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Originalarbeit

Beiträge der Pflanzenzüchtung zum Klimaschutz und zur Anpassung an den Klimawandel

Contributions of plant breeding to climate protection and to the adaptation to climate change

Steffen R. Roux und Peter Wehling
Institut
Julius Kühn-Institut – Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen, Institut für Züchtungsforschung an landwirtschaftlichen Kulturen, Groß Lüsewitz

Journal für Kulturpflanzen, 64 (8). S. 286–294, 2012, ISSN 1867-0911, DOI: 10.5073/JfK.2012.08.02, Verlag Eugen Ulmer KG, Stuttgart

Kontaktanschrift
Dr. Steffen Roux, Julius Kühn-Institut – Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen, Institut für Züchtungsforschung an landwirtschaftlichen Kulturen, Rudolf-Schick-Platz 3a, 18190 Groß Lüsewitz, E-Mail: steffen.roux@jki.bund.de
Zur Veröffentlichung angenommen
10. Januar 2012

Zusammenfassung

Die Pflanzenzüchtung kann durch die Entwicklung und Bereitstellung neuer Genotypen in zweierlei Hinsicht dem fortschreitenden Klimawandel begegnen. Zum Einen werden Pflanzensorten zur Verfügung gestellt, die unter geänderten Klima- und Witterungsbedingungen hinreichend stabile Erträge ermöglichen und auf diesem Wege einen wesentlichen Beitrag zur Klimaanpassung der Landwirtschaft leisten. Zum Anderen kann die Entwicklung von Kulturarten und Sorten, die z.B. im Hinblick auf den Düngemitteleinsatz betriebsmitteleffizient sowie in ihrem Flächenertrag auf ihren Einsatz als erneuerbare Energieträger optimiert sind, durch die Einsparung fossiler Energieträger einen aktiven Beitrag zum Klimaschutz darstellen. Eine Strategie zur Verbesserung von Nutzpflanzen als erneuerbare Energieträger ist die agrono­mische Anpassung von bislang wenig verwendeten oder neuen Kulturarten mit hohem Biomassepotenzial an hiesige Produktionsbedingungen. Eine weitere Strategie ist die Anpassung traditioneller Kulturarten an neue Nutzungszwecke und Anbausysteme.

In der hier vorgestellten Studie wurden exemplarisch die genetisch-züchterischen Biomassepotenziale der Frucht­arten Sorghumhirse und Winterroggen zur Energieerzeugung untersucht. Dabei zeigten Sorghum bicolor × S. bicolor-Hybriden in einem im Witterungsverlauf begüns­tigten Jahr unter norddeutschen Anbaubedingungen nach Aussaat Ende Juni mit einem Gesamttrockenmasse-Ertrag von maximal 146,3 dt/ha ein sehr hohes Ertragspotenzial, das im Untersuchungsjahr im Leistungs­bereich von Silomais lag. Kühlfeuchte Bedingungen während der Jugendentwicklung führten in einem zweiten Anbaujahr allerdings zu erheblich verminderten Erträgen und zeigten den Bedarf an weiterer züchterischer Anpassung der Sorghumhirse auf.

Die Prüfung unterschiedlichen Roggenmaterials zur Biomasseproduktion zeigte zu verschiedenen Schnittzeitpunkten eine hohe züchterisch nutzbare Variabilität und viel versprechende Gesamttrockenmasse-Erträge. Auf Grund der nachgewiesenen Kombination von hoher Eigenleistung mit ansprechendem Heterosiszuwachs erscheint die Entwicklung von Hochleistungsenergie-Hybriden für diese Nutzungsrichtung besonders unter Verwendung von Grünschnittroggen und pflanzengenetischen Ressourcen mittelfristig machbar und viel versprechend.

Das Ertragspotenzial des Anbausystems 'Roggen/Sorghum' wird als hoch eingeschätzt und kann nach den vorliegenden Ergebnissen in einem günstigen Anbaujahr auf einen Bereich jenseits von 300 dt/ha Gesamttrocken­masse (GTM) prognostiziert werden. Besonders leistungs­stark erscheint das Anbausystem 'Roggen/Sorghum' dabei im Hinblick auf trockenere Standorte.

Stichwörter: Klimawandel, neue Kulturarten, Roggen, Sorghum, Bioenergie, Biomasse

Abstract

Plant breeding has the potential to meet the challenges of a changing climate in two ways. Firstly, plant breeding provides new varieties which offer better yield stability than previous ones under modified climate and weather conditions and, thus, make a substantial contribution to adapt agriculture to the climate change. Secondly, breeding varieties which have improved resource efficiency (e.g., with regard to the use of fertilisers), augmented yields per unit area, and suitability for use as renewable energy sources contributes to active climate protection by saving fossil energy resources. One strategy to improve crop plants for renewable energy production is to agronomically adapt scarcely used or novel crop plants with high biomass potential to local growing conditions. A second one is to adapt traditional crop plants to novel types of use and to dedicated cultivation systems.

In the present study, the genetic potentials of (i) sorghum and (ii) rye for biomass production were investigated. After sowing the trial at the end of June and under favourable growing conditions in northern Germany, Sorghum bicolor × S. bicolor-hybrids displayed a very high yield potential of total dry matter yield of 146,3 dt/ha, which was comparable to silage maize yields in that year. However, in a second experimental year, nippy and clammy weather during early growth led to considerably reduced total dry matter yields, showing up the need for further adaptation of sorghum via breeding.

Assessment of various rye forms for their biomass production ability revealed (1) high genetic variance reclaim­able for breeding purposes and (2) promising total dry-matter yields. Several entries showed a combination of high population per se performance and significant heterotic increase. Hence, including specific accessions such as forage rye or non-adapted plant genetic resources in the breeding process should enable the development of high-performance energy hybrid rye varieties in the medium-term.

