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Originalarbeit

Ertragsverluste durch wichtige Pilzkrankheiten in Winterweizen im Zeitraum 2003 bis 2008 – Versuchsergebnisse aus 12 deutschen Bundesländern*

Yield losses in winter wheat caused by important fungal diseases in 2003 to 2008 – results of trials of 12 German Federal Lands

Marga Jahn1, Christina Wagner1 und Jörg Sellmann2
Institut
Julius Kühn-Institut – Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen, Institut für Strategien und Folgenabschätzung, Klein­machnow1
Julius Kühn-Institut – Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen, Zentrale Datenverarbeitung, Kleinmachnow2

Journal für Kulturpflanzen, 64 (8). S. 273–285, 2012, ISSN 1867-0911, DOI: 10.5073/JfK.2012.08.01, Verlag Eugen Ulmer KG, Stuttgart

Kontaktanschrift
Jörg Sellmann, Julius Kühn-Institut – Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen, Zentrale Datenverarbeitung, Stahnsdorfer Damm 81, 14532 Kleinmachnow, E-Mail: joerg.sellmann@jki.bund.de
Zur Veröffentlichung angenommen
12. Juni 2012

Zusammenfassung

Zur Ermittlung von Ertragsverlusten im Winterweizen durch pilzliche Schaderreger wurde eine Sekundärauswertung von Parzellenversuchen der Jahre 2003 bis 2008 zur Bekämpfung der Krankheiten vorgenommen. Die Berechnung erfolgte auf der Datenbasis von insgesamt 744 Versuchen, bereitgestellt durch die Pflanzenschutzdienste 12 deutscher Bundesländer. Grunddaten zu den Ver­suchen, die Werte für die Befallsstärke der vorhandenen Krankheiten und die Erträge wurden in eine Oracle-Datenbank übertragen. Da sowohl für die Befallsdaten als auch für die Ertragsverlust-Werte keine symmetrische Verteilung vorlag, erfolgte eine Transformation mittels dekadischem Logarithmus. Auf der Grundlage dieser Werte wurde mit SAS® 9.2 das am besten geeignete quasilineare Modell bestimmt. Mit den realen Befalls­daten wurden die minimalen, mittleren und maximalen Ertragsverluste für die durch das Modell ausgewählten acht Krankheiten berechnet.

Keine der vorhandenen Krankheiten erreichte im Mittel aller Versuche und Jahre hohe mittlere Befallsstärken (> 40%) und in der Folge hohe mittlere Verluste. Erwartungsgemäß wurden die höchsten Ertragsverluste durch Septoria-Blattdürre (Mycosphaerella graminicola) verursacht; der mittlere Ertragsverlust durch diese Krankheit lag bei 7 dt ha–1. Außer Septoria-Blattdürre trat der Braunrost (Puccinia triticina) in allen Bundesländern auf und war die im Auftreten sowie im Ertragsverlust zweitwichtigste Krankheit. Der mittlere Ertragsverlust von lediglich 2,5 dt ha–1 war geringer als erwartet. Echter Mehltau (Blumeria graminis f. sp. tritici) und Pyreno­phora-Blattdürre (Pyrenophora tritici-repentis) als wei­tere wichtige Blattkrankheiten hatten nur geringe mitt­lere Ertragsverluste von weniger als 2 dt ha–1 zur Folge. Für die in lediglich 10 Versuchen vorhandene Stagonospora-Blattbräune (Phaeosphaeria nodorum) wurde nahezu keine Ertragswirksamkeit ermittelt.

Von den Fuß- und Ährenkrankheiten verblieb jeweils eine Krankheit, Halmbruch (Oculimacula spp.) und Ährenfusarium, im Modell. Die Ertragsverluste durch beide Krankheiten waren gering. Die im letzten Jahrzehnt eher geringe Bedeutung der Fußkrankheiten wurde bestätigt. Gleiches gilt für Ährenkrankheiten, jedoch nicht für Fusarium spp. in Bezug auf die Beeinflussung der Qualität des Erntegutes, die hier nicht betrachtet wurde.

Stichwörter: Winterweizen, Parzellenfeldversuche, Sekundärauswertung, Pilzkrankheiten, Ertragsverluste der Jahre 2003 bis 2008

Abstract

A secondary evaluation of field plot trials for disease control in the years from 2003 to 2008 has been made to determine yield losses in winter wheat caused by fungal diseases. The calculation based on data gained in a total of 744 trials and had been submitted from plant protection services of 12 German Federal Lands. Fundamental data on the trials, the severity of the diseases occurring as well as the yields were transferred into an Oracle database. For the fact that neither infestation data nor those about yield losses were evenly distributed, the trans­formation was executed by a decimal logarithm. Based on the data gained, the best-suited quasilinear model was determined by SAS 9.2. The real infestation data helped calculate the lowest, average, and highest yield losses for the eight diseases selected according to the model.

On average, none of the diseases reached high average severities (> 40%) over all trials and years and consequently, high average yield losses. As expected, the highest yield losses were caused by Septoria Leaf Blotch (Mycosphaerella graminicola); the average yield loss amounted to 7 dt ha–1. Besides Septoria Leaf Blotch, Brown Rust (Puccinia triticina) also occurred in all German Federal Lands and turned out to be second important in both occurrence and yield loss. An average yield loss of only 2.5 dt ha–1 came as a surprise. Powdery Mildew (Blumeria graminis f. sp. tritici) and Tan Spot (Pyrenophora tritici-repentis) being other major leaf diseases caused low average yield losses of less than 2 dt ha–1. Stagonospora Leaf Blotch (Phaeosphaeria nodorum), which could be found in as few as 10 of the trials, had nearly no effect on the yield loss.

One of the foot and ear diseases each, Eyespot (Oculimacula spp.) and Fusarium Ear Blight, remained in the model. Yield losses caused by both diseases were low. The significance of foot diseases, which have been considered to be comparatively low over the past 10 years, was confirmed. The same applies to ear diseases, how­ever, not to Fusarium spp. as far as the quality of har­vested grains is concerned, which is not considered here.

