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Mitteilungen und Nachrichten

Mitteilungen und Nachrichten

  Die Gesellschaft für Pflanzenbauwissenschaften (GPW) teilt mit:

Tagung der AG Saatgut und Sortenwesen der Gesellschaft für Pflanzenbauwissenschaften (GPW) und der Gesellschaft für Pflanzenzüchtung (GPZ) 2012 in Osnabrück

Journal für Kulturpflanzen, 64 (11). S. 425–435, 2012, ISSN 1867-0911, Verlag Eugen Ulmer KG, Stuttgart


Vom 8. bis 9. Mai 2012 fand in Osnabrück die vom Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung (IPK) Gatersleben (Andreas Börner, Ulrike Lohwasser) und dem Botanischen Garten der Universität Osnabrück (Sabine Zachgo, Peter Borgmann) gemeinsam organisierte Tagung der Arbeitsgemeinschaft Saatgut und Sortenwesen der GPW und GPZ statt. Es diskutierten ca. 80 Teilnehmer aus wissenschaftlichen Einrichtungen, Züchtungsfirmen und Landesanstalten über das Thema „Saatgut­erhaltung und Nutzbarmachung von Kulturpflanzen und heimischen Wildarten“.

Eröffnet wurde die Tagung mit einer Reihe von Vorträgen zum Genbanknetzwerk für „Wildpflanzen für Ernährung und Landwirtschaft (WEL)“. Dieses Netzwerk, gefördert vom Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz sowie der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung wird vom Botanischen Garten Osnabrück koordiniert. Das IPK unterstützt diese Initiative und ist im Beratungsgremium vertreten. Prof. Sabine Zachgo, die das Projekt leitet, präsentierte einen Übersichtsbeitrag und erläuterte die zentralen Aufgaben des Projektes. In Deutschland existieren über 2800 Wildpflanzenarten, die zu den potentiellen pflanzengenetischen Ressourcen zählen und zahlreiche Nutzungsformen aufweisen. Ziel des Projektes ist es, dem Verlust an genetischer Wildpflanzenvielfalt entgegen zu wirken und eine Ressource für zukünftige Forschungs- und Züchtungszwecke bereitstellen zu können.

Im Anschluss an den ersten Vortragsblock wurden die Posterpräsentationen vorgestellt. Neben weiteren Beiträgen zur Sicherung wildpflanzengenetischer Ressourcen standen Poster zum Keimungsverhalten, zur Saatgutlagerung, aber auch zu modernen Methoden der Saatgutanalyse mittels Röntgenstrahlen oder Kernspinresonanzspektroskopie (nuclear magnetic resonance, NMR) im Mittelpunkt des Interesses. Erstmals wurde ein Preis für das beste Poster inklusive Kurzpräsentation vergeben. Die Preisträgerin war Ljudmilla Borisjuk, IPK Gatersleben, mit ihrem Beitrag „Non-invasive surveying of seeds by use of nuclear magnetic resonance (NMR)“.

Es folgten Vorträge zu samenbiologischen und -ökologischen Aspekten, zum Einsatz eines Geoportals in der Saatguterfassung, aber auch zu Konzepten für die Vermittlung vom Nutzen und zur Arbeit von Samenbanken in einer breiten Öffentlichkeit („Pflanzen-Genbanken und Bildung“).

Der erste Tag der Veranstaltung endete mit einem öffentlichen Vortrag von Herrn Prof. M. Jischa, Ehrenvorsitzender der Deutschen Gesellschaft Club of Rome. Er referierte zum Thema: „Nahrung für die Welt von morgen“.

Der zweite Tag der Vortragsveranstaltung stand im Zeichen des Sortenwesens und der zahlreichen Aspekte der Erhaltung und Vermehrung von Saatgut. Vorgestellt wurden hier auch die Arbeiten der zum 01.09.2011 neu gegründeten Genbank für samenvermehrte Zierpflanzen. Diese zentral betriebene Sammlung ist beim Bundessortenamt angesiedelt. Aufbau und Organisation erfolgt in enger Abstimmung mit dem IPK Gatersleben und der WEL-Genbank. Schließlich wurden Forschungsergebnisse zur Langlebigkeit, Dormanz und Gesundheit von Saatgut (Raps, Gartenbohne, Weizen) diskutiert.

Die Tagungsbeiträge werden im Band 6 der „Berichte der Gesellschaft für Pflanzenbauwissenschaften“ publiziert.

Andreas Börner, Leiter der AG
Saatgut und Sortenwesen, Ulrike Lohwasser (IPK Gatersleben)

Sabine Zachgo (Botanischer Garten
der Universität Osnabrück)

Bericht der AG Arznei- und Gewürzpflanzen

Journal für Kulturpflanzen, 64 (11). S. 425–435, 2012, ISSN 1867-0911, Verlag Eugen Ulmer KG, Stuttgart


Durch das Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) und die Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e.V. (FNR) Gülzow wird gegenwärtig das Demonstrationsvorhaben zur züchterischen und anbautechnologischen Verbesserung der Produktion von Kamille, Baldrian und Melisse (KAMEL) gefördert. An diesem Forschungsvorhaben sind verschiedene Forschungseinrichtungen aus Universitäten, der außeruniversitären Forschung, der Landesforschung und der Privatwirtschaft beteiligt, darunter auch einige Mitglieder der GPW. Im Rahmen dieser Forschungsarbeiten werden Feldtage, Workshops und andere Veranstaltungen angeboten, wie die nachfolgend genannten:

• Am 20. September 2012 fand an der Bayerischen Landes­anstalt für Landwirtschaft (LFL) in der Versuchsstation Baumannshof ein Feldtag zur Züchtung und Anbauforschung mit Baldrian statt. Auf dem Feldtag wurden die aktuellen Ergebnisse der Baldrianzüchtung und der weiteren Forschungs­arbeiten rund um den Baldrian innerhalb des Demonstra­tionsvorhabens zu Kamille, Baldrian und Melisse des BMELV und der FNR unter der Leitung von Dr. Heidi Heuberger vorgestellt.

Workshop Zitronenmelisse: Am 9. Oktober 2012 fand der Workshop „Saatgutqualität, Trocknung und züchterische Verbesserung von Zitronenmelisse (Melissa officinalis L.)“ im Julius Kühn-Institut, Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen (JKI) in Quedlinburg statt. Organisator war Dr. Marthe vom JKI Quedlinburg.

• An der Justus-Liebig-Universität (JLU) Gießen (Lehrstuhl für Pflanzenbau, Prof. Dr. Honermeier) wird seit 2012 in Kooperation mit weiteren Partnern ein Forschungsvorhaben zur Verringerung des Krankheitsbefalls (Falscher Mehltau) bei der Samenvermehrung von Gartenkresse im ökologischen Landbau durchgeführt. Die ersten Erfahrungen dazu wurden im Jahr 2012 auf einem Feldtag in Rauischholz­hausen ausgetauscht. Im Jahr 2013 werden die ersten Ergebnisse in Gießen auf einer Vortragsveranstaltung vorgestellt. Über Termin und Ort wird rechtzeitig informiert werden.

Bernd Honermeier (Justus-Liebig-Universität Gießen)

Bericht der AG Nachwachsende Rohstoffe – Stand September 2012

Journal für Kulturpflanzen, 64 (11). S. 425–435, 2012, ISSN 1867-0911, Verlag Eugen Ulmer KG, Stuttgart


Der Anbau Nachwachsender Rohstoffe ist nach Angaben der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe (FNR) e.V. auch dieses Jahr erneut gestiegen und hat eine Anbaufläche von 2,53 Mio. Hektar erreicht. Erstmals wurde diesmal die Gruppe „Pflanzen für Biodiesel/Pflanzenöl“ durch „Pflanzen für Biogas“ mit 962 000 ha überholt. Der Anbau von Faserpflanzen ist über die Jahre von 10 000 ha auf nur noch 500 ha gesunken, während Festbrennstoffe (Miscanthus und KUP, Kurzumtriebsplantagen) innerhalb von 3 Jahren auf 6500 ha deutlich zugenommen haben. Zu den Industrie- und Energiepflanzen haben zahlreiche Tagungen an verschiedenen Einrichtungen stattgefunden. Zu den mehrjährigen Biomassepflanzen findet im November 2012 eine Veranstaltungsreihe an der Universität Bonn statt:

Zum Thema „Bioenergie – Mehrjährige Energiepflanzen“ findet am 07.11.2012 am Campus Klein-Altendorf der Universität Bonn die 28. Wissenschaftliche Fachtagung des USL statt. Das Programm mit Anmeldung wird über die GPW versandt.

Unmittelbar im Anschluss vom 08. bis 09.11.2012 findet am gleichen Ort die 7. Internationale Miscanthus-Tagung statt. Es wird Vorträge von Kollegen aus Canada, Frankreich, Österreich, Schweiz und Deutschland geben. Ein Schwerpunkt wird auf der energetischen Nutzung von Miscanthus sowie auf laufenden EU-Projekten liegen. Am zweiten Tag wird es u.a. eine Besich­tigung der Genotypenversuche, der solaren Trocknung und der 500 kW Miscanthus-Heizanlage am Campus Klein-Altendorf geben. An den beiden Tagungen sind wieder zahlreiche Mitglieder der Gesellschaft für Pflanzenwissenschaften beteiligt.

Ralf Pude (Universität Bonn)

Bericht von der 58. Deutschen Pflanzenschutz­tagung. Großes Interesse an den juristischen Sektionen am 13. und 14. September 2012 – Im Fokus stand das neue Pflanzenschutzrecht

Journal für Kulturpflanzen, 64 (11). S. 425–435, 2012, ISSN 1867-0911, Verlag Eugen Ulmer KG, Stuttgart


Die Tagung in Braunschweig hatte vier Sektionen mit dem Thema „Rechtliche u.a. Rahmenbedingungen für den Pflanzenschutz“. Die Vortragenden waren in der Sache als auch in der anschließenden Diskussion sehr überzeugend.

1 Der Vorsitzende Dr. Volker Kaus eröffnete die Sektion 27

Die erste Referentin an diesem Tag, Dr. Karola Schorn, führte in die neuen Regelungen des deutschen Pflanzenschutzgesetzes ein, das am 14.02.2012 in Kraft getreten war. Sie wies darauf hin, dass die Vorschriften der Verordnung (EG) 1107/2009 insbesondere zur Zulassung direkt in den Mitgliedstaaten gelten und damit die Regelungen des neuen Pflanzenschutzgesetzes nur eine Ergänzung dazu darstellten. Umgesetzt im nationalen Recht würden primär die Regelungen der Richtlinie 2009/128/EG. Darauf basierend müsse ein Nationaler Aktionsplan zur Verringerung der Risiken und Auswirkungen bei der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln erarbeitet und der integrierte Pflanzenschutz intensiviert werden.

