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Mitteilungen und Nachrichten

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  Neues aus der DGO:

Der Süßkirschenanbau in der Region Witzenhausen

Journal für Kulturpflanzen, 64 (12). S. 482–483, 2012, ISSN 1867-0911, Verlag Eugen Ulmer KG, Stuttgart

Historische Betrachtung

Die Stadt Witzenhausen und ihre umliegenden Gemeinden sind eines der ältesten Kirschenanbaugebiete in Deutschland. Erste Erwähnungen eines umfangreicheren Süßkirschenanbaues stammen bereits aus dem 16. Jahrhundert.

Zu jener Zeit spielte der Obstanbau aber noch eine recht untergeordnete Rolle. Der Wein war die dominierende Kultur.

Für den Weinanbau wurden überwiegend die klimatisch günstigen Hanglagen in Süd- und Westausrichtung verwendet, während der Obstanbau hauptsächlich auf dorfnahen, weniger wertvollen Restflächen stattfand.

Neben Wein, Hopfen und Tabakanbau konnte sich der Kirschenanbau zunächst nur sehr langsam entwickeln. Erst im 18. Jahrhundert konnte sich der Obstanbau in der Region Witzenhausen stark ausweiten. Neben Äpfeln, Zwetschen und Aprikosen wurden hauptsächlich Süßkirschen angebaut.

Dorf- und Stadtbewohner bekamen die Auflage, mindestens fünf Obstbäume zu pflanzen. Denjenigen, die sich nicht an die Auflagen hielten, wurde mit Entzug der Bürgerrechte gedroht. Städte wie Kassel und Göttingen wurden mit frischen Kirschen beliefert. Dennoch war der Kirschenanbau weitgehend extensiv und unstrukturiert.

Erst mit der Gründung eines pomologischen Institutes in Kassel um 1877 wurde der Kirschenanbau auf wirtschaftlich sichere Füße gestellt.

Obstanbauende Gemeinden, die einen Baumgärtner beschäftigten, bekamen von der Kurfürstlichen Kommission fachliche Unterstützung, und es wurden Anpflanzprämien gezahlt.

Bis in die 50er Jahre des vorigen Jahrhunderts entwickelte sich der Süßkirschenanbau immer stärker in kleinen landwirtschaftlichen Nebenerwerbsbetrieben. Wobei bereits in den 30er Jahren der Sortenspiegel auf wenige dunkle, festfleischige Sorten bereinigt wurde.

Standortfaktoren

Es stellt sich natürlich die Frage, wie es im Werratal zu einem intensiven Kirschenanbau kommen konnte?

Es gibt sicher viele Gründe, die zu einer solchen Entwicklung des Kirschenanbaues im Raum Witzenhausen führten. Neben dem zurückgehenden Weinanbau im 18. Jahrhundert wurden geeignete Flächen für den Kirschenanbau frei, und die klima­tischen Bedingungen für Kirschen waren günstig. Die geringe Flächenausstattung der meisten Betriebe förderte den Kirschen­anbau, da die Erlöse aus Kirschenverkäufen höher ausfielen als aus anderen Kulturen. Weiter konnten die überwiegend hängigen Flächen optimal genutzt werden.

Die mittleren Niederschläge mit jährlich ca. 600 bis 700 mm und die Lufttemperatur von ca. 8,0 Grad Celsius erlauben den Süßkirschenanbau. Es entwickelten sich außerdem günstige Absatzwege mit der beginnenden Industrialisierung.

Derzeitiger Stand des Kirschenanbaues

Die in den 30er Jahren begonnene Sortimentsbereinigung setzte sich in den 50er und 60er Jahren fort.

Der Kirschenanbau verlagerte sich von den Hanglagen in die Ebene. Auch die Betriebsgrößen veränderten sich. Es wurden größere geschlossene Anlagen gepflanzt und die Mehrfachnutzung der Flächen ging immer weiter zurück.

Mit Gründung einer Obstabsatzgenossenschaft in Unterrieden wurde eine moderne Vermarktungseinrichtung geschaffen, die dem Handel größere Mengen in einheitlicher Qualität anbieten konnte.

Die Witzenhäuser Kirschen wurden so schnell zu einer sehr gefragten Obstart, die bundesweit vermarktet wurde.

Mit der steigenden Nachfrage entstanden neue Herausforderungen für die Kirschen und das Anbaugebiet. Immer noch wurden die Kirschen recht extensiv in viel zu vielen Nebenerwerbsbetrieben in unterschiedlichster Qualität produziert. Über 800 Erzeuger bauten Kirschen an. Der Hochstamm war nach wie vor die dominierende Baumform (Abb. 1 und 2). Die Produktionskosten stiegen bei sinkenden Erzeugerpreisen.

