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Originalarbeit – Kurzmitteilung

Pflanzenschutz-Kontrollprogramm: Bericht über den Schwer­punkt „Anwendung von Pflanzenschutzmitteln auf nicht landwirtschaftlich, forstwirtschaftlich oder gärtnerisch genutzten Freilandflächen (2008–2010)“

Pesticide Control Programme: Report on the emphasis on “Pesticide use on non-cropping areas (2008–2010)”

Karin Corsten
Institut
Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL), Abteilung Pflanzenschutzmittel, Braunschweig

Journal für Kulturpflanzen, 64 (6). S. 185–187, 2012, ISSN 1867-0911, DOI: 10.5073/JfK.2012.06.02, Verlag Eugen Ulmer KG, Stuttgart

Kontaktanschrift
Dr. Karin Corsten, Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit, Abteilung Pflanzenschutzmittel, Messeweg 11/12, 38104 Braunschweig, E-Mail: karin.corsten@bvl.bund.de
Zur Veröffentlichung angenommen
15. Februar 2012

Einleitung

Das Pflanzenschutz-Kontrollprogramm ist ein bundesweites Programm zur Überwachung pflanzenschutzrecht­licher Vorschriften. Der Handel und die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln werden von den zuständigen Behörden der Länder nach abgestimmten Methoden überprüft. Bei Pflanzenschutz-Anwendern wird beispielsweise kontrolliert, ob sie sachkundig sind, die Prüfpflicht für Pflanzenschutzgeräte einhalten, die Pflanzenschutzmaßnahmen dokumentieren oder die Auflagen und Anwendungsbestimmungen für Pflanzenschutzmittel beachten. Zu den Aufgaben der Länder gehören die Planung und Durchführung der Kontrollen, die Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten sowie die Aufbereitung und Weiterleitung der Daten an das BVL zur Erstellung eines jährlichen Berichts. Neben den Routinekontrolltätig­keiten werden mehrjährige bundesweite Schwerpunkte festgelegt, um gezielt Informationen über bestimmte Pflanzenschutzmittel oder Pflanzenschutz-Anwendungen zu erhalten. Die Ergebnisse der Schwerpunktkontrollen werden detailliert ausgewertet und in den Jahresberichten ausführlich dargestellt (BVL, 2010; BVL, 2011; BVL, 2012).

Die Kontrolle der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln auf nicht landwirtschaftlich, forstwirtschaftlich oder gärtnerisch genutzten Freilandflächen ist fester Bestandteil des Kontrollprogramms. Aufgrund hoher Beanstandungsquoten in den Vorjahren wurde dieser Bereich in den Jahren 2008 bis 2010 zusätzlich als Schwerpunkt ausgewählt. Es wurden Detailinformationen über Verstöße zusammengestellt und Schwachstellen analysiert, um Maßnahmen zur Reduzierung der Verstöße einleiten zu können. Neben der Kontrolle stand die Beratung im Vordergrund. Anwender, Verkäufer, Grundstückseigentümer, Wohnungsbaugenossenschaften, Kommunen, usw. wurden verstärkt über das generelle Anwendungsverbot auf nicht landwirtschaftlich, forstwirtschaftlich oder gärtnerisch genutzten Freilandflächen (§6 (2) PflSchG) informiert und über alternative Bekämpfungsmaßnahmen beraten.

Gut aufbereitete Informationen über die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln auf befestigten Freilandflächen und alternative Bekämpfungsmaßnahmen werden vom Arbeitskreis Wasser- und Pflanzenschutz, an dem auch die Pflanzenschutzdienste mitarbeiten, bereitgestellt: http://www.wasser-und-pflanzenschutz.de.

