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Originalarbeit – Kurzmitteilung

Entwicklung von Leitlinien zum integrierten Pflanzenschutz – auch für Nichtkulturland

Development of guidelines for integrated pest management – also for non-agriculture land

Bernd Freier und Bernd Hommel
Institut
Julius Kühn-Institut (JKI) – Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen, Institut für Strategien und Folgenabschätzung, Kleinmachnow

Journal für Kulturpflanzen, 64 (6). S. 194–195, 2012, ISSN 1867-0911, DOI: 10.5073/JfK.2012.06.05, Verlag Eugen Ulmer KG, Stuttgart

Kontaktanschrift
Prof. Dr. Bernd Freier, Julius Kühn-Institut, Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen, Institut für Strategien und Folgenabschätzung, Stahnsdorfer Damm 81, 14532 Kleinmachnow, E-Mail: bernd.freier@jki.bund.de
Zur Veröffentlichung angenommen
15. Februar 2012

Leitlinien zum integrierten Pflanzenschutz

Mit der Richtlinie 2009/128/EG über einen Aktionsrahmen der Gemeinschaft für die nachhaltige Verwendung von Pestiziden wird erstmalig in Europa die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln umfassend für alle Mitgliedsstaaten geregelt. Sie muss bis zum 14.12.2011 in nationales Recht umgesetzt werden. Die Richtlinie gibt zum Beispiel vor, dass die Mitgliedsstaaten bis Ende 2012 nationale Aktions­pläne ausarbeiten (Artikel 4) und dass allgemeine Grund­sätze des integrierten Pflanzenschutzes spätestens ab 01.01.2014 umgesetzt werden müssen (Artikel 14). Diese allgemeinen Grundsätze des integrierten Pflanzenschutzes werden im Anhang III der Richtlinie dargestellt. Sie umfassen acht Punkte, die mit folgenden Stichworten beschrieben werden können:

1. Vorbeugende Maßnahmen nutzen,

2. Bestände überwachen und Schaderregerbefall ermitteln,

3. Schwellenwerte u.a. Entscheidungshilfen anwenden,

4. Nichtchemische Maßnahmen anwenden,

5. Pflanzenschutzmittel auswählen, die so spezifisch wie möglich wirken und die geringsten Nebenwirkungen haben,

6. Notwendiges Maß einhalten,

7. Resistenzmanagement durchführen,

8. Erfolg auf der Grundlage der Aufzeichnungen der Pflan­zenschutzmittel-Anwendungen überprüfen.


Da diese allgemeinen Grundsätze weitestgehend den in Deutschland geltenden Grundsätzen für die Durchführung der guten fachlichen Praxis im Pflanzenschutz (Bundesanzeiger 76a vom 21. Mai 2010) entsprechen, stellt die Umsetzung der allgemeinen Grundsätze des integrierten Pflanzenschutzes für Deutschland keine besondere Herausforderung dar. Die Anforderungen werden relativ allgemein formuliert und setzen die Machbarkeit voraus. Somit können eventuelle Defizite bei der Umsetzung der allgemeinen Grundsätze des integrierten Pflanzenschutzes nicht geahndet werden.

Im Artikel 14 der Richtlinie 2009/128/EG heißt es aber weiter, dass die Mitgliedsstaaten Anreize im Rahmen der nationalen Aktionspläne schaffen sollen, um die beruf­lichen Verwender zur freiwilligen Umsetzung von kulturpflanzen- oder sektorspezifischen Leitlinien zum inte­grier­ten Pflanzenschutz zu veranlassen. Dabei wird völlig offen gelassen, wie diese Leitlinien aussehen und wie streng sie gefasst werden sollen. Klar ist lediglich, dass sie in den nationalen Aktionsplänen verankert werden. Europäische Vorgaben zu den Leitlinien, die über die allgemeinen Grundsätze hinaus gehen, sind auch schwer zu realisieren. Die Leitlinien bauen auf dem Stand und den Erfahrungen bei der Umsetzung der guten fachlichen Praxis im Pflanzenschutz auf, und hierbei gibt es zwischen den Mitgliedsstaaten erhebliche Unterschiede. Was zum Beispiel in einem Land einer Leitlinie zugerechnet werden wird, kann in Deutschland schon lange zur guten fach­lichen Praxis gehören.

Beim Fachworkshop des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) zur aktuellen Pflanzenschutzpolitik im Juni 2009 in Potsdam wurde diskutiert, wie diese Aufgabe in Deutschland umgesetzt werden kann. Dabei gab es Übereinstimmung, nicht nur für den Sektor Ackerbau bzw. für einzelne Ackerbaukulturen, wie Zuckerrübe, Kartoffeln und Mais, für die Sektoren Feldgemüsebau, Unterglas und Obst sowie für Wein, Hopfen und andere Kulturen, sondern auch für andere Bereiche der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln, also auch für den Sektor Nichtkulturland Leitlinien zum integrierten Pflanzenschutz zu erarbeiten. Für den Sektor Nichtkulturland sind je nach Anwendungsgebieten unterschiedliche Leitlinien denkbar, z.B. für kommunale Flächen, Sportanlagen, Bahngleise und Bahnanlagen.