Taken together, the genetic biomass potential of the cropping system “rye – sorghum” seems to be high and may be predicted to exceed 300 dt/ha total dry matter under favourable growing conditions.

Key words: Climate change, rye, sorghum, bioenergy, biomass production

Einleitung

Die Eigenschaften unserer Kulturpflanzen werden von ihrem individuellen Bestand an Genvarianten – dem Genotyp – und dem Zusammenspiel dieser Genvarianten unter­einander und mit der Umwelt bestimmt. Durch die Wahl der Selektionsrichtung und durch gezielte Elternwahl kann die Pflanzenzüchtung die genetischen Eigenschaften von Kulturpflanzen in weitem Umfang variieren und auf diesem Wege Sorten herstellen, die bestimmten Verwendungszwecken entsprechen und mit ihren Eigenschaften den erforderlichen Input an agronomischen – und zum Teil klimarelevanten – Maßnahmen durch den Landwirt wesentlich mitbestimmen. Das Ziel der Pflanzenzüchtung besteht allgemein darin, Pflanzen genetisch so zu verändern, dass sie besser an die Bedürfnisse des Menschen angepasst sind (Becker, 1993). Im Hinblick auf die Anpassung an den Klimawandel bedeutet dies die Bereitstellung von Pflanzensorten, die auch bei schwankenden und ins Extrem abweichenden Witterungsbedingungen eine hinreichende Ertragsstabilität aufweisen. Über die Anpassung hinaus ergibt sich aber auch die Aufgabe, Pflanzen zu züchten, deren Eigenschaften einen aktiven Beitrag zum Klimaschutz darstellen. Wege zu diesem Ziel sind die Bereitstellung betriebsmitteleffizienter Sorten, die mit weniger Dünger, Pflanzenschutz und Maschineneinsatz auskommen und somit den Aufwand an fossiler Energie in der Pflanzenproduktion vermindern helfen. Einen Beitrag zum Klimaschutz stellen insbesondere Sorten mit hohem Ertragspotenzial dar, weil sie die Biomasse­erzeugung mit hoher Flächenproduktivität erlauben und somit das Substitutionspotenzial erneuerbarer Energieträger vergrößern.

Diese Herausforderungen – Klimaschutz und Anpassung – müssen Züchtungsforschung und Pflanzenzüchtung parallel durch unterschiedliche, sich ergänzende Strategien in Angriff nehmen. Die zu verfolgenden Lösungs­ansätze (Abb. 1) sind dabei so komplex wie die Wirkungen des Klimawandels auf die Kulturpflanze:

• Züchtung von Sorten mit Toleranz gegenüber abiotischem Stress (u.a. Trockenheit, Hitze, Nässe, Kühle).

• Züchterische Realisierung von Escape-Strategien, z.B. Blühzeitverfrühung oder Züchtung von Winterformen, zur Vermeidung von Stress in besonders empfindlichen Entwicklungsstadien.

• Widerstandsfähigkeit gegen Schaderreger und Schädlinge, die vom Klimawandel profitieren.

• Züchtung auf hohe Stickstoff-Effizienz unserer Kulturpflanzen sowie züchterische Herstellung agronomischer Konkurrenzfähigkeit stickstofffixierender Leguminosen zur Einsparung energieaufwendiger N-Düngergaben.

• Züchtung auf hohes genetisches Ertragspotenzial, um stressbedingte Ertragsverluste abzupuffern und die Bio­energie-Flächenproduktivität zu steigern.

• Züchterische Anpassung „neuer“ Kulturarten (z.B. Hirse-Arten, Leguminosen, Dauerkulturen) an hiesige Produktionsbedingungen sowie Anpassung etablierter Kulturarten an neue Nutzungszwecke (z.B. im Rahmen der energetischen oder stofflichen Nutzung zur Schonung fossiler Ressourcen) und Anbausysteme.

Abb. 1. Optionen der Pflanzenzüchtung zur Anpassung der Landwirtschaft an den Klimawandel und zum Klimaschutz durch Verringerung der Emission von Treibhausgasen in der Landwirtschaft.

Abb. 1. Optionen der Pflanzenzüchtung zur Anpassung der Landwirtschaft an den Klimawandel und zum Klimaschutz durch Verringerung der Emission von Treibhausgasen in der Landwirtschaft.

Das Potenzial des letztgenannten Lösungsansatzes wird im Folgenden am Beispiel der Sorghumhirse bzw. des Winterroggens und ihrer Kombination in einem Anbausystem untersucht.

Optimale Energiepflanzen sollten durch ausreichende Stresstoleranz an den Klimawandel angepasst sein, durch hohe Flächenproduktivität einen maximalen Beitrag zum Klimaschutz leisten können und darüber hinaus über abwechslungsreiche Energiefruchtfolgen gesellschaftliche Akzeptanz finden. Mit den hier untersuchten Fruchtarten Sorghumhirse und Roggen ist einerseits eine in der deutschen Landwirtschaft relativ neue Fruchtart angesprochen, die genetisch noch wenig an hiesige Produktionsbedingungen adaptiert worden ist, und andererseits eine bei uns traditionelle Fruchtart (Winterroggen), die in ihrer Eignung für eine neue Nutzungsart (Biomasseproduktion) untersucht wird, für welche sie bislang nicht gezüchtet worden ist.

