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Originalarbeit – Kurzmitteilung

Erfahrungen nach mehrjährigem praktischen Einsatz des Rotofix®-Systems in Berlin

Practical experience with the “Rotofix®-System” in Berlin

Peter Boas
Institut
Pflanzenschutzamt Berlin

Journal für Kulturpflanzen, 64 (6). S. 224–227, 2012, ISSN 1867-0911, DOI: 10.5073/JfK.2012.06.12, Verlag Eugen Ulmer KG, Stuttgart

Kontaktanschrift
Peter Boas, Pflanzenschutzamt Berlin, Mohriner Allee 137, 12347 Berlin, E-Mail: Peter.Boas@SenStadt.Berlin.de
Zur Veröffentlichung angenommen
15. Februar 2012

Erfahrungen mit dem Walzenstreichverfahren „Rotofix“

Die Pflege von befestigten Flächen im kommunalen und gewerblichen Bereich stellt die Eigentümer und Nutzungsberechtigten häufig vor große Probleme. Solche Flächen gehören pflanzenschutzrechtlich zum Nichtkulturland. Eine Eigenart solcher Flächen ist es, dass sie sich regel­mäßig und wiederholt selbst begrünen. Diese Spontanvegetation auf Pflasterflächen und Kleinsteinpflaster ist meist unerwünscht. Sie stellt nicht nur ein ästhetisches Problem dar, sondern kann langfristig betrachtet, den verkehrssicheren Zustand einer befestigten Fläche gefährden. Im Folgenden wird über die Verfahrensweise im Umgang mit dem Walzenstreichverfahren in Berlin berichtet.

Aufgrund der immer geringer werdenden Finanz- und Personaldecke in Unternehmen und Kommunen wird als Mittel der Wahl meist die Anwendung eines nicht selek­tiven Herbizids bevorzugt. Dem hat der Gesetzgeber bereits mit dem Gesetz zum Schutz der Kulturpflanzen – Pflanzenschutzgesetz(1) vom 15. September 1986 einen Riegel vorgeschoben. Schon dort stand in Paragraf 6: „Pflanzenschutzmittel dürfen auf Freilandflächen nur angewandt werden, soweit diese landwirtschaftlich, forstwirtschaftlich oder gärtnerisch genutzt werden. ... Die zuständige Behörde kann Ausnahmen ... genehmigen, wenn der angestrebte Zweck vordringlich ist und mit zumutbarem Aufwand auf andere Weise nicht erzielt werden kann und überwiegende öffentliche Interessen, insbesondere des Schutzes von Tier- und Pflanzenarten, nicht entgegenstehen.“ Der Grund für diese auch heute noch gültige Regel zur Anwendung von Pflanzenschutzmitteln auf Nichtkulturland ist der vorbeugende Gewässerschutz.

Im Spritzverfahren wird immer die gesamte Fläche behandelt. Der Unkrautdeckungsgrad auf befestigten Flächen beträgt jedoch oft kaum mehr als 10 Prozent der Gesamtfläche. Der Abbau eines Pflanzenschutzmittels findet nur im Boden, nicht jedoch auf befestigten (verdichteten oder (teil-)versiegelten) Flächen statt. Statt Wirkstoffabbau erfolgt hier nach Niederschlagsereignissen ein Abschwemmen des überschüssigen Pflanzenschutzmittels von der befestigten Fläche in Gullys, die Kanalisation oder Oberflächengewässer.

Aus diesem wichtigen Grund ist der Einsatz von Her­biziden im Spritzverfahren auf befestigten Flächen zur Beseitigung von unerwünschtem Bewuchs unzulässig. Andererseits gibt es jedoch zwingende Gründe, gegen diese Spontanvegetation vorzugehen. Eigentlich stehen hierzu zahlreiche mechanische und thermische Verfahren zur Verfügung. Insbesondere aus arbeitswirtschaft­lichen und finanziellen Gründen haben jedoch viele Anwender gegen alternative Verfahren Vorbehalte. Ein Argument, das immer wieder vorgebracht wird, ist, dass diese Verfahren mehrmals pro Vegetationsperiode angewandt werden müssen und trotzdem meist nicht den gewünschten Erfolg bringen, da die Verunkrautung bereits nach kurzer Zeit wieder einsetzt.

Die einzige gesetzlich mögliche Alternative mit einem nichtselektiven Herbizid auf befestigten Flächen zu arbeiten, bietet seit dem Jahr 2004 das Walzenstreichverfahren „Rotofix®“ (Abb. 1 und 2).

Abb. 1. Walzenstreichgerät Rotofix im Einsatz.

Abb. 1. Walzenstreichgerät Rotofix im Einsatz.

Abb. 2. Funktionsweise des Rotofixgeräts.

Abb. 2. Funktionsweise des Rotofixgeräts.

Hier wird durch eine speziell entwickelte Streichtechnik über eine rotierende Walze der gezielte Einsatz des Herbizides Roundup Roto® ohne Bodenkontamination ermöglicht. Das Gerät durchlief das Anerkennungsverfahren der damaligen Biologischen Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft (BBA) und ist unter der Prüfungsnummer G 1599 als Streichgerät zur Unkraut­bekämpfung auf ebenen befestigten Wegen und Plätzen anerkannt. Die Anwendung ist jedoch nur zulässig, wenn eine Ausnahmegenehmigung der zuständigen Behörden, der Pflanzenschutzdienste der Länder, vorliegt.

