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Übersichtsarbeit

Fäulnispilze an Weintrauben – Erregerkomplex, Mykotoxine und Bekämpfungsstrategien

Mould fungi on grapes – pathogen complex, mycotoxins and strategies of control

Ruth Walter
Institut
Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum – Rheinpfalz (DLR-Rheinpfalz), Kompetenzzentrum Weinforschung, Abteilung Phytomedizin, Neustadt an der Weinstraße

Journal für Kulturpflanzen, 64 (10). S. 378–383, 2012, ISSN 1867-0911, DOI: 10.5073/JfK.2012.10.02, Verlag Eugen Ulmer KG, Stuttgart

Kontaktanschrift
Dr. Ruth Walter, Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum – Rheinpfalz, Kompetenzzentrum Weinforschung, Abteilung Phytomedizin, Breitenweg 71, 67435 Neustadt an der Weinstraße, E-Mail: ruth.walter@dlr.rlp.de
Zur Veröffentlichung angenommen
20. August 2012

Zusammenfassung

Botrytis cinerea (Grauschimmel), Penicillium spec. (Grünfäule) und Erreger der Essigfäule sind die häufigsten Traubenfäulniserreger in deutschen Weinanbaugebieten. Insbesondere Pilze der Gattung Penicillium spec. bilden gesundheitlich und sensorisch relevante Sekundärmetabolite, die die Qualität des Leseguts massiv beeinträch­tigen können. Beispielsweise kann P. expansum, der Haupterreger der Grünfäule an Trauben, die flüchtige Substanz Geosmin bilden. Bereits geringe Mengen von Geosmin im Wein können zu irreversiblen modrig-muffigen Fehltönen in Weinen führen. Die Bildungsbedingungen und mögliche biologische Funktionen von Geosmin und weiteren wichtigen sekundären Metaboliten von Penicillium spec. werden derzeit in einem vom Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) über die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) geförderten Projekt am DLR-Rheinpfalz in Neustadt an der Weinstraße (Förderkennzeichen 2810HS016) untersucht.

Während B. cinerea die Beeren sowohl über Wunden als auch über die intakte Beerenhaut infizieren kann, sind Penicillium spec. und Erreger der Essigfäule für Infektionen auf Wunden in der Beerenhaut angewiesen. Da gegen Penicillium spec. und Essigfäule an Trauben bisher keine Pflanzenschutzmittel zur Verfügung stehen, konzentrieren sich die Bekämpfungsstrategien gegen diese Fäulniserreger insbesondere auf kulturtechnische Maßnahmen, die helfen, Wunden an den Beeren zu vermeiden. Bei Rebsorten mit kompakter Traubenstruktur sind Maßnahmen, die die Traubenstruktur lockern, am effektivsten. Insbesondere durch das horizontale Traubenteilen und das Handabstreifen von Beerenansätzen werden die Traubenstrukturen gelockert, dadurch Wunden vermieden und Infektionen deutlich reduziert. Ebenso können durch den Einsatz von Wachstumsregulatoren je nach Auflockerungsgrad gute Bekämpfungserfolge erzielt werden.

Stichwörter: Penicillium, Botrytis, Essigfäule, Sekundärmetabolite, Geosmin, Mykotoxine, Fäulnisbekämpfung

Abstract

Botrytis cinerea (grey mould), Penicillium spec. (blue mould) and yeasts causing sour rot are the most im­portant bunch rot pathogens in German vine growing regions. Penicillium species involved in rot of grapes produce secondary metabolites with significant impact on quality of must or wine and also on food safety. P. expansum, for instance, is the causal agent of blue mould on grapes and produces the volatile compound geosmin. Unfortunately, even a low level of geosmin may lead to a persistent earthy and musty smell of the wine. The role and biological function of geosmin and other secondary metabolites as well as environmental factors that may trigger their production are currently investigated. The project is supported by the German Federal Ministry of Food, Agriculture and Consumer Protection (BMELV) through the Federal Office for Agriculture and Food (BLE 2810HS016).

In contrast to the pathogen B. cinerea that may infect grape berries via wounds or by a direct penetration of the berry skin, P. expansum and sour rot pathogens are addicted solely to wounds for infection. Until now, there are no fungicides available that are effective against Penicillium spec. or sour rot pathogens on grapes. Therefore, control strategies mainly consider cultivation methods that help to avoid wounds on the berries. Different methods are used to change bunch structure in case for those grape varieties exhibiting an unfavourable compact bunch architecture. Among them, especially horizontal bunch dividing, hand stripping of berry rudiments, and the application of growth regulators are the most effective strategies to avoid wounds on berries and also infections leading to bunch rot.