Im Anschluss ging Dr. Volker Kaus auf die Regelungen des neuen Pflanzenschutzgesetzes aus Sicht der Industrie ein. Primär beschäftigte er sich mit dem Übergang des bisherigen deutschen Zulassungssystems auf das neue europäische Zulassungssystem. Nach dem neuen System sei die Zulassungsdauer des Produkts an die Genehmigungsdauer des in ihm enthaltenen Wirkstoffs gekoppelt. Auf der Grundlage der Entscheidung des OVG Lüneburg (Beschluss vom 04.06.2012, Az.: 10 ME 67/12) leitete er ab, dass nach Art. 43 Abs. 6 Verordnung (EG) 1107/2009 eine Umstellung ohne nationale Zulassungsunterbrechungen und Doppelarbeit für Behörden und Antragsteller möglich sei. Seine Thesen führten zu einer besonders intensiven Diskussion.

Dr. Astrid Gall schloss thematisch mit ihrem Erfahrungs­bericht zu den neuen Pflanzenschutzregelungen an die Ausführungen von Dr. Kaus an. Sie forderte, dass im Rahmen der zonalen Bewertung eines Zulassungsantrags die in Deutschland beteiligten vier Bundesbehörden „wie eine Behörde“ arbeiten müssten, um die von der Verordnung gesetzten engen Fristen einhalten zu können. Dazu seien u.a. deutsche Sonderwege bei den Bewertungskriterien zu vermeiden. Weiterhin sei kein sachlicher Grund ersichtlich, die vor dem 14.06.2011 gestellten Zulassungsanträge „sehenden Auges“ in Verfristungen laufen zu lassen.

Dr. Christian Beck schilderte die Erfahrungen mit der zonalen Zulassung der Verordnung (EG) 1107/2009 aus Sicht eines Consultants. Er hob die Bedeutung der „Pre-Submission-Meetings“ und des „Risk Envelope“ hervor, was die Arbeit erleichtere. Er forderte aber auch eine stärkere Harmonisierung der Risikoabschätzungen, um den Bewertungsaufwand auf nationaler Ebene zu verringern.

Dr. Gerardine Garcon vertiefte danach die Bindungswirkung der in der Verordnung (EG) 1107/2009 festgelegten strengen Fristen für das Zulassungsverfahren. Sie verwies auf das im deutschen Verwaltungsverfahrensgesetz festgeschriebene und für die am Zulassungsverfahren beteiligten Behörden verbindliche Zügigkeitsgebot, welches innerhalb der vorgegebenen Fristen gelte. Im Sinne einer effizienten Ressourcenallokation sei es weiterhin wichtig, dass gesetzlich vorgesehene Anzeigeverfahren von ihren Anforderungen her nicht zu Genehmigungsverfahren ausgestaltet würden. Abschließend forderte sie, das Verfahren der gegenseitigen Anerkennung nach neuem Recht auch auf gemäß den Vorschriften der Richtlinie 91/414/EWG erteilte Zulassungen anzuwenden und die Vorschriften der Verordnung (EG) 1107/2009 zu Abverkauf und Aufbrauch von Produkten national vollständig und damit auch für Zulassungsänderungen anzuwenden.

Der anschließende Vortrag von Rechtsanwalt Prof. Dr. Kamann beschäftigte sich mit dem Einfluss von Wissenschaftlichkeit und Politik auf Zulassungsentscheidungen für Pflanzenschutzmittel. Er führte Beispiele aus dem Gentechnikrecht an, die belegten, dass Produktzulassungen rechtlich, fachlich und politisch beeinflusst sind.

Rechtsanwalt Mario Genth führte anschließend zurück auf konkrete Auslegungsfragen des neuen deutschen Pflanzenschutzgesetzes in Bezug auf § 17 „Anwendung auf Flächen, die für die Allgemeinheit bestimmt sind“. Er betonte, dass die Definition dieser Flächen vom Schutzzweck der Norm erfolgen müsse.

Der abschließende Vortrag in dieser Sektion von Dr. Karsten Hohgardt vertiefte das Thema der parallelen Bearbeitung von Anträgen auf Zulassung von Pflanzenschutzmitteln und Festsetzung von Rückstandshöchstgehalten. Er arbeitete die besondere Problematik der noch nicht endgültig festgelegten Rückstandshöchstgehalte bei Pflanzenschutzmitteln mit neuen Wirkstoffen heraus, was unter Umständen die Zulassung erheblich verzögern könne. Die EFSA plane, in einem noch zu veröffentlichenden Leitfaden aufzuzeigen, wie optimalerweise die Koordination der beiden Verfahren durchgeführt werden könne.

2 Die Sektion 32 wurde von Dr. Hans-Gerd Nolting geleitet

Die ersten vier Vorträge in dieser Sektion beschäftigten sich mit der Thematik des Imports von Pflanzenschutzmitteln. Rechtsanwalt Dr. Peter Ouart erläuterte die aktuelle höchstrichterliche Rechtsprechung. Er ging auf das neue Tatbestandsmerkmal in Art. 52 Abs. 3 a) Verordnung (EG) 1107/2009 der „Hersteller­identität“ und die von der Rechtsprechung entwickelte Beweislastregelung ein, dass der Importeur diesbezüglich beweispflichtig sei. Weiterhin stellte er die mögliche Vollstreckung von Ordnungsgeldern im Ausland durch den Zulassungsinhaber vor, was neben dem BGH auch der EuGH für zulässig erklärt habe.

Rechtsanwalt Dr. Christian Stallberg vertiefte die neuen Sanktionsregelungen des Pflanzenschutzgesetzes und die Tragweite der Strafvorschriften bei illegalen Importen. Er hob insbesondere die Gefahren für Handel und Landwirte, die sich mit den neu eingeführten Strafvorschriften beim Umgang mit illegalen Importprodukten ergeben, anschaulich hervor.

Dr. Nils Kurlemann betonte in seinem Vortrag die Feststellung des stetigen Anstiegs des Imports illegaler Pflanzenschutzmittel. Hier sei eine internationale Strategie gefragt, um dieser Tendenz entgegentreten zu können.

Rechtsanwalt Peter Koof führte aus, dass das Tatbestandsmerkmal der „Herstelleridentität“ auch von einem generischen Produkt abgeleitet werden könne, bezeichnete allerdings diese Auffassung selbst als Mindermeinung.

Im Anschluss ging Tim Greve auf konkrete Fragestellungen im Zusammenhang mit der „Werbevorschrift“ des Art. 66 Verordnung (EG) 1107/2009 ein. Er hob hervor, dass für nicht zugelassene Pflanzenschutzmittel nicht – irreführend – geworben werden dürfe und dass sogenannte „Give-Aways“, wie z.B. Mützen, nicht unter diese Vorschrift zu fassen seien.

Rechtsanwalt Dieter Koeve ging auf die derzeitigen abfallrechtlichen Vorschriften ein, die von dem Entsorgungssystem für gespülte und restentleerte Pflanzenschutzpackmittel des agrargewerblichen Sektors (PAMIRA) zu beachten seien. Er gab auch einen Ausblick auf die neuen Regelungen eines Wertstoffgesetzes und wie PAMIRA darin einzupassen sei.

Dr. Gregor Kral beschäftigte sich mit der harmonisierten Beschreibung von Anwendungen im Rahmen u.a. zonaler Zulassungsverfahren für Pflanzenschutzmittel. Er führte aus, dass eine zentrale Basis für die Bewertung eines Pflanzenschutzmittels im Rahmen der zonalen Zulassungsverfahren einerseits als auch für den sachgerechten Einsatz der Mittel in der Praxis andererseits eine detaillierte Beschreibung der Anwendungen (GAP = Good Agricultural Practice) sei. Die einzelnen EU-Mitgliedstaaten beschrieben die GAP allerdings sehr unterschiedlich. Für einen reibungslosen Ablauf der Zulassungsverfahren, leichtere gegenseitige Anerkennungen von Zulassungen, vergleichbare Bewertungsergebnisse und einen einfacheren Informationsaustausch forderte er harmonisierte GAP.

Im letzten Vortrag der Sektion ging Dr. Alexandra Makulla auf die neue Definition des Pflanzenschutzgesetzes für Pflanzen­stärkungsmittel und die Umstellung des Listenverfahrens auf das neue Mitteilungsverfahren ein. Sie ging davon aus, dass ein erheblicher Teil der in der Übergangsphase noch als Pflanzenstärkungsmittel geführten Produkte eine Zulassung als Pflanzen­schutzmittel benötigten.

3 Die Sektion 37 wurde von Dr. Gerhard Gündermann geleitet

Als erste Vortragende stellte Jovanka Saltzmann die ökonomische Bewertung von Pflanzenschutzstrategien in Winterroggen anhand der Dauerfeldversuche über 11 Jahre in Dahnsdorf vor. Die verschiedenen Behandlungsintensitäten von 100% und 50% bei Herbiziden, Fungiziden und in einer Kombination in den Bewirtschaftungssystemen „Marktfruchtfolge“ und „Futterbaufruchtfolge“ zeigten unterschiedliche Ergebnisse. Die Analyse habe ergeben, dass nur Kombinationen bei beiden Behandlungsintensitäten zu einem positiven Kapitalwert führten. Der 50%-Aufwand bei Herbiziden habe ebenfalls einen positiven Kapitalwert erbracht. Die makroökonomischen Bedingungen waren nicht Gegenstand der wissenschaftlichen Untersuchung.

Im nächsten Vortrag wurde der Stand bei der Umsetzung der Pflanzenschutzrahmenrichtlinie 2009/128/EG in den Mitgliedstaaten durch Dr. Bernd Hommel aufgezeigt. Der Stand des nationalen Aktionsplans (NAP), der bis Ende 2012 der Kommission vorgelegt werden soll, sei in den Mitgliedstaaten noch unterschiedlich. Einige Mitgliedstaaten, wie Deutschland, schrieben vorhandene NAP fort. In Österreich erstelle jedes der neun Bundesländer einen eigenen NAP. Die Inhalte des deutschen NAP, wie sie durch die Richtlinie vorgegeben sind, wurden näher erläutert. Interessierte Gruppen würden bei der Erstellung der NAP eingebunden. Eine gezielte Öffentlichkeitsarbeit werde ebenfalls betrieben.

Die Durchführung der sogenannten Statistikverordnung (EG) Nr. 1185/2009 wurde durch Dr. Dietmar Rossberg dargestellt. Unter Nutzung des Vergleichsbetriebsnetzwerkes in Deutschland seien weitere Betriebe hinzugewonnen worden, sodass mit relativ geringem Aufwand eine Statistik über die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln für die Hauptkulturen erstellt werden könne. Zuständig für die statistische Auswertung sei das Julius Kühn-Institut, der amtliche Dienst der Länder unterstütze die Datenerhebung. Die Daten würden von Haupterwerbs­betrieben auf freiwilliger Basis geliefert. Erste Ergebnisse seien gegen Ende des Jahres 2012 zu erwarten.

