Checkliste der mit Vorräten assoziierten Insekten Deutschlands
Checklist of stored product insects of Germany
Journal für Kulturpflanzen, 65 (5). S. 192–203, 2013, ISSN 1867-0911, DOI: 10.5073/JfK.2013.05.04, Verlag Eugen Ulmer KG, Stuttgart
Vorratsschädliche Insekten befallen Lagergetreide, Mehl, getrocknete Kräuter, Dörrobst, Nüsse und viele andere getrocknete pflanzliche Vorräte. Neben diesen Vorratsschädlingen sind jedoch noch Insekten mit anderer Ernährungsweise mit Vorräten assoziiert, wie etwa Schimmelfresser, Saprophage, Räuber oder Parasitoide. In der vorliegenden Arbeit wurde anhand von Übersichtsarbeiten und Bestimmungsschlüsseln zu synanthropen Insekten eine Liste mit Vorräten assoziierter Insekten erstellt. Dann wurde mit Hilfe faunistischer Literatur und anhand eigener Aufsammlungen überprüft, welche Arten darunter bislang in Deutschland nachgewiesen wurden. Im Ergebnis wurde eine Checkliste mit 213 mit Vorräten assoziierten Insektenarten vorgelegt. Für diese Arten erfolgte eine grobe Klassifizierung in ökologische Gilden. Demnach stellen die primären Vorratsschädlinge rund 16% der Arten. Die artenreichsten Gruppen sind die sekundären Vorratsschädlinge mit 28% und die Schimmelfresser mit 29% der Arten. Die Checkliste wurde mit der letzten vergleichbaren Liste von Zacher (1938) abgeglichen. Neben der Checkliste wurden noch Arten besprochen, die nur gelegentlich importiert wurden oder die nur auf Hafenanlagen beschränkt blieben. Neu für Deutschland werden die Bethyliden Cephalonomia waterstoni aus Bayern und Mecklenburg-Vorpommern, und Cephalonomia tarsalis aus Niedersachsen und Brandenburg gemeldet. Aus Brandenburg liegt der zweite Fund von Plastanoxus westwoodi vor, die Liste der Bethyliden Deutschlands wird um diese Art ergänzt. Diskutiert wurde die Bedeutung von Checklisten für den Vorratsschutz, die Zulassung von Vorratsschutzmitteln und die Invasionsbiologie.
Stichwörter: Vorräte, Psocoptera, Hemiptera, Coleoptera, Hymenoptera, Lepidoptera
Stored product insects infest stored grain, flour, dry herbs, dry fruits, nuts, and many other dry stored products of plant origin. Beside these stored product pests, insects with different feeding habits are associated with stored products, e.g. mould feeders, saprophagous species, predators or parasitoids. In this study, with the help of reviews and determination keys for stored-product and urban pests a list of stored-product pests was compiled. Thereafter, the species recorded for Germany were identified with the help of faunistic publications and determinations of the author. This resulted in a checklist of 213 insect species associated with stored products. These species were classified according to their feeding habits. About 16% of all species were found to be primary stored product pests. The most species-rich groups are secondary stored product pests and mould feeders with 28% and 29% of all species, respectively. The checklist was compared with the last such list by Zacher (1938). Beside the checklist, species were discussed that were rarely imported or occur in areas of ports only. The bethylid wasps Cephalonomia waterstoni and Cephalonomia tarsalis were recorded for the first time in Germany from Bavaria and Mecklenburg-Vorpommern, and Niedersachsen and Brandenburg, respectively. From Brandenburg, Plastanoxus westwoodi was recorded for the second time from Germany and added to the list of Bethylidae from Germany. The impact of such checklists for stored products protection, registration of plant protection products and the study of invasive species were discussed.
