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Originalarbeit – Kurzmitteilung

Biozide – Einsatzmöglichkeiten und Grenzen

Biocides – Capabilities and limits

Carsten Bloch
Institut
Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA), Dortmund

Journal für Kulturpflanzen, 64 (6). S. 191–193, 2012, ISSN 1867-0911, DOI: 10.5073/JfK.2012.06.04, Verlag Eugen Ulmer KG, Stuttgart

Kontaktanschrift
Dr. Carsten Bloch, Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA), Friedrich-Henkel-Weg 1–25, 44149 Dortmund, E-Mail: bloch.carsten@baua.bund.de
Zur Veröffentlichung angenommen
15. Februar 2012
Inhaltsverzeichnis

Biozide

Zur Bekämpfung von Unkräutern auf Wegen und Plätzen sind oft auch Produkte geeignet, die als Biozide und nicht als Pflanzenschutzmittel zugelassen sind, da sie ähnliche Wirksamkeiten und teilweise auch identische Wirkstoffe beinhalten. Da rechtlich jedoch zwischen Biozid-Produkten und Pflanzenschutzmitteln unterschieden wird, sind die Einsatzmöglichkeiten von Bioziden für diese Anwendung begrenzt.

Pflanzenschutzmittel werden in der Europäischen Union durch die Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 geregelt, Biozid-Produkte durch die Richtlinie 98/8/EG. Entscheidend für die Abgrenzung ist dabei die Definition der Begriffe „Pflanzenschutzmittel“ und „Biozid-Produkt“.


Gemäß der Pflanzenschutzmittel-Verordnung sind Pflanzenschutzmittel „Wirkstoffe und Zubereitungen, die einen oder mehrere Wirkstoffe enthalten […] und die dazu bestimmt sind, Pflanzen und Pflanzenerzeugnisse vor Schadorganismen zu schützen […] und unerwünschte Pflanzen oder Pflanzenteile zu vernichten, mit Ausnahme von Algen, es sei denn, die Produkte werden auf dem Boden oder im Wasser zum Schutz von Pflanzen ausgebracht.“


Biozid-Produkte werden in der Biozid-Richtlinie definiert als
„Wirkstoffe oder Zubereitungen, die in der Form, in der sie zum Verwender gelangen, dazu bestimmt sind, auf chemischem oder biologischem Wege Schadorganismen zu zer­stören, abzuschrecken, unschädlich zu machen, Schädigungen durch sie zu verhindern oder sie in anderer Weise zu bekämpfen.“

Außerdem sind von der Biozid-Richtlinie Produkte ausgenommen, die bereits durch andere Regelungen erfasst sind. Hierzu zählen ausdrücklich auch die Pflanzenschutzmittel. Eine Verwendung eines Produktes, die bereits durch die Pflanzenschutzmittel-Verordnung geregelt ist, fällt somit nicht mehr unter die Biozid-Richtlinie. Produkte, die als Biozid-Produkte angesehen werden sollen, müssen sich schließlich auch einer der 23 in der Biozid-Richtlinie definierten Produktarten zuordnen lassen (s. Tab. 1).

Tab. 1. Produktarten gemäß der Biozid-Richtlinie 98/8/EG

Hauptgruppe

Produktart

Desinfektionsmittel und
allgemeine Biozid-Produkte

1:

Biozid-Produkte für die menschliche Hygiene

2:

Desinfektionsmittel für den Privatbereich und den Bereich des öffentlichen Gesundheitswesens sowie andere Biozid-Produkte

3:

Biozid-Produkte für die Hygiene im Veterinärbereich

4:

Desinfektionsmittel für den Lebens- und Futtermittelbereich

5:

Trinkwasserdesinfektionsmittel

Schutzmittel

6:

Topf-Konservierungsmittel

7:

Beschichtungsschutzmittel

8:

Holzschutzmittel

9:

Schutzmittel für Fasern, Leder, Gummi und polymerisierte Materialien

10:

Schutzmittel für Mauerwerk

11:

Schutzmittel für Flüssigkeiten in Kühl- und Verfahrenssysteme

12:

Schleimbekämpfungsmittel

13:

Schutzmittel für Metallbearbeitungsflüssigkeiten

Schädlingsbekämpfungs
mittel

14:

Rodentizide

15:

Avizide

16:

Molluskizide

17:

Fischbekämpfungsmittel

18:

Insektizide, Akarizide und Produkte gegen andere Arthropoden

19:

Repellentien und Lockmittel

Sonstige Biozid-Produkte

20:

Schutzmittel für Lebens- und Futtermittel

21:

Antifouling-Produkte

22:

Flüssigkeiten für Einbalsamierung und Taxidermie

23:

Produkte gegen sonstige Wirbeltiere

Auffällig an den Definitionen ist die Ausnahme von Algi­ziden in der Definition der Pflanzenschutzmittel. Diese fehlte ursprünglich und ist erst mit der Neufassung der Pflanzenschutzmittel-Verordnung im Jahre 2009 hinzugekommen. Grund dafür ist die gleichzeitige Erwähnung der Algizide in der Biozid-Richtlinie, in der sie ohne weitere Erläuterungen der Produktart 2 zugeordnet werden. Um hier mehr Klarheit in der Abgrenzung zwischen Pflanzenschutzmitteln und Bioziden zu erreichen, werden bei der für 2013 geplanten Überarbeitung der Biozid-Richtlinie die Produktarten exakter definiert. Dann werden voraussichtlich Algizide in Gewässern (Swimmingpools, Teichen etc.) und zur Sanierung von Konstruktionsmaterialien der Produktart 2 zugeordnet werde, Algizide zum Schutz von Oberflächen von Materialien und Objekten (Plastik, Farben, Dichtungen etc.) der Produktart 7 und Algizide zum Schutz von Konstruktionsmaterialien der Produktart 10.