Dr. Regina Fischer stellte die neue Biozidverordnung, die am 1. September 2013 in Kraft treten wird, dar und diskutierte sie als mögliches Modell für den Pflanzenschutz. Die angestrebte Vereinfachung des Zulassungsverfahrens scheine jedoch nicht erreicht worden zu sein, da die jetzt geltenden Verfahren teilweise geändert und neue Arten von Zulassungsverfahren eingeführt worden seien. Das neue Verfahren der sogenannten Unions­zulassung erfasse ab September 2013 sechs und ab Januar 2017 drei weitere Produktarten. Ob diese Unionszulassung Bestand und vielleicht auch Auswirkungen auf eine Novellierung der Verordnung über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln (EG) Nr. 1107/2009 habe, bleibe abzuwarten.

In Vertretung von Dr. Regine Jürgens setzte sich Dr. Volker Kaus mit der Entscheidung des EuGH vom 06.12.2010 (Rs. C-266/09) auseinander. Die Entscheidung befasste sich mit der Reichweite von Informationsfreiheitsrechten, konkret mit der Forderung der Herausgabe von Unterlagen und Studien über Rückstände und Protokolle über Feldversuche. Der EuGH komme zu dem überzeugenden Ergebnis, dass die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln keine Emissionen im Sinne der Richtlinie 2003/4/EG und die Vertraulichkeit der herausgeforderten Unterlagen sowohl nach dem Umweltinformationsrecht als auch nach dem Pflanzenschutzrecht zu bewerten sei. Es müsse eine Abwägung zwischen öffentlichen und privaten Interessen vorgenommen werden. Dies sei eine wichtige Maßgabe für künftiges Verlangen auf Herausgabe von Unterlagen, die bei der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln eingereicht worden seien.

Dr. Hartwig Stiebler zeigte anhand von verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen das Problem von GVO-Spuren im konventionellen Saatgut und darauf gestützte behördliche Umbruchverfügungen auf. Der Nachweis werde von den Gerichten unterschiedlich als erbracht betrachtet. Die Kernfrage, was „gezielt“ und „nicht gezielt“ in das Saatgut eingeführt sei, sei bisher nicht zweifelsfrei in der Rechtsprechung entschieden.

4 Die Sektion 42 wurde von Rita Lauterbach-Hemmann geleitet

Dr. Mario Wick stellte zu Beginn Neuerungen auf dem Gebiet der Lückenindikationen dar und wies darauf hin, dass diese Thematik nicht nur europaweit sondern inzwischen auch weltweit als Problem gesehen werde und Lösungsmodelle diskutiert würden. Er wies auf die Ergebnisse des Global-Minor-Use-Summit in Rom vom 21. bis 23. Februar 2012 und auf das in Betrieb gegangene europäische „Lückenportal“ hin.

Dr. Franziska Waldow stellte das Zulassungsverfahren für Lücken­indikationen nach Artikel 51 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 in seinen Verfahrensschritten dar. Zum Prüfumfang merkte sie an, dass keine Prüfung hinsichtlich der Wirksamkeit erfolge. Das auch in diesem Bereich mögliche zonale Bewertungsverfahren sei bisher nicht durchgeführt worden. In Deutschland sei das Lückenverfahren grundsätzlich gebührenfrei, in anderen Mitgliedstaaten sei es teilweise ein kostenpflichtiges Verfahren. Auf die Einrichtung einer Servicestelle durch den Berufsstand und eines europäischen Minor-Use-Fond ging sie ebenfalls ein.

Dr. Wolfgang Zornbach stellte die Entwicklungen und den Stand des nationalen Aktionsplans (NAP) dar. Der NAP werde als Beschluss der Bundesregierung verabschiedet. Dieser müsse zwar bis zum 26.11.2012 der Kommission vorgelegt werden, was aber wahrscheinlich wegen des aufwändigen nationalen Abstimmungsprozesses erst im Jahre 2013 gelingen könne.

Dr. Bernd Hommel stellte Schlussfolgerungen für die Forschung aus dem Dreijahresbericht (2008 bis 2011) zum NAP des BMELV vor. Insbesondere beschäftigte er sich mit dem 25%igen Reduktionsziel des Risikos bei der Pflanzenschutzmittelanwendung und sich darum rankender gesetzlicher, administrativer und wissenschaftlicher Vorhaben und Maßnahmen.

Dr. Bernd Freier stellte das Netz „Vergleichsbetriebe Pflanzen­schutz“ und Erkenntnisse aus 5jährigen Daten dar, ein gemeinsames Projekt von Bund und Ländern. Das Ziel, Einhaltung des notwendigen Maßes, sei in 80% der Fälle erreicht worden, precision-farming bringe einen wesentlichen Fortschritt.

In einem weiteren Vortrag ging Dr. Bernd Freier auf das Projekt „Demonstrationsbetriebe integrierter Pflanzenschutz“ ein. Das Modellvorhaben sei vom Bund initiiert, die Bundesländer wirkten allerdings daran mit. Das Projekt solle zeigen, dass Leitlinien zum integrierten Pflanzenschutz umgesetzt werden können und welche Effekte die Reduzierung des Pflanzenschutzmitteleinsatzes habe. Demonstration bedeute hier intensivste Beratung der Apfel-, Weinbauern etc. und Kommunikation der Ergebnisse in die Öffentlichkeit zur Erreichung der betreffenden Interessengruppen.

Dr. Kirsten Köppler stellte die Fortschritte im Modellvorhaben „Demonstrationsbetriebe integrierter Pflanzenschutz im Apfel- und Weinbau“ dar.

Auf die obligatorische Berücksichtigung von Nutzenaspekten im nationalen Aktionsplan (NAP) ging Dr. Volker Kaus in Vertretung von Ulf Gimm ein. Er verwies hierbei auf die sogenannte Para­quat-Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes (BVerwGE 81, 12 ff.). Der Nutzen sei grundsätzlich in der Abwägung zum Risiko bei der Zulassungsentscheidung über ein Pflanzenschutzmittel zu betrachten. Diese Grundentscheidung, die nach wie vor auch gemäß der Verordnung (EG) 1107/2009 gelte, dürfe nicht durch den NAP ignoriert werden, weshalb dieser auch auf Nutzengesichtspunkte eingehen müsse. Da der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln gesellschaftlich ebenfalls von großem Nutzen sei, sei ein eigenes Nutzenkapitel im NAP angezeigt.

5 Resümee

Als Fazit ist festzustellen, dass die juristischen Sektionen insgesamt gut besucht waren, sehr gut besucht waren die Sektionen 27 und 32. In beiden Sektionen standen aktuelle Fragestellungen rund um die Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln im Vordergrund. Neben dem hohen Informationswert der Sektionen zeigten viele Vorträge auch Fortschritte und Lösungsansätze in den angesprochenen Aufgaben- und Problembereichen auf.

Volker Kaus (IVA Frankfurt am Main)
Gerhard Gündermann (JKI Braunschweig)

Fachgespräch „Flavescence dorée – Schutzgebiets­regelung für Deutschland?“

Journal für Kulturpflanzen, 64 (11). S. 425–435, 2012, ISSN 1867-0911, Verlag Eugen Ulmer KG, Stuttgart


Das Fachgespräch fand am 3. Mai 2012 im Julius Kühn-Institut, Institut für Pflanzenschutz in Obst- und Weinbau in Siebel­dingen statt.

Hintergrund

Die Flavescence dorée (FD) ist eine der gefährlichsten Rebenkrankheiten in Europa. Sie wird wie andere Vergilbungskrankheiten der Rebe von Phytoplasmen verursacht und von der aus Nordamerika eingeschleppten Rebzikade Scaphoideus titanus übertragen. Da der Vektor seinen gesamten Entwicklungszyklus ausschließlich an Reben durchläuft, wird die Krankheit effektiv von Stock zu Stock verbreitet. Daher kann sich die FD dort, wo der Vektor vorkommt, von einzelnen kranken Reben ausgehend epidemisch ausbreiten. Nur durch die konsequente Vernichtung der kranken Reben und intensive Bekämpfungsmaßnahmen gegen den Vektor lässt sich dieser Entwicklung begegnen.

Die Pfropfübertragbarkeit der FD stellt in Verbindung mit der Tatsache, dass latent infiziertes Rebmaterial nicht vollständig von der Vermehrung ausgeschlossen werden kann, ein besonderes Problem dar. In der EU besteht daher unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit, befallsfreie Gebiete zu Schutzgebieten hinsichtlich der FD zu erklären, für die höhere phytosanitäre Anforderungen an in die Gebiete zu verbringendes Rebmaterial gestellt werden. Deutschland ist bislang sowohl frei von der FD als auch von ihrem Vektor, es wird jedoch auch für den deutschen Weinbau ein hohes Gefahrenpotential durch die Krankheit gesehen.

Tagungsverlauf und Schwerpunkte

Das Julius Kühn-Institut, Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen (JKI) veranstaltete daher am 3. Mai 2012 ein Fach­gespräch mit dem Ziel, die Notwendigkeit einer Schutzgebietsregelung für Deutschland und sich daraus ergebende Konsequenzen sowie notwendige Vorsorgemaßnahmen vor dem Hintergrund der sich mitsamt ihrem Vektor weiter nach Norden ausbreitenden FD zu diskutieren.

Das Fachgespräch wurde gemeinsam vom Institut für Pflanzenschutz in Obst- und Weinbau (OW) und vom Institut für nationale und internationale Angelegenheiten der Pflanzengesundheit (AG) organisiert. Unter den mehr als 40 Teilnehmenden waren Vertreter/innen des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) und des Bundessortenamtes, der Pflanzen- und Rebschutzdienste der Länder, der Rebzüchter, der Rebenpflanzguterzeuger und des Deutschen Weinbauverbandes. Vizepräsident des JKI, Dr. Gündermann, und der Institutsleiter des Instituts OW, Prof. Dr. Jelkmann, begrüßten die Teilnehmer. Das Gespräch wurde vom Leiter des Instituts AG, Dr. Unger, und von Dr. Maixner von OW gemeinsam moderiert.

Zunächst wurde in drei Vorträgen der aktuelle Kenntnisstand zur FD vermittelt (Dr. Maixner, JKI), danach der derzeitige Stand der Regelungen zu Schutzgebieten in Hinblick auf die Flavescence dorée dargestellt (Dr. Pfeilstetter, JKI) und Erfahrungen mit der Heißwasserbehandlung in der Rebveredlung präsentiert (Dr. Eder, DLR-Rheinpfalz). In der darauf folgenden ausführlichen Diskussion wurden die folgenden Themen behandelt:

• Monitoring

• Präventions- und Notfallpläne

• Konsequenzen einer Schutzgebietsregelung

• weiteres Vorgehen in Hinblick auf einen möglichen Schutzgebietsantrag.