Das Gerät muss von Hand geschoben werden. Mit einer Arbeitsbreite von 60 cm hat es etwa die Größe eines handgeführten Rasenmähers. Das Herbizid-Wasser-Gemisch wird durch Düsen auf eine elektrisch angetriebene, gleichmäßig laufende Walze aufgetragen. Die rotierende Walze streicht über die Blätter der Pflanzen. Sie hat aufgrund der Führungsräder keinen Bodenkontakt, ist höhenverstellbar und stellt damit sicher, dass nur die unerwünschte Vegetation, jedoch nicht der Boden, getroffen wird. Das Rotofix®-Gerät ist ausschließlich für die Verwendung mit einer 10%igen Roundup Roto®-Lösung bestimmt. Andere Glyphosat haltige Herbizide können nicht empfohlen werden, da diesen Herbiziden eine sehr hohe Spülmittelmenge zugesetzt werden müsste, um eine Schaumbildung zu ermöglichen. Die herbizide Wirkung auf der behandelten Fläche ist nach 10 bis 14 Tagen sichtbar. Der Erfolg der Vegetationskontrolle ist nur dann gewährleistet, wenn die abgestorbenen Pflanzen danach zeitnah mechanisch entfernt werden. Nur durch diese Kombination ist ein Erfolg gewährleistet und das Verfahren sinnvoll.

Im Folgenden wird aus mehrjähriger Erfahrung eine Verfahrensweise vorgestellt, wie sie in Berlin praktiziert wird.


Planungsphase:

• Flächenmonitoring: Auswahl der in einer Vegetationsperiode zu behandelnden befestigten Flächen.

• Wer soll die Anwendung durchführen? Auswahl eines Dienstleisters, der neben der erforderlichen Gerätetechnik über ausreichend im Pflanzenschutz Sachkundige verfügt und das Anzeigeverfahren im Pflanzenschutz bei der Behörde durchgeführt hat.

• Rechtzeitige Beantragung einer Ausnahmegenehmigung.

• Begründung der Notwendigkeit des Einsatzes eines chemischen Verfahrens zur Vegetationskontrolle; Aufzeigen, dass bisherige alternative Verfahren nicht zum gewünschten Erfolg führten; Vorlage eines Pflegekonzeptes, zukünftige Pflegemaßnahmen.

Durchführung:

1 Allgemeine Anforderungen

• Die entsprechenden Gebrauchsanleitungen und die jeweiligen Anwendungsbestimmungen, Auflagen und Hinweise zu den Pflanzenschutzmitteln, gemäß der Zulassung des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit sind zu beachten.

• Beim Ausbringen von Pflanzenschutzmitteln sind Geräte zu verwenden, die gemäß Anlage 1 der Pflanzenschutzmittelverordnung (2) beschaffen sein müssen.

• Anwender von Pflanzenschutzmitteln müssen die persönlichen Anforderungen im Sinne des § 10 PflSchG erfüllen. Die Anwendung ist nur von im Pflanzenschutz Sachkundigen durchzuführen.

• Die Pflanzenschutzmittelanwendung ist so durchzuführen, dass Oberflächengewässer nicht, auch nicht durch Abdrift, Abschwemmungen oder durch Flächenentwässerung kontaminiert werden. Ebenso darf durch die Pflanzenschutzmittelanwendung keine Gewässerbelastung über Entwässerungseinrichtungen wie Dränagen oder Kanalisationen erfolgen. Regeneinläufe, Gossen und Rinnen, dürfen nicht direkt mit Pflanzenschutzmitteln behandelt werden.

2 Indikation

• Nichtkulturland ohne Holzgewächse.

• Genehmigungsfähig ist eine Anwendung des Verfahrens im Zeitraum Mai bis September; max. 33% Roundup Roto® (eine 10% Anwendung im Walzenstreichverfahren ist praxisüblich und wirksam) unter Zugabe von 50 ml eines Spülmittels (z.B. Palmolive Ultra®, wegen der guten und stabilen Schaumbildung).

• Anwendungstechnik: Walzenstreichgerät Rotofix® zur gezielten Einzelpflanzenbehandlung.

3 Behördliche Anordnungen

• Der Pflanzenschutzdienst ist rechtzeitig vor der geplanten Applikation der Pflanzenschutzmittel per E-Mail über die vorgesehenen Behandlungstermine und den/die Namen des/der Anwender/s zu informieren.

• Pflanzenbestände höher als 20 cm sind vor der Anwendung zu mähen. Erst nach dem Wiederaustrieb und einer Pflanzenhöhe von mindestens 5 cm, kann das Walzenstreichverfahren angewandt werden.

• Die Genehmigung gilt ausschließlich für das Walzenstreichverfahren. Die Anwendung anderer Geräte und Verfahren zur Applikation von Pflanzenschutzmitteln ist unzulässig. Über den genehmigten Antrag hinaus gehende Anwendungen sind nicht zulässig.