Key words: Stored products, Psocoptera, Hemiptera, Coleoptera, Hymenoptera, Lepidoptera
Verschiedene Übersichtsarbeiten und Bestimmungsschlüssel geben einen Überblick zu Vorratsschädlingen (u.a. Zacher, 1927; Mehl, 1940; Zacher, 1944; Hinton, 1945; Bollow, 1958; Mourier und Winding, 1979; Weidner, 1983; Stein, 1986; Mound, 1989; Fritzsche und Keilbach, 1994; Zuska, 1994; Engelbrecht und Reichmuth, 2005; Reichmuth et al., 2007; Weidner und Sellenschlo, 2010). Diese Arbeiten stellen eine jeweils unterschiedliche Auswahl an Vorratsschädlingen vor. Mound (1989) schätzt allein die Zahl der weltweit mit Vorräten assoziierten Käferarten auf mehr als 600. Aus diesen Arbeiten geht jedoch nicht hervor, welche Vorratsschädlinge bisher in Deutschland gefunden wurden bzw. hier regelmäßig auftreten oder etabliert sind. Die einzige Checkliste der mit Vorräten assoziierten Insekten Deutschlands legte Zacher (1938) vor. Seitdem wurden nicht nur zahlreiche weitere Funde publiziert, auch änderte sich die Taxonomie von ca. 1/3 der Arten. Für Teilgebiete liegen Artenlisten vor, und zwar für Berlin von Scheurer und Bauer-Dubau (1999) und für Leipzig von Vater (1992) für Privathaushalte, und für den Hamburger Hafen von Schliesske (2000; 2001).
In der vorliegenden Arbeit wurden die oben genannten Arbeiten aus der angewandten Entomologie mit Werken zur Fauna von Deutschland abgeglichen, vor allem mit der Entomofauna Germanica, die 33 473 Insektenarten für Deutschland listet (Tab. 1) und durch Ergebnisse eigener Bestimmungen ergänzt.
Tab. 1. In dieser Arbeit berücksichtigte Bände der Entomofauna Germanica
Ordnung | Quelle | geographische Angaben |
Psocoptera | Checkliste Deutschland | |
Heteroptera | 13 Teilgebiete | |
Coleoptera | 19 Teilgebiete | |
Hymenoptera | Checkliste Deutschland | |
Lepidoptera | 14 Teilgebiete |
Die Taxonomie der Checkliste folgt der Entomofauna Germanica (Tab. 1), Löbl und Smetana (2008) und de Jong (2011). Ziel dieser aktuellen Checkliste war darüber hinaus eine Klassifizierung der Arten in ökologische Gilden und nach deren Schadpotential. Zacher (1938) klassifizierte die Arten seiner Liste in schädliche oder nützliche Arten sowie solche ohne Bedeutung und unterschied diese Kategorien für Arten in Speichern und Mühlen sowie für solche im Freiland. In seinem Leitfaden für Müller, Bäcker und Getreidehändler von 1944 gliederte er dann die Vorratsschädlinge in primäre Körnerfresser, die imstande sind, unverletzte Getreidekörner anzugreifen, und sekundäre Körnerfresser, die nur bereits angefressene oder mechanisch beschädigte Körner weiter zerfressen. Für den praktischen Vorratsschutz ist es durchaus interessant, das Schadpotential der schädlichen Arten abzuschätzen, daher wurde in der vorliegenden Liste zwischen primären, sekundären und fakultativen Vorratsschädlingen unterschieden. Das Schema nach Haines (1991) in Abb. 1 zeigt die Abhängigkeiten dieser Gilden im Nahrungsnetz.
Abb. 1. Verallgemeinertes Nahrungsnetz mit Vorräten assoziierter Insekten (nach Haines, 1991).