Themenschwerpunkte

Aktueller Kenntnisstand zur Epidemiologie, Verbreitung und Risiken der Flavescence dorée (Maixner)

Die Flavescence dorée wird von Phytoplasmen der 16SrV-Gruppe (Elm-Yellows-Gruppe) verursacht. Es sind drei molekulargenetisch differenzierbare FD-Typen bekannt, die zwei unterschiedlichen Untergruppen der 16SrV-Gruppe (FD-1 und FD-3 in 16SrV-C; FD-2 in 16SrV-D) zuzuordnen sind, aber in Reben identische Symptome verursachen und alle vom gleichen Vektor, der amerikanischen Rebzikade Scaphoideus titanus, übertragen werden. Zur 16SrV-Gruppe zählen auch andere Phytoplasmen, die mit Reben (Palatinate Grapevine Yellows, PGY) und Erlen (Alder Yellows, AldY) assoziiert sind. Sie werden durch Oncopsis alni übertragen und sind nicht identisch mit den bekannten FD-Isolaten.

Alle Entwicklungsstadien von S. titanus leben ausschließlich an Reben. Eier werden bevorzugt in zweijähriges Rebholz, seltener in einjährige Triebe abgelegt und überdauern darin den Winter. Die Larven schlüpfen je nach Region zwischen Anfang und Ende Mai. Alle fünf Larvenstadien saugen an der Blattunterseite und können sich an infizierten Reben mit dem FD-Phyto­plasma belasten. Die mobilen adulten Vektoren fliegen von Juli bis September und verbreiten die Krankheit auf neue Reben. Aufgrund der engen Assoziation zwischen Vektor und Wirtspflanze ist der Übertragungszyklus sehr effektiv, sodass ohne Gegenmaßnahmen ganze Rebflächen ausgehend von einzelnen infizierten Reben innerhalb weniger Jahre vollständig von der FD befallen werden können. So wurden z.B. in Frankreich im Departement Aude zwischen 1982 und 1988 insgesamt 80 000 ha der Gesamtrebfläche von 110 000 ha von der FD befallen. Häufig liegen nur wenige Jahre zwischen der Neubesiedlung eines Weinbaugebiets durch den Vektor und dem Ausbruch der FD.

Der Schwerpunkt der Verbreitung der FD liegt in Südwest-Frankreich und Norditalien, aber auch Weinbaugebiete in Nordportugal und Nordspanien, Sardinien, Slowenien, Kroatien und Serbien sind befallen. Nach Norden dringt sie zurzeit bis nach Burgund und in das Tessin sowie in die Südsteiermark vor. Phyto­plasmen können als pfropfübertragbare Pathogene in Verbindung mit der vegetativen Vermehrung der Reben verbreitet werden. Eine Risikoanalyse für Österreich identifizierte Rebmaterial als wichtigsten Risikofaktor für die Verbreitung der FD. Zertifizierungs- und Pflanzenbeschaurichtlinien schreiben zwar vor, dass Vermehrungsflächen für mindestens zwei abgeschlossene Vegetationsperioden frei von Symptomen der FD sein müssen, allerding lässt sich dadurch nicht alles infizierte Rebmaterial von der Vermehrung ausschließen. So bleiben infizierte Unterlagsreben je nach Sorte entweder völlig symptomfrei oder sie entwickeln nur unklare Symptome. Infizierte Europäerreben entwickeln frühestens im Jahr nach der Inokulation erste Krankheitssymptome. Bei einem Screening von Rebschulen und Junganlagen in Norditalien wurden FD-infizierte Rebstöcke in sehr geringer Häufigkeit nachgewiesen. Dass infiziertes Vermehrungsmaterial für die Verbreitung der FD tatsächlich eine Rolle spielt, wird unter anderem dadurch belegt, dass z.B. in Frankreich in befalls- und vektorfreien Regionen gelegentlich einzelne FD-infizierte Rebstöcke gefunden wurden. Neue Ausbrüche der Krankheit in bislang befallsfreien Regionen, z.B. im Norden Portugals, weisen auf die Bedeutung des Pflanzguts für die Verbreitung der FD ebenso hin wie der klonale Charakter der von Spanien bis zum Balkan verbreiteten Isolate des FD-Typ 2.

S. titanus ist im Gegensatz zum FD-Phytoplasma keinen pflanzengesundheitlichen Regelungen unterworfen. Die Zikade ist vom Norden Portugals über Katalonien, Frankreich, Italien und den nördlichen Balkan verbreitet. Sie zeigt eine deutliche Tendenz zur Ausdehnung ihres Verbreitungsgebiets sowohl nach Süden als auch nach Norden. Genetische Untersuchungen an den Vektorpopulationen legen den Schluss nahe, dass auch dieser Schadorganismus durch menschliche Aktivitäten verbreitet wird. In den letzten fünf Jahren wurden neue Befallsgebiete in Süditalien und auf dem Balkan entdeckt. An der nördlichen Verbreitungsgrenze wurden in diesem Zeitraum Gebiete in Ungarn, Österreich (Steiermark und Burgenland), der Schweiz (Genfer See) und Frankreich (Champagne) neu besiedelt. Aufgrund der Temperaturansprüche der Zikade muss davon ausgegangen werden, dass sie sich auch in Deutschland erfolgreich ansiedeln könnte. Damit bestünde auch für Deutschland ein hohes Risiko für den Ausbruch der FD.

In allen von der FD befallenen Ländern ist die Bekämpfung der Krankheit und ihres Vektors durch weitgehend übereinstimmende Bestimmungen gesetzlich geregelt. Mit den Bekämpfungsmaßnahmen wird versucht, den Übertragungszyklus zu unterbrechen, die Befallsentwicklung zu verlangsamen und den Infektionsdruck auf Vermehrungsmaterial zu minimieren. Es besteht eine Meldepflicht für kranke Reben sowie die Verpflichtung der Eigentümer, alle kranken Rebstöcke zu vernichten oder die befallenen Anlagen komplett zu roden, wenn das Befalls­niveau 20% übersteigt. In Frankreich und Italien werden anhand von Befallsmeldungen und Monitoringdaten die Befallsgebiete jährlich neu festgelegt. In diesen Arealen besteht eine Bekämpfungspflicht gegen die Vektorzikade, die in der Regel durch zweimalige Insektizidapplikationen gegen die Larven und eine weitere Anwendung gegen die adulten Vektoren bekämpft wird. Im Jahr 2006 wurden in Frankreich ca. 418 000 ha auf diese Weise behandelt.

Schutzgebiete in Hinblick auf die Flavescence dorée – derzeitiger Stand der Regelungen und Voraussetzungen für die Anerkennung (Pfeilstetter)

Das FD-Phytoplasma ist als Quarantäneschadorganismus an Pflanzen von Vitis (außer Früchte und Samen) für die gesamte EU in Anhang II A II und für Schutzgebiete in Anhang II B der RL 2000/29/EG gelistet. Für Pflanzen von Vitis aus Drittländern, mit Ausnahme der Schweiz, besteht darüber hinaus nach Anhang III der Richtlinie ein Einfuhrverbot. Innerhalb der Gemeinschaft dürfen Pflanzen von Vitis nur verbracht werden, wenn sie von einem Pflanzenpass begleitet sind, der für die Mutterpflanzen die Freiheit von Symptomen der FD seit Beginn der letzten zwei abgeschlossenen Vegetationsperioden bescheinigt (Anhang IV A II, Nr. 17).

Für Rebmaterial, dass in FD-Schutzgebiete verbracht werden soll, sind die folgenden Anforderungen zu erfüllen (Anhang IV B, Nr. 32):


Die Pflanzen stammen(a) aus einem befallsfreien Land(b) aus einem befallsfreien Gebiet(c) aus einem Schutzgebiet(d) von einem Produktionsort (Betrieb), in dem(aa) keine Symptome von FD an den Mutterpflanzen seit Beginn der letzten zwei abgeschlossenen Vegetationsperioden festgestellt wurden und
(bb) entweder(i) an allen Pflanzen am Produktionsort keine Symptome von FD festgestellt wurden oder(ii) die Pflanzen einer Heißwasserbehandlung bei mindestens 50°C für 45 min unterzogen wurden, um die Phytoplasmen zu eliminieren.

Die Richtlinie 2000/29/EG definiert ein Schutzgebiet als „ein in der Gemeinschaft gelegenes Gebiet, in dem ein oder mehrere in der RL aufgeführte Schadorganismen, die in einem oder mehreren Teilen der Gemeinschaft angesiedelt sind, trotz günstiger Lebensbedingungen weder endemisch noch angesiedelt sind oder aufgrund günstiger ökologischer Bedingungen bei einzelnen Kulturen die Gefahr der Ansiedlung bestimmter Schadorganismen besteht, obwohl diese Organismen in der Gemeinschaft weder endemisch noch angesiedelt sind“. Damit ist es das Ziel der Schutzgebietsregelung, die Einschleppung bestimmter Schadorganismen in befallsfreie Gebiete durch besondere Anforderungen an Pflanzen bzw. Pflanzenprodukte, die in das Schutzgebiet verbracht werden sollen, zu verhindern.

In der EU sind derzeit als Schutzgebiete die Tschechische Republik, die Weinbaugebiete Champagne-Ardenne, Elsass und Lothringen in Frankreich sowie in Italien die Gebiete Basilicata und Sardinien (befristet bis 31.03.2014) anerkannt. Die Schweiz hat ihre Weinbaugebiete nördlich der Alpen ebenfalls zu Schutz­gebieten erklärt. Der Schutzgebietsstatus kann nur durch einen Mitgliedsstaat beantragt werden. Er kann sich entweder auf das gesamte Territorium oder nur auf Teilgebiete beziehen.

Einzelheiten zu den für die Anerkennung von Schutzgebieten erforderlichen Untersuchungen sind in der Richtlinie 92/70/EWG enthalten. Auf jeden Fall ist für die entsprechenden Gebiete die Befallsfreiheit durch Ergebnisse eines Monitorings zu belegen, dessen Umfang die Mitgliedsstaaten zwar selbst festlegen, das jedoch von der Kommission geprüft wird. Es muss das gesamte Gebiet für das ein Schutzgebiet beantragt wird abdecken, gegebenenfalls ist ein systematisch angelegtes Netz von Beobachtungspunkten zu etablieren. Liegen ohne abgeschlossenes Moni­toring begründete Anhaltspunkte für die Befallsfreiheit vor, kann eine befristete Anerkennung ausgesprochen werden. Stellt ein Mitgliedsstaat einen Antrag bei der Kommission, wird er unter Berücksichtigung der übermittelten Monitoringergebnisse zum Beleg der Befallsfreiheit im Ständigen Ausschuss Pflanzenschutz geprüft. Gegebenenfalls kann auch das EU-Inspektorat (Food and Veterinary Office) in die Prüfung der Befallsfreiheit einbezogen werden. Danach erfolgt eine Abstimmung im Ständigen Ausschuss Pflanzenschutz über die Aufnahme des Schutzgebietes in die Verordnung (EG) Nr. 690/2008 und die Veröffentlichung der Änderung im Amtsblatt der EU.