Sowohl Sorghumhirse als auch Roggen haben eine hohe Wassereffizienz, die sie auch auf weniger guten Standorten anbauwürdig sein lassen kann. Im Vergleich zu anderen Getreidearten benötigt Roggen deutlich weniger Stickstoff; Winterroggen weist zudem unter den in Deutschland kultivierten Getreidearten die schnellste Jugendentwicklung auf, was ihn als Erstfrucht in Anbausystemen prädestiniert, und ist auch unter trockeneren Bedingungen in der Lage, hohe Biomasse-Erträge zu realisieren. Nur 25% des zurzeit angebauten Roggens werden als Brotgetreide genutzt.

Sorghum ist wie Mais eine C4-Pflanze, benötigt indessen 30% weniger Wasser für eine vergleichbare Biomasse­leistung. Sorghumhirse (Sorghum bicolor) und Sudangras (S. sudanense), das bislang vorwiegend zur Mehrschnittnutzung eingesetzt wurde (Karpenstein-Machan, 2005), weisen eine hohe Wassereffizienz auf und vertragen dank ihres Wurzelsystems Trockenheit deutlich besser als der Mais (Schittenhelm, 2011). Sie können unter trockenen Bedingungen für die Biomasseproduktion zur energetischen Nutzung ein interessantes Fruchtfolgeglied darstellen. In den USA und Afrika sind Sorghum und Sorghum-Hybriden bereits wichtige Futtergräser. Als Zweitfrucht ermöglicht Sorghum bei Aussaat Ende Mai die Nutzung von Grünschnittroggen im Entwicklungsstadium 'Ährenschieben'; bei einer Sorghumaussaat Ende Juni kann der Roggen als Ganzpflanzensilage zur Milchreife genutzt werden. Besonders in Kombination mit Winterroggen und dessen zügiger Jugendentwicklung könnten somit die Flächen für die Biomasseproduktion durch den Einsatz leistungsfähiger Sorghum-Genotypen optimal genutzt werden.

Voraussetzungen dafür sind, dass, erstens, Winterroggen als traditionelle Getreidefruchtart ausreichendes gene­tisches Potenzial für ansprechende Biomasseerträge aufweist. Zweitens muss auch Sorghum als eine Fruchtart, die züchterisch noch nicht sehr gut an hiesige klimatische Verhältnisse angepasst ist, bei einer hinreichenden Ertrags­sicherheit innerhalb kurzer Zeit ausreichend hohe Trockensubstanzerträge als Zweitfrucht gewährleisten. Ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, wurde in einem dreijährigen Forschungsprojekt untersucht. Im Falle von Sorghum erlaubte der Einsatz eines genetisch diversen Materials, welches Sorghumhirse und Kreuzungshybriden aus S. bio­color × S. bicolor sowie S. bicolor × S. sudanense im Vergleich zu Sudangras einschließt, eine erste Beurteilung der züchterisch nutzbaren Variabilität, die unter den untersuchten Genotypen in Bezug auf die Toleranz der Umweltbedingungen des nordostdeutschen Raumes vorhanden ist.

Material und Methoden

Biomasseversuch Roggen

Im Rahmen eines von der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe geförderten Verbundprojekts wurde Winterroggen im Hinblick auf sein genetisches Biomasseertrags­potenzial überprüft. Wie von Roux et al. (2010) detailliert beschrieben, wurden die Untersuchungen mit verschiedenen Sortentypen (Grünschnittroggen, Populationssorten mit Kornnutzung, Hybridsorten, pflanzengenetische Ressourcen (PGR), Zuchtmaterial, tetraploider Roggen) in Eigenleistungsprüfungen (E-LP) und mit einem Teil des Materials zusätzlich in Testkreuzungsleistungsprüfungen (TK-LP) durchgeführt. Hierbei konnte der erzielbare Hete­rosiszuwachs, der definiert ist als die Mehrleistung, die eine genetische Ressource nach Testkreuzung auf einen Tester-Genotyp im Vergleich zu ihrer Eigenleistung erbringt, abgeschätzt werden.

Die Erträge an Gesamttrockenmasse (GTM) wurden an zwei Terminen – Zeitpunkt Ährenschieben (Anfang Mai) sowie Milchreife (Mitte Juni) – ermittelt. Die gewählten Grünschnitt-Termine erlauben zum Einen eine optimale Einbindung von Roggen in Biomassefruchtfolgen. Zum Anderen schöpft Roggen bereits bis zum Entwicklungsstadium zwischen Blüte und Milchreife sein Trockenmassepotenzial nahezu vollständig aus (Füle et al., 2004). Neben dem GTM-Ertrag wurde in einem separaten Versuch auch der Kornertrag ermittelt.

Biomasseversuch Sorghum

In Jahr 2006 wurden 7 Sorghum-bicolor-x-Sorghum-bicolor-Hybriden, 7 S.-bicolor-x-S.-sudanense-Hybriden, ein auf Körnernutzung entwickelter S.-bicolor-Genotyp sowie Sudangras (S. sudanense) in Groß Lüsewitz auf ihre Eignung zur Biomasseproduktion unter den dortigen Klima- und Bodenbedingungen geprüft. Der Versuch wurde am 27. Juni ausgesät und damit zu einem Zeitpunkt, der kurz nach einer angenommenen Räumung der Fläche durch die fiktive Erstfrucht Winterroggen mit Ernte zur Milchreife lag. Der Versuch wurde in 2 Wiederholungen mit einer Parzellengröße von 12 m2 angelegt. Als Parameter für die Biomasseleistung wurden neben einer wöchent­lichen Wuchshöhenmessung die Merkmale Gesamtbiomasse-Ertrag, Trockensubstanz-Gehalt und Gesamttrockenmasse-Ertrag bestimmt. Im zweiten Projektjahr 2007 erfolgte die Prüfung von 10 S.-bicolor-x-S.-bicolor-Hybriden und drei S.-bicolor-x-S.-sudanense-Hybriden im Vergleich zu Sudangras und zwei ertragsstarken Maishybriden in 13,5 m2-Parzellen. Die Merkmalserfassung des Versuchs 2007, der am 09.07.2007 ausgesät wurde, entsprach jener in 2006. Die Ernte der Gesamtbiomasse erfolgte im Jahr 2006 nach 107 und im Jahr 2007 nach 99 Tagen am 12. bzw. 15. Oktober mit Hilfe eines Maisparzellenhäckslers mit Wiegeeinrichtung bzw. eines Balkenmähers.