Es wurde zudem vorgeschlagen und im Eckpunktepapier festgehalten, dass bei der Formulierung der Leitlinien die Berufsstände die Federführung übernehmen. Die Leitlinien zum integrierten Pflanzenschutz präzisieren die allgemeinen Grundsätze des integrierten Pflanzenschutzes und können darüber hinausgehen, um z.B. dem Gewässer­schutz und der Förderung der Biodiversität ein stärkeres Gewicht zu geben. Im Rahmen des nationalen Aktionsplanes werden aber eigenständige Maßnahmen zum Gewässer- und Biodiversitätsschutz in Angriff genommen.

In Anlehnung an die allgemeinen Grundsätze des integrierten Pflanzenschutzes sind in den Leitlinien zum integrierten Pflanzenschutz, auch für den Bereich Nichtkulturland, Aussagen zu folgenden Punkten notwendig:

• Sicherstellung der Beratung und Informationen seitens der Pflanzenschutzdienste und Verbände sowie deren Nutzung durch die Personen und Unternehmen, die erstens die Pflanzenschutzmaßnahmen anordnen und zweitens den Pflanzenschutz durchführen,

• Anwendung vorbeugender Maßnahmen, insbesondere bei der Planung neuer Anlagen,

• Beobachtung und Überwachung der Flächen nach Unkräutern und Schaderregern,

• Anwendung von Schwellenwerten und anderen Entscheidungshilfen zur Optimierung von Pflanzenschutz­maßnahmen,

• Anwendung nichtchemischer Maßnahmen gegen Unkräuter und Schaderreger,

• Auswahl der Pflanzenschutzmittel,

• Begrenzung der Anwendung auf das notwendige Maß, wobei reduzierte Aufwandmengen und die Begrenzung der Maßnahmen auf Teilflächen anzustreben sind,

• Vorbeugung von Resistenzen von Unkräutern und Schaderregern gegen Pflanzenschutzmittel auf der Basis von Hinweisen der Pflanzenschutzberatung und schließlich

• Kontrolle des Erfolges der Maßnahmen auf der Grundlage der Dokumentation der durchgeführten Pflanzen­schutzmaßnahmen.

Für die freiwillige Umsetzung sind geeignete Anreize, wie z.B. eine besondere Beratung, Imagekampagnen und finanzielle Hilfen im Rahmen von Förderprogrammen, zweifel­los förderlich und zu schaffen.

Außerdem müssen Kriterien entwickelt werden, sowohl für die Leitlinien selbst als auch ihre Umsetzung in der Praxis. Das heißt, wenn z.B. ein Verband eine Leitlinie entwirft, sollte eine Arbeitsgruppe im Auftrag des BMELV auf der Basis von Kriterien prüfen, ob diese Leitlinie bestimmten Mindestanforderungen entspricht und in den nationalen Aktionsplan aufgenommen werden kann. Außerdem sind Kriterien notwendig, um die Anwendung der Leitlinie in Betrieben zu überprüfen. Denkbar ist, hierzu ein Punktesystem einzuführen, wobei eine bestimmte Anzahl Punkte notwendig ist, um die Anerkennung „Betrieb erfüllt die Kriterien der Leitlinie zum integrierten Pflanzenschutz im … “ zu erhalten.

Kürzlich wurde als erste offizielle Leitlinie die „Leit­linien des integrierten Pflanzenschutzes im Zuckerrüben­anbau“, die im Rahmen eines BMELV-Projektes erarbeitet wurde, vorgestellt (Gummert et al., 2011). Für weitere Sektoren und Kulturpflanzen liegen erste Entwürfe vor. Im Sektor Nichtkulturland laufen auch bereits einige Bemühungen Leitlinien für den integrierten Pflanzenschutz zu entwickeln, das betrifft z.B. Golfanlagen (Deutscher Golf­verband) und Bahnanlagen (Deutsche Bahn). Auch für den Sektor Stadtbegrünung wurden Vorschläge für eine Leitlinie zum integrierten Pflanzenschutz erarbeitet.

Literatur

Anonym, 2010: Grundsätze für die Durchführung der guten fachlichen Praxis im Pflanzenschutz. Bundesanzeiger 76a vom 21. Mai 2010.

Gummert, A., E. Ladewig, P. Lukashyk, B. Märländer, 2011: Leitlinien des integrierten Pflanzenschutzes im Zuckerrübenanbau. Institut für Zuckerrübenforschung an der Universität Göttingen, 1-39.


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