Sollte für Deutschland ein Schutzgebiet beantragt werden, wäre zunächst der Nachweis der Befallsfreiheit zu erbringen. Dazu könnten Daten von amtlichen visuellen Inspektionen in Rebschulen und/oder Ertragsanlagen in Verbindung mit Ergebnissen der Testungen von Verdachtsproben oder systematischen Testungen herangezogen werden. Auch das Auftreten von S. titanus sollte, z.B. durch Fallen, überprüft werden. Es sollten Daten aus mehreren Jahren, möglichst von jährlich wechselnden Anlagen, vorliegen. Ein Schutzgebietsantrag müsste allgemeine Daten zum Weinbau in Deutschland und die Ergebnisse des Monitorings enthalten. Er müsste durch das BMELV bei der Kommis­sion eingereicht werden.

Anhand der erforderlichen jährlichen Berichte wird der Schutzgebietsstatus im Ständigen Ausschuss Pflanzenschutz regelmäßig überprüft. Sollte ein Befall festgestellt werden, sind Ausrottungsmaßnahmen erforderlich. Der Schutzgebietsstatus wird jedoch erst dann aberkannt, wenn der entsprechende Schad­organismus als etabliert anzusehen ist. Dies ist z.B. der Fall, wenn keine amtlichen Ausrottungsmaßnahmen mehr durchgeführt werden oder wenn sich diese über einen Zeitraum von mehr als zwei Jahren als nicht effektiv herausgestellt haben. In diesem Fall wird das entsprechende Gebiet aus der Verordnung 690/2008 gestrichen. Die Aufhebung eines Schutzgebietes kann jedoch auch jederzeit auf Antrag des betroffenen Mitglieds­staates erfolgen.

Erfahrungen mit der Heißwasser-Behandlung in der Reben­veredlung (Eder)

Um FD-Phytoplasmen zu eliminieren, kann dormantes Rebholz durch Untertauchen in 50°C heißem Wasser über 45 min behandelt werden. Die phytosanitäre Wirkung des Verfahrens ist unstrittig, jedoch kann es zu überdurchschnittlichen Ausfällen des Rebmaterials kommen, wenn die notwendigen Behandlungs­parameter nicht exakt eingehalten werden. Daher lehnt z.B. der Verband der französischen Rebveredler eine obligatorische Heißwasserbehandlung ab und führt gleichzeitig Versuche durch, um weniger belastende wirksame Kombinationen von Behandlungsdauer und -temperatur zu identifizieren. Dennoch ist die Heißwasserbehandlung mit den derzeit vorgeschriebenen Behandlungsparametern die Voraussetzung dafür, Rebmaterial von befallenen Produktionsorten in Schutzgebiete verbringen zu können. Das DLR-Rheinpfalz führte von 2009 bis 2011 Versuche zur Heißwasserbehandlung von Unterlagen- und Edelreiser­material durch. Die Behandlungen wurden im Elsass in einem Rebveredlungsbetrieb unter Praxisbedingungen durchgeführt.

Wurden Unterlagen mit guter Holzreife behandelt, war der Anwuchs der daraus erzeugten Pfropfreben nicht beeinträchtigt. Bei länger gelagertem Material oder solchem mit eingeschränkter Vitalität bildete sich nach der Pfropfung weniger Kallusgewebe und die Ausfallraten waren höher als in der Kontroll­variante. Wie bereits aus der Literatur bekannt, war der Austrieb bei den behandelten Varianten gegenüber den Kontrollen zeitlich verzögert. Es wurden jedoch keine signifikanten Unterschiede beim Triebwachstum im Feld zwischen den behandelten Chargen und den Kontrollen beobachtet.

Behandelte Edelreiser trieben verzögert aus. Bei länger gelagertem Rebmaterial oder solchem mit verminderter Vitalität wurde ein erhöhter Augenausfall beobachtet. Daher sollten Edelreiser in möglichst frischem Zustand behandelt werden. Auch bei fertigen Pfropfreben bewirkte die Heißwasserbehandlung einen verzögerten Austrieb.

Wichtige Einflussfaktoren für die mögliche Schädigung des Rebmaterials durch die Heißwasserbehandlung sind sowohl im Vermehrungsbestand (Vitalität der Mutterreben, Holzreife, Sortenempfindlichkeit), bei der Vor- und Nachbehandlung des Veredelungsmaterials (Dormanz, Schnittzeitpunkt, Lagerungsparameter) sowie im Rahmen der Behandlung selbst (Wässern, Abkühlen) zu suchen. Auf jeden Fall erhöht die Heißwasser­behandlung das Ausfallrisiko und damit den Preis des Rebenpflanzguts. Abhängig von der Menge des behandelten Materials ist mit Behandlungskosten zwischen 20 Cent (100 000 Unterlagsreben) und 6 Cent (500 000) zu rechnen.

In Hinblick auf die Anwendung der Heißwasserbehandlung bei der Rebveredlung sind noch nicht alle Fragen geklärt. Offen ist, welcher Anteil des in Deutschland für die Pfropfrebenherstellung verwendeten Unterlagsrebmaterials tatsächlich von befallenen Produktionsorten stammt und im Falle einer Schutzgebietsregelung heißwasserbehandelt werden müsste. Inwieweit das Ausfallrisiko durch die Anpassung der Behandlungsparameter bei gleichzeitigem Erhalt der Wirksamkeit gesenkt werden kann, wird derzeit in Frankreich untersucht. Ergebnisse dazu sollen bis zum Jahresende vorliegen.

Ergebnisse der Diskussion

Die Ergebnisse der Diskussion über die Notwendigkeit eines Schutzgebietsantrags, die notwendigen Voraussetzungen sowie die mit der Einschleppung der FD bzw. ihres Vektors für den deutschen Weinbau verbundenen Risiken und die Konsequenzen für die Pflanzguterzeugung und -versorgung sind nachfolgend zusammengefasst:

Monitoring

Mit einem Schutzgebietsantrag sind Monitoringdaten einzu­reichen, um die Freiheit des Gebiets von der FD zu belegen. Ein regelmäßiges, systematisches Monitoring ist auch nach der Erteilung eines Schutzgebietsstatus notwendig. Dabei sollte das Monitoring nicht nur auf die FD beschränkt werden, sondern auch den Vektor S. titanus mit einbeziehen, obwohl diese Zikade selbst durch die Schutzgebietsregelung nicht berücksichtigt wird. Unabhängig von einem Schutzgebietsantrag eröffnet ein frühzeitiges Monitoring die Möglichkeit, Populationen des Vektors rechtzeitig zu entdecken, um sie möglichst durch lokal begrenzte Maßnahmen zu eliminieren oder sie zumindest in ihrer weiteren Verbreitung einschränken zu können.

Reben mit Symptomen von Vergilbungskrankheiten werden bereits seit einigen Jahren sowohl vom JKI als auch von mehreren Rebschutzdienststellen der Länder untersucht, wobei in der Regel Phytoplasmen der Stolbur-Gruppe (16SrXII-A), die Erreger der Schwarzholzkrankheit, detektiert wurden. In der Pfalz wurden seit 2006 ca. 100 symptomatische Reben pro Jahr aus insgesamt ca. 340 Rebanlagen untersucht, die alle mit Phytoplasmen der 16SrXII-A-Gruppe infiziert waren. Beim JKI wurden seit 2002 ca. 1300 Reben aus neun Weinbaugebieten untersucht, von denen nur fünf Reben mit Phytoplasmen der 16SrV-Gruppe infiziert waren. Es handelte sich in allen Fällen um mit PGY/AldY assoziierte Isolate, die von der FD eindeutig differenziert werden konnten. Damit wurde bis heute keine FD-infizierte Rebe in Deutschland festgestellt.

Seit 2007 werden Gelbfallen in der Südpfalz nahe der Grenze zu Frankreich sowie in der Nähe von Rebschulflächen und Rebveredelungsbetrieben ausgehängt. Bislang wurde S. titanus nicht festgestellt. In Baden wurden entlang der Autobahn Gelbfallen zum gezielten Monitoring von S. titanus ausgebracht, zusätzlich zu Gelbfallen an verschiedenen Standorten im gesamten Weinbaugebiet, die dem Monitoring des Vektors der Schwarzholzkrankheit dienten. Hier wie in Württemberg und Franken, wo ein generelles Monitoring für Rebzikaden durchgeführt wird, wurde S. titanus bisher nicht festgestellt. Auch auf Gelbfallen zum Monitoring des Schwarzholzvektors an Mosel und Mittelrhein wurde der Vektor bislang nicht gefangen. Aufgrund der bisherigen Untersuchungen kann Deutschland somit als frei von S. titanus angesehen werden.

In den Schutzgebieten Elsass und Champagne wurden im Rahmen des jährlich durchzuführenden Monitorings ca. 50 ha der Rebfläche von 15 000 bzw. 31 500 ha untersucht. In Tschechien wurden 90 Inspektionen durchgeführt. Somit stellen die aus Deutschland vorliegenden Daten bereits jetzt eine gute Basis für einen Schutzgebietsantrag dar, allerdings müsste auf Dauer ein systematisches Monitoring in allen betroffenen Weinbau­gebieten durchgeführt werden. Auch Luxemburg wird ab dem Jahr 2012 ein Monitoringprogramm beginnen. Ein solches koor­diniertes Monitoring wird auch unabhängig von einem Schutzgebietsantrag in Hinblick auf die Prävention und Risikominimierung als notwendig angesehen.

Es wurde vereinbart, in Abstimmung zwischen JKI und den Rebschutzdiensten eine Leitlinie für ein koordiniertes Monitoring von FD und S. titanus zu erstellen, um eine vergleichbare Datengrundlage für die deutschen Weinbaugebiete zu schaffen. Im Rahmen der jeweils zur Verfügung stehenden Kapazitäten soll das Monitoring auf dieser Grundlage bereits in der Saison 2012 beginnen.

Präventions- und Notfallpläne

Sollten im Laufe des Monitorings FD-infizierte Reben bzw. Vektoren gefunden werden, ist darauf unverzüglich mit adäquaten Maßnahmen zu reagieren, um Krankheitsherde oder Vektor­populationen einzugrenzen und möglichst zu eliminieren oder zumindest die weitere Ausbreitung der Schadorganismen zu unterbinden. Die Teilnehmer sahen es daher als unbedingt notwendig an, bereits vor dem Eintreten eines solchen Ereignisses Notfallpläne zu erarbeiten, in denen die erforderlichen Maßnahmen festgelegt werden. Das JKI wird dazu einen Entwurf erarbeiten, der mit den Rebschutzreferenten der Länder abgestimmt werden soll.

