Risikomanagement für glyphosathaltige Pflanzenschutzmittel im Zulassungsverfahren
Risk management for pesticides containing glyphosate in the registration process
Journal für Kulturpflanzen, 64 (6). S. 188–190, 2012, ISSN 1867-0911, DOI: 10.5073/JfK.2012.06.03, Verlag Eugen Ulmer KG, Stuttgart
In den vergangenen Jahren hat die Anwendung von Glyphosat in Deutschland deutlich zugenommen (Abb. 1). Der starke Anstieg in den Jahren 2007 und 2008 ist auf die Rückführung von Stilllegungsflächen in die landwirtschaftliche Produktion aufgrund der auslaufenden EU-Förderung zurückzuführen. Weitere Gründe für den Anstieg sind u.a. die Zunahme der reduzierenden Bodenbearbeitung zum Erosionsschutz und die zunehmende Verunkrautung in manchen Kulturen.
Der Wirkstoff Glyphosat ist mit der Richtlinie 2001/99/EG der EU-Kommission vom 20. November 2001 in den Anhang I der Richtlinie 91/414/EWG aufgenommen worden. Die turnusgemäße Neubewertung des Wirkstoffes in der EU ist in Vorbereitung. Im Zusammenhang mit der Anwendung auf Nichtkulturland enthält die Aufnahmerichtlinie 2001/99/EG die Vorgabe, dass die EU-Mitgliedstaaten insbesondere bei der Anwendung auf Nichtkulturland dem Grundwasserschutz besondere Aufmerksamkeit zu widmen haben.
Die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln auf befestigten Freilandflächen unterscheidet sich in einigen wesentlichen Punkten von einer Anwendung auf landwirtschaftlich genutzten Flächen. So ist die Gefahr der Abschwemmung in Oberflächenwasser bzw. die Kanalisation größer als bei Anwendung auf landwirtschaftlich genutzten Böden. Zudem ist davon auszugehen, dass das Abbauverhalten von Wirkstoffen auf befestigten Flächen nicht vergleichbar ist mit dem Abbau auf landwirtschaftlich genutzten Böden. Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass für die Anwendung auf befestigten Freilandflächen spezielle Geräte zum Einsatz kommen.
Die Anwendung von Pflanzenschutzmittel auf nicht landwirtschaftlich, forstwirtschaftlich oder gärtnerisch genutzten Freilandflächen ist grundsätzlich verboten (§ 6 Absatz 2, PflSchG). Ausnahmegenehmigungen können in besonderen Fällen erteilt werden (§ 6 Absatz 3, PflSchG). Diese Ausnahmegenehmigungen werden durch den Pflanzenschutzdienst der Länder erteilt. Hierbei wird insbesondere darauf geachtet, dass keine Genehmigung für abschwemmungsgefährdete Standorte erteilt wird. Für Glyphosat sind die besonderen Anwendungsbeschränkungen in Anlage 3 der Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung zu beachten. So ist die Anwendung von Glyphosat verboten auf nicht versiegelten Flächen, die mit Schlacke, Splitt, Kies und ähnlichen Materialien befestigt sind (Wege, Plätze und sonstiges Nichtkulturland), von denen die Gefahr einer unmittelbaren oder mittelbaren Abschwemmung in Gewässer oder in Kanalisation, Drainagen, Straßenabläufe sowie Regen- und Schmutzwasserkanäle besteht, es sei denn, die zuständige Behörde schreibt mit der Genehmigung ein Anwendungsverfahren vor, mit dem sichergestellt ist, dass die Gefahr der Abschwemmung nicht besteht (Anonym, 2009). Dieselben Regelungen gelten auch auf oder unmittelbar an Flächen, die mit Beton, Bitumen, Pflaster, Platten und ähnlichen Materialien versiegelt sind.
Die Toxizität für Gewässerorganismen ist moderat (regulatorisch akzeptable Gewässerkonzentration 64 µg/l). Der Wirkstoff Glyphosat ist im Boden nicht persistent. Beim Abbau entsteht jedoch der persistente Metabolit AMPA. Aufgrund von hoher Sorption an Bodenpartikel ist mit einer geringen Mobilität des Wirkstoffes und des Metaboliten AMPA im Boden zu rechnen, d.h. eine Versickerung in das Grundwasser ist nicht zu erwarten. Es gibt jedoch vereinzelt Funde im Grundwasser. Für diese Funde fordern die am Zulassungsverfahren beteiligten Behörden grundsätzlich eine Fundaufklärung (Aden et al., 2002), um zu klären, ob diese Funde aus bestimmungsgemäßer und sachgerechter Anwendung kommen.