Key words: Winter wheat, field plot trials, secondary evaluation, fungal diseases, yield losses between 2003 and 2008

1 Einleitung

Der globale Weizenbedarf wird für das Jahr 2020 auf eine Milliarde Tonnen geschätzt, gegenwärtig werden ca. 600 Millionen Tonnen produziert. Vor diesem Hintergrund ist nicht nur eine Steigerung der Erträge, sondern insbesondere auch die Minimierung der Verluste essen­tiell. In einer Abschätzung der Ertragsverluste durch die wichtigsten Schadorganismengruppen – Unkräuter, Krankheiten und Schädlinge – und der Reduzierung der Ver­luste durch den Pflanzenschutz stellten Oerke und Dehne (2004) fest, dass im Weizenanbau Westeuropas im Zeitraum 1996–1998 die Verluste durch Krankheiten 16% (ohne Pflanzenschutz) betrugen und auf 6% (aktueller Pflanzenschutz) reduziert werden konnten. Für Deutschland gaben von Witzke und Noleppa (2011) einen Winterweizenertrag ohne Fungizidanwendung von 80,4 dt ha–1, nach Fungizidanwendung von 90,1 dt ha–1 (12% Mehrertrag) an. In den Jahren 2002 bis 2004 wurde deutschlandweit ein Krankheitsmonitoring einschließlich der Ertragsrelevanz und einer unterschiedlichen Intensität der Fungizidanwendung in Winterweizen durchgeführt (Müller, 2005). Die Ertragsverlust mindernde Wirkung einer Fungizidanwendung lag in Abhängigkeit von der Reduzierung pathogen bedingter Blattnekrosen im Bereich von 0 bis 27 dt ha–1.

Aktuelle deutschlandweite Daten über jährliche Ertragsverluste durch die wichtigen Weizenkrankheiten stehen nicht zur Verfügung. Der Anteil der einzelnen Krankheiten an der Ertragsreduzierung hängt von vielen Faktoren ab. Zu den wichtigsten zählen die regionale Gefährdung durch die Krankheit, der jahresbezogene Infektionsdruck, die Anbaubedingungen (Fruchtfolge, Bodenbearbeitung u.a.) und die Resistenzeigenschaften der Sorten. Zum Beispiel wurden die Ertragsverluste durch den weltweit verbreiteten Braunrost des Weizens (Puccinia recondita Rob. ex Desm. f. sp. tritici) in Europa auf 10% geschätzt (Manninger, 1992), wobei eine Spannweite von Null bis > 40% angegeben werden kann (Hartleb et al., 1995). Durch Septoria-Blattdürre (Mycosphaerella graminicola, Syn. Septoria tritici) wurden bei starkem Befall Ertragsverluste bis 30% festgestellt; bei 10% Befallsstärke auf dem Fahnenblatt (F) und dem F-1 im Milchreife­stadium ist mit etwa 7% zu rechnen (Obst und Gehring, 2002).

Die Bestimmung der Ertragsverluste durch einzelne Krankheiten bedarf in der Regel einer exakten Versuchsanstellung. In dieser Arbeit wurde anhand von veröffentlichten Ergebnissen aus Parzellenfeldversuchen der Bundesländer eine Berechnung der – ausschließlich quan­titativen – Ertragsverluste bei Winterweizen, verursacht durch die wichtigen Pilzkrankheiten, vorgenommen. Ein Modell wurde entwickelt, mit dem der Einfluss der einzelnen Krankheiten auf die Ertragsverluste beschrieben werden kann.

2 Material und Methoden

2.1 Daten und Datenerfassung

Auf der Grundlage der in den jährlichen Versuchsberichten dokumentierten Versuche zum Pflanzenschutz im Ackerbau der Bundesländer Baden-Württemberg (BW), Bayern (BY), Hessen (HE), Rheinland-Pfalz (RP), Sachsen (SN), Sachsen-Anhalt (ST), Schleswig-Holstein (SH), Thüringen (TH), jeweils in den Erntejahren 2003–2008, Brandenburg (BB), Mecklenburg-Vorpommern (MV) und Nordrhein-Westfalen (NW) in den Erntejahren 2004–2008 sowie Niedersachsen (NI, 2003–2007) wurde eine Datenbank erstellt. Versuche zur Wirksamkeit von Fungiziden gegen Fuß- und Blattkrankheiten, Strategieversuche zur Fungizidanwendung sowie einige spezielle Versuche, zB. zur Optimierung der Fusarium-Bekämpfung, konnten in die Auswertung einbezogen werden. In den insgesamt 744 erfassten Versuchen wurden ausschließlich die Krankheiten als Variable untersucht, alle weiteren Faktoren waren konstant.

Die Anzahl der von den Bundesländern bereitgestellten Versuche sowie die Häufigkeit des Auftretens der Krankheiten in den Versuchen sind in Tab. 1 dokumentiert. Für die Bezeichnung der Krankheiten wurde in den Tabellen und Abbildungen aus Gründen der Übersichtlichkeit der EPPO-Code verwendet; die Krankheiten an der Ähre sind mit „_RA“ gekennzeichnet.

Tab. 1. Häufigkeit des Auftretens der Krankheiten in Winterweizen in den einbezogenen Versuchen der Bundesländer (2003 bis 2008)

Bundesländer

 

BW

BY

BB

HE

MV

NI

NW

RP

SN

ST

SH

TH

 

Anzahl Versuche

 

82

35

22

20

88

136

30

48

65

81

98

39

Σ 744

Krankheit

Wissenschaftliche Bezeichnung (in Klammern Synonyme)

EPPO-Code

Häufigkeit des Auftretens

Halmbruchkrankheit

Oculimacula acuformis, O. yallundae

PSDCHE

1

34

7

0

18

10

0

2

33

4

27

7

143

Scharfer Augenfleck

Ceratobasidium cereale (Rhizoctonia cerealis)

RHIZCE

0

0

0

2

7

0

0

0

7

0

1

3

20

Schwarzbeinigkeit

Gaeumannomyces graminis var. tritici

GAEUGT

0

0

0

0

0

0

0

0

11

0

0

1

12

Fusarium-
Fußkrankheit

Fusarium spp.

FUSASP

0

0

0

0

9

0

0

0

29

0

0

0

38

Septoria-
Blattdürre

Mycosphaerella graminicola (Septoria tritici)

SEPTTR

43

28

9

18

42

118

26

39

11

61

77

29

501

Stagonospora-
Blattbräune

Phaeosphaeria nodorum (Septoria nodorum)

LEPTNO

1

4

1

0

0

2

0

0

0

0

0

2

10

Septoria spp.*

 

SEPTSP

37

0

9

0

15

0

0

1

43

5

2

8

120

Pyrenophora-
Blattdürre

Pyrenophora tritici-repentis (Drechslera tritici-repentis)

PYRNTR

32

9

1

2

0

28

7

9

3

15

3

23

132

Braunrost

Puccinia triticina

PUCCRT

30

11

4

13

13

50

19

33

21

49

20

12

275

Gelbrost

Puccinia striiformis

PUCCSI

0

0

0

2

0

2

1

0

0

2

4

3

14

Schwarzrost

Puccinia graminis f. sp. tritici

PUCCGT

2

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

2

Echter Mehltau

Blumeria graminis f. sp. tritici

ERYSGT

13

2

0

3

59

47

5

11

20

14

30

6

214

Ährenfusarium

Fusarium spp.