Konsequenzen einer Schutzgebietsregelung für den Weinbau und die Erzeugung von Rebenpflanzgut

Die Teilnehmer diskutierten die Wahrscheinlichkeit, dass FD-infizierte Reben in Deutschland vorkommen könnten. Aufgrund der vorliegenden Informationen ist davon auszugehen, dass FD-infiziertes Rebmaterial regelmäßig in sehr geringer Häufigkeit nach Deutschland verbracht wird. Zumindest ein Fall einer Lieferung kontaminierten Vermehrungsmaterials (Edelreiser) nach Deutschland ist bekannt. Infizierte Jungreben sterben entweder ab oder erholen sich in der Regel im Verlauf weniger Jahre. Daher ist es unwahrscheinlich, dass infizierte Reben in den deutschen Weinbaugebieten akkumulieren, vielmehr kann von einem nicht erkannten, sehr geringen Befallsniveau in den Weinbaugebieten ausgegangen werden. Da die Schwarzholzkrankheit, die in allen Weinbaugebieten vorkommt, identische Symptome hervorruft, ist es unwahrscheinlich, dass FD-infizierte Reben zufällig gefunden werden. Solange der Vektor der FD in Deutschland nicht auftritt, ist das daraus erwachsende Risiko sehr gering, da keine weitere Ausbreitung der Krankheit erfolgen kann. Sollte sich S. titanus in Deutschland etablieren, wäre das Risiko von Ausbrüchen der Krankheit in den deutschen Weinbaugebieten dagegen sehr groß. Durch eine Schutzgebietsregelung ließen sich das Risiko der Einschleppung kranker Reben und damit die Wahrscheinlichkeit eines Zusammentreffens der FD mit dem Vektor für die Zukunft minimieren.

In der Diskussion wurde deutlich, dass für eine Entscheidung über eine Schutzgebietsregelung eine Risikoabwägung erfolgen muss, da einerseits mit Konsequenzen für die Pflanzguterzeugung zu rechnen ist, auf der anderen Seite jedoch auch gravierende Auswirkungen der FD auf den deutschen Weinbau zu erwarten sind. Die FD könnte im deutschen Weinbau direkte Schäden durch Ertragsausfälle und die zur Eindämmung der Krankheit erforderlichen Rodungsmaßnahmen verursachen. Indirekte Schäden sind durch die notwendigen Bekämpfungsmaßnahmen gegen den Vektor sowohl für den integrierten als auch den ökologischen Weinbau zu erwarten.

Die Richtlinien zur Bekämpfung von S. titanus in Befallsgebieten der FD fordern mindestens zwei Insektizidanwendungen gegen die Larven des Vektors und eine dritte Applikation eines möglichst persistenten Insektizids gegen die adulten Zikaden. In den Befallsgebieten werden derzeit unter anderem Pyrethroide, Phosphorsäureester und Neonicotinoide zur Bekämpfung von S. titanus angewandt. Derzeit kann im deutschen Weinbau aufgrund der verbreiteten Anwendung der biotechnischen Traubenwicklerbekämpfung mit Pheromonen und der durch die Raubmilbenschonung ermöglichten biologischen Spinnmilbenbekämpfung auf einem großen Teil der Anbaufläche auf regelmäßige Insektizid- und Akarizidanwendungen verzichtet werden. Unter den Teilnehmern herrschte weitgehende Einigkeit darüber, dass die Bekämpfungsmaßnahmen gegen S. titanus mit dieser umweltschonenden Bewirtschaftungsweise kollidieren würden, da u.a. eine abnehmende Akzeptanz des Verwirrungsverfahrens zur Traubenwicklerbekämpfung sowie eine Schädigung der Raubmilbenpopulationen befürchtet wird. Es wurde auch die Frage aufgeworfen, ob z.B. in Weinbausteil­lagen eine systematische Bekämpfung von S. titanus überhaupt durchführbar wäre. Um detaillierte Aussagen treffen zu können, sollen diese Aspekte im Rahmen der Tagung der Fachreferenten „Rebschutz“ erneut thematisiert werden.

Besonders von Seiten der Rebenpflanzguterzeuger wurden Bedenken gegenüber einer kurzfristigen Beantragung eines Schutzgebietsstatus für Deutschland geäußert und die Frage gestellt, ob eine solche Regelung gerechtfertigt sei, solange der Vektor der FD noch nicht präsent ist. Vor dem Hintergrund, dass ein Großteil des in Deutschland verwendeten Unterlagenvermehrungsmaterials aus Regionen in Frankreich und Italien stammt, in denen die FD vorkommt, wird befürchtet, dass der Bedarf nicht allein aus befallsfreien Gebieten bzw. von befallsfreien Produktionsorten gedeckt werden könnte. Material anderer Herkunft müsste einer Heißwasserbehandlung am Produktionsort unterzogen werden, die kritisch gesehen wird, da geringere Anwuchsraten und höhere Ausfälle bei der Pfropfrebenproduktion durch die Behandlung selbst und durch die notwendige erneute Einlagerung für den Transport erwartet werden. Nicht die Effizienz des derzeitigen Verfahrens sondern die Pflanzenverträglichkeit wird in Frage gestellt und auf laufende Versuche mit weniger stringenten Versuchsparametern in Frankreich verwiesen. In der Diskussion wurde jedoch auch darauf hingewiesen, dass besonders in Italien Vermehrungsanlagen von Unterlagen zunehmend außerhalb der Weinbaugebiete in befallsfreien Regionen angelegt werden, um die Unterlagenproduk­tion in befallsfreien Gebieten zu ermöglichen.

Es wurde vereinbart, dass die Rebveredler im Laufe des Jahres Informationen von den Produktionsorten und ihren Lieferanten einholen um beurteilen zu können, welcher Anteil des benö­tigten Unterlagenmaterials ggf. heißwasserbehandelt werden müsste.

Weiteres Vorgehen in Hinblick auf einen Schutzgebietsantrag

Als Fazit des Fachgesprächs ist festzuhalten, dass alle Beteiligten einem Schutzgebietsantrag grundsätzlich positiv bzw. nicht ablehnend gegenüber stehen. Unter den Teilnehmern gab es unterschiedliche Auffassungen über den Zeitpunkt, zu dem eine solche Regelung notwendig wäre. Das Für und Wider einer Schutzgebietsregelung wurde einerseits in Hinblick auf die Frage der Konsequenzen der Einschleppung der FD für den deutschen Weinbau und zum anderen vor dem Hintergrund der Auswirkungen der Schutzgebietsregelungen auf die Rebenpflanzgut­erzeugung intensiv diskutiert und noch offene Fragen identifiziert. Diese sollen möglichst noch im Verlauf des Jahres geklärt und Anfang des kommenden Jahres bei einem weiteren Gespräch diskutiert werden. Ein Zeitraum von maximal drei bis fünf Jahren bis zu einer Schutzgebietsregelung für Deutschland wurde von allen Teilnehmern als akzeptabel erachtet. In dieser Zeit könnten zunächst offene Fragen geklärt werden. Nach einem Beschluss den Schutzgebietsstatus in DE anzustreben hätten dann auch die Unterlagenerzeuger in Frankreich oder Italien die Möglichkeit, sich auf den höheren Bedarf an Vermehrungsmaterial einzustellen, das den Anforderungen für die Verbringung in Schutzgebiete d.h. dann auch Deutschland entspricht.

Die bereits vorliegenden Monitoringdaten ergänzt durch die Informationen der ab 2012 vorgesehenen Monitoringmaßnahmen könnten für eine befristete Erteilung eines Schutzgebietsstatus bereits ausreichen. Es wurde abschließend klar heraus­gestellt, dass die Initiative für einen Schutzgebietsantrag von den Bundesländern ausgehen müsste.

Michael Maixner (JKI Bernkastel-Kues)

Personalien

Direktor und Professor Dr.-Ing. Heinz Ganzelmeier, der Leiter des Instituts für Anwendungstechnik im Pflanzenschutz des Julius Kühn-Instituts, im Ruhestand

Journal für Kulturpflanzen, 64 (11). S. 425–435, 2012, ISSN 1867-0911, Verlag Eugen Ulmer KG, Stuttgart

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Zum 31. Oktober 2012 ist Herr Direktor und Professor Dr.-Ing. Heinz Ganzelmeier nach 25 Jahren im Dienste der ehemaligen Biologischen Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft (BBA) und des heutigen Julius Kühn-Instituts (JKI) in den Ruhestand eingetreten. Dieser Anlass wurde am 20. und 21. September 2012 durch eine Fachtagung Gerätetechnik, verbunden mit der Fachtagung der Bund-Länder-Arbeits­gruppe „Kontrolle/Pflanzenschutzgeräte“ gewürdigt.

Max Frisch schrieb: „Der Inhalt der Physik geht die Physiker an, die Auswirkungen alle Menschen“. Im übertragenen Sinne war das auch in dem Fachgebiet, das Dr. Ganzelmeier vertrat, zutreffend. Er und das von ihm geleitete Institut war mit dafür verantwortlich, dass Pflanzenschutz, insbesondere der chemische Schutz von Kulturpflanzen vor Schadorganismen und abiotischen Schäden, in diesem Lande mit hoher Qualität durchgeführt wurde und wird, und dass damit nicht nur eine hochwertige Pflanzenproduktion möglich ist, sondern auch der Schutz der Umwelt und der Schutz des Verbrauchers gebührend beachtet sind. Die Qualität, wie Pflanzenschutz betrieben wird, hängt nicht allein vom Wirkstoff eines Mittels und von dessen Beistoffen, dessen Verpackung oder dessen Formulierung oder der Qualifikation der Anwender ab. Die Qualität des Pflanzenschutzes hängt ganz wesentlich auch davon ab, wie mit den Substanzgemischen, seien es nun Pflanzenschutzmittel oder Pflanzenstärkungsmittel, umgegangen wird, sprich: in welcher Weise sie ausgebracht, also appliziert werden. Damit ist die Anwendungstechnik eine unverzichtbare, komplexe Schlüsseltechnologie des nachhaltigen Pflanzen­schutzes sowohl im integrierten Pflanzenbau als auch im ökologischen Landbau. So gesehen hat Herr Dr. Ganzelmeier mit seinem Team dafür gesorgt, dass die Maschinen, die auf dem Feld oder in Kulturräumen Pflanzenschutzmittel ausbringen, mit hoher Qualität versehen waren und sind. Ein kleiner Rückblick auf den beruflichen Lebensweg des Dr.-Ing. Ganzelmeier soll das verdeutlichen:

Heinz Ganzelmeier wurde am 6. Oktober 1947 in Gerolfingen geboren, wo er auch aufgewachsen und zur Schule gegangen ist. Sein Vater war Landwirt, so dass er bereits von Kindesbeinen an mit der Landwirtschaft vertraut war. Nach der Schulzeit absolvierte er eine Lehre als Maschinenbauer und Mechaniker in der Fachschule für Maschinenbau in Ansbach, die er im Juli 1965 erfolgreich abschloss. Im Anschluss studierte Ganzelmeier von 1966 bis 1970 am Rudolf-Diesel-Polytech­nikum in Augsburg Maschinenbau und schloss dieses Studium mit der Ingenieur­prüfung (Ing. grad.) ab.