Key words: Penicillium, Botrytis, sour rot, secondary metabolites, geosmin, mycotoxins, wine quality, mould control

Erreger und Krankheitssymptome der häufigsten Traubenfäulen

In deutschen Weinanbaugebieten tritt im Herbst an Trauben meist ein Fäulniskomplex aus Botrytis cinerea (Grauschimmel, Abb. 1), Penicillium spec. (Grünfäule, Abb. 2) und Erregern der Essigfäule (Abb. 3) auf. Der Grauschimmel, verursacht durch Botrytis cinerea Pers., ist die häufigste Fäulniskrankheit an Trauben.

Abb. 1. Krankheitssymptome des Grauschimmels (Botrytis cinerea) mit starker Sporulation im fortgeschrittenen Krankheitsstadium an einer reifen Riesling-Traube.

Abb. 1. Krankheitssymptome des Grauschimmels (Botrytis cinerea) mit starker Sporulation im fortgeschrittenen Krankheitsstadium an einer reifen Riesling-Traube.

Abb. 2. Frühes Krankheitsstadium der Grünfäule mit beginnender Sporulation des Pilzes (Penicillium spec.) an einer reifen Riesling-Traube.

Abb. 2. Frühes Krankheitsstadium der Grünfäule mit beginnender Sporulation des Pilzes (Penicillium spec.) an einer reifen Riesling-Traube.

Abb. 3. Stark mit Essigfäule befallene Portugieser Traube mit typischer glänzender Beerenhaut.

Abb. 3. Stark mit Essigfäule befallene Portugieser Traube mit typischer glänzender Beerenhaut.

Die Essigfäule an Trauben wird insbesondere durch pathogene Hefen hervorgerufen, die verwundete Beeren besiedeln. Meist werden die Arten Kloeckera apiculata, Candida stellata, Metshnikowia pulcherrima, Candida krusei, (Bisiach et al., 1986; Guerzoni und Marchetti, 1987) und Zygoascus hellenicus (Barata et al., 2008) gefunden. Sie zersetzen Beereninhaltsstoffe in Ethylacetat und Essigsäure. Durch den Geruch werden Essigfliegen anlockt, die ihre Eier in die verwundeten Beeren legen. Dabei bleiben Sporen und Keime an den Extremitäten der Fliegen hängen, wodurch die Erreger von Beere zu Beere verschleppt werden (Louis et al., 1996). Die Fliegen tragen damit zur Verbreitung der Essigfäule, aber auch des Grauschimmels und der Grünfäule bei.

Seit Ende der 1990er Jahre tritt die Krankheit Grünfäule vermehrt an Trauben in Deutschland auf. Die Art Penicillium expansum Link (Link, 1809) ist der Hauptverursacher der Grünfäule an Trauben in deutschen Weinanbau­gebieten (Walter, 2008; Walter et al., 2006; Hillebrand et al., 1998). P. expansum befällt als weltweit häufigste Penicillium-Art wirtschaftlich bedeutende Kulturpflanzen. Vor allem Äpfel und Birnen, aber auch Zitrusfrüchte, Trauben und zahlreiche weitere Obst- und Gemüsearten werden von dem Pathogen besiedelt (Pitt, 2000; Reiss, 1997). Pilze der Gattung Penicillium spec. bilden zahlreiche sekundäre Metabolite, die sich negativ auf die Qualität des Leseguts auswirken können (Frisvad et al., 2004).

Grünfäule und Essigfäule treten als Sekundärfäulen vor allem als Folge des Botrytis-Befalls auf. Botrytis kann die reifen Beeren sowohl über Wunden als auch über die intakte Beerenhaut infizieren. In Laboruntersuchungen konnte nachgewiesen werden, dass Penicillium von einer vorangegangenen Botrytis-Infektion an ursprünglich intakten Beeren profitieren kann und die Beeren folgend besiedelt. Sind bereits Wunden an den Beeren vorhanden, stellt Botrytis wiederum einen wichtigen Konkurrenten von Penicillium an den Beeren dar. Die Konkurrenzbedingungen können sich dabei in Abhängigkeit von äußeren Faktoren, wie beispielsweise der Rebsorte, der Temperatur, dem Zuckergehalt oder dem Einfluss verschiedener Pflanzenschutzmittel zu Gunsten von Botrytis oder Penicillium verschieben (Walter, 2008; Walter et al., 2007).