FUSASP_RA

25

15

2

0

0

12

0

2

9

19

4

13

101

Stagonospora-
Spelzenbräune

Phaeosphaeria nodorum (Septoria nodorum)

LEPTNO_RA

15

0

0

3

0

0

0

0

4

0

0

1

23

Ährenmehltau

Blumeria graminis f. sp. tritici

ERYSGT_RA

2

0

0

0

0

4

0

0

0

0

6

1

13

* Septoria-Blattdürre und/oder Stagonospora-Blattbräune

Die geografische Lage der Versuche ist in Abb. 1 dargestellt. 96 Standorte werden durch jeweils einen Versuch, 39 Standorte durch jeweils zwei Versuche repräsentiert. Für eine bessere Übersicht wurden die im Bereich von drei bis 24 liegenden Versuche an den jeweiligen Standorten in Gruppen zusammengefasst. Von neun Standorten (Abb. 1 ab Zahl 13) wurden insgesamt 204 Versuche einbezogen, Bernburg/Strenzfeld (Sachsen-Anhalt, 41) und Birkenmoor (Schleswig-Holstein, 29) werden durch die größte Anzahl Versuche repräsentiert. Für die regionale Zuordnung, die für die Interpretation der Befalls- und Ertragsdaten wichtig ist, wurden die von Rossberg et al., 2007 gebildeten Boden-Klima-Räume (BKR) zugrunde gelegt (Tab. 2). Aus Tab. 2 geht auch hervor, dass für 13 BKR zwischen 10 und 20, für 10 BKR mehr als 20 Ver­suche zur Verfügung standen, so dass davon auszugehen war, dass regionale Verzerrungen nicht bestehen.

Abb. 1. Standorte der Versuche der Bundesländer (Hintergrund: Boden-Klima-Räume nach Rossberg et al., 2007).

Abb. 1. Standorte der Versuche der Bundesländer (Hintergrund: Boden-Klima-Räume nach Rossberg et al., 2007).

Tab. 2. Boden-Klima-Räume der Versuchsstandorte

BKR-Nummer

BKR-Bezeichnung

Anzahl Versuche

101

mittlere diluviale Böden MV und Uckermark

41

102

sandige diluviale Böden des nordostdeutschen Binnentieflandes

6

104

trocken-warme diluviale Böden des ostdeutschen Tieflandes

15

106

Oderbruch

7

107

Lößböden in der Ackerebene (Ost)

100

108

Lößböden in den Übergangslagen (Ost)

43

109

diluviale Böden der Altmark und Überlappung nördliches Niedersachsen

7

111

Verwitterungsböden in den Übergangslagen (Ost)

26

112

Verwitterungsböden in den Höhenlagen (östliches Bayern)

1

113

Nordwestbayern-Franken

13

114

Albflächen und Ostbayerisches Hügelland

9

115

Tertiär-Hügelland Donau-Süd

25

116

Gäu, Donau- und Inntal

11

120

Hochrhein-Bodensee

1

121

Rheinebene und Nebentäler

47

122

Schwäbische Alb, Baar

11

123

Oberes Gäu und körnermaisfähige Übergangslagen

13

127

Mittellagen Rheinland-Pfalz und Saarland

18

128

Hunsrück, Westerwald

7

129

sandiger Lehm/Eifel/Höhenlagen

1

132

Osthessische Mittelgebirgslagen

2

133

Zentralhessische Ackerbaugebiete

14

134

Höhenlagen West

12

141

Lößböden/Köln-Aachener Bucht/Niederungslagen

4

142

Lehmböden/oberer Mittelrhein, Niederrhein, südliches Münsterland/Niederungslagen

17

143

Lehmböden/Ost-Westfalen, Haarstrang, Bergisches Land, Voreifel/Übergangslagen

5

145

Lehmböden/Südhannover

69

146

sandige Böden/Lüneburger Heide, nördliches NRW

14

147

leichtere Lehmböden/mittleres Niedersachsen, nordöstliches NRW

7

148

Sandböden/südwestliches Weser-Ems-Gebiet, nördliches Münsterland/Niederungslagen

1

150

nordwestliches Weser-Ems-Gebiet/sandige Böden

20

151

Elbe-Weser-Dreieck/sandige Böden

4

152

Niedersächsische Küsten- und Elbmarsch

43

153

Geest – Süd

13

154

südliches schleswig-holsteinisches Hügelland

33

155

Marsch – Nord

10

156

Geest – Nord

6

157

nördliches schleswig-holsteinisches Hügelland

8

158

Nordwest-Mecklenburg/Rügen/Südost-Holstein

47

195

Erzgebirge

5

198

Schwarzwald

8

Aus den Versuchsberichten wurden Grunddaten zum Versuch (Jahr, Ort, Sorte), der Befall mit den vorhandenen Krankheiten, der Ertrag in dt ha–1 sowie, wenn angegeben, der Anteil grüner Blattfläche (bei der Endbonitur) und das Tausendkorngewicht übernommen. Diese Werte und die allgemeinen Daten wurden in MS Excel zusammengestellt (Beispiel in Abb. 2) und in eine Oracle-Daten­bank übertragen. Alle in mindestens einem Versuch vorhandenen Fuß-, Blatt- und Ährenkrankheiten sind – in dieser Reihenfolge – in der Datenbank enthalten.

Abb. 2. Beispiel für die Datenerfassung.

Abb. 2. Beispiel für die Datenerfassung.

Bei den Blattkrankheiten wurde von mehreren vorhandenen der letztmögliche, für die Befallseinschätzung als repräsentativ anzusehende Boniturtermin erfasst. In der Mehrzahl der Versuche lag dieser in der letzten Juni-/ersten Julidekade. In den Bundesländern mit einer kürzeren Vegetationszeit, überwiegend im Osten Deutschlands, erfolgte die „Endbonitur“ auch bereits in der zweiten Junidekade. Die Pflanzenentwicklung erreichte in diesem Zeitraum BBCH 69 bis 85. In nur wenigen Ausnahmefällen musste auf die Befallseinschätzung bereits vor der Blüte, in BBCH 59, zurückgegangen werden.

Die Befalls- und Ertragsdaten sind Mittelwerte aus in der Regel vier Wiederholungen je Variante.