In der Liste (Tab. 2) sind 38 Arten (17,8%) als importiert gekennzeichnet, d.h. sie wurden wiederholt eingeführt, etablierten sich jedoch nicht. Diese Liste könnte noch verlängert werden, schwer abzugrenzen und nicht in der Liste enthalten sind nämlich einige Arten, die nur gelegentlich importiert wurden oder die nur auf Hafenanlagen beschränkt blieben. So trat Carpophilus obsoletus Erichson, 1843 (Nitidulidae) in großer Anzahl über Jahre im Hamburger Hafen auf (Wohlgemuth et al., 1983; Schliesske, 2000). Pagiocerus frontalis (Ipidae) wurde
zweimal mit Maiskolben nach Berlin importiert und zwar 1922 aus Kolumbien (Zacher, 1938) und 2005 über den Frankfurter Flughafen aus Mittelamerika (Schöller, unpubl.). Prostephanus truncatus (Horn, 1878) (Bostrichidae) wurde nach Berlin und Bernkastel importiert (Zacher, 1938; Lucht, 1987). Dinoderus bifoveolatus (Wollaston, 1858) (Bostrichidae) wird gelegentlich mit Bambus importiert (Lucht, 1987). Diese Art befällt auch Maniok und Mais. Jeweils einmal wurden Aulonosoma rhizophagoides Walker, 1859 (Passandridae), Sitophagus hololeptoides Laporte de Castelnau (Tenebrionidae) und Caulophilus oryzae (Gyllenhal, 1838) (Curculionidae) in Berlin in gelagertem Reis bzw. Mais gefunden (Zacher, 1938). Trogoderma glabrum (Herbst, 1783) und Anthrenus flavipes Leconte, 1854 (Dermestidae) wurden von Lucht (1987) als importierte Arten gelistet. Einmal wurde Leptophloeus janeti Grouvelle, 1932 (Laemophloeidae) in eine Mühle in Hamburg-Harburg eingeschleppt (Zacher, 1938), Schliesske (2000) fand jeweils einmalig im Hamburger Hafen Holoparamecus depressus Curtis, 1833 (Endomychidae), Mezium americanum (Laporte de Castelnau, 1840) (Ptininae) und Doloessa viridis Zeller, 1848 (Pyralidae). Ebenfalls in Hamburg wurde Tenebrio obscurus (Fabricius, 1792) 1934 in einem Getreidespeicher gefunden (Zacher, 1938). Gürlich et al. (2008) listen Silvanus lewisi Reitter, 1876 und S. proximus Grouvelle, 1904 (Silvanidae) aus Hamburg auf Tropenholz und aus dem Freiland, diese Arten treten auch an Vorräten auf. Kirejtshuk und Herrmann (2007) meldeten Carpophilus extensus Grouvelle, 1908 (Nitidulidae) südlich von Lübeck aus dem Freiland. Ebenso ist Carpophlius quadrisignatus Erichson, 1843 aus Deutschland bekannt, er wurde aber noch nicht mit Vorräten assoziiert gefunden. Tolasch und Gürlich (2010) listen Monanus concinnulus (Walker, 1858) (Silvanidae) aus Hamburg und Cryptamorpha desjardinsi (Guerin, 1844) (Silvanidae) aus Niedersachsen. Callosobruchus analis (Fabricius, 1781) (Bruchinae) wurde einmal nach Bremen importiert (Zacher, 1938).
Tab. 2. Checkliste der mit Vorräten assoziierten Insekten in Deutschland
(F = Art vorwiegend im Freiland, FE = Befall der Samen auf dem Feld, FU = Futtertier für Haustiere, FV = fakultativer Vorratsschädling, i = importiert, P = Parasitoid, PV = primärer Vorratsschädling, R = Räuber, S = Schimmelfresser und Phytosaprophage, SV = sekundärer Vorratsschädling, Z = Zoosaprophage)
Psocoptera | 23 Arten |
Lepidopsocidae | 1 Art |
Soa flaviterminata Enderlein, 1906; i, S | |
Trogiidae | 5 Arten |
Cerobasis annulata (Hagen, 1865); S | Lepinotus reticulatus Enderlein, 1905; S |
Psoquillidae | 1 Art |
Psoquilla marginepunctata (Hagen, 1865); S, i | |
Psyllipsocidae | 3 Arten |
Dorypteryx domestica (Smithers, 1958); S | Psyllipsocus ramburii Selys-Longchamps, 1872; S |
Liposcelidae | 8 Arten |
Liposcelis arenicola Günther, 1974; S | Liposcelis decolor (Pearman, 1925); S |
