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Originalarbeit – Mitteilung

Anwendung von Pflanzenschutzmitteln auf für die Allgemeinheit bestimmten Flächen

The use of plant protection products on areas intended for the public

Gerhard Gündermann1 und Mario Genth2
Institut
Julius Kühn-Institut – Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen, Braunschweig1
Dombert Rechtsanwälte, Potsdam2

Journal für Kulturpflanzen, 64 (8). S. 306–308, 2012, ISSN 1867-0911, DOI: 10.5073/JfK.2012.08.04, Verlag Eugen Ulmer KG, Stuttgart

Kontaktanschrift
Dr. Gerhard Gündermann, Julius Kühn-Institut – Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen, Messeweg 11/12, 38104 Braunschweig, E-Mail: gerhard.guendermann@jki.bund.de Mario Genth, Dombert Rechtsanwälte, Mangerstraße 26, 14467 Potsdam
Zur Veröffentlichung angenommen
26. April 2012

Zusammenfassung

Am 14.02.2012 ist das neue Pflanzenschutzgesetz (PflSchG) (1) in Kraft getreten. Durch das Gesetz werden in erster Linie europarechtliche Vorgaben umgesetzt. Damit sind zugleich zahlreiche Neuerungen verbunden, auch im Bereich der Anwendung von Pflanzenschutz­mitteln. Eine der neu eingeführten Vorschriften ist § 17 PflSchG, der die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln auf Flächen, die für die Allgemeinheit bestimmt sind, regelt. Der Rechtsbegriff, Flächen, die für die Allgemeinheit bestimmt sind, wird in der Einordnung des euro­päischen Rechts und in der Umsetzung in das deutsche Recht beleuchtet. Schließlich werden der Regelungsumfang in einer Gesamtschau gewertet und Problembereiche erläutert. Eine Harmonisierungsmöglichkeit dieses Rechtsbegriffes wird aufgezeigt.

Stichwörter: Flächen, die für die Allgemeinheit bestimmt sind, gute fachliche Praxis

Abstract

The new Plant Protection Law came into force on 14th February 2012. By that law European standards are implemented. Many news are regulated also in the use of plant protection products. One of the new implemented regulations is § 17 PflSchG, which rules the use of plant protection products on areas intended for the public. The legal term “areas intended for the public” will be analyzed in the light of European Directive and on the implementation into German law. After all the term will be evaluated in an overview and problems are discussed. A possibility of harmonization of this legal term will be illustrated.

Key words: Areas intended for the public, good agricultural practice

1 Europarechtliche Grundlagen

Die europarechtlichen Grundlagen des neuen Pflanzenschutzgesetzes finden sich in der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 (2) – nachfolgend VO – sowie der Richtlinie 2009/128/EG (3) – nachfolgend RL. Beide fußen auf einem hohen Schutzniveau im Gesundheits- und Umweltschutz (4). Zahlreiche Regelungen helfen dieses Schutzniveau zu erreichen, eine davon ist Art. 12 der RL. Dort sind Regelungen zur „Verringerung der Verwendung von Pestiziden bzw. der damit verbundenen Risiken in bestimmten Gebieten“ getroffen. Nach dieser Vorschrift stellen die Mitgliedstaaten unter angemessener Berücksichtigung der Anforderungen an die notwendige Hygiene, an die öffentliche Gesundheit, und der biologischen Vielfalt oder der Ergebnisse einschlägiger Risikobewertungen sicher, dass die Verwendung von Pestiziden in bestimmten Gebieten so weit wie möglich minimiert oder verboten wird. Die Mitgliedstaaten haben geeignete Risikomanagementmaßnahmen zu treffen und der Verwendung von Pflanzenschutzmitteln mit geringerem Risiko im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 sowie biolo­gischen Bekämpfungsmaßnahmen den Vorzug zu geben.


Zu den „bestimmten Gebieten“ zählen:

a) Gebiete, die von der Allgemeinheit oder von gefähr­deten Personengruppen im Sinne von Artikel 3 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 genutzt werden, wie öffentliche Parks und Gärten, Sport- und Freizeit­plätze, Schulgelände und Kinderspielplätze sowie Gebiete in unmittelbarer Nähe von Einrichtungen des Gesundheitswesens;

b) Schutzgebiete im Sinne der Richtlinie 2000/60/EG oder andere Gebiete, die im Hinblick auf die erforderlichen Erhaltungsmaßnahmen gemäß der Richtlinie 79/409/EWG oder der Richtlinie 92/43/EWG ausgewiesen wurden;

c) kürzlich behandelte Flächen, die von landwirtschaft­lichen Arbeitskräften genutzt werden oder diesen zugänglich sind.


Der in Bezug genommene Art. 3 Nr. 14 VO definiert die „gefährdeten Personengruppen“ als Personen, die bei der Bewertung akuter und chronischer Gesundheitsauswirkungen von Pflanzenschutzmitteln besonders zu berücksichtigen sind. Dazu zählen schwangere und stillende Frauen, Kinder im Mutterleib, Säuglinge, Kinder, ältere Menschen sowie Arbeitnehmer und Anrainer, die über einen längeren Zeitraum einer hohen Pestizidbelastung ausgesetzt sind.

