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Originalarbeit – Kurzmitteilung

20 Jahre Herbizidverzicht in Münster

20 years abandonment of herbicides in the city of Münster

Jürgen Staubach
Institut
Stadt Münster, Amt für Grünflächen und Umweltschutz, Münster

Journal für Kulturpflanzen, 64 (6). S. 218–220, 2012, ISSN 1867-0911, DOI: 10.5073/JfK.2012.06.10, Verlag Eugen Ulmer KG, Stuttgart

Kontaktanschrift
Dipl.-Ing. Jürgen Staubach, Stadt Münster, Amt für Grünflächen und Umweltschutz, 48127 Münster, E-Mail: StaubachJ@stadt-muenster.de
Zur Veröffentlichung angenommen
15. Februar 2012

Einleitung

Die Stadt Münster ist eine kreisfreie Stadt im Bundesland Nordrhein-Westfalen. Sie ist Oberzentrum des Münsterlandes und hat eine Gesamtfläche von 303 qkm. Hiervon werden 62% land- und forstwirtschaftlich genutzt. Der Anteil Siedlungs- und Verkehrsfläche beträgt insgesamt 26%. Die Einwohnerzahl beläuft sich auf ca. 285 000.

Die Stadt Münster ist ein Dienstleistungs- und Verwaltungsstandort mit Sitz des Verfassungsgerichtshofes und des Oberverwaltungsgerichtes, gleichzeitig aber auch Universitätsstadt mit der Westfälischen-Wilhelms-Universität und weiteren 7 Hochschulen mit insgesamt etwa 50 000 Studierenden, die das Stadtbild prägen. Münster wirbt als innovativer und starker Wirtschaftsstandort, als weltoffene und gastfreundliche Stadt der Wissenschaft und Lebensart, die aber ihren Traditionen treu geblieben ist.

Daneben verfügt Münster über 355 ha öffentliche Grünflächen, 96 ha Grünflächen an Straßen mit ca. 45 000 Straßenbäumen, 67 ha Grün an öffentlichen Gebäuden, Schulen und Kindertagesstätten, 334 Kinderspielplätze mit einer Gesamtfläche von 65 ha. Darüber hinaus gilt es 100 ha Friedhofsflächen, 50 ha Sportanlagen (von ins­gesamt 120 ha) sowie kilometerweite Rad-, Wander- und Reitwege zu unterhalten.

Trotz stark reduzierter Ressourcen bleibt es die Auf­gabe, eine ständig wachsende Anzahl von Flächen in Grünanlagen funktionstüchtig zu erhalten. Ökologische Anforderungen, steigende Umweltbelastungen und ein verändertes Freizeitverhalten sind dabei zu berücksichtigen. Die Pflege und die Unterhaltung werden in Münster sowohl nach ökologischen als auch nach ökonomischen Kriterien ausgeführt.

Einsatz von Pflanzenschutzmitteln

Bis in den 1980er Jahren war der Einsatz von Herbiziden bei der Grünflächenunterhaltung in bestimmten Bereichen ein probates Mittel. Vorwiegend wurden in den Frühjahrmonaten Totalherbizide verwendet, um ein „sauberes“ Stadtbild zu erreichen.

Die Grünflächenverwaltung setzte in Münster jedoch bereits damals chemische Unkrautbekämpfungsmittel nur sehr restriktiv ein. Bereits 1981 gab es im Rahmen einer internen Dienstanweisung strenge Regeln für die Anwendung der Herbizide im städtischen Grün. So durften an Straßen- und Uferböschungen, Brachflächen, nicht befestigten Wegerändern sowie bei Neupflanzungen im ersten Jahr keine Herbizide eingesetzt werden. Auch auf Rasenflächen wurden generell keine Unkrautbekämpfungsmittel verwendet.

Dagegen war der großflächige Einsatz von Total­herbiziden auf Pflaster- und Wegeflächen seitens der Straßenverwaltung und der Stadtreinigung gängige Praxis.

Die Bevölkerung reagierte zunehmend sensibel, ja empört auf solche Chemieeinsätze. Immer wieder gab es Meldungen über Rückstände von Pestiziden in den Gewässern.

Im Jahr 1990 beschloss der zuständige Fachausschuss des Rates für die städtischen Ämter, Gesellschaften und durch die Stadt verwaltete Stiftungen, auf den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln zu verzichten. Dieser Beschluss geht auf eine sehr hohe Sensibilität der Münsteraner Bevölkerung hinsichtlich umweltrelevanter Handlungen und nachhaltigem, schonendem Umgang mit den Ressourcen der Natur zurück.

In den Grünflächen zeigten sich in der Folge schwerpunktmäßig Probleme in den

• Verkehrsübersichtbereichen des Straßengrüns

• Blumen- und Bodendeckerflächen

• an den Rändern von Straßen und Wegen

• auf Baumscheiben

• auf gepflasterten Wege- und Platzflächen und

• speziell auf Natursteinflächen

Umdenken ist erforderlich

Mit dem Wegfall des Herbizideinsatzes wurde es erforderlich, über andere Pflegekonzepte nachzudenken, mit denen trotzdem auch weiterhin ein attraktives Stadtbild gewährleistet werden konnte.