Die Wetterdaten zu den Versuchsjahren 2006 und 2007 wurden von der Agrar- und Umweltwissenschaftlichen Fakultät der Universität Rostock auf dem Versuchsfeld in Groß Lüsewitz erfasst und zur Verfügung gestellt.

Ergebnisse und Diskussion

Biomasseversuch Roggen

Wie bereits berichtet (Roux et al., 2010) war Grünschnitt­roggen im 1. Grünschnitt in beiden Prüfungen überlegen und auch in Grünschnitt 2 erreichte er in der TK-LP die höchsten mittleren GTM-Erträge (Abb. 2, Abb. 3). Auffällig in der E-LP war bei beiden Schnitten die große Spannbreite der genetischen Ressourcen (PGR) mit 53–82 dt/ha im ersten Grünschnitt und 112–147 dt/ha im zweiten Grünschnitt. Die oberen Enden dieser Spannbreiten zeigen das große genetische Potenzial, welches diese züchterisch noch wenig bearbeiteten PGR künftig für die Optimierung der Biomasseleistung bieten.

Abb. 2. Beziehung zwischen der Testkreuzungs- und der Eigenleistung im 1. Grünschnitt für das Merkmal GTM-Ertrag (dt/ha) und der daraus resultierende Heterosiszuwachs (Abstand zur Winkelhalbierenden); Schattierung = abnehmender Heterosiszuwachs; hellgelbe Schraffur = Prüfglieder mit höchsten Erträgen trotz fehlenden, posi­tiven Heterosiszuwachses.

Abb. 2. Beziehung zwischen der Testkreuzungs- und der Eigenleistung im 1. Grünschnitt für das Merkmal GTM-Ertrag (dt/ha) und der daraus resultierende Heterosiszuwachs (Abstand zur Winkelhalbierenden); Schattierung = abnehmender Heterosiszuwachs; hellgelbe Schraffur = Prüfglieder mit höchsten Erträgen trotz fehlenden, posi­tiven Heterosiszuwachses.

Abb. 3. Beziehung zwischen der Testkreuzungs- und der Eigenleistung im 2. Grünschnitt für das Merkmal GTM-Ertrag (dt/ha) und der daraus resultierende Heterosiszuwachs (Abstand zur Winkelhalbierenden); Schattierung = abnehmender Heterosiszuwachs; hellgelbe Schraffur = Prüfglieder mit hoher Eigenleistung und hohem Heterosis­zuwachs.

Abb. 3. Beziehung zwischen der Testkreuzungs- und der Eigenleistung im 2. Grünschnitt für das Merkmal GTM-Ertrag (dt/ha) und der daraus resultierende Heterosiszuwachs (Abstand zur Winkelhalbierenden); Schattierung = abnehmender Heterosiszuwachs; hellgelbe Schraffur = Prüfglieder mit hoher Eigenleistung und hohem Heterosis­zuwachs.

Aus züchtungsmethodischer Sicht ermutigend sind die beachtlichen Heterosiszuwächse, die für den GTM-Ertrag beobachtet wurden. Roux et al. (2010) berichteten von mittleren Heterosiszuwächsen von 9,3%, 11,6% und 32,3% für die Grünschnitte 1 und 2 sowie die Kornvariante und konnten dabei Maximalwerte von 38,3%, 34,4% bzw. 77,8% feststellen. Ein Heterosiszuwachs hinreichenden Ausmaßes ist eine Voraussetzung für die Entwicklung von Biomasse-Hybridsorten zur Biogaserstellung. Besonders geeignet für die Entwicklung von Hochleistungsenergie-Hybriden erscheinen solche Herkünfte, deren Testkreuzungsleistung sich aus einer ansprechenden Eigenleistung und einem hohen Heterosiszuwachs zusammensetzt. Wie erwartet zeigte sich in beiden Grünschnittvarianten nahezu in allen Materialgruppen ein sinkender Heterosiszuwachs mit steigender Eigenleistung (Abb. 2, Abb. 3). Obwohl einige Genbankherkünfte in den Testkreuzungen beachtliche GTM-Erträge zum ersten Grünschnittzeitpunkt erreichten, erzielten zwei Grünschnittroggen die höchsten Erträge zu diesem Erntezeitpunkt ohne jeglichen Heterosiszuwachs (Abb. 2). Bei der Grünschnitternte zur Milchreife hingegen wiesen fünf leistungsstarke Prüf­glieder (2 Grünschnittroggen, 2 Genbankherkünfte, 1 Populations­sorte) hohe GTM-Erträge durch die Kombination einer hohen Eigenleistung mit einem beachtlichen Heterosiszuwachs von 7,8–11,3% auf. Solche Prüfglieder stellen aussichtsreiche Kandidaten für die Entwicklung von Hoch­leistungsenergie-Hybriden dar (Abb. 3). Die GTM-Erträge lagen hierbei innerhalb oder oberhalb des Ertragsbereiches, den die in der TK-LP mitgeprüften Hybridsorten erbrachten (ca. 154 dt/ha). Demzufolge erscheint die Entwicklung von Hochleistungsenergie-Hybriden für diese Nutzungsrichtung besonders unter Verwendung von Grün­schnittroggen und pflanzengenetischen Ressourcen mittelfristig machbar und viel versprechend.