Abb. 1. Hochstammanlage auf Prunus avium, 2009.

Abb. 1. Hochstammanlage auf Prunus avium, 2009.

Abb. 2. Extensive Hochstammanlage auf Prunus avium, 2009.

Abb. 2. Extensive Hochstammanlage auf Prunus avium, 2009.

Ab den 80er Jahren machte sich auch der beginnende Klimawandel bemerkbar. Die Kirschblüte erfolgte immer früher und Blütenfrostschäden traten häufiger auf. Auch wurden die Sommermonate feuchter und Regenperioden Ende Juni, Anfang Juli ließen oftmals die Früchte am Baum platzen und faulen.

Es mussten wirtschaftlichere Produktionsbedingungen geschaffen werden, und der Anbau musste durch Veränderung des Sortenspiegels und der Anbaubedingungen der Situation angepasst werden. Kleinkronige Süßkirschenbäume kamen ins Gespräch (Abb. 3).

Abb. 3. Kleinkroniger Süßkirschenbaum auf Unterlage GiSelA 5, 2009.

Abb. 3. Kleinkroniger Süßkirschenbaum auf Unterlage GiSelA 5, 2009.

Das Land Hessen gründete 1982 in Wendershausen einen Süßkirschen-Versuchsbetrieb, in dem eine Anzahl schwach­wuchs­induzierender Süßkirschenunterlagen auf ihre Anbaueignung mit einem breiten Süßkirschensortiment geprüft werden sollte. Mit diesem Versuchsbetrieb brach eine neue Ära für den Witzenhäuser Süßkirschenanbau an. Die Baumformen wurden kleiner, und der Anbau wurde intensiver. Bis heute wurden in dem Süßkirschen-Versuchsbetrieb über 200 Gisela-Unterlagen mit über 70 Edelsorten auf ihre Anbaueignung geprüft.

Seit 2007 ist der Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen mit seinem Süßkirschen-Versuchsbetrieb in Wendershausen Mitglied der Deutschen Genbank Obst (Abb. 4).

Abb. 4. Süßkirschenanlage Unterrieden 2009

Abb. 4. Süßkirschenanlage Unterrieden 2009

Die bisher bekannteste und erfolgreichste Gisela-Unterlage ist die Gisela 5 (Abb. 5). Mit ihr lassen sich intensive Dichtpflanzungen erstellen, und die Flächenerträge je nach Intensitätsstufe der Produktion liegen wesentlich höher als auf großkronigen Hochstammanlagen.

Abb. 5. Blühende Süßkirsche auf GiSelA 5 Unterlage 2009.

Abb. 5. Blühende Süßkirsche auf GiSelA 5 Unterlage 2009.

Derzeit befindet sich der Süßkirschenanbau im Werratal auf einem guten Weg. Die Anbaufläche mit kleinkronigen Süßkirschenbäumen beträgt ca. 120 ha. Es werden mit Unterstützung der Obstbauberatung moderne Süßkirschenanlagen gepflanzt. Der Sortenspiegel und die Fruchtqualität entsprechen den Verbraucherwünschen. Witzenhäuser Kirschen sind weiterhin ein sehr gefragtes Qualitätsprodukt. Der Bedarf an Witzenhäuser Kirschen ist weitaus größer als das derzeitige Angebot.

Neben der Frischvermarktung werden zahlreiche Kirschenprodukte in Hofläden und im Einzelhandel angeboten. Die Anzahl der Kirschenanbauer ist rückläufig, wobei sich die Anbaufläche je Betrieb stetig erhöht. Nach wie vor findet der Süßkirschen­anbau überwiegend im Nebenerwerb statt. Der Kirschenanbau hat sich in den letzten Jahren zu einer intensiven landwirtschaftlichen Kultur entwickelt.

Die traditionelle Verbundenheit der Stadt Witzenhausen mit der Kirsche ist sehr groß, da die Kirsche auch für den Tourismus im Werratal eine große wirtschaftliche Bedeutung hat.

Literatur

Bellon, Mechthild, Claudia Grolms, 1986/1987: Kirschenanbau im Werratal – Landnutzung mit Zukunft, Diplomarbeit an der Gesamthochschule Kassel.

Ritsch, Hans-Georg, 1994: mündliche und schriftliche Mitteilungen.

Agrarstrukturelle Vorplanung (AVP), 1993: Stadt Witzenhausen, Werra-Meißner-Kreis, Gesellschaft für Landeskultur GmbH, im Auftrag des Hessischen Ministeriums für Landesentwicklung, Wohnen, Landwirtschaft, Forsten und Naturschutz.

Eberhard Walther (Landesbetrieb
Landwirtschaft Hessen, Kassel)


ISSN (elektronisch): 1867-0938
ISSN (print): 1867-0911
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