In Münster beruht dies auf folgenden Säulen:

• „Toleranz“ gegenüber begrünten, befestigten Flächen

• Rationelle Bekämpfung der Wildkräuter/-gräser mit alternativen Verfahren auf Flächen, die „sauber“ gehalten werden sollen/müssen

• Umgestaltung bestehender Flächen

• Reduzierung der befestigten Flächen bei Neubauplanungen auf ein Mindestmaß

• Differenzierte Betrachtung der Einzelflächen/Festlegung des jeweiligen Pflegestandards

Toleranz

In Zeiten „knapper Kassen“ bedarf es dringend eines Umdenkens in der Bevölkerung. Die Bürger/-innen müssen dazu gebracht werden, mehr Toleranz gegenüber mehr „Grün“ in der Stadt aufzubringen. Nicht jede Fläche kann so unterhalten werden, dass sie vollständig „unkrautfrei“ bleibt. Gerade wenig begangene Pflasterflächen neigen zu einer Begrünung in den Randbereichen (Abb. 1).

Abb. 1. Begrünung in den Randbereichen eines Fußwegs.

Abb. 1. Begrünung in den Randbereichen eines Fußwegs.

Neue Bekämpfungsmethoden

Um diesen Entwicklungen zumindest teilweise entgegenzuwirken, setzen die städtischen Ämter sowie die Abfallwirtschaftsbetriebe seit vielen Jahren alternative Bekämpfungsmethoden ein.

Wildkrautbürsten, Infrarotgeräte sowie die Reinigung von Hand stellten bislang jedoch keine echte Alternative für einen flächendeckenden Einsatz dar. Daher hat die Stadt Münster in den letzten drei letzten Jahren neu entwickelte, Alternative Verfahren, teilweise über einen längeren Zeitraum unter Praxisbedingungen, getestet. Nur so ist es möglich, reale Zahlen über Flächenleistungen und Betriebskosten sowie technische Besonderheiten und Probleme zu bekommen. Viele Hersteller werben mit Quadratmeterpreisen, die einer Betrachtung im realen Betriebsablauf nicht standhalten.

Inzwischen hat sich die Stadt Münster für das Heißluft-Verfahren der Firma „weed control“ entschieden und plant es ab 2012 im Großflächeneinsatz anzuwenden (Abb. 2).

Abb. 2. Heißluft-Verfahren zur Unkrautbekämpfung.

Abb. 2. Heißluft-Verfahren zur Unkrautbekämpfung.

Umgestaltung bestehender Flächen

Darüber hinaus werden in Münster befestigte Flächen entsiegelt und beispielsweise als magere Schotterrasenfläche umgebaut. Hier fallen nach der normalen Entwicklungsphase kaum noch Pflegekosten an. Weiterhin besteht auch die Möglichkeit der nachhaltigen Kostensenkung und der Verbesserung des Stadtbildes durch den Umbau bisher unzureichend gepflegten Pflasters zu herkömmlichen Gebrauchsrasenflächen (Abb. 3).

Abb. 3. Entsiegelung durch Anlage einer Schotterrasenfläche.

Abb. 3. Entsiegelung durch Anlage einer Schotterrasenfläche.

Planungsfehler vermeiden

Neben dem Einsatz alternativer Bekämpfungsmethoden fließen inzwischen jedoch auch andere Ansätze bei den Planungen von Bürgersteigen, Wegen und Plätzen ein. Durch die Reduktion von Pflasterflächen mit einem hohen Fugenanteil zu Gunsten z.B. von mehr Rasenflächen ist es möglich, im Rahmen von Neu- oder Umbaumaßnahmen die Voraussetzung für optisch ansprechende und gleichzeitig kostengünstig zu pflegende Flächen zu schaffen (Abb. 4).

Abb. 4. Umbau eines Bürgersteigs zu Gunsten einer Rasenfläche.

Abb. 4. Umbau eines Bürgersteigs zu Gunsten einer Rasenfläche.

Betrachtung der Einzelflächen

Vor der Festlegung des Ressourceneinsatzes sollte zunächst eine Bewertung der unterschiedlichen Flächen vorgenommen werden. Durch die individuelle Behandlung der Flächen wird zum Einen dem unterschiedlichen Wildkraut-/Wildgraswuchs Rechnung getragen, zum Anderen können verschiedene Pflegestandards erreicht werden. Dabei spielen in jedem Fall die Lage und der damit verbundene Anspruch an die Sauberkeit sowie der bauliche Zustand die entscheidenden Rollen (Abb. 5).

Abb. 5. Spaziergänger im Park.

Abb. 5. Spaziergänger im Park.

Resümee

Die Stadt Münster verzichtet inzwischen mehr als 20 Jahre auf den Einsatz von Herbiziden. In diesem Zeitraum hat sich gezeigt, dass es auch ohne Chemie möglich ist, ein attraktives Stadtbild sicher zu stellen. Dafür sind Konzepte erforderlich, die nicht nur bei der Unterhaltung, sondern bereits bei den Planungen einsetzen. Darüber hinaus muss die Bevölkerung bereit sein, für den Verzicht Abstriche bei der „Sauberkeit“ des Straßenbildes durch Unkräuter und Ungräser hinzunehmen.


ISSN (elektronisch): 1867-0938
ISSN (print): 1867-0911
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