Sensorisch und gesundheitlich relevante Metabolite von Penicillium spec.

Bei den von Penicillium spec. gebildeten Sekundärmetaboliten handelt es sich um sensorisch relevante Substanzen, die Fehltöne im Wein hervorrufen können, und um Mykotoxine, die bei Verzehr langfristig schädigend auf den menschlichen Organismus wirken können. Die typischen Fehltöne im Wein, die als „modrig“ und „muffig“ beschrieben werden, werden vor allem der Substanz Geosmin zugeschrieben. Auch 2-Methylisoborneol (MIB) und 2- Isopropyl-3-methoxypyrazin (IPMP) werden als fehltonverursachende Komponenten genannt (La Guerche, 2004; La Guerche et al., 2003; Darriet et al., 2000). Sie werden insbesondere von P. expansum, dem Haupterreger der Grünfäule gebildet. Über einen Abbau der Substanzen während des Gärvorgangs wurde bisher nicht be­richtet. In Abhängigkeit von der Rebsorte können bereits 30 bis 50 ng/l Geosmin in Weinen zu sensorisch relevanten Fehltönen führen (Vincent, 2005). Ebenso bedeutend wie die Bildung der aufgeführten sensorisch relevanten Sekundärmetabolite ist die Bildung von Mykotoxinen durch Penicillium spec.. P. expansum bildet die Myko­toxine Patulin und Citrinin. Patulin stellt speziell für die Herstellung von Trauben- und Apfelsäften ein großes Problem dar, da der Grenzwert für Patulin von 50 µg/kg (Verordnung (EG) Nr. 1881/2006 der Kommission vom 19. Dezember 2006 zur Festsetzung der Höchstgehalte für bestimmte Kontaminationen in Lebensmitteln (ABl. L 364 S. 5), zuletzt geändert durch Verordnung (EU) Nr. 835/2011 der Kommission vom 19. August 2011 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1881/2006 im Hinblick auf Höchstgehalte an polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen in Lebensmitteln (ABl. L 215 S. 4) bereits bei geringem Befall an Obst erreicht werden kann. Das Toxin bleibt beim Pasteurisieren und kurzen Erhitzen weitgehend stabil (Kasa et al., 2010). Für die Produktion von Wein ist die Substanz allerdings un­problematisch, da sie während des Gärvorgangs oder der Zugabe von Schwefeldioxid zerfällt (Trucksess und Tang, 2001; Altmayer et al., 1985). Die Problematik bleibt jedoch für die Vermarktung von Tafeltrauben und die Herstellung von Traubensäften bestehen. Citrinin ist eine krebserregende und mutationsauslösende Substanz. Eine nennenswerte Belastung von Weinen, Obst- und Gemüsesäften durch Citrinin ist derzeit nicht nachgewiesen, was wahrscheinlich auf einen temperaturabhängigen Abbau der Substanz in wässriger Lösung zurückzuführen ist (Schneider, 2007; Meyer et al., 2001). Bragulat et al. (2008) aus Spanien weisen in Studien darauf hin, dass Isolate von P. expansum, die an Trauben gefunden wurden, in vitro nur wenig Patulin- und Citrinin produzierten. Die Messungen basieren jedoch auf in vitro-Unter­suchungen und berücksichtigen nicht die Bildung der Toxine unter natürlichen Wachstumsbedingungen.

Da verschiedene Penicillium-Arten unterschiedliche toxische Metabolite bilden (Frisvad et al., 2004), ist die Zusammensetzung der Penicillium-Arten an den Trauben entscheidend für die potenzielle Mykotoxinbelastung. In südlicheren Ländern wurden bereits zahlreiche weitere Penicillium-Arten an den Trauben gefunden, beispielsweise P. crustosum, P. aurantiogriseum, P. minioluteum, P. spinulosum und P. thomii (Doare-Lebrun, 2005; Serra et al., 2003). Vor allem klimatische Faktoren werden für das vermehrte Auftreten der wärmeliebenden Gattung Penicillium spec. und die Artenzusammensetzung an den Trauben verantwortlich gemacht (Borgo et al., 2005; Darriet et al., 2005; Vincent, 2005, Battilani et al., 2003). Auch in eigenen Untersuchungen in deutschen Weinanbaugebieten konnten an symptomatischen Trauben neben dem Hauptverursacher P. expansum die Arten P. minioluteum und P. crustosum und vereinzelt weitere fünf Penicillium-Arten gefunden werden (Walter et al., 2006).