Rechtliche Rahmenbedingungen

Das Pflanzenschutzgesetz verbietet den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln auf nicht landwirtschaftlich, forstwirtschaftlich oder gärtnerisch genutzten Freilandflächen (§6 Abs. 2 PflSchG). Hierunter fallen befestigte Freilandflächen rund um das Haus, z.B. Bürgersteige, Garageneinfahrten, Terrassen, Hof- und Betriebsflächen und sonstige durch Tiefbau veränderte Freilandflächen. Einige Beispiele sind in Abb. 1 aufgeführt. Unsachgemäß eingesetzte Pflanzenschutzmittel können zu einer Gefährdung für Gewässer und damit auch für die Trinkwassergewinnung werden. Sie dürfen daher nicht in den Wasserkreislauf gelangen – etwa über Abflüsse, Gullys, Drainagen oder Rigolen. Die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln auf Wegrändern, Feldsäumen oder Uferböschungen ist ebenfalls grundsätzlich verboten, da sie für viele wild wachsende Pflanzen- und Tierarten eine bedeutsame Lebensstätte darstellen. Auf intensiv genutzten Standorten sind die Lebensbedingungen ständig ungünstiger geworden, sodass derartige Flächen für den Umwelt- und Naturschutz eine wichtige Rolle spielen. Das gilt auch im Hinblick auf die für den Pflanzenschutz wichtige Nützlingsflora und -fauna.

Abb. 1. Beispiele für nicht landwirtschaftliche, forstwirtschaftliche oder gärtnerische Flächennutzung, auf denen die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln verboten ist (Quelle: Pflanzenschutzamt Berlin).

Abb. 1. Beispiele für nicht landwirtschaftliche, forstwirtschaftliche oder gärtnerische Flächennutzung, auf denen die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln verboten ist (Quelle: Pflanzenschutzamt Berlin).

Wenn ein öffentliches Interesse vorliegt, können durch die zuständigen Pflanzenschutzdienste nach Einzelfallprüfung Ausnahmegenehmigungen erteilt werden. Solche Genehmigungen werden nur erteilt, wenn ein vordring­licher Zweck wie die Gewährleistung der Verkehrs- und Betriebssicherheit, Arbeits- und Unfallschutz, Korro­sions-, Brand- oder Explosionsschutz festgestellt wird. Genehmigt werden können nur Pflanzenschutzmittel zur Unkrautbekämpfung, die für den Einsatz auf befestigten Freilandflächen zugelassen sind. Eine Übersicht zugelassener Mittel ist beim Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit erhältlich: www.bvl.bund.de/psminfo > Online-Datenbank (beim Einsatzgebiet „Nichtkulturland“ wählen). In der Gebrauchsanleitung der Pflanzenschutzmittel wird auf die Genehmigungspflicht für die Anwendung auf befestigten Freilandflächen hingewiesen. Die Ausnahmegenehmigungen müssen für jede Freilandfläche, die behandelt werden soll, beim zuständigen Pflanzenschutzdienst beantragt werden. Eine nicht genehmigte Anwendung oder die sonstige Missachtung von Vorschriften kann als Ordnungswidrigkeit mit einem Bußgeld bis zu 50 000 € geahndet werden.

Das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln, die auf nicht landwirtschaftlich, forstwirtschaftlich oder gärtnerisch genutzten Flächen ausgebracht werden sollen, unterliegt besonderen Regelungen, wenn sie den Wirkstoff Glyphosat enthalten. Die Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung regelt in §3a (Besondere Abgabebedingungen), dass derartige Pflanzenschutzmittel nur verkauft werden dürfen, wenn der Käufer eine Ausnahmegenehmigung nach §6 Abs. 3 PflSchG vorlegt. Bei glyphosathaltigen Pflanzenschutzmitteln, die z.B. auf Straßen, Auffahrten, Wegrändern, Hof- und Betriebsflächen angewendet werden sollen, muss also bereits beim Kauf die erforderliche Genehmigung beim Händler vorgelegt werden.