• Die Auffangwanne des Gerätes ist bei jedem Einsatz mitzuführen, um Reinigungsflüssigkeiten und/oder Mittelreste aufzufangen. Die Entsorgung dieser Restmengen erfolgt als Sondermüll. Um ein Aufprallen der rotierenden Walze auf den Boden zu verhindern ist die Höheneinstellung den jeweiligen Straßenverhältnissen anzupassen.

• Das Weiterarbeiten mit funktionsgestörten Geräten ist nicht zulässig.

• Das mechanische Entfernen der abgestorbenen Pflanzen ist unverzüglich, d.h. beginnend 15 Tage nach der Anwendung, durchzuführen. Dadurch wird das Wegspülen von behandelten und abgestorbenen Pflanzenteilen in die Kanalisation nach Niederschlägen sowie ein zusätzliches Humusdepot für die Wiederbesiedelung der befestigten Flächen verhindert.

• Eine Mitbehandlung von Baumscheiben und nicht versiegelten Grünstreifen ist unzulässig und stellt einen Ordnungswidrigkeitstatbestand dar.

• Flächen, die in ausgewiesenen Wasserschutzgebieten liegen, sind von einer Genehmigung grundsätzlich ausgeschlossen.

• Im Sinne der guten fachlichen Praxis ist die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln zu dokumentieren. Diese Unterlagen sind für die Dauer von zwei Jahren aufzubewahren.

• Der Widerruf der Genehmigung sowie die nachträg­liche Aufnahme, Änderung oder Ergänzung von Auf­lagen bleibt vorbehalten.

• Dem mit der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln betrauten Personal sind die im Genehmigungsbescheid enthaltenen Bestimmungen und Auflagen bekannt zu geben.

• Eine Kopie dieses Genehmigungsbescheides ist beim Anwender vor Ort bereit zu halten.

Das Walzenstreichverfahren Rotofix® kann und darf nicht als Routinemaßnahme im Rahmen der Vegetationskon­trolle auf befestigten Flächen eingesetzt werden. Es ist nicht geeignet, die regelmäßige mechanische oder thermische Reinigung von befestigten Flächen einschließlich der Beseitigung von unerwünschtem Pflanzenwuchs zu ersetzen. Vielmehr stellt es eine sinnvolle Ergänzung dar. Es sollte ausschließlich dort zum Einsatz kommen, wo befestigte Flächen in einen verkehrssicheren Zustand überführt werden sollen. Ein dauerhafter Erfolg ist nur dann gewährleistet, wenn es mit nicht chemischen Verfahren kombiniert wird.


Vorteile des Walzenstreichverfahrens:

• Einziges chemisches Verfahren, das auf abschwemmungsgefährdeten befestigten kommunalen und gewerblichen Flächen nach Genehmigung durch die zuständige Pflanzenschutzbehörde eingesetzt werden kann.

• Großflächige Einzelpflanzenbehandlung, wurzeltiefe Unkrautbeseitigung.

• Geringer Energieverbrauch, keine Geräusch- und Geruchsbelästigung.

• Herbizid gelangt nur auf die Unkräuter, jedoch nicht auf die befestigte Fläche.

• Geringe Abschwemmgefahr (Voraussetzung: funktionierende Geräte).

• Guter Behandlungserfolg bei Pflanzenhöhen von 10–15 cm.

Nachteile des Walzenstreichverfahrens:

• Anwendung ist witterungsabhängig.

• Anwendung nur durch Sachkundige im Pflanzenschutz.

• Die zu behandelnden Wegeflächen müssen weitest­gehend ebenerdig sein, ansonsten ist das Arbeits­ergebnis unbefriedigend.

• Die alleinige Anwendung des Verfahrens auf pflege­bedürftigen befestigten Wegeflächen führt nicht zum gewünschten Erfolg.

• In jedem Fall ist eine Nachreinigung der behandelten Flächen mit mechanischen Verfahren zwingend notwendig (selbst abgestorbene Pflanzen haben oftmals guten Wurzelhalt im Boden, die Beseitigung der abgestorbenen Vegetation kann sehr aufwendig sein).

• Einsatz an schwer zugänglichen Stellen auf befestigten Flächen z.B. an Geländern, Pollern, Fahrradständern, Kabelkästen ist nur bedingt möglich.

• Die Wirksamkeit des Verfahrens ist auch vom eingesetzten Spülmittel abhängig.

(1) Gesetz zum Schutz der Kulturpflanzen – Pflanzenschutzgesetz vom 15. September 1986, BGBl. I S.1505, o. V.

(2) Verordnung über Pflanzenschutzmittel und Pflanzenschutzgeräte – Pflanzenschutzmittelverordnung – in der Fassung der Bekanntmachung vom 9. März 2005 (BGBl. I S. 734), zuletzt geändert durch Artikel 3 Abschnitt 2 § 7 des Gesetzes vom 13. Dezember 2007 (BGBl. I S. 2930), o. V.


ISSN (elektronisch): 1867-0938
ISSN (print): 1867-0911
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