Die auf den oberen Blättern – Fahnenblatt (F) bis F-2 – ermittelte Befallsstärke wurde übernommen; Versuche, bei denen nur Werte für das F-3 oder darunter liegende Blattetagen vorhanden waren, wurden nicht berücksichtigt. Die Kenntnis der Befallsstärke, die den prozentualen Anteil der erkrankten Blattfläche bzw. des befallenen Pflanzengewebes dokumentiert, ist für die Einschätzung der Wirkung von Bekämpfungsmaßnahmen, insbesondere gegen Blattkrankheiten, essentiell. Versuche, in denen nur die Befallshäufigkeit, d.h. der Anteil erkrankter Pflanzen in der Stichprobe, ermittelt wurde, konnten nicht einbezogen werden.

Grundsätzliche Vorgehensweise war es, die Blattetage F-1 zu erfassen. Die Befallsstärke auf dieser Blattetage erwies sich in langjährigen Untersuchungen in der Mehrzahl der Versuche bei der „Endbonitur“ als am repräsentativsten für Aussagen zur Bewertung des Auftretens der Blattkrankheiten (Jahn et al., 2010). In mehr als 50% der Versuche konnte die Befallsstärke auf dem F-1 erfasst, in ca. 12% musste das Fahnenblatt einbezogen werden. In weiteren insgesamt nahezu 30% der Versuche waren Mittelwerte für die oberen zwei oder drei Blätter oder die „ganze Pflanze“, die bei der fortgeschrittenen Pflanzenentwicklung mit hoher Wahrscheinlichkeit den oberen zwei oder drei Blättern entsprach, angegeben. Etwa 5% der Versuchsprotokolle enthielten keine Angaben zu berücksichtigten Blattetagen.

Eine Krankheit wurde nicht berücksichtigt, wenn die Befallsstärke bereits in der Kontrolle geringer war als 0,3%. Dieser Grenzwert wurde in Anlehnung an Moll et al. (2010) angewendet.

In die Bewertung der Fußkrankheiten wurden die Versuche einbezogen, bei denen der Befallswert („Bockmann-Wert“) angegeben war oder auf der Grundlage der vorhandenen Befallsklassen-Werte berechnet werden konnte. Der Befallswert nach Bockmann (Anonym, 1986) ist ein Maß, das sowohl den Anteil befallener Halme als auch die Befallsstärke ausdrückt.

Für die Ährenkrankheiten Echter Mehltau und Stagonospora-Spelzenbräune wurde ebenfalls die Befalls­stärke in Prozent, d.h. befallene Ährenfläche bezogen auf die Gesamtfläche der bonitierten Ähren, erfasst. Bei Ährenfusariosen dagegen wurde die Befallshäufigkeit, d.h. der Prozentsatz befallener Ähren, als der geeignetere Wert für die Befallseinschätzung verwendet. In der Regel wurde bei dieser Krankheit der Prozentsatz der befallenen Ährenfläche nur der befallenen Ähren ermittelt, so dass die Verwendung dieser Befallsstärke in einigen Versuchen einen unverhältnismäßig hohen Wert für das Auftreten der Krankheit bedeutet hätte (Beispiel: 4,9% Befallshäufigkeit, aber 41% befallene Ährenfläche).

In der folgenden Beschreibung des Krankheitsauftretens wird vereinfachend der Begriff „Befall“ verwendet.

2.2 Befall

Die realen Werte für den Befall sind zunächst in Form von Boxplots dargestellt (Abb. 3). Von den Blattkrankheiten traten Septoria-Blattdürre, Septoria spp. (Septoria-Blattdürre oder Stagonospora-Blattbräune) und Braunrost am stärksten auf; in eine zweite Gruppe sind Echter Mehl­tau und Pyrenophora-Blattdürre einzuordnen. Auch für die Halm­bruchkrankheit, Fusarium spp. (sowohl Fuß- als auch Ährenkrankheit) sowie Stagonospora-Spelzenbräune wurde erheblicher Befall dokumentiert. Auffallend ist, dass bei den genannten Blattkrankheiten Extrem­werte von mehr als 80% Befall vorhanden sind und dadurch Mittelwert und Median stark voneinander abweichen. Um die erhebliche Schiefe in der Verteilung der Werte zu reduzieren, wurde der Befall mittels dekadischem Logarithmus transformiert.

Abb. 3. Befall mit Krankheiten im Mittel der Jahre 2003 bis 2008 (Box: Bereich der mittleren 50% der Daten, begrenzt durch oberes und unteres Quartil; durchgehender Strich in der Box: Median; +: Mittelwert).

Abb. 3. Befall mit Krankheiten im Mittel der Jahre 2003 bis 2008 (Box: Bereich der mittleren 50% der Daten, begrenzt durch oberes und unteres Quartil; durchgehender Strich in der Box: Median; +: Mittelwert).

2.3 Ertragsdifferenzen

Für das Ziel der Arbeit, die Ertragsverluste durch die Krankheiten zu bestimmen, erfolgte im ersten Schritt die Berechnung der Ertragsdifferenzen in den Versuchen. Da der im jeweiligen Versuch zu erzielende (Maximal-)Ertrag nicht bekannt war, wurde der für jeden Versuch höchste ausgewiesene Ertrag, unabhängig vom Befall, als tatsächlich zu erzielender Ertrag angenommen und für alle anderen Varianten die Differenz zu diesem Ertrag gebildet. Durch den Ansatz des maximalen Ertrags je Versuch als Ausgangspunkt der Differenzbildung waren genau 744 von 8070 Datenzeilen mit dem Ertragsverlust = 0 vorhanden. Um diese Null nicht zu modellieren, wurden für die Ermittlung der abschließenden Modellgleichung diese Daten nicht mit berücksichtigt.

Im abgebildeten Beispiel (Abb. 4) lag der höchste Ertrag bei 56,7 dt ha–1 in Variante 6. Für alle Varianten bzw. Prüfglieder (Zeilen 1–5 und 7–15) wurde die Differenz zu 56,7 berechnet und als Ertragsdifferenz gespeichert.

Abb. 4. Ertragsdifferenz-Bildung (Versuch mit 15 Varianten).

Abb. 4. Ertragsdifferenz-Bildung (Versuch mit 15 Varianten).

Eine Darstellung der auf die einzelnen Krankheiten bezo­genen Ertragsdifferenzen in Form von Boxplots konnte nicht erfolgen, da die Verluste in der Mehrheit der Versuche nicht durch nur eine Krankheit allein verursacht wurden (siehe Abb. 2); folglich kann eine solche Darstellung die realen Verhältnisse nicht widerspiegeln.