Bereits während seines Studiums hatte er als Werkstudent Kontakte zur Firma Siemens geknüpft und erhielt dort nach dem Studium eine Position als Ingenieur in der Fertigungsplanung. Bald entschloss er sich aber zu einem weiter führenden Universitätsstudium und studierte von 1970 bis 1973 Maschinenbau an der Technischen Hochschule Stuttgart.

Nach erfolgreichem Abschluss dieses Studiums wechselte Ganzelmeier im Jahr 1973 an die Universität Hohenheim, wo er als Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Institut für Agrartechnik tätig war. Gleich sein erstes Forschungsprojekt dort hatte einen engen Bezug zum Pflanzenschutz: in einem Teilprojekt des Sonderforschungs­bereiches mit dem Titel „Verfahrenstechnik in der Körnerfruchtproduktion“ arbeitete er an Verbesserungen der Pflanzenschutztechnik und deren Umsetzung in die landwirtschaftliche Praxis. Während dieser Zeit im Institut für Agrartechnik betrieb Ganzelmeier grundlegende Forschung auf dem Gebiet der Applikationstechnik im chemischen Pflanzenschutz und wirkte auch aktiv in der Lehre mit. Im Rahmen verschiedener Forschungstätigkeiten fertigte Ganzelmeier seine Doktorarbeit zum Thema „Untersuchungen zur Mischwirkung von hydraulischen Rühr­systemen für Pflanzenschutzgeräte“ an. Diese Arbeit reichte er bei der Technischen Universität Berlin ein und schloss im Mai 1980 das Promotionsverfahren erfolgreich als Doktor-Ingenieur ab.

Noch vor Beendigung seiner Promotion wechselte Ganzelmeier im Frühjahr 1980 von der Universität Hohenheim zur Landesanstalt für Pflanzenschutz in Stuttgart und war dort als Leiter des Sachgebietes Pflanzenschutz mit der Kontrolle und der Prüfung von Pflanzenschutzgeräten und der Erprobung neuer Gerätetechnik befasst. Durch den Leiter der Landesanstalt, Herrn Dr. Meinert, wurde er im März 1987 darauf aufmerksam gemacht, dass bei der damaligen Biologischen Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft die Stelle des Leiters der Fachgruppe für Anwendungstechnik ausgeschrieben war. Nach erfolgreichem Abschluss des Berufungsverfahrens wurde er zum 1. November 1987 zur Biologischen Bundesanstalt versetzt. Im Mai 1988 folgte die Ernennung zum „Direktor und Professor“ und die Bestellung zum Leiter der Fachgruppe für Anwendungstechnik der damaligen von Dr. Kohsiek geleiteten Abteilung für Pflanzenschutzmittel und Anwendungstechnik in der Biologischen Bundesanstalt.

Am 1. November 2002 trat das „Gesetz zur Neuorganisation des gesundheitlichen Verbraucherschutzes und der Lebensmittelsicherheit“ in Kraft. Mit diesem Gesetz wurden wesentliche Aufgaben im Bereich der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln von der BBA zum neu gegründeten Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit verlagert. Damit verbunden war die Versetzung großer Teile des Personals, das im Bereich der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln tätig war. Die Fachgruppe für Anwendungstechnik der ehemaligen Abteilung für Pflanzenschutzmittel und Anwendungstechnik verblieb aber bei der BBA, nun als eigenständige Organisationseinheit. Mit der Gründung des Julius Kühn-Instituts, Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen (JKI), zum 1. Januar 2008 wurde die ehemalige Fachgruppe zu einem eigenständigen „Institut für Anwendungstechnik im Pflanzenschutz“ mit Herrn Dr.-Ing. Ganzelmeier als Leiter.

Von den vielfältigen Aufgaben, die Dr. Ganzelmeier in der ehemaligen Biologischen Bundesanstalt und dem heutigen Julius Kühn-Institut wahrgenommen hat, sollen nur einige Beispiele genannt sein:

Zurzeit seines Eintritts in die BBA geriet die Abdrift bei der Ausbringung von Pflanzenschutzmitteln und die dabei auftretende Exposition benachbarter Flächen in den Fokus der kritischen Bewertung im Rahmen der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln. Das Institut für Anwendungstechnik im Pflanzenschutz erarbeitete daraufhin in akribischen Untersuchungen und Berechnungen entsprechende „Abdrifteckwerte“, die im Jahr 1995 in den Mitteilungen aus der Biologischen Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft in Deutsch (Band 304) und in Englisch (Band 305) veröffentlicht wurden. Die Bewertung der Pflanzenschutzmittel hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf Nichtzielorganismen erfolgt in Deutschland seit 1995 anhand dieser Abdrifteckwerte (in Fachkreisen auch „Ganzelmeier-Werte“ genannt), und zwischenzeitlich werden diese in den meisten Mitgliedstaaten der EU für die Risikoabschätzung herangezogen. Abdrifteckwerte mussten in den nachfolgenden Jahren für andere Fragestellungen aus dem Bereich der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln ergänzt und fortgeschrieben werden. In jüngster Zeit beschäftigten sich Dr. Ganzelmeier und sein Institut in enger Zusammenarbeit mit Einrichtungen der Bundesländer vor dem Hintergrund neuer Rechtsvorgaben der EU mit Abdrifteckwerten für Luftfahrzeuge. Diese sind von höchster Dringlichkeit, da ansonsten die in Einzelfällen möglichen Genehmigungen des Luftfahrzeugeinsatzes für Rebsteillagen oder den Forst gefährdet sind.

Die Abdrifteckwerte bildeten auch die Basis für eine enge Verzahnung der Geräte­prüfung mit der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln und die Voraussetzung für die Einführung des „Verzeichnisses Verlustmindernder Geräte“ (Abdriftminderung und Pflanzenschutzmittel-Einsparung). Derzeit sind in dieses Verzeichnis ca. 550 Pflanzenschutzgeräte in die Abdriftminderungsklassen 50%, 75% und 90% eingetragen. Die Zulassung nahezu sämtlicher Pflanzenschutzmittel nimmt inzwischen Bezug auf das Verzeichnis Verlustmindernder Geräte.

Die Notwendigkeit, Anwendungstechnik und Pflanzenschutzmittelzulassung aufeinander abzustimmen, hat sich auch bei der Sätechnik (z.B. Mais, Raps) gezeigt. Erinnert sei kurz an die Bienenschäden in Süddeutschland im Frühjahr 2008, die durch viele Faktoren im Zusammenhang mit der Aussaat von Maissaatgut, das mit einem insektiziden Wirkstoff gebeizt war, verursacht wurden. Das JKI erarbeitete eine Prüfmethode, mit der die bei der Aussaat von gebeiztem Saatgut freigesetzte Menge an Beizstaub bestimmt werden kann. Dies war die Voraussetzung, um modifizierte Sägeräte hinsichtlich einer ausreichenden Driftminderung prüfen zu können. Bereits im September 2008 führte das von Dr. Ganzelmeier geleitete Institut erste eigene Versuche sowie gemeinsam mit anderen JKI-Instituten angelegte Versuche durch und stellte die Ergebnisse vor. Dies veranlasste die Hersteller von Maiseinzelkornsägeräten noch im gleichen Jahr, Neugeräte anzupassen und Umrüstsätze für Altgeräte zu entwickeln, die dann im Institut in Braunschweig geprüft wurden. Maissägeräte, die den Test bestanden haben, wurden in die Liste „Abdriftmindernde Sägeräte“ des JKI eingetragen. Das war insgesamt eine in kürzester Zeit durch­geführte konzertierte Aktion in enger Zusammenarbeit mehrerer Institute des JKI, die sicherlich gezeigt hat, dass eine schlag­kräftige Ressortforschung gebraucht wird, und dass die Verzahnung von Forschung und gesetzlichen Aufgaben in einer Einrichtung richtig ist. Auch in der Qualitäts­sicherung von Beizstellen engagierten sich Dr. Ganzelmeier und seine Mitarbeiter intensiv. Zertifizierte Beizstellen werden in dem vom Institut für Anwendungstechnik geführten Verzeichnis der „Beizstellen für neonicotinoidhaltige Beiz­mittel“ gelistet.

Herr Dr. Ganzelmeier war während seiner gesamten beruflichen Laufbahn an Kooperationen mit wissenschaftlich-tech­nischen Einrichtungen im Ausland interessiert. In den 90er Jahren war er mehrfach als Kurzzeitexperte der Deutschen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) in einem Entwicklungshilfe-Projekt in Argentinien tätig, in dem es um „Integrierten Pflanzenschutz im Obstbau“ ging. In Thailand war er als Experte für die GTZ tätig und beriet die thailändischen Partner mit dem Ziel, die Ausbringung von Pflanzenschutzmitteln zu verbessern. In dieser Zeit, wie auch wieder vor einem Jahr, pflegte er intensive Kontakte mit der für Pflanzenschutz zuständigen Einrichtung in Marokko. Eine enge Zusammenarbeit pflegte Dr. Ganzelmeier auch mit Einrichtungen in Ungarn. Im Jahr 1996 wurde ihm von der Landwirtschaftlichen Fakultät der Agrarwissenschaftlichen Universität in Keszthely die „Georgikon-Plakette“ verliehen. Damit wurden seine Aktivitäten zur Entwicklung der Messtechnik und zur Aus- und Fortbildung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Keszthely gewürdigt. Im Jahr 2003 wurde ihm durch das Institut für Landtechnik in Gödöllö die „Bánházi-Medaille“ verliehen. Mit dieser Medaille ehrten ihn die ungarischen Kollegen für das Engagement bei der Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses und beim Aufbau der Gerätekontrolle und der Prüfeinrichtungen in Ungarn. Damit entsprach Dr. Ganzelmeier schon seit langer Zeit den heutigen Forderungen des BMELV und auch des Wissenschaftsrates zur stärkeren internationalen Vernetzung.