Erhebliches Potenzial für Zuchtfortschritte im Merkmal GTM-Ertrag kann auch aus den schwachen Korrela­tio­nen zwischen Kornertrag und GTM zu den beiden Schnitt-Terminen bei enger Korrelation der GTM-Erträge der beiden Grünschnitt-Terminen der E-LP (Roux et al., 2010) abgeleitet werden. Dieses genetische Potenzial steht zur Verfügung, sobald die wirtschaftliche Bedeutung des Einsatzes von Hybridroggen als Energiefruchtart einen speziellen Züchtungsschwerpunkt „Biomasse-Roggen“ recht­fertigt.

Biomasseversuch Sorghum

Wetterdaten der Versuchsjahre 2006 und 2007. Die während der Vegetationsdauer (Anfang Juli–Mitte Oktober) vorherrschenden Witterungsbedingungen unterschieden sich in den Jahren 2006 und 2007 stark (Abb. 4). Bei einer mittleren Tagestemperatur von 17,3°C fielen im ersten Versuchsjahr 230 mm Niederschlag, während in 2007 eine Niederschlagsmenge von 357 mm bei einer mittleren Tages­temperatur von 14,8°C registriert wurde. Demnach fiel das Jahr 2007 mit einer um 2,5°C geringeren mittleren Tagestemperatur und 55% mehr Niederschlag deutlich kühler und feuchter aus als das erste Versuchsjahr 2006.

Abb. 4. Niederschlagsmenge und mittlere Wochentemperatur während der Anbauphasen (Juli–Mitte Oktober) 2006 und 2007.

Abb. 4. Niederschlagsmenge und mittlere Wochentemperatur während der Anbauphasen (Juli–Mitte Oktober) 2006 und 2007.

Versuchsjahr 2006. Die im Versuchsanbau 2006 wöchent­lich erfassten Wuchshöhen zeigen einen kontinuierlichen Pflanzenwuchs über die gesamte Vegetationsdauer (Abb. 5). Während die wüchsigste S.-bicolor-x-S.-bicolor-Hybride zum Zeitpunkt der Ernte eine Wuchshöhe von 3,15 m aufwies, wurde die höchste S.-bicolor-x-S.-sudanense-Hybride mit 3,00 m gemessen. Im Mittel über die Materialgruppen zeigten sich zwischen den S.-bicolor-x-S.-bicolor-Hybriden (max. 255,7 cm) und den S.-bicolor-x-S.-sudanense-Hybriden (max. 258,2 cm) im Merkmal Wuchshöhe über die gesamte Vegetationsphase keine signifikanten Unterschiede. Im Vergleich zum Sudan­gras wurden hingegen für beide Materialgruppen ab dem 6. Messtermin (11.09.2006) signifikant höhere Wuchshöhen ermittelt (Abb. 5).

Abb. 5. Mittlere Wuchshöhen der verschiedenen Sorghum-Material­gruppen (S. bi. × S. bi. = S.-bicolor-x-S.-bicolor-Hybriden; S. bi. × S. sud. = S.-bicolor-x-S.-sudanense-Hybriden; Sudangras) während der Vegetationsperiode 2006.

Abb. 5. Mittlere Wuchshöhen der verschiedenen Sorghum-Material­gruppen (S. bi. × S. bi. = S.-bicolor-x-S.-bicolor-Hybriden; S. bi. × S. sud.S.-bicolor-x-S.-sudanense-Hybriden; Sudangras) während der Vegetationsperiode 2006.

Zum Zeitpunkt der Ernte (Abb. 6) wiesen die geprüften Genotypen einen Trockensubstanz-Gehalt (TS-Gehalt) von 16,3–26,8% auf. Bei einem Maximum von 22,3% betrug dieser im Mittel bei den S.-bi.-x-S.-bi.-Hybriden 20,1%. Die S.-bi.-x-S.-sud.-Hybriden wiesen bei einem Mittel von 22,7% einen maximalen TS-Gehalt von 26,3% auf, während Sudangras und Körnersorghum TS-Gehalte von 24,1% bzw. 22,9% zeigten. Es wurden sowohl innerhalb der S.-bi.-x-S.-bi.-Hybriden als auch innerhalb der S.-bi.-x-S.-sud.-Hybriden signifikante Unterschiede im Merkmal TS-Gehalt (LSD 5% = 1,22%) beobachtet. Auch die Mittelwerte der beiden Materialgruppen unterschieden sich signifikant. Die in Bezug auf den Gesamttrockenmasse-Ertrag (GTM) leistungsstärkste S.-bi-x-S.-bi.-Hybride wies einen TS-Gehalt von 22,2% auf.

Abb. 6. Ernte des Biomasseversuchs mit Sorghum am 12.10.2006 am JKI-Standort Groß Lüsewitz.

Abb. 6. Ernte des Biomasseversuchs mit Sorghum am 12.10.2006 am JKI-Standort Groß Lüsewitz.

Bei einem mittleren Gesamttrockenmasse-Ertrag von 115,4 dt/ha deckten die geprüften Genotypen einen Bereich von 70,3–146,3 dt/ha ab. S.-bi-x-S.-bi.-Hybriden erbrachten im Mittel einen GTM-Ertrag von 124,3 dt/ha, während S.-bi.-x-S.-sud.-Hybriden einen mittleren GTM-Ertrag von 117,0 dt/ha erreichten (Abb. 7A). Im Vergleich dazu zeigten Sudangras und Körnersorghum geringere GTM-Erträge von 87,8 bzw. 70,3 dt/ha. Die relativen GTM-Mehrerträge im Vergleich zum Standard Sudangras sind aus Abb. 7B ersichtlich.