Die so gebildeten Ertragsdifferenzen sind im Histogramm (Abb. 5a) dargestellt. Die Häufigkeitsdichte macht deutlich, dass ebenfalls keine symmetrische Verteilung der Werte vorliegt. Mehr als 25% der ermittelten Differenzen liegen im Bereich von 2 dt ha–1, etwa 5% bei 10 dt ha–1. Die Ertragsdifferenzen in den Klassen ≥ 20 dt ha–1 liegen unter 1%. Um diese schiefe in eine symmetrische Verteilung zu wandeln, wurde auch für die Ertragsdifferenz der dekadische Logarithmus für das zu erstellende Modell verwendet (Abb. 5b).

Abb. 5. Ertragsdifferenz im Mittel der Jahre 2003 bis 2008: a) real, b) logarithmiert.

Abb. 5. Ertragsdifferenz im Mittel der Jahre 2003 bis 2008: a) real, b) logarithmiert.

2.4 Regressionsmodell

Unter der Annahme, dass ein quasilinearer Zusammenhang zwischen Befall und Ertrag besteht, wurde die SAS-Prozedur REG angewendet. Zuerst war die Frage zu klären, welche Krankheiten zu berücksichtigen sind. Alle Krankheiten wurden einbezogen, für die ≥ 10 Versuche vorhanden waren, folglich wurde der Schwarzrost (siehe Tab. 1) nicht berücksichtigt.

Bei dem Modellwahlverfahren der SAS-Prozedur REG werden alle möglichen Kombinationen der Krankheiten miteinander verglichen. Das bedeutet, es werden alle Modelle mit nur einer Krankheit, alle Kombinationen mit zwei Krankheiten usw. bis zum gesättigten Modell – mit allen Krankheiten – berechnet. Mit dem Bestimmtheitsmaß r2 als Maßstab würde immer das gesättigte Modell (alle Krankheiten enthaltend) als das Beste bewertet werden. Das AIC-Kriterium (AIC = Akaike information criterion; Akaike, 1973) dagegen berücksichtigt die Anzahl der geschätzten Parameter, d.h. die Anzahl der im Modell enthaltenen Krankheiten, und ist daher für die Auswahl des Modells heranzuziehen. Die Krankheiten, die keinen wesentlichen Beitrag zur Verbesserung der Güte des Regressionsmodells liefern, werden aus dem Modell entfernt.

Die mittels SAS® 9.2 durchgeführte multiple quasilineare Regression (Abb. 6) führte nach dem Modellwahlverfahren auf der Basis des AIC-Kriteriums zum Ausschluss weiterer Krankheiten (RHIZCE, GAEUGT, FUSASP, PUCCSI, LEPTNO_RA, ERYSGT_RA) aus dem Modell und unter der Kenntnis, dass Ertragsverlust = – Ertragsdifferenz ist, zu folgender Gleichung:

Abb. 6. SAS-Output der multiplen quasilinearen Regression.

Abb. 6. SAS-Output der multiplen quasilinearen Regression.


Log(1 + Ertragsverlust) [dt ha–1] =

0,32  *  log(1 + PSDCHE) +

0,52  *  log(1 + SEPTTR) +

0,48  *  log(1 + SEPTSP) +

0,20  *  log(1 + LEPTNO) +

0,27  *  log(1 + PYRNTR) +

0,42  *  log(1 + PUCCRT) +

0,39  *  log(1 + ERYSGT) +

0,26  *  log(1 + FUSASP_RA)

3 Ergebnisse

Zu einer ersten Einschätzung der Güte des Modells wurden die realen Ertragsverluste in den unbehandelten Kontrollen mit den im Modell berechneten verglichen (Tab. 3). Im Mittel der Verluste und Jahre zeigt sich eine leichte Unterschätzung der realen Verluste, die mit hoher Wahrscheinlichkeit insbesondere darauf zurückzuführen ist, dass im Modell nicht alle Krankheiten enthalten sind (vgl. Tab. 1 und Abb. 6).

Tab. 3. Vergleich der realen mit den im Modell errechneten Ertragsverlusten [dt ha–1]

Jahr

Verlust (real in den Versuchen)

Verlust (berechnet nach Modell)

2003

10,4

12,8

2004

16,4

13,1

2005

13,9

10,2

2006

10,9

10,6

2007

15,7

16,4

2008

10,7

8,3

Ø

13,0

11,9

Mit der unter 2.4 dargestellten Gleichung wurden im nächsten Schritt mit den realen Befallswerten der acht im Modell verbliebenen Krankheiten die minimalen, mittleren und maximalen Ertragsverluste berechnet (Tab. 4).

Tab. 4. Anteil der pilzlichen Schaderreger an den Ertragsverlusten in Winterweizen in Deutschland im Mittel der Jahre 2003 bis 2008

Krankheit

Befall [%]

 

Ertragsverlust [dt ha–1]

  

Min

Mittel

Max

 

Min

Mittel

Max

PSDCHE

Halmbruchkrankheit

0,5

25,8

67

 

0,1

1,9

2,9

SEPTTR

Septoria-Blattdürre

0,4

27,9

100

 

0,2

4,8

10,2

LEPTNO

Stagonospora-Blattbräune

0,6

3,9

10

 

0,1

0,4

0,6

SEPTSP

Septoria-Blattdürre oder Stagonospora-Blattbräune

0,5

20,1

100

 

0,2

3,3

8,2

PYRNTR

Pyrenophora-Blattdürre

0,4

11,4

95

 

0,1

1,0

2,5

PUCCRT

Braunrost

0,3

19,2

100

 

0,1

2,5

6,0

ERYSGT

Echter Mehltau

0,3

9,3

83

 

0,1

1,5

4,7

FUSASP_RA

Ährenfusarium

0,3

8,4

58

 

0,1

0,8

1,9

Zunächst ist festzustellen, dass keine der vorhandenen Krankheiten im Mittel der Versuche und Jahre einen hohen mittleren Befall (> 40%) verursachte. Der Befall war mittel bis schwach (Wertung des Befalls entsprechend Moll et al., 2009), so dass hohe mittlere Verluste nicht zu erwarten waren.