Sphaeropsocidae | 1 Art |
Badonnelia titei Pearman, 1953; S | |
Stenopsocidae | 1 Art |
Graphopsocus cruciatus (Linnaeus, 1768); S, F | |
Lachesillidae | 3 Arten |
Lachesilla greeni (Pearman, 1933); S, F | Lachesilla quercus (Kolbe, 1880); S, F |
Hemiptera | 3 Arten |
Heteroptera | |
Reduviidae | 1 Art |
Reduvius personatus (Linnaeus, 1758); R | |
Anthocoridae | 2 Arten |
Lyctocoris campestris (Fabricius, 1794); R | Xylocoris flavipes (Reuter, 1875); R |
Coleoptera | 145 Arten |
Carabidae | 3 Arten |
Somotrichus unifasciatus Dejean, 1831; i, R | Pterostichus melanarius (Illiger 1798); FV, F |
Cleridae | 2 Arten |
Thaneroclerus buqueti (Lefebvre, 1835), R, i | Necrobia rufipes (De Geer, 1775), FV, R |
Trogositidae | 1 Art |
Tenebroides mauritanicus (Linnaeus, 1758); SV, R | |
Lophocateridae | 1 Art |
Lophocateres pusillus (Klug, 1832); SV, i | |
Dermestidae | 26 Arten |
Dermestes maculatus de Geer, 1774; Z | Attagenus woodroffei Halstead and Green, 1979; Z, i |
Cerylonidae | 1 Art |
Murmidius ovalis (Beck, 1817); SV, i | |
Thorictidae | 1 Art |
Thorictodes heydeni Reitter, 1875; SV | |
Nitidulidae | 6 Arten |
Carpophilus ligneus Murray, 1864; SV, i | Carpophilus bipustulatus (Heer, 1841); SV, i |
Silvanidae | 5 Arten |
Cathartus quadricollis (Guerin, 1844); SV, i | Oryzaephilus surinamensis (Linnaeus, 1758); PV |
Cryptophagidae | 13 Arten |
Henoticus californicus (Mannerheim, 1843); S | Cryptophagus scanicus (Linnaeus, 1758); S |
Languriidae | 1 Art |
Pharaxonotha kirschi Reitter, 1875; S, i | |
Laemophloeidae | 5 Arten |
Cryptolestes pusillus (Schoenherr, 1817); PV | Cryptolestes ferrugineus (Stephens, 1831); PV |
Latridiidae | 19 Arten |
Latridius minutus (Linnaeus, 1767); S | Cartodere constricta (Gyllenhal, 1877); S |
Mycetophagidae | 3 Arten |
Typhaea stercorea (Linnaeus, 1758); SV | Mycetophagus quadriguttatus Müller, 1821; S, F |
Endomychidae | 3 Arten |
Holoparamecus caularum Aubé, 1843; S | Mycetaea subterranea (Fabricius, 1801); S |
Bostrichidae | 2 Arten |
Rhyzopertha dominica (Fabricius, 1792); PV | Dinoderus minutus (Fabricius, 1775; PV, i |
Anobiidae | 19 Arten |
Anobiinae | 2 Arten |
Stegobium paniceum (Linnaeus, 1758); PV | Lasioderma serricorne (Fabricius, 1792); PV |
Ptininae | 17 Arten |
Gibbium psylloides (Czenpinski, 1778); SV | Ptinus pusillus Sturm, 1837; SV |
Tenebrionidae | 14 Arten |
Palorus ratzeburgi (Wissman, 1848); SV | Tribolium castaneum (Herbst, 1797); SV |
Chrysomelidae | |
Bruchinae | 13 Arten |
Pachymerus nucleorum (Fabricius, 1767); PV, i | Bruchus affinis Frölich, 1799; FE |
Anthribidae | 1 Art |
Araecerus fasciculatus (De geer, 1775); SV, i | |
Curculionidae | 4 Arten |
Sitophilus granarius (Linnaeus, 1758); PV | Sitophilus zeamais Motschulsky, 1855); PV |
Hymenoptera | 13 Arten |
Pteromalidae | 4 Arten |
Lariophagus distinguendus (Förster, 1841); P | Dibrachis cavus (Walker, 1835); P |
Ichneumonidae | 1 Art |
Campopleginae | |
Venturia canescens (Gravenhorst, 1829); P | |
Braconidae | 1 Art |
Braconinae | |
Habrobracon hebetor (Say, 1836); P | |
Bethylidae | 5 Arten |
Cephalonomia tarsalis (Ashmead, 1893); P | Plastanoxus westwoodi (Kieffer, 1914); P |
Eurytomidae | 2 Arten |
Systole coriandri Gussakovsky, 1933; FE, i | Systole foeniculi Otten, 1941; FE, i |
Lepidoptera | 28 Arten |
Tineidae | 11 Arten |
Haplotinea insectella (Fabricius, 1794); FV | Tinea pallescentella (Stainton, 1851); FV, F |
Oecophoridae | 2 Arten |