Ergebnisse des Schwerpunkts „Anwendung von Pflanzen­schutzmitteln auf nicht landwirtschaftlich, forstwirtschaftlich oder gärtnerisch genutzten Freilandflächen (2008–2010)“

In den Jahren 2008 bis 2010 wurden insgesamt 3796 Anwendungen von Pflanzenschutzmitteln auf nicht landwirtschaftlichen, forstwirtschaftlichen oder gärtnerisch genutzten Freilandflächen kontrolliert. Überprüft wurden 227 Gleisanlagen (Privatbahnen, Straßenbahnen, Hafen- oder Industriebahnen, die nicht zur Deutschen Bahn AG gehören), 815 Industrie- und Gewerbeflächen (z.B. Parkplätze, Hof- und Pflasterflächen, Wege und Plätze), 1231 städtische Flächen (Wohnanlagen, öffentliche Parks, Bürgersteige, Straßenbegleitgrün, Verkehrsinseln, befestigte Flächen auf Privatgrundstücken), 750 befestigte Flächen in landwirtschaftlichen und gärtnerischen Betrieben, die nicht zur Produktionsfläche gehören, sowie 773 an landwirtschaftliche Flächen angrenzende Feldraine, Böschungen, Wege und Wegränder.


Die Kontrollen können in verschiedene Kategorien eingeteilt werden:

• Kontrolle von Freilandflächen, für die eine Genehmigung (nach §6 Abs. 3 PflSchG) zur Anwendung von Pflanzenschutzmitteln ausgesprochen wurde. Es wird kontrolliert, ob die Vorgaben aus dem Genehmigungsbescheid eingehalten wurden, z.B. Zulässigkeit der verwendeten Mittel, Behandlung ausschließlich der beantragten Flächen, Einhaltung von Anwendungs­bestimmungen und Auflagen.

• Kontrolle von Freilandflächen, für die eine Genehmigung zur Anwendung von Pflanzenschutzmitteln abgelehnt wurde. Es wird überprüft, ob das Verbot eingehalten wurde.

• Kontrolle von Freilandflächen, die aufgrund einer Zufallsauswahl aufgesucht wurden.

• Kontrolle von Freilandflächen, die aufgrund eines Verdachts oder eines Hinweises überprüft wurden (Anlass­kontrollen).

Insgesamt wurden 1349 Kontrollen auf Flächen durchgeführt, für die Anträge auf Ausnahmegenehmigung nach §6 (3) PflSchG gestellt wurden. Davon fanden 1321 Kontrollen zu erteilten Ausnahmegenehmigungen und 28 Kontrollen zu abgelehnten Ausnahmegenehmigungen statt. Da ein Antrag mehrere Flächen umfassen kann, ist die Anzahl der kontrollierten Flächen höher als die Zahl der Bescheide. Bei 10% der Anwendungen wurden die Auflagen der Genehmigung oder die Ablehnung des Antrags nicht beachtet. Die Nichteinhaltung von Auf­lagen bei erteilten bzw. abgelehnten Ausnahmegenehmigungen führte zu Bußgeldern bis zu 1000 €.

2447 Kontrollen entfielen auf Flächen, auf denen Pflanzenschutzmittelanwendungen grundsätzlich verboten sind und für die auch keine Anträge auf Ausnahmegenehmigung gestellt wurden. Hiervon wurden 1373 Flächen aufgrund einer Zufallsauswahl und 1074 Flächen aufgrund eines Verdachts kontrolliert. Anlasskontrollen dienen der Feststellung oder Aufklärung von offensichtlichen oder vermuteten Verstößen. Hierzu gehören beispielsweise Überprüfungen nach Anzeigen sowie Wiederholungskontrollen in Betrieben, bei denen Mängel bei vorherigen Inspektionen festgestellt wurden. Es liegt in der Natur der Sache, dass bei Anlasskontrollen häufiger Verstöße gegen das Pflanzenschutzrecht festzustellen sind als bei Kontrollen auf zufällig ausgewählten Flächen. In 77% der Anlasskontrollen bestätigten sich illegale Anwendungen von Pflanzenschutzmitteln. Bei 1373 Kontrollen auf zufällig ausgewählten Flächen wurde in 12% der Fälle eine unerlaubte Anwendung festgestellt. Es wurden Bußgelder bis zu 5000 € erteilt.