Die höchsten Ertragsverluste wurden erwartungsgemäß durch Septoria-Blattdürre verursacht. Mit Ausnahme von Sachsen war dies die in allen Bundesländern am häufigsten auftretende Krankheit (siehe Tab. 1). Hinzu kommt, dass der überwiegende Teil des als Septoria spp. bewerteten Befalls dieser Krankheit zuzuordnen ist. So wurde z.B. in den Versuchsprotokollen Sachsens in einer Reihe von Versuchen ein Anteil von 80% explizit genannt. Unter der berechtigten Annahme, dass etwa zwei Drittel des Befalls und folglich des Verlustes durch Septoria spp. als Septoria-Blattdürre betrachtet werden können bzw. auf diese zurückzuführen sind, ergibt sich für Septoria-Blattdürre ein mittlerer Ertragsverlust von 7 dt ha–1.

Braunrost, der neben Septoria-Blattdürre in allen Bundesländern vorhanden war, war die sowohl in der Häufigkeit des Auftretens als auch im Ertragsverlust zweitwichtigste Krankheit. Der jedoch geringe mittlere Ertrags­verlust von 2,5 dt ha–1 ist Ausdruck dafür, dass Braunrost in den meisten der sechs Jahre nicht epidemisch auftrat. Echter Mehltau und Pyrenophora-Blattdürre als weitere wichtige Blattkrankheiten hatten im Erhebungszeitraum nur geringe mittlere Ertragsverluste von weniger als 2 dt ha–1 zur Folge. Stagonospora-Blattbräune war nahezu nicht ertragswirksam. In den lediglich 10 vorhandenen Versuchen, in denen diese Krankheit bestimmt wurde, lag der mittlere Befall unter 4%.

Von den Fuß- und Ährenkrankheiten verblieb jeweils eine Krankheit im Modell (SAS-Output Abb. 6). Die Halm­bruchkrankheit war in den meisten Bundesländern vorhanden und wurde durch das Modell nicht eliminiert. Obwohl sie zu den Krankheiten mit höherem Befall gehörte (Tab. 4), waren die Ertragsverluste gering. Die durch Ähren­fusarium verursachten, ebenfalls als gering einzustufenden Ertragsverluste sind hinsichtlich der Bewertung dieser Erregergruppe nicht mit den Blattkrankheiten vergleichbar; die Hauptschadwirkung der wichtigsten Fusarium-Arten liegt in der hier nicht betrachteten Reduzierung der Qualität des Erntegutes.

Die Ertragsrelevanz der Krankheiten bezogen auf die einzelnen Jahre des Erhebungszeitraums ist in Tab. 5 dargestellt. Eine Differenzierung zwischen den Jahren war vorhanden, jedoch in geringerem Maße als erwartet. Ein in einem Versuchsjahr im Vergleich zu allen weiteren Jahren deutlich höherer Befall und Ertragsverlust wurde 2004 für Septoria-Blattdürre und 2007 für Braunrost doku­mentiert. Im Jahr 2008 waren Befall und Ertragsverlust am geringsten. Das Jahr mit dem insgesamt höchsten Befall und Ertragsverlust war 2007.

Tab. 5. Berechnete mittlere Ertragsverluste durch die Krankheiten in den Jahren 2003 bis 2008

Jahr

2003

 

2004

 

2005

 

2006

 

2007

 

2008

Krankheit

Befall
Mittel
[%]

Ertragsverlust
[dt ha–1]

 

Befall
Mittel
[%]

Ertragsverlust
[dt ha–1]

 

Befall
Mittel
[%]

Ertragsverlust
[dt ha–1]

 

Befall
Mittel
[%]

Ertragsverlust
[dt ha–1]

 

Befall
Mittel
[%]

Ertragsverlust
[dt ha–1]

 

Befall
Mittel
[%]

Ertrags verlust
[dt ha–1]

PSDCHE

17,2

1,3

 

29,7

1,9

 

31,9

2,0

 

24,3

1,7

 

28

1,9

 

23,6

1,7

SEPTTR

18,8

3,4

 

38,3

5,3

 

28,9

4,5

 

22,2

3,8

 

27,6

4,2

 

18,9

3,2

LEPTNO

5,2

0,4

 

3,3

0,3

 

3,7

0,3

 

 

 

SEPTSP

15,5

2,4

 

23,1

3,3

 

24,9

3,2

 

20,4

2,5

 

23,3

3,1

 

10,2

1,9

PYRNTR

15,8

1,0

 

12,8

0,8

 

14,6

0,9

 

7,9

0,7

 

8,3

0,7

 

6,1

0,6

PUCCRT

12,5

1,6

 

2,3

0,6

 

7,4

1,3

 

14,6

1,7

 

28,4

2,7

 

13,7

1,6

ERYSGT

10,4

1,3

 

7,0

1,1

 

12,9

1,4

 

9,3

1,3

 

8,6

1,3

 

6,8

1,1

FUSASP_RA

8,1

0,6

 

7,1

0,6

 

10,0

0,7

 

10,5

0,8

 

6,4

0,6

 

13,9

0,8

Für insgesamt 41 (Tab. 2) und somit die meisten Boden-Klima-Räume lagen Versuchsergebnisse vor, so dass Ertragsverluste berechnet werden konnten (Tab. 6). Nur durch Septoria-Blattdürre wurde in insgesamt 15 BKR ein berechneter mittlerer Ertragsverlust von ≥ 5 dt ha–1 (bei Berücksichtigung von Septoria spp. wie oben beschrieben) verursacht. Die entsprechenden BKR sind überwiegend Regionen mit maritimem Klima (101, 147, 150, 152, 155, 156, 157, 158) und Vorgebirgslagen (108, 115, 122, 123). Für den Braunrost betrugen die berechneten mittleren Ertragsverluste in den BKR 156 und 157 > 4 dt ha–1, in den BKR 101, 102 und 152 > 3 dt ha–1. Alle weiteren Werte lagen unter 3 dt ha–1. Die Verluste durch Echten Mehltau waren überwiegend gering. Im küstennahen Bereich wurde die Krankheit in drei BKR (150, 152, 157) mit mittleren Verlusten von > 2 dt ha–1 nachgewiesen. Pyrenophora-Blattdürre führte im Mittel zu keinen Verlusten von > 2 dt ha–1.