Abb. 7. Mittlerer absoluter (A) bzw. relativer GTM-Ertrag (dt/ha) (B) der Materialgruppen Sorghum-bicolor-x-S.-bicolor-Hybriden (S. bi. × S. bi.) und S.-bicolor-x-S.-sudanense-Hybriden (S. bi. × S. sud.) im Vergleich zum Standard Sudangras und zur besten S.-bicolor-x-S.-bicolor-Hybride im Jahr 2006.

Abb. 7. Mittlerer absoluter (A) bzw. relativer GTM-Ertrag (dt/ha) (B) der Materialgruppen Sorghum-bicolor-x-S.-bicolor-Hybriden (S. bi. × S. bi.) und S.-bicolor-x-S.-sudanense-Hybriden (S. bi. × S. sud.) im Vergleich zum Standard Sudangras und zur besten S.-bicolor-x-S.-bicolor-Hybride im Jahr 2006.

Auch im Merkmal GTM-Ertrag konnte innerhalb der beiden Materialgruppen S.-bi.-x-S.-bi.-Hybriden bzw. S.-bi.-x-S.-sud.-Hybriden genetische Variabilität beobachtet werden, und es traten signifikante Unterschiede auf. Einzelne Sorghum-Genotypen erbrachten in 2006 innerhalb einer Vegetationszeit von nur 107 Tagen (Ende Juni bis Anfang Oktober) einen Trockensubstanzertrag von 140-150 dt/ha. Die beiden Merkmale GTM-Ertrag und Wuchshöhe korrelierten im untersuchten Material mittelstark (r = 0,71; Abb. 8).

Abb. 8. Beziehung zwischen dem Gesamttrockenmasse-Ertrag (dt/ha) und der Wuchshöhe im untersuchten Material des Jahres 2006.

Abb. 8. Beziehung zwischen dem Gesamttrockenmasse-Ertrag (dt/ha) und der Wuchshöhe im untersuchten Material des Jahres 2006.

Versuchsjahr 2007: Wuchshöhe und Gesamtrockenmasse-Ertrag. Die Wuchshöhe und der Gesamtrockenmasse-Ertrag des im Jahr 2007 geprüften Sorghummaterials lagen deutlich unterhalb den Werten des Anbaus aus 2006. Alle Sorghum-Genotypen zeigten eine schwache Wüchsigkeit und erreichten nur geringe maximale Wuchshöhen (S. bi. × S. bi.: 97,5 cm; S. bi. × S. sud.: 60 cm; Sudangras: 75 cm) (Abb. 9). Die beiden Maissorten wiesen demgegen­über mit 200 bzw. 203 cm deutlich größere Wuchshöhen auf.

Abb. 9. Mittlere Wuchshöhen der verschiedenen Sorghum-Materialgruppen und von Mais während der Vegetationsperiode 2007.

Abb. 9. Mittlere Wuchshöhen der verschiedenen Sorghum-Materialgruppen und von Mais während der Vegetationsperiode 2007.

Der GTM-Ertrag des Sorghummaterials fiel entsprechend der schwachen Wüchsigkeit sehr gering aus (Abb. 10). Bei einem Trockensubstanz-Gehalt von 16,6–20,4% zum Erntezeitpunkt erbrachte das Material zwischen 3,2 und 18,7 dt/ha GTM. Die Maissorten erreichten bei einem TS-Gehalt von 16,8 und 15,7% einen GTM-Ertrag von 86,0 und 104,1 dt/ha. Die Merkmale GTM-Ertrag und Wuchshöhe korrelierten im untersuchten Material eng (r = 0,98).

Abb. 10. Beziehung zwischen dem Gesamttrockenmasse-Ertrag (dt/ha) und der Wuchshöhe im untersuchten Material des Jahres 2007.

Abb. 10. Beziehung zwischen dem Gesamttrockenmasse-Ertrag (dt/ha) und der Wuchshöhe im untersuchten Material des Jahres 2007.

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass im Versuchsanbau 2006 innerhalb der beiden geprüften Materialgruppen S. biocolor × S. bicolor und S. bicolor × S. suda­nense für die beiden Merkmale Wuchshöhe und Gesamt­trockenmasse-Ertrag eine hohe Variabilität nachgewiesen werden konnte. Dabei entwickelten sich die über die Materialgruppen gemittelten Wuchshöhen über die gesamte Vegetationsperiode synchron, wenngleich sich auch hier einzelne Prüfglieder signifikant von anderen abhoben. Am Versuchsstandort Groß Lüsewitz erwies sich Sudan­gras den beiden Hybriden-Materialgruppen in seinem Biomassepotenzial – gekennzeichnet durch die Wuchshöhe und den Gesamttrockenmasse-Ertrag – als eindeutig unter­legen. Sudangras, das bislang vorwiegend in der Mehrschnittnutzung zum Einsatz kommt (Karpenstein-Machan, 2005), erreichte jedoch einen höheren TS-Gehalt als die Mehrzahl der geprüften Hybriden. Nur zwei der geprüften S.-bicolor-x-S.-sudanense-Hybriden erzielten in der kurzen Vegetationszeit den von Karpenstein-Machan (2005) für einen maximalen Biomasseertrag empfohlenen TS-Gehalt von 25–35%. Amon et al. (2004) zeigten für Mais, dass die maximal zu erzielende Methanaus­beute sortenabhängig jedoch auch zu früheren Entwicklungsstadien mit geringeren TS-Gehalten erzielt werden kann. Im Merkmal Gesamttrockenmasse-Ertrag (dt/ha) erbrachten die Hybriden aus S. biocolor × S. bicolor sowie S. bicolor × S. sudanense im Mittel deutlich höhere Erträge (141,6% bzw. 133,3%) als Sudangras. Die leistungsstärkste S.-biocolor-x-S.-bicolor-Hybride erzielte im Vergleich zu Sudangras einen GTM-Mehrertrag von 66,7%. Der GTM-Ertrag von 146,3 dt/ha wurde hierbei trotz starker Sommerhitze und Trockenheit auf dem Groß Lüsewitzer Versuchsfeld bei nur 14 mm Niederschlag während der ersten 40 Tage nach Aussaat in einer Vegetationszeit von lediglich 107 Tagen erreicht. Damit lag der GTM-Ertrag dieser unter einem simulierten Zweitkultur-Anbauregime kultivierten und durch bislang wenig züchterisch bearbeitete Genotypen vertretenen Nutzpflanze bereits im Bereich des durchschnittlich mit aktuellen Silomaissorten unter deutschen Anbaubedingungen im Jahr 2006 erzielten Ertragsniveaus (DMK, 2011).