2 Inhalt und Systematik des § 17 PflSchG

§ 17 setzt die europarechtlichen Vorgaben des Art. 12 der RL um; er regelt die Anwendung von Pflanzenschutz­mitteln auf Flächen, die für die Allgemeinheit bestimmt sind. Die Vorschrift findet sich im Abschnitt 4 des Pflanzenschutzgesetzes, der die Überschrift „Anwendung von Pflanzenschutzmitteln“ trägt. § 17 PflSchG selbst besteht aus sechs Absätzen. Absatz 1 normiert welche Pflanzenschutzmittel auf für die Allgemeinheit bestimmten Flächen angewandt werden dürfen. Zudem definiert die Vorschrift – vgl. § 17 Abs. 1 Satz 2 PflSchG – was unter für die Allgemeinheit bestimmten Flächen zu verstehen ist. Dazu gehören insbesondere öffentliche Parks und Gärten, Grünanlagen in öffentlich zugänglichen Gebäuden, öffentlich zugängliche Sportplätze einschließlich Golfplätze, Schul- und Kindergartengelände, Spielplätze, Friedhöfe sowie Flächen in unmittelbarer Nähe von Einrichtungen des Gesundheitswesens. Die Absätze 2 und 3 enthalten Regelungen zur Genehmigung von Pflanzenschutzmitteln, wobei der Antragsteller gem. § 17 Abs. 2 Satz 2 PflSchG auch aus dem Kreis der Eigentümer und Besitzer der betroffenen Flächen kommen kann. Nach Absatz 4 ist eine Liste der genehmigten Pflanzenschutzmittel im Bundesanzeiger oder elektronischen Bundesanzeiger zu veröffentlichen. Absatz 5 enthält eine Verordnungsermächtigung für das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, wonach dieses allgemeine Anforderungen für Pflanzenschutzmittel sowie Einzelheiten des Genehmigungsverfahrens im Wege einer Verordnung regeln kann. Gemäß § 17 Abs. 6 PflSchG kann die zuständige Behörde bei Gefahr im Verzug Ausnahmegenehmigungen erteilen, wenn Maßnahmen getroffen werden, um eine Gefährdung der Allgemeinheit auszuschließen. Der Begriff „Gefahr im Verzug“ ist hier in Bezug zu den Anwendern mit ihren schützenswerten Interessen und in Abwägung zu dem Schutzziel „gefährdete Personengruppen“ gem. Art. 3 Nr. 14 der VO zu bewerten.

3 Kritische Würdigung

Die Aufzählung der für die Allgemeinheit bestimmten Flächen in § 17 Abs. 1 Satz 2 PflSchG ist nicht abschließend. Dies folgt aus dem Wort „insbesondere“. Dementsprechend können weitere Flächen als für die Allgemeinheit bestimmt angesehen werden, wenn und soweit sie ebenso schutzbedürftig sind. Hinsichtlich des angestrebten Schutzzweckes lässt sich der Gesetzesbegründung zum Pflanzenschutzgesetz und den europarechtlichen Vorgaben entnehmen, dass die genannten Flächen bewusst für die Nutzung durch die Allgemeinheit geöffnet sind bzw. von vornherein für die Nutzung durch die Allgemeinheit geplant worden sind (5). Das Europarecht stellt auf den „gefährdeten Personenkreis“ ab, der die Flächen nutzt. In der Aufzählung werden deshalb auch öffentliche Parks und Gärten sowie Grünanlagen und öffentlich zugängliche Sportplätze genannt, weil sie der „Allgemeinheit“ gewidmet sind. Gerade auf solchen Flächen halten sich zumeist „gefährdete Personengruppen“ auf.

Dies trifft aber nicht auf alle in der Vorschrift genannten Flächen zu. Golfplätze beispielsweise können sich auch in privater Hand (z.B. exklusive Privatclubs) befinden. Gleiches trifft auf private Schul- und Kindergartengelände sowie Spielplätze zu. Dem Wortlaut nach unterwirft § 17 PflSchG auch solche Flächen seinem Anwendungsbereich. Denn es wird nicht zwischen „privat“ und „öffentlich“ differenziert. Angesichts des Schutzzweckes der Norm ist dies folgerichtig.