Tab. 6. Berechnete mittlere Ertragsverluste [dt ha–1] durch die wichtigen Blattkrankheiten im Mittel aller Versuche der Jahre 2003 bis 2008 in den Boden-Klima-Räumen (BKR)

BKR

SEPTTR

SEPTSP

PYRNTR

PUCCRT

ERYSGT

101

5,8

2,6

 

3,5

1,3

102

 

2,0

 

3,3

 

104

2,4

1,8

1,2

1,0

0,5

106

1,3

1,7

 

0,7

 

107

3,4

1,6

0,6

1,3

0,7

108

4,4

2,4

1,3

1,8

0,9

109

3,3

 

0,6

1,3

0,9

111

3,5

1,6

0,5

0,5

0,4

112

2,4

 

0,1

  

113

2,8

3,6

0,8

0,5

 

114

3,3

3,7

0,7

1,8

2,0

115

4,9

6,8

1,4

 

0,3

116

4,4

 

0,4

0,4

0,6

120

 

3,4

 

2,9

 

121

2,1

2,6

0,8

2,3

1,2

122

5,2

3,5

1,0

2,4

0,7

123

4,8

3,4

0,9

2,6

1,5

127

4,1

4,4

1,0

2,0

0,6

128

3,4

  

1,6

1,9

129

1,8

 

0,4

1,0

 

132

2,5

 

0,7

  

133

4,7

 

1,9

1,9

0,7

134

4,2

 

1,2

2,2

1,4

141

2,5

  

1,4

0,3

142

4,2

 

0,6

2,7

0,8

143

2,4

 

1,6

 

1,2

145

5,0

 

0,8

2,1

1,4

146

3,8

 

1,2

2,2

1,0

147

8,8

 

0,3

1,1

1,0

148

3,6

    

150

5,9

  

2,8

2,3

151

4,6

  

1,4

1,3

152

6,1

  

3,6

3,3

153

3,2

2,6

  

1,6

154

3,4

 

0,5

2,4

1,1

155

6,8

    

156

5,3

  

4,8

 

157

7,0

  

4,6

2,6

158

3,8

4,5

 

4,0

1,4

195

 

0,7

  

0,4

198

2,4

2,9

0,7

1,8

 

Die Ergebnisse der einzelnen Jahre (nicht dargestellt) zeigen erwartungsgemäß eine stärkere Differenzierung. Ertragsverluste wurden in den Jahren 2003 und 2008 in jeweils 26, 2006 in 28, 2004 und 2005 in jeweils 30 und 2007 in 34 BKR dokumentiert. Nur durch Septoria-Blattdürre (einschließlich des unterstellten Anteils von Septoria spp.) wurden in allen Jahren in mehreren Regionen mittlere Verluste von > 5 dt ha–1 verursacht; die höchsten Werte waren 10,2 dt ha–1 im BKR 142, 9,8 dt ha–1 im BKR 151 und 9,3 dt ha–1 im BKR 157, jeweils im Jahr 2004.

Durch den Braunrost wurden nur im Jahr 2007 in den BKR 122 und 156 mittlere Verluste von > 5 dt ha–1 erreicht. Die weiteren vorhandenen Krankheiten verursachten keine mittleren Verluste von ≥ 5 dt ha–1.

In Abb. 7 ist für 2007, das Jahr mit dem höchsten Krankheitsauftreten, ein Vergleich der mittleren Ertragsverluste durch die wichtigsten Blattkrankheiten für ausgewählte BKR im Norden, in der Mitte und im Süden Deutschlands dargestellt. Während Echter Mehltau nur im Norden Verluste verursachte, waren Septoria-Blattdürre und Braunrost in allen Regionen ertragswirksam.

Abb. 7. Berechnete mittlere Ertragsverluste [dt ha–1] durch Septoria-Blattdürre, Echten Mehltau und Braunrost im Jahr 2007 in ausgewählten Boden-Klima-Räumen.

Abb. 7. Berechnete mittlere Ertragsverluste [dt ha–1] durch Septoria-Blattdürre, Echten Mehltau und Braunrost im Jahr 2007 in ausgewählten Boden-Klima-Räumen.

4 Diskussion

Das Ziel dieser Arbeit bestand darin, die durch die pilz­lichen Schaderreger verursachten Ertragsverluste an Winterweizen in Deutschland zu quantifizieren. Vorweg muss bemerkt werden, dass in diesem Jahrhundert in bisher nur wenigen Jahren das Krankheitsauftreten insgesamt und folglich die Ertragsverluste hoch waren. Auf Grund der vorhandenen Daten konnten die Jahre 2003 bis 2008 bewertet werden; die ermittelten Verluste gelten ausschließlich für diesen Zeitraum. Da in der überwiegenden Anzahl der Versuche mehrere Krankheiten vorhanden waren, konnten nur auf der Basis eines Modells Aussagen für die einzelnen vorhandenen Krankheiten getroffen werden.

Die Analyse der Ertragsverluste durch Pflanzenkrankheiten erfolgt seit den 1970er Jahren mit der Zielsetzung, die Vorhersagemöglichkeit für die zu erwartenden Verluste durch eine Krankheit zu verbessern, aber auch das Verhältnis Krankheit – Ertragsverlust besser zu verstehen (Madden und Nutter Jr., 1995). Der Mehrzahl der am häufigsten entwickelten multiple-point-Modelle liegen Regressionsgleichungen mit dem Ertragsverlust als abhängige und der Befallsstärke als unabhängige Variable zugrunde (Teng und Gaunt, 1980–81). Diesem Muster ist auch das hier angewendete Modell zuzuordnen. Im Unter­schied zu den genannten Arbeiten dienten aber nicht die einzelne Krankheit und ihr Einfluss in den Entwicklungsphasen der Pflanze, sondern die Befallsstärke der zum Ende der Vegetation hin vorhandenen Krankheiten als unabhängige Variable.

Im Modell blieben Wechselwirkungen zwischen den Krankheiten vollständig unberücksichtigt. Eine Bewertung der aus biologischer Sicht relevanten Zusammenhänge wie Konkurrenz oder Synergie wäre unerlässlich, bevor mit statistischen Methoden das Modell erweitert werden könnte. Es wurde angenommen, dass sich die Krankheiten nicht gegenseitig beeinflussen, d.h. alle in einem Versuch vorhandenen Krankheiten wurden als gleichermaßen relevant für den Ertragsverlust eingeordnet.

Mycosphaerella graminicola (Septoria tritici) wurde als wichtigster Krankheitserreger im Winterweizen bestätigt; in allen Versuchsjahren war Septoria-Blattdürre die dominierende Krankheit. Die Tatsache, dass der größere Anteil von Septoria spp. ebenfalls dieser Krankheit zugeordnet werden kann, erhöht die Bedeutung entsprechend.