Insbesondere von verschiedenen Aspergillus-Arten (u.a. A. carbonarius, A. niger) aber auch von einigen Penicil­lium-Arten (P. nordicum, P. verrucosum; Frisvad et al., 2004) ist die Bildung der hoch krebserregenden und nierenschädigenden Substanz Ochratoxin A (OTA) bekannt (Grenzwert 2 µg/kg), Verordnung (EG) Nr. 1881/2006 der Kommission vom 19. Dezember 2006 zur Festsetzung der Höchstgehalte für bestimmte Kontaminationen in Lebensmitteln (ABl. L 364 S. 5), zuletzt geändert durch Verordnung (EU) Nr. 835/2011 der Kommission vom 19. August 2011 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1881/2006 im Hinblick auf Höchstgehalte an poly­zyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen in Lebensmitteln (ABl. L 215 S. 4). Vega und Posada (2006) konnten in Untersuchungen an Kaffeepflanzen auch bei der Art P. crustosum eine OTA-Produktion nachweisen. In laufenden eigenen Untersuchungen konnte nachgewiesen werden, dass auch einige der Eigenisolate der Art P. crustosum in Traubensaft OTA bilden können (Altmayer et al., 2010). Bisher untersuchte deutsche Weine, insbesondere Spätlesen, wiesen in seltenen Fällen Ochratoxin A auf, wobei die Menge in jedem Fall deutlich unter dem zulässigen Grenzwert lag. Mögliche Risikofaktoren für künftige OTA-Kontaminationen in deutschen Weinen, die von Penicillium spec. ausgehen könnten, werden derzeit geprüft. Als Maßnahme kommt der Ausschluss befallener Trauben durch eine negative Vorlese insbesondere vor einer maschinellen Lese in Betracht.

Einflussfaktoren auf die Bildung sekundärer Stoffwechselprodukte

Die Bildungsbedingungen sekundärer Stoffwechselprodukte sind komplex und hängen von zahlreichen Faktoren ab. Beispielsweise können Interaktionen mit anderen Mikroorganismen und Umweltbedingungen die Bildung der Sekundärmetabolite beeinflussen oder sogar regulieren.

Studien von La Guerche et al. (2007) belegen, dass bestimmte Botrytis-Stämme die Bildung von Geosmin durch P. expansum beeinflussen können. In den Unter­suchungen stimulieren die sogenannten Bot (+)-Stämme die Bildung von Geosmin durch P. expansum in Traubensaft. Dies wird unter anderem auf Aminosäuren und Ammonium zurückgeführt, die von B. cinerea im Medium umgesetzt werden. Die Arbeitsgruppe La Guerche ver­mutet zudem, dass Bot (–)-Stämme ein Polysaccharid an das Medium abgegeben, welches die Bildung von Geosmin durch P. expansum wiederum hemmt. Die Bot (+)-Stämme sind vor allem im Inneren der Traube gefunden worden. Dieser Befund könnte einer Botrytizidapplikation kurz vor Traubenschluss eine neue wichtige Bedeutung geben. Bisherige eigene Untersuchungen belegen, dass verschiedene Stämme von P. expansum in Traubensaft kein Geosmin bilden. Zudem wurde in einem laufenden Screening nachgewiesen, dass auch in deutschen Weinanbaugebieten Bot (+)-Stämme vorkommen. Anhand der Daten sollen eventuelle Korrelationen zwischen dem Vorkommen der verschiedenen Botrytis-Stämme und der Kontamination von Mosten mit Geosmin geprüft werden.

Auch Schmidt-Heydt et al. (2008) und Geisen und Schmidt-Heydt (2009) berichten von Umweltfaktoren, die die Abgabe von Mykotoxinen maßgeblich beeinflussen können. Die Arbeitsgruppe fand heraus, dass durch physiologischen Stress die Bildung von Mykotoxinen stimuliert werden kann und beispielsweise blaues Licht mit einer Wellenlänge von 450 nm die Bildung von OTA hemmt. Diongi (1995) konnte aufzeigen, dass Kupfer­sulfat die Biosynthese von Geosmin bei P. expansum stimulieren kann. Auch Untersuchungen von Russell und Paterson (2006) belegen, dass einige Fungizide und Wachstumsregulatoren die Patulinbildung bei P. expansum erhöhen können. Die genannten Faktoren haben einen engen Bezug zur weinbaulichen Praxis, da solche entscheidenden Wachstumsfaktoren durch verschiedene Maßnahmen an den Reben direkt beeinflusst werden können. Beispielsweise können Entblätterungsmaßnahmen in der Traubenzone die Lichtverhältnisse an den Trauben deutlich verändern und damit theoretisch auch die Bildung von Ochratoxin A. Auch Pestizide können die Pilze stressen und damit den sekundären Stoffwechsel beeinflussen.