Ganz besonders hervorzuheben sind Dr. Ganzelmeier‘s „SPISE“-Aktivitäten (SPISE = Standardised Procedure for the Inspection of Sprayers in Europe). Die technische Überprüfung von im Gebrauch befind­lichen Pflanzenschutzgeräten ist in den Europäischen Mitgliedstaaten mit der Richtlinie 2009/128/EG nunmehr gesetzlich vorgeschrieben. Sie verpflichtet die Besitzer bestimmter Pflanzenschutzgeräte, ihre Geräte in einem festgelegten Rhythmus durch anerkannte Kontrollstellen überprüfen zu lassen. Dr. Ganzelmeier und sein Institut engagieren sich in höchstem Maße, die administrativen und technischen Regelungen, die sich aus dem Inkrafttreten der Richtlinie 2009/128/EG ergeben, mit den Experten der Mitgliedstaaten abzustimmen. So soll europaweit eine möglichst gleichwertige Überprüfung der Pflanzenschutzgeräte gewährleistet werden. Zusammen mit der SPISE-Working-Group organisierte das JKI bereits vier SPISE-Workshops, den letzten vom 27. bis 29. März 2012 in Lana (Südtirol) mit über 100 Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Ziel dieser Workshops ist es, Fachleuten aus den Mitgliedstaaten eine Plattform zu geben, auf der technische Sachverhalte und Vorschläge aus der Administration diskutiert und abgestimmt werden können. Die Initiative für diese ausgesprochen erfolgreichen SPISE-Workshops ging von Dr. Ganzelmeier aus, und er hat gemeinsam mit Herrn Wehmann eine eigene Internetpräsenz für SPISE aufgebaut.

Besonderes Augenmerk legte Dr. Ganzelmeier auch auf die Mitarbeit in ENTAM (European Network for Testing of Agricultural Machines). Dieses im Jahre 1997 von führenden europäischen Landtechnikprüfinstitutionen gegründete Netzwerk hat das Ziel, europaweit einheitliche Geräteprüfungen auf Basis existierender Geräteprüfungsnormen zu erreichen. Die Arbeitsgruppe „Pflanzenschutzgerätetechnik“ steht seit ihrer Etablierung unter dem Vorsitz des JKI (bzw. deren Vorgängerorganisation BBA). Das Ziel dieser Arbeitsgruppe ist die gegenseitige Anerkennung der von den Prüfeinrichtungen in den verschiedenen Mitgliedstaaten geprüften Pflanzenschutzgeräte: „einmal geprüft – europaweit anerkannt“. Die Akzeptanz hierfür weiter zu verbessern, wird eine große Herausforderung der nächsten Jahre sein, denn auch im gesetzlich nicht geregelten Bereich der Geräteprüfung muss es zu einer Harmonisierung der Geräteprüfung kommen.

Die Zusammenarbeit mit den Amtlichen Pflanzenschutzdiensten der Länder lag Dr. Ganzelmeier immer besonders am Herzen. Hier sind zum einen die Kollegen des Amtlichen Dienstes zu nennen, die den praktischen Teil der Geräteprüfung durchführen und die Beurteilung der Geräte im Fachbeirat „Geräteanerkennung“ unterstützen. Die Überprüfung der Geräte im Praxiseinsatz ist von hoher Relevanz für das Institut für Anwendungstechnik, da die eigenen Möglichkeiten hierfür begrenzt sind. Hier sind aber auch die alljährlichen Arbeitssitzungen des Deutschen Pflanzenschutzdienstes zu nennen, in denen aktuelle Fragen des Pflanzenschutzes diskutiert werden und in denen Dr. Ganzelmeier regelmäßig über neue und interessante gerätetechnische Entwicklungen berichtet hat. Auch die Sitzungen der Fachreferenten, die mit den Sitzungen des Fachbeirates „Geräteanerkennung“ und des DPG-Arbeitskreises „Pflanzenschutztechnik“ kombiniert wurden, zählen hierzu.

„Precision Farming“ war ein Forschungsschwerpunkt, der ebenfalls das besondere Interesse von Dr. Ganzelmeier fand. Frühzeitig hat er darauf hinge­wiesen, dass die GIS-basierte Ausbringung von Pflanzenschutzmitteln eine Erweiterung des bisherigen „Precision Farming“ darstellt, indem bei der Ausbringung eines Pflanzenschutzmittels auch die Umgebung eines Schlages, wie Oberflächengewässer und Saumbiotope in Betracht gezogen wird. Voraussetzung hierfür sind Methoden zur exakten Erstellung von Applikationskarten auch im Hinblick auf Abstände, die sich aus Anwendungsbestimmungen der angewendeten Pflanzenschutzmittel ergeben sowie auch die Weiterentwicklung von Direkt­einspeisungssystemen bis zur Praxisreife. Dieses Thema bearbeitet sein Institut in enger Kooperation mit dem Institut für Strategien und Folgenabschätzung sowie anderen JKI-Instituten und Partnern.

Weitere aktuelle Themen, die in dem von Dr. Ganzelmeier geleiteten Institut zum Teil in Kooperation mit anderen JKI-Instituten bearbeitet werden, sind z.B.:

• zielflächenabhängige Ausbringungstechniken von Pflanzenschutzmitteln in Raumkulturen z.B. unter Nutzung der Sensortechnik und der Bestimmung der Laubwanddichte

• gewässerschonender Pflanzenschutz durch innovative Gerätetechnik

• Untersuchungen zur Abdrift und zur Qualität der Anlagerung bei der Appli­kation von Pflanzenschutzmitteln im Ackerbau bei hohen Fahrgeschwindig­keiten

• Untersuchungen zum Einfluss von Gestängebewegungen und Düsentech­niken auf die Verteilungsqualität mit dem Ziel, die Grundsätze der guten fachlichen Praxis an neue Entwicklungen anzupassen.

Ressortforschung hat unter anderem die Aufgabe, Fragen der Gesellschaft, Fragen der Politik, Fragen des Ressorts wissenschaftlich zu bearbeiten, sachlich zu analysieren und neutral ohne Weltanschauung eine wissenschaftliche Position und Beratung zu vertreten. Das ist eine Kunst, die insbesondere dann, wenn sich jemand mit Pflanzenschutz befasst, neben aller Fachkompetenz ein hohes Maß an Kritiktoleranz und Standfestigkeit erfordert. Beides hat Herr Dr. Ganzelmeier über die vielen Jahre bewiesen. Und noch eins hat er bewiesen, nämlich dass es möglich ist, sowohl die praktischen Belange zu bearbeiten, wie auch auf wissenschaftlich anspruchsvollem Niveau zu agieren und mit anderen Wissenschaftseinrichtungen auf internationaler Ebene auf höchst anerkannte Weise zu kooperieren.

Dr.-Ing. Heinz Ganzelmeier hat in den 25 Jahren seines Wirkens das von ihm vertretene Fachgebiet mit Energie, mit Fach- und Sachkompetenz und mit hoher nationaler und internationaler Anerkennung entwickelt und voran gebracht. Er hat sich sehr um die Biologische Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft und um das heutige Julius Kühn-Institut verdient gemacht. Zudem stand er seit 2009 der Gemeinschaft der Förderer und Freunde des JKI vor und unterstützt unser Institut und ganz besonders unsere Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler damit ganz maßgeblich. Aus diesem Grunde hat das zuständige Kuratorium entschieden, Herrn Dr. Ganzelmeier für seine Verdienste die Ehrennadel des Julius Kühn-Instituts, Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen, zu verleihen. Diese Ehrennadel wurde ihm vom Präsidenten des JKI während der Fachtagung Gerätetechnik am 20.09.2012 feierlich überreicht.

Alle Kolleginnen und Kollegen aus dem Julius Kühn-Institut und den anderen ihm verbundenen Einrichtungen wünschen Herrn Dr.-Ing. Ganzelmeier alles erdenklich Gute für den Ruhestand, vor allem Gesundheit und Wohlergehen im Kreise seiner Familie.

Georg F. Backhaus (JKI Quedlinburg)

Literatur

Journal für Kulturpflanzen, 64 (11). S. 425–435, 2012, ISSN 1867-0911, Verlag Eugen Ulmer KG, Stuttgart

Annual Review of Genetics, Vol. 452011. Eds.: Allan Campbell, Michael Lichten, Gertrud Schüpbach. Palo Alto, California, USA, Annual Reviews, 469 S., ISBN 978-0-8243-1245-9, ISSN 0066-4197.

Band 45 des Annual Review of Genetics beginnt mit einem Artikel von Ralf J. Sommer und Adrian Streit mit dem Titel: Comparative Genetics and Genomics of Nematodes: Genome Structure, Development, and Lifestyle.

Folgende Übersichtsartikel aus dem Gesamtgebiet der Genetik schließen sich an:


Uncovering the Mystery of Gliding Motility in the Myxobacteria (Beiyan Nan, David R. Zusman); Genetics and Control of Tomato Fruit Ripening and Quality Attributes (Harry J. Klee, James J. Giovannoni); Toxin-Antitoxin Systems in Bacteria and Archaea (Yoshihiro Yamaguchi, Jung-Ho Park, Masayori Inouye); Genetic and Epigenetic Networks in Intellectual Disabilities (Hans van Bokhoven); Axis Formation in Hydra (Hans Bode); The Rules of Engagement in the Legume-Rhizobial Symbiosis (Giles E.D. Oldroyd, Jeremy D. Murray, Philip S. Poole, Alan Downie); A Genetic Approach to the Transcriptional Regulation of Hox Gene Clusters (Patrick Tschopp, Denis Duboule); V(D)J Recombination: Mechanisms of Initiation (David G. Schatz, Patrick C. Swanson); Human Copy Number Variation and Complex Genetic Disease (Santhosh Girirajan, Catarina D. Campbell, Evan E. Eichler); DNA Elimination in Ciliates: Transposon Domestication and Genome Surveillance (Douglas L. Chalker, Meng-Chao Yao); Double-Strand Break End Resection and Repair Pathway Choice (Lorraine S. Symington, Jean Gautier); CRISPR-Cas Systems in Bacteria and Archaea: Versatile Small RNAs for Adap­tive Defense and Regulation (Devaki Bhaya, Michelle Davison, Rodolphe Barrangou); Human Mitochondrial tRNAs: Biogenesis, Function, Structural Aspects, and Diseases (Tsutomu Suzuki, Asuteka Nagao, Takeo Suzuki); The Genetics of Hybrid Incompatibilities (Shamoni Maheshwari, Daniel A. Barbash); Maternal and Zygotic Control of Zebrafish Dorsoventral Axial Patterning (Yvette G. Langdon, Mary C. Mullins); Genomic Imprinting: A Mammalian Epigenetic Discovery Model (Denise P. Barlow); Sex in Fungi (Min Ni, Marianna Feretzaki, Sheng Sun, Xuying Wang, Joseph Heitman); Genomic Analysis at the Single-Cell Level (Tomer Kalisky, Paul Blainey, Stephen R. Quake); Uniting Germline and Stem Cells: The Function of Piwi Proteins and the piRNA Pathway in Diverse Organisms (Celina Juliano, Jianquan Wang, Haifan Lin).

Der Band ist online unter http://genet.annualreviews.org verfügbar.

Ebenso wie vorher erschienene Bände dieser Publikationsreihe bietet Band 45 des Annual Review of Genetics wertvolle Informationen aus dem gesamten Forschungsbereich der Genetik.

Sabine Redlhammer (JKI Braunschweig)


ISSN (elektronisch): 1867-0938
ISSN (print): 1867-0911
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