Überraschend war das Ergebnis für den Braunrost, Puccinia triticina. Alle BKR, in denen mittlere Ertragsverluste über alle Jahre von > 3 dt ha–1 berechnet wurden, liegen im Norden Deutschlands in meist küstennahen Bereichen. Die Erwartung, dass Braunrost besonders in den östlichen, trockeneren Regionen hohe Ertragsverluste verursacht, wurde im Mittel der Jahre nicht erfüllt, obwohl die Krankheit z.B. in Sachsen-Anhalt in mehr als der Hälfte der Versuche vorhanden war. Es ist anzunehmen, dass das Ergebnis für Braunrost mit der bei dieser Krankheit besonders ausgeprägten Jahresabhängigkeit des Auftretens im Zusammenhang steht. Im Versuchszeitraum kann lediglich das Jahr 2007 den „Rostjahren“ zugeordnet werden. Dies zeigte sich in der Befallsstärke in den Versuchen nicht nur in Sachsen-Anhalt, sondern auch einer Reihe weiterer Bundesländer, so in Baden-Württemberg, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein; in Mecklenburg-Vorpommern war der Braunrost nur 2007 in den Versuchen vorhanden, in allen weiteren Jahren wurde die Krankheit nicht dokumentiert.

Die relativ geringe Bedeutung des Echten Mehltaus (Blumeria graminis) kann mit hoher Wahrscheinlichkeit auf die guten Resistenzeigenschaften der Sorten zurückgeführt werden. Zu bedenken ist aber auch, dass eine Ertragsbeeinflussung in frühen Entwicklungsstadien der Pflanzen, wie sie durch den Echten Mehltau verursacht werden kann, hier nicht erfasst wurde.

Im Fazit ist festzustellen, dass sich eine Sekundärauswertung von in größerer Menge vorhandenen Primärdaten als sinnvoll erweist. Bei ausreichender Datenmenge sind über die hier beschriebenen Ergebnisse hinaus differenziertere Aussagen zu gewinnen. Zum Beispiel sind Aussagen zur Sortenabhängigkeit der Effektivität der Fungizidanwendung oder die Ableitung angepasster Schwellen­werte auf der Grundlage des Zusammenhangs zwischen Befall und Ertragsverlust (in Abhängigkeit von weiteren Einflussfaktoren) denkbar. Die Kenntnis der jährlichen krankheitsbezogenen Ertragsverluste könnte Rückschlüsse auf Einflussfaktoren wie Region, Sorte und notwendige Behandlung erlauben.

Für eine ökonomische Bewertung der Krankheitsbekämpfung, die auf einer Datenbasis wie der hier verwendeten möglich ist, stellt die bisherige Art der Auswertung nur eine Säule dar. Es müssen weitere Daten, z.B. zu den angewendeten Fungiziden sowie zu den Kosten und Erlösen einfließen. Auch im Zusammenhang mit dem „Nationalen Aktionsplan zum nachhaltigen Pflanzenschutz“ sind diese Ergebnisse relevant. Sie können zur Beschreibung des Nutzens der Fungizidanwendung herangezogen werden und somit zu einer ausgewogenen Darstellung des chemischen Pflanzenschutzes, bei der nicht nur der Risikoaspekt betont wird, beitragen.

Dank

Den Herren Dr. sc. Volkmar Gutsche und Dr. Dietmar Rossberg danken wir herzlich für die hilfreichen Diskussionen, Frau Marion Batschon für die Erstellung der Übersichtskarte zu den Versuchsstandorten.

Literatur

Akaike, H., 1973: Information theory and an extension of the maximum likelihood principle. In: Csáki, F., B. N. Petrov (Eds.): Information Theory: Proceedings of the Second International Symposium, Budapest: Akademiai Kiado, 267-281.

Anonym, 1986: Richtlinie für die Prüfung von Fungiziden gegen Pseudocercosporella herpotrichoides (Fron) Deighton (Halmbruchkrankheit) an Getreide. 4-5.1.6. Biologische Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft, 8 S.

Hartleb, H., G. Hartmann, C. Wolff, P. Rücker, 1995: Die Ertragswirksamkeit des Braunrostes (Puccinia recondita Rob. ex Desm.) an Weizen und Roggen sowie des Zwergrostes (Puccinia hordeii Otth) an Gerste bei unterschiedlich resistenten Sorten in Sachsen-Anhalt. Gesunde Pflanzen 47, 59-64.

Jahn, M., C. Wagner, E. Moll, B. Pallutt, 2010: Auftreten und Bekämpfung von Krankheiten in Wintergetreide in einem Dauerfeldversuch auf dem Versuchsfeld Dahnsdorf. Journal für Kulturpflanzen 62, 248-258.

Madden, L.V., F.W. Nutter Jr., 1995: Modeling crop losses at the field scale. Canadian Journal for Plant Pathology 17, 124-137.

Manninger, K., 1992: Occurence and virulence of wheat leaf rust in Hungary. Vorträge für Pflanzenzüchtung 24, 84-86.

Moll, E., K. Flath, J. Sellmann, 2009: Schätzen der Befallsstärke – (k)ein Problem. Journal für Kulturpflanzen 61, 440-442.

Moll, E., K. Flath, I. Tessenow, 2010: Bewertung der Resistenz von Getreidesortimenten Planung und Auswertung der Versuche mit Hilfe der SAS-Anwendung RESI 2. Berichte aus dem Julius Kühn-Institut 154, 110 S.

Müller, M., 2005: Fungizideinsatz im Weizenanbau in Abhängigkeit von Befallsauftreten und Ertragserwartung. Gesunde Pflanzen 57, 90-100.

Obst, A., K. Gehring, 2002: Getreide – Krankheiten Schädlinge Unkräuter. Gelsenkirchen-Buer, Verlag Th. Mann, S. 58.

Oerke, E.-C., H.-W. Dehne, 2004: Safeguarding production – losses in major crops and the role of crop protection. Crop Protection 23, 275-285.

Rossberg, D., V. Michel, R. Graf, R. Neukampf, 2007: Definition von Boden-Klima-Räumen für die Bundesrepublik Deutschland. Nachrichtenblatt des Deutschen Pflanzenschutzdienstes 59, 155-161.

Teng, P.S., R.E. Gaunt, 1980–81: Modelling systems of disease and yield loss in cereals. Agricultural Systems 6, 131-154.

Witzke, H. von, S. Noleppa, 2011: Der gesamtgesellschaftliche Nutzen von Pflanzenschutz in Deutschland. Darstellung des Projekt­ansatzes und von Ergebnissen zu Modul 1: Ermittlung von Markt­effekten und gesamtwirtschaftlicher Bedeutung. Berlin: agripol und Humboldt-Universität zu Berlin, 40 S.


Fußnoten:

*  

Für die Bereitstellung der Daten und die Zustimmung zu deren Verwendung gilt den Pflanzenschutzdiensten der Bundesländer besonderer Dank.

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