Die zahlreichen äußeren Faktoren, die auf den sekundären Metabolismus der Pilze einwirken, haben zur Folge, dass das offensichtliche Auftreten der Krankheit nicht zwangsläufig mit dem Gehalt qualitätsmindernder Sub­stanzen im Most korrelieren muss. Daher konnte bisher keine Schadensschwelle für den Befall mit Penicillium an Keltertrauben festgelegt werden. In einem vom Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) über die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) geförderten Projekt werden derzeit am DLR-Rheinpfalz die Bildungsbedingungen verschiedener Sekundärmetabolite von Penicil­lium spec. und deren biologische Funktionen untersucht. Zudem soll ein im Traubenmost analytischer Marker entwickelt werden, der zuverlässig auf den Befall der verwendeten Trauben mit Penicillium hinweist.

Bekämpfung von Fäulniskrankheiten an Trauben

Penicillium expansum und Erreger der Essigfäule infi­zieren die Beeren ausschließlich über Wunden in der Beerenhaut (Walter, 2008; Latorre und Rioja, 2002; Seyb, 2004). Daher stellt die Vermeidung von Wunden in der Beerenhaut die wichtigste Strategie zur Vermeidung von Traubenfäulen dar. Bedeutende Wundverursacher an Beeren sind vor allem Botrytis cinerea, Erysiphe necator, der Erreger des Echten Rebenmehltaus, und die zweite Larvengeneration des Traubenwicklers (Eupoecilia ambiguella und Lobesia botrana). Insbesondere Erysiphe necator kann das Gewebe der Beerenhaut großflächig beschädigen und den Sekundärfäuleerregern Infektionswege öffnen (Gadoury et al., 2011, Gadoury et al., 2007). Effektive Pflanzenschutzmaßnahmen sind daher wich­tige Voraussetzungen, um Trauben gesund zu erhalten. Bei Reben mit kompakter Traubenstruktur stellen Abquetschungen an den Beeren die häufigste Wundquelle im Herbst dar. Daher sind Maßnahmen, die die Traubenstruktur lockern, am effektivsten. Besonders gute und zuverlässige Ergebnisse erbrachten in den vergangenen Jahren das horizontale Teilen der Trauben kurz vor Traubenschluss, das Handabstreifen von Beerenansätzen und je nach Auflockerungsgrad auch der Einsatz von Wachstumsregulatoren (Walter und Ipach, 2011; Bleyer und Lösch, 2010; Haas und Roschatt, 2007). Durch die Maßnahmen werden die Trauben gelockert, Wunden vermieden und Infektionen äußerst effektiv reduziert. Auch das Ausbreitungspotential der Krankheiten von Beere zu Beere wird verringert.

Pflanzenschutzmittel zur chemischen Bekämpfung von Penicillium und Essigfäule stehen bisher nicht zur Verfügung. Gegen Botrytis hingegen können neben den genannten Kulturmaßnahmen auch Botrytizide eingesetzt werden. Empfohlen werden insbesondere Applikationen kurz vor Traubenschluss und zum Reifebeginn (Walter und Ipach, 2011). Im Focus der Botrytis-Bekämpfungsstrategien stehen derzeit zudem verschiedene Behandlungen zur Blüte. Seit langem ist bekannt, dass Botrytis Blütenreste latent infizieren kann (Elad et al., 2004; Viret et al., 2004; Pezet et al., 2003; Nair et al., 1995). Ausgehend von den im Inneren der Trauben verbleibenden Blütenreste kann Botrytis die reifenden Beeren infizieren und die Traube von innen befallen. Nach Traubenschluss können solche Infektionen durch Pflanzenschutzmittel nicht mehr verhindert werden, da die Mittel das Traubeninnere nicht erreichen. Untersuchungen im Jahr 2010 belegen, dass der Befall durch Botrytis im Herbst um durchschnittlich 49% reduziert werden kann, wenn die Blütenreste kurz nach der Blüte aus den Gescheinen entfernt wurden (Walter, 2011). Eine mög­liche praktische Umsetzung durch beispielsweise das maschinelle Ausblasen der Blütenreste wird in folgenden Versuchsansätzen geprüft.

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