Eine Reihe glyphosathaltiger Pflanzenschutzmittel wurde bislang mit einem Netzmittel aus der chemischen Gruppe der polyethoxylierten Tallowamine formuliert. Aktuelle Risikobewertungen sehen für diese Stoffgruppe als Beistoff in Pflanzenschutzmitteln ein Risiko hinsichtlich Haut- und schwerer Augenreizungen für den Menschen. Zudem sind endokrine Wirkungen auf Amphibien und Fische nicht auszuschließen. Eine Überprüfung der betroffenen Zulassungen läuft.
Die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln auf befestigten Flächen, die nicht landwirtschaftlich, forstwirtschaftlich oder gärtnerisch genutzt sind, ist grundsätzlich verboten. Ausnahmen von dieser Regel müssen behördlich genehmigt werden. Diese Genehmigungspflicht wird dem Anwender auf der Pflanzenschutzmittelpackung mitgeteilt (Wortlaut: Die Anwendung des Mittels auf Freilandflächen, die nicht landwirtschaftlich, forstwirtschaftlich oder gärtnerisch genutzt werden, ist nur mit einer Genehmigung der zuständigen Behörde zulässig (§ 6 Abs. 2 und 3 PflSchG). Zu diesen Flächen gehören alle nicht durch Gebäude oder Überdachungen ständig abgedeckten Flächen, wozu auch Verkehrsflächen jeglicher Art wie Gleisanlagen, Straßen-, Wege-, Hof- und Betriebsflächen sowie sonstige durch Tiefbaumaßnahmen veränderte Landflächen gehören. Zuwiderhandlungen können mit einem Bußgeld bis zu einer Höhe von 50 000 Euro geahndet werden).
Im Hinblick auf den Anwenderschutz werden mit der Zulassung von glyphosathaltigen Pflanzenschutzmitteln strenge Auflagen erteilt, wenn die Mittel Tallowamine als Beistoff enthalten. In diesen Auflagen wird das Wiederbetreten der behandelten Fläche und Nachfolgearbeiten auf dieser Fläche ebenso geregelt wie erforderliche Schutzkleidung beim Betreten der Fläche und beim Umgang mit dem Mittel.
In Oberflächengewässern wird der Wirkstoff Glyphosat regelmäßig nachgewiesen, allerdings sehr selten oberhalb der für Gewässerorganismen bedenklichen Schwellenkonzentration. Zum Schutz vor Abschwemmung in Oberflächengewässer besteht ein grundsätzliches Anwendungsverbot auf nicht landwirtschaftlich, forstwirtschaftlich oder gärtnerisch genutzten Flächen. Werden Ausnahmegenehmigungen erteilt, müssen die Standorte sorgfältig hinsichtlich ihrer Abschwemmungsgefährdung geprüft werden. Für Garagenauffahrten und drainierte Wege und Plätze im Siedlungsbereich werden Genehmigungen praktisch nicht erteilt. Einträge über Punktquellen wie z.B. die Kanalisation werden durch die Erteilung einer entsprechenden Anwendungsbestimmung reduziert.
Bis auf Weiteres werden für glyphosathaltige Pflanzenschutzmittel mit Netzmitteln aus der chemischen Gruppe der Tallowamine Neuzulassungen nicht mehr ausgesprochen, da derzeit wesentliche Unterlagen zur Bewertung im Hinblick auf endokrine Effekte fehlen.
Glyphosat ist zurzeit kein prioritärer Stoff im Sinne von Anhang 10 der Wasserrahmenrichtlinie (EU, 2000), d.h. dieser Wirkstoff unterliegt in diesem Rechtsbereich keinen besonderen Maßnahmen zur Verringerung der Konzentrationen in Gewässern. Es ist damit zu rechnen, dass Glyphosat aufgrund von Fortschritten in der Analytik vermehrt auch in Oberflächengewässern untersucht wird. Bereits heute werden Konzentrationen in Oberflächengewässern gemessen, die allein schon aufgrund ihrer Höhe und Häufigkeit Anlass zu Bedenken geben, auch wenn die im Zulassungsverfahren für Pflanzenschutzmittel regulatorisch akzeptable Konzentration nicht überschritten wird.
Aden, K., R. Binner, R. Fischer, D. Gottschild, R. Kloskowski, K. Schinkel, B. Michalski, 2002: Schutz des Grundwassers vor Pflanzenschutzmitteleinträgen: Leitlinie zur Aufklärung von Funden und zur Durchführung von zulassungsbegleitenden Monitoringstudien. Nachrichtenbl. Deut. Pflanzenschutzd. 54, 125-129.
Anonym, 2009: Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung in der Fassung der Verordnung zur Bereinigung pflanzenschutzrechtlicher Vorschriften vom 10. November 1992, zuletzt geändert durch die dritte Verordnung zur Änderung der Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung vom 23. Juli 2003.
EU, 2000: Richtlinie 2000/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2000 zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik.