktischen Arbeit vernetzte kooperative Struktur, bei technologischer Koordinierung und nachhaltiger Bereitstellung einer bioinformatorischen und technischen Kernkompetenz an zen­traler Stelle, zu bevorzugen. Gegenstand der Dokumentationsaktivitäten in PGRSecure ist auch ein Portal zur Suche nach Merkmalen bei WVK von Avena, Beta, Brassica und Medicago. Diesbezüglich wurde die Frage aufgeworfen, inwieweit dies auch in die entsprechenden zentralen Fruchtartendatenbanken, etwa die vom JKI betriebenen Datenbanken für Avena und Beta (s. http://www.jki.bund.de/de/startseite/themenportale/datenbanken-zu-landwirtschaftlichen-fruchtarten.html), inte­griert werden sollte.

Christoph Germeier (JKI Quedlinburg)


ISSN (elektronisch): 1867-0938
ISSN (print): 1867-0911
Verlag
Eugen Ulmer KG
Ulmer-Logo
Verantwortlicher Herausgeber
Präsident und Professor
Prof. Dr. Frank Ordon
Julius Kühn-Institut - Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen
Erwin-Baur-Str. 27
06484 Quedlinburg
Schriftleitung
Dr. Anja Hühnlein
Julius Kühn-Institut - Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen
Erwin-Baur-Str. 27
06484 Quedlinburg
E-Mail: journal-kulturpflanzen@julius-kuehn.de
Co-Schriftleitung
Dr. Ulrike Stahl
Julius Kühn-Institut - Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen
Layout/Technische Umsetzung
mediaTEXT Jena GmbH
mediaTEXT-Logo
Julius Kühn-Institut (JKI)
Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen
 
Erwin-Baur-Str. 27
06484 Quedlinburg
Deutschland
Fon: 03946 47-0
Fax: 03946 47-255
Mail: poststelle@julius-kuehn.de
De-Mail: poststelle@julius-kuehn.de-mail.de
Impressum
 
Diese Zeitschrift wird vom Julius Kühn-Institut herausgegeben.
JKI-Logo