Im Gegensatz zur Algenbekämpfung ist bei der Bekämpfung von Unkräutern die Rechtslage eindeutig. Gemäß der Definition eines Pflanzenschutzmittels sind Produkte zum Vernichten von Pflanzen oder Pflanzenteilen als Pflanzenschutzmittel anzusehen. Dies gilt auch, wenn hiermit kein unmittelbarer Schutz von Pflanzen angestrebt werden soll, also beispielsweise bei der Bekämpfung von Unkräutern auf Wegen.

Bei Insektiziden fällt eine Zuordnung relativ leicht, da man oft bereits am Zielorganismus erkennen kann, welchem Bereich ein Produkt zuzuordnen ist: Mittel gegen Pflanzen zerstörende Insekten wie Blattläuse oder Raupen fallen unter die Pflanzenschutzmittel-Verordnung, Mittel gegen andere Insekten wie Mücken oder Fliegen unter die Biozid-Richtlinie.

Fazit: Auch wenn einige Biozid-Produkte durchaus wirksam gegen Unkräuter auf Wegen und Plätzen sein können, ist ihre Verwendung rechtlich nicht zulässig. Die Beseitigung von Pflanzen – hierzu gehören auch Moose – ist nur durch Pflanzenschutzmittel erlaubt. Produkte mit einer Auslobung als Herbizide, Unkrautvernichter oder Moosbekämpfer benötigen daher eine Zulassung als Pflanzenschutzmittel, damit sie verwendet werden dürfen. Eine reine Bekämpfung von Algen auf Wegen (z.B. um die Rutschgefahr zu verringern) kann mit Bioziden durch­geführt werden. Hier muss im Einzelfall entschieden werden, ob die Anwendung als biozide Anwendung anzu­sehen ist oder als eine, die der Pflanzenschutzmittel-Verordnung unterliegt (s. Beispiele in Tab. 2).

Tab. 2. Beispiele zur Abgrenzung zwischen Biozid-Produkten und Pflanzenschutzmitteln

Auslobung

 

Zuordnung

Durch seine kombinierte Ungras- und Unkrautwirkung eignet sich das Produkt als Basisherbizid. Es enthält den Wirkstoff Sulfosulfuron, welcher als wasserlösliches Granulat formuliert ist und in den Aminosäurestoffwechsel der Ungräser und Unkräuter eingreift.

 

Bei dem Produkt handelt es sich um ein Pflanzenschutzmittel. Als Verwendung ist die Vernichtung von Pflanzen vorgesehen.

Konzentrat zur Algenvernichtung in Teichen, Aquarien, Spring- und Zierbrunnen. Planktische Algen (und Blaualgen) verleihen dem Wasser oft eine grüne Farbe. Das Produkt mit Wasserstoffperoxid als Wirkstoff zersetzt sich in Wasser und Sauerstoff, dabei werden die Algen komplett aufgelöst – das Wasser wird somit wieder klar.

 

Bei dem Produkt handelt es sich um ein Biozid-Produkt der Produktart 2. Es soll als Algizid verwendet werden, im Mittelpunkt steht dabei nicht der Schutz von (Wasser-) Pflanzen sondern die Vernichtung der Algen aus rein optischen Gründen.

Das Produkt ist ein Spezialist für die Algen- und Moosentfernung, ist der zuverlässige Wirkstoff, der jede Oberfläche von Algen, Moos, Flechten und sonstigen Mikroorganismen säubert. Zudem ist der Einsatz des Mittels unbedenklich, da es zu 99% biologisch abbaubar ist und auch trotz hoher Konzentration biologisch wirkt und aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt wurde.

 

Bei dem Produkt handelt es sich um ein Pflanzenschutzmittel. Es soll zwar gegen Algen, aber auch gegen Pflanzen wie Moose eingesetzt werden. Letzteres macht ihn zu einem Pflanzenschutzmittel. Da die Verwendung auf Oberflächen dadurch von der Pflanzenschutzmittel-Verordnung erfasst wird, ist es kein Biozid.

Das Produkt ist geeignet zur Reinigung von Terrassen, Steintreppen und –Fliesen. Es bekämpft Ablagerungen, Schimmel und Bakterien, Moose, Algen und Flechten. Von der BAuA ist es als Biozid zugelassen unter der Registriernummer N–95575.

 

Bei dem Produkt handelt es sich um ein Pflanzenschutzmittel, da es gegen Pflanzen eingesetzt wird (siehe oben). Das Produkt ist entgegen der Behauptung des Herstellers nicht von der BAuA geprüft und zugelassen (die Nummer N-XXXXX ist keine Zulassungsnummer). Das Produkt ist als Biozid registriert, diese Registrierung beruht aber lediglich auf einer Selbstzuordnung des Herstellers, ohne dass sie weiter überprüft wird. Für die ausgelobte Anwendung bedarf es daher einer Zulassung als Pflanzenschutzmittel.

Algizid zur Behandlung von Wegen (speziell bei Brücken) zur Verhinderung der Rutschgefahr. Durch einfaches Auftragen werden vorhandene Algen beseitigt.

 

Bei dem Produkt handelt es sich um ein Biozid-Produkt. Es soll gegen Algen eingesetzt werden, ohne dass damit ein Schutz von Pflanzen verbunden ist. Das Produkt muss für die Produkt­art 2 registriert und mit einer entsprechenden N-Nummer versehen sein.

Weitere Informationen zur Abgrenzung oder zur Marktfähigkeit von Biozid-Produkten können Sie unter www.zulassungsstelle-biozide.de finden.


ISSN (elektronisch): 1867-0938
ISSN (print): 1867-0911
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