Die meisten Verstöße wurden von Privatpersonen begangen, die ihre Terrassen, Garagenauffahrten oder Bürgersteige vom Aufwuchs freihalten wollen. Dies geschieht oft aus Unwissenheit über die Vorschriften, teilweise auch bewusst. In einigen Fällen wurden auch von kommunalen Mitarbeitern illegale Pflanzenschutzanwendungen durchgeführt, obwohl diese teilweise auch sachkundig waren. Auch bei Landwirten, die in der Regel sachkundig sind, waren einige unzulässige Anwendungen zu verzeichnen, z.B. auf Hofflächen, Abstellplätzen, Auffahrten und anderen Betriebsflächen, auf Feldrainen oder Böschungen, die an landwirtschaftliche Flächen angrenzen oder auf Wegen und Wegrändern.

Einigen Haus- und Gartenserviceunternehmen war nicht bekannt, dass Personen, die gewerbsmäßig Pflanzenschutzmittel auf Flächen von Dritten anwenden, sachkundig sein müssen und überdies ihre Tätigkeit beim zuständigen Pflanzenschutzdienst anzeigen müssen (§9 PflSchG). Bei Verstößen, die auf Industrie- und Gewerbeflächen, aber auch im Wohnbereich (Parkplätze, Hof- und Pflasterflächen, Wege und Plätze) festgestellt wurden, fehlte bei der Mehrzahl der beauftragten Firmenmitarbeiter die notwendige Sachkunde gemäß Pflanzenschutz-Sachkunde­verordnung.

Als Folge der illegalen Anwendungen von Pflanzenschutzmitteln auf befestigten Freilandflächen wurden von den Behörden 634 Bußgeldverfahren eingeleitet, 354 Personen wurden verwarnt. In 89 Fällen waren die Verursacher nicht mehr feststellbar bzw. wurde das Verfahren eingestellt. 39 Personen wurden aufgefordert, eine Sachkundeprüfung abzulegen.

Fazit

Die Ergebnisse des dreijährigen Schwerpunkts zeigen, dass das Anwendungsverbot von Pflanzenschutzmitteln auf nicht landwirtschaftlich, forstwirtschaftlich oder gärtnerisch genutzten Freilandflächen nicht genügend beachtet wird.

Mögliche Ursachen für die hohe Anzahl an Verstößen sind mangelnde Kenntnisse der Rechtslage bei Anwendern, unzureichende Beratung im Handel und die leichte Verfügbarkeit von Pflanzenschutzmitteln.

Die Kontrolle von Pflanzenschutz-Anwendungen auf befestigten Freilandflächen und die Beratung über alternative Bekämpfungsverfahren werden auch nach Beendigung des Schwerpunkts durch die Behörden der Länder fortgeführt.

Literatur

Arbeitskreis Wasser- und Pflanzenschutz: c/o BDEW-Landesgruppe NRW, Josef-Wirmer-Straße 3, 53123 Bonn: Internetinformation: http://www.wasser-und-pflanzenschutz.de.

BVL (Hrsg.), 2010: Berichte zu Pflanzenschutzmitteln 2008, Jahresbericht Pflanzenschutz-Kontrollprogramm, BVL-Reporte, Bd. 4, H. 7, 32 S.

BVL (Hrsg.), 2011: Berichte zu Pflanzenschutzmitteln 2009, Jahresbericht Pflanzenschutz-Kontrollprogramm, BVL-Reporte, Bd. 5, H. 4, 33 S.

BVL (Hrsg.), 2012: Berichte zu Pflanzenschutzmitteln 2010, Jahresbericht Pflanzenschutz-Kontrollprogramm, BVL-Reporte, Bd. 6, H. 3, 37 S.


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