Auf Grund des im Vergleich zu Sudangras verzögerten Anstiegs der TS-Gehalte in Kombination mit einem enormen GTM-Ertragspotenzial erscheint es bei der Nutzung von leistungsstarken S.-biocolor-x-S.-bicolor-Hybriden empfehlenswert, die Ernte wie im Versuchsjahr 2006 bis in den Oktober zu verschieben, um die für eine optimale Biogasausbeute erwünschten TS-Gehalte zu erreichen. Die Lagerneigung im gesamten Material der Prüfung 2006 war trotz der enormen Wuchshöhen gering. Die nur mittel­starke Korrelation der Merkmale GTM-Ertrag und Wuchshöhe sowie die vorhandene Variabilität in diesen Merkmalen eröffnet züchterische Möglichkeiten für die Selektion ertragsstarker Genotypen mit moderater Wuchs­höhe zur zusätzlichen Verminderung der Gefahr vorzei­tigen Lagers.

Im Gegensatz zu 2006 verlief die Pflanzenentwicklung unter den Bedingungen des Jahres 2007 sehr zögerlich und gehemmt, so dass sich weder ein kräftiger Pflanzenbestand entwickelte noch ansprechende Wuchshöhen bzw. GTM-Erträge erreicht wurden. Ursächlich hierfür können zwei Aspekte angeführt werden. Auf Grund der Witterungsbedingungen lag die Aussaat im Jahr 2007 zeitlich später als die Aussaat im Jahr 2006. Wenn unter solchen Umständen die frühe Pflanzenentwicklung durch kühl-feuchte Bedingungen während der Jugendentwicklung gehemmt wird, kann der Entwicklungsrückstand je nach Witterungs­verlauf während der Vegetationsdauer nicht mehr aufgeholt werden (Wortmann, 2007). Insgesamt wies das Jahr 2007 während der Sorghum-Anbauphase bei 55,3% mehr Niederschlag eine um 2,5°C geringere mittlere Temperatur auf. Besonders gravierend fielen die Temperatur- und Niederschlagmengenunterschiede in der sensiblen Phase der Jugendentwicklung aus. Nach Schuster (1964) rea­giert Sorghum bicolor bereits bei einer Temperatur unter 16°C mit Wachstumsstörungen. Da im Jahr 2007 während 8 Wochen der 14-wöchigen Vegeta­tionszeit mittlere Wochentemperaturen < 16°C herrschten, können diese niedrigen Temperaturen in Kombina­tion mit der hohen Niederschlagsmenge als ursächlich für den geringen Masseertrag angesehen werden. Die im Jahr 2007 zusätzlich geprüften Maissorten kamen mit den kühlfeuchten Witterungsbedingungen augenscheinlich besser zurecht, wobei ihr GTM-Ertrag mit 86,0 bzw. 104,1 dt/ha deutlich unterhalb der im Jahr 2006 mit Sorghum erzielten Erträge lag.

Fazit

Das sehr hohe genetische Biomassepotenzial verschiedener Sorghum-Hybriden konnte in einem vom Witterungsverlauf begünstigten Jahr auch an einem nördlich gelegenen Standort Mecklenburg-Vorpommerns demonstriert und annähernd GTM-Erträge erzielt werden, wie sie von Schütte (1991) für klimatisch günstige Standorte in Südhessen berichtet werden.

Das in günstigen Jahren auch in Norddeutschland vorhandene Biomasse-Ertragspotenzial der Kombina­tion 'Roggen als Erstkultur/Sorghum als Zweitkultur' zeigt sich in GTM-Erträgen bei Sorghum-Hybriden, die in der Spitze im Jahr 2006 bei 146 dt/ha lagen, und bei Roggen von ca. 156 dt/ha, wie sie im Mittel der Jahre 2007 und 2008 in einem dreiortigen Anbau bei Ganzpflanzenbeerntung zum Stadium der Milchreife Mitte Juni erzielt wurden. Das Ertragspotenzial des Anbausystems 'Roggen/Sorghum' kann somit auf einen Bereich jenseits von 300 dt/ha GTM prognostiziert werden. Zu berücksichtigen ist hierbei, dass der Sorghumversuch ohne eine Vorkultur Winterroggen angebaut wurde und somit der Wasserentzug durch diese Vorfrucht im Anbausystem 'Roggen/Sorghum' nicht direkt erfasst wurde. Die gute Entwicklung von Sorghum im Versuchsjahr 2006 unter heißen und sehr trockenen Wachstumsbedingungen – 14 mm Niederschlag während der ersten 40 Tage nach Aussaat – lässt indessen für den mehrjährigen Durchschnitt ein ertraglich hinreichendes Wasserangebot für Sorghum im genannten Anbausystem erwarten.