Endrosis sarcitrella (Linnaeus, 1758); FV, F | Hofmannophila pseudospretella (Stainton, 1849); FV, F |
Pyralidae | 13 Arten |
Galleriinae | |
Paralispa gularis (Zeller, 1877); PV, i | Corcyra cephalonica (Stainton, 1866); PV |
Pyralinae | |
Pyralis farinalis Linnaeus, 1758; SV | Aglossa pinguinalis (Linnaeus, 1758); FV |
Phycitinae | |
Ectomyelois ceratoniae (Zeller, 1839); SV, i | Cadra figulilella (Walker, 1863); PV, FE |
Geometridae | 1 Art |
Idaea inquinata (Scopoli, 1763); SV | |
Gelechiidae | 1 Art |
Sitotroga cerealella (Olivier, 1789); PV | |
Diptera | 1 Art |
Scenopinus fenestralis Linnaeus, 1758; R |
Calliodis picturata Reuter, 1871 (Anthocoridae) wurde einmal mit Maiskolben nach Berlin importiert. Habrobracon brevicornis Wesmael (Braconidae) parasitiert die Reismotte und die Mehlmotte, wurde aber erst einmal in einem Speicher gefunden. Zacher fand 1926 in Halle an der Saale einmal Cephalonomia gallicola (Ashmead, 1887) in Resten von Malzschrot zusammen mit Vorratsschädlingen (Zacher, 1938). Dibrachys cavus (Walker, 1835) (Pteromalidae) wurde 2005 einmal als Parasitoid der Getreidemotte bei Darmstadt gefunden (Schöller, unpubl.).
In der Liste wurden nicht alle synanthropen Arten aufgenommen, sondern nur solche, die auch in und an Vorräten auftreten. Beispielsweise wurden die Arten der Schwarzkäfergattung Blaps nicht aufgenommen, die in Tierställen und Kellern mit Erdböden am Bodenbereich in Resten von Tierfutter auftreten, nicht aber im Tierfutter selbst. Arten wie z.B. Bruchus rufimanus (Abb. 2) der in geernteten Bohnen auftritt, sich aber an den getrockneten Bohnen nicht weiterentwickeln kann (Kategorie FE in der Checkliste) wurden dagegen aufgenommen. Verschiedene Staublausarten sind mehr mit den Räumen assoziiert, können aber in den Vorräten gefunden werden, dies sind Soa flaviterminata, Cerobasis annulata, Dorypteryx domestica, Dorypteryx pallida, Psyllipsocus ramburii, Badonnelia titei, Graphopsocus cruciatus und Lachesilla greeni. Manche Freilandarten werden nur selten im Lager gefunden, sie wurden nicht in die Liste aufgenommen. Bruchus brachialis Fahraeus, 1839 und Bruchus luteicornis Illiger, 1794 (Bruchinae) befallen Futterwicken im Freiland und treten deshalb mitunter in Lägern auf. Neben Necrobia rufipes werden meist weitere Cleriden gelistet, diese Arten finden sich jedoch an Vorräten tierischer Herkunft. Lediglich an Kopra tritt Necrobia ruficollis (Fabricius, 1775) auf.
Zacher (1938) fand auch synanthrope Schaben in Mühlen, d.h. Blatella germanica und Blatta orientalis, die den Gesundheitsschädlingen zuzurechnen sind und freies Wasser trinken müssen bzw. feuchte Nahrung benötigen. Dies gilt auch für das Heimchen Acheta domesticus (Linnaeus, 1758) (Gryllidae), das in Bäckereien auftreten kann. Ebenso listet Zacher das Ofenfischchen Thermobia domestica (Packard, 1837) und das Silberfischchen Lepisma saccharina Linnaeus, 1758 (Zygentoma) aus Bäckereien bzw. Mühlen. Das Silberfischchen ist noch heute in Bäckereien zu finden (Prozell und Schöller, 1998) und in Mühlen, dort im Bereich der Getreidenetzung. Es frisst auch an trockenen Vorräten, bedingt durch die Spermaübertragung über Spermathophoren ist es aber an Bereiche mit hoher Luftfeuchte gebunden.
Bei der Ernte gelangen Insekten in das Getreide, manche Arten regelmäßig und häufig, wie z.B. Omonadus floralis (Linnaeus, 1758) (Anthicidae), die aber im Lager bald absterben. Die Raupen der Queckeneule Apamea sordens (Hufnagel, 1766) dagegen