Jedoch erscheint es inkonsequent, wenn der Gesetz­geber zwar private Kindergärten dem Anwendungs­bereich des § 17 PflSchG unterwirft, nicht aber private Grünflächen und Parkanlagen, die der Öffentlichkeit zugänglich sind, wie z.B. Schlossparks etc. Allerdings ist die Aufzählung in § 17 Abs. 1 Satz 2 PflSchG auch nur beispielhaft. Das Zuordnungskriterium für die einzelne Fläche ist der Terminus „für die Allgemeinheit bestimmt“. Damit hebt der Gesetzgeber nicht als Ausschlusskrite­rium auf den Rechtsbegriff „öffentlich“ ab; er nutzt diesen Begriff nur in der Aufzählung seiner Beispielfälle. Entscheidend ist vielmehr, dass die Fläche für die Allgemeinheit tatsächlich zugänglich ist und nicht über Zugangskontrollen eingeschränkt wird. Der für bestimmte Zeiten geöffnete Schlosspark wäre dann auch zu dem spezifischen Regelungsbereich des § 17 PflSchG zu zählen. Ein Fußballstadion hingegen, das nur mit entsprechender Einzelberechtigung (z.B. Ticket) betreten werden kann, ist nicht vom Regelungsbereich umfasst. Da kein unbehinderter Zugang für Jedermann möglich ist, ist dort das Gefährdungspotenzial für die Allgemeinheit bei der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln anders – nämlich geringer – einzuschätzen, weil entsprechende Maßnahmen (Betretungsverbot etc.) von dem Betreiber des Fußballstadions getroffen werden können.

Ausgehend von der Definition des gefährdeten Personenkreises in Art. 3 Nr. 14 VO können weitere Flächen als für die Allgemeinheit bestimmt angesehen werden. Zu denken ist beispielsweise an Uferpromenaden, Strand- und Freibäder, Freizeit-und Wellnessparks. Auch dort kommt es zu großen Besucherströmen, die vor der Anwendung bestimmter Pflanzenschutzmittel geschützt werden müssen.

Nicht von der Begriffsdefinition umfasst sind Flächen, die land-, forst- oder erwerbsgärtnerisch genutzt werden (6). Dies ist im Grundsatz richtig, da dort vorrangig Kulturpflanzen vor Schadorganismen und nichtparasitären Beeinträchtigungen gemäß § 1 Nr. 1 PflSchG geschützt werden. Gleichwohl ist zu bedenken, dass im Einzelfall landwirtschaftliche Betriebe so konzipiert sein können, dass sie zumindest saisonal eine große Anzahl von Be­suchern anlocken sollen. Dieser Sachbereich wird nicht von der Vorschrift umfasst. Dies ist im Hinblick auf den Regelungsgedanken des Art. 12 RL i.V.m. Art. 3 Nr. 14 VO und den Schutzzweck des Gesetzes, Gesundheitsgefahren für den Menschen abzuwenden, kritisch zu sehen. Inhaber solcher Betriebe müssen deshalb im Rahmen der guten fachlichen Praxis und des integrierten Pflanzenschutzes schon bei der Wahl und der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln gem. § 3 Abs. 1 Nr. 3 PflSchG eine entsprechende Abwägung vornehmen. Die zuständige Behörde kann auch gem. § 3 Abs. 1 Satz 3 PflSchG entsprechende Anordnungen treffen.

Der Vollzug des § 17 PflSchG ist Ländersache. Dies wird naturgemäß dazu führen, dass sich in den Ländern ein unterschiedliches Begriffsverständnis, von den für die Allgemeinheit bestimmten Flächen, etablieren wird. Der Rechtssicherheit wäre gedient, wenn sich die Länder hinsichtlich der Auslegung der Vorschrift – etwa im Wege einer „einheitlichen Liste“ – abstimmen würden.

4 Schlussfolgerung

Der bundesdeutsche Gesetzgeber hat die europarecht­lichen Vorgaben größtenteils umgesetzt. Das neue Pflanzenschutzrecht enthält zahlreiche auslegungs- und konkretisierungsbedürftige Begriffe u.a. den Begriff „Flächen, die für die Allgemeinheit bestimmt sind“. Die im § 17 Abs. 1 Satz 2 PflSchG aufgeführten Beispiele sind nicht abschließend. Vom Wortlaut umfasst sind auch private Parks und Grünflächen, soweit diese allgemein der Öffentlichkeit zugänglich sind. Es ist darauf abzustellen, ob die Fläche tatsächlich „jedermann“ ohne entspre­chende Einschränkungen zugänglich ist. Soweit der Gesetzgeber Bereiche, – in denen sich gefährdete Personengruppen aufhalten können – nicht dem Schutzbereich des § 17 PflSchG unterstellt hat, ist die gute fachliche Praxis und dort insbesondere der § 3 Abs. 1 Nr. 3 PflSchG vom Anwender zu beachten.

Literatur

(1) Gesetz zum Schutz der Kulturpflanzen, Pflanzenschutzgesetz vom 06.02.2012 (BGBl. I, S. 148).

(2) Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21.10.2009 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln und zur Aufhebung der Richtlinien 79/117/EWG und 91/414/EWG des Rates, ABl. Nr. L 309 v. 24.11.2009, S. 1ff.

(3) Richtlinie 2009/128/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21.10.2009 über einen Aktionsrahmen der Gemeinschaft für die nachhaltige Verwendung von Pestiziden, ABl. L 309 v. 24.11.2009, S. 71ff.

(4) Vgl. Art. 1 Abs. 3 VO Nr. 1107/2009.

(5) Bundesrat Drucksache (BR-Drs.) 520/11) 520/11, S. 97.

(6) Vgl. BR-Drs. 520/11, S. 97.


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