Die hier vorgestellten Ertragsdaten wurden mit genetischem Material – u.a. genetischen Ressourcen bei Roggen und Experimentalhybriden bei Sorghum – erzielt, das noch längst nicht züchterisch optimal an die neue Nutzungsrichtung bzw. die Klimabedingungen angepasst worden ist. Das züchterische Potenzial zur weiteren Steigerung der Flächenproduktivität an Biomasse in diesem Anbausystem ist somit beachtlich. Die Ergebnisse zeigen auch den vorhandenen Forschungsbedarf auf, insbesondere im Hinblick auf Sorghum, dessen Kühletoleranz in der Jugendphase noch wesentlich verbessert werden muss, um ausreichende Ertragsstabilität auch in klimatisch weniger begünstigten Anbauregionen zu gewährleisten. Die Fortschritte, die bei Mais zur Verbesserung der Kühletoleranz bis dato erzielt wurden, lassen erwarten, dass ähnliche Erfolge auch bei Sorghum möglich sind.

Besonderes Potenzial bietet das Anbausystem 'Roggen/Sorghum' im Hinblick auf trockenere Standorte, wie sie etwa im Nordosten Deutschlands vorliegen bzw. im Zuge des Klimawandels sich regional in den kommenden Jahrzehnten ausprägen werden.

Die Studie zeigt auch, dass bei Roggen die genetische Variabilität für Biomasseleistung ausgeprägt und im unter­suchten Material unabhängig von jener für Kornertrag ist, so dass für die Züchtung von Hochleistungsenergiesorten für die Biomasseproduktion züchtungsmethodisch günstige Aussichten bestehen. Inwieweit eine solche spezielle Züchtungsrichtung wirtschaftlich lohnend ist, hängt von den Rahmenbedingungen ab. Die energetische Nutzung von Biomasse hat in den vergangenen Jahren in der deutschen Landwirtschaft stark an Bedeutung gewonnen. Im Jahr 2011 wurden in Deutschland bereits auf insgesamt 800 000 ha Pflanzen angebaut (Schütte, 2011), um Substrat für ca. 7000 Biogasanlagen zu produzieren. Der Flächenbedarf für die Produktion aller Energiepflanzen in Deutschland, der im Jahr 2011 bei 1,96 Mio. ha lag (Schütte, 2011), wird für 2020 auf ca. 3,7 Mio. ha prognostiziert, was einem Anteil von 21,9% der heute genutzten landwirtschaftlichen Nutzfläche entspräche (Schmidt und Mühlenhoff, 2009). Mittel- bis langfristig könnte daher die Züchtung spezieller Sorten von Bioenergie-Roggen wirtschaftlich tragbar sein, zumal bei Roggen spezielle Formen wie der Grünschnittroggen für die Biomasseproduktion bereits existieren.

Die Anbaufläche für Silomais in Deutschland ist im Zuge des Ausbaus der Biogasproduktion zwischen 2002 und 2010 von 1,119 Mio. ha auf 1,829 Mio. ha gestiegen; das entspricht einem Anstieg von mehr als 63%. Von dem über nachwachsende Rohstoffe gedeckten Substratbedarf der in Deutschland produzierenden Biogasanlagen macht allein Mais einen Anteil von 76% aus (FNR, 2011). Um die Kulturartenvielfalt auf unseren Äckern bei gleichzeitig hoher Flächenproduktivität an Biomasse aufrechtzuerhalten, ist daher eine Intensivierung der Pflanzenbau- und Züchtungsforschung im Bereich Energiepflanzen erforderlich (Schütte, 2007).

Die Ergebnisse der vorliegenden Studie zu den Fruchtarten Roggen und Sorghum zeigen beispielhaft vorhandene Potenziale auf:

• Alternative, klimatisch angepasste Fruchtarten bzw. Anbausysteme sind durch Pflanzenzüchtung realisierbar.

• Erhebliches genetisches Potenzial zur weiteren Steigerung der Biomasse-Flächenproduktivität ist vorhanden.

• Die Züchtung stresstoleranter, schnellwüchsiger, ertragreicher und nährstoffeffizienter Energiepflanzen kann Beiträge zur Anpassung an den Klimawandel und zum aktiven Klimaschutz durch Substitution fossiler Energieträger und Einsparung von THG-intensiven N-Düngern in der Landwirtschaft leisten.

Danksagung

Die Forschungsarbeiten zur Biomasseleistung von Roggen wurden aus Mitteln des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) unter dem Förderkennzeichen 22018305 gefördert. Die Verantwortung für den Inhalt dieser Veröffentlichung liegt beim Autor. Wir danken außerdem Frau Michaela Schlathölter (P.H. Petersen Saatzucht GmbH & Co. KG) und Herrn Dr. Heinrich Wortmann (HYBRO Saatzucht GmbH & Co. KG) für die sehr gute Zusammenarbeit.

Literatur

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Schütte, A., 2011: Entwicklungen und Tendenzen der Projektförderung im Bereich Energiepflanzenanbau, 3. Symposium Energiepflanzen, 02.–03.11.2011 Berlin.

Schmidt, J., J. Mühlenhoff, 2009: Erneuerbare Energien, Potenzial­atlas Deutschland. Agentur für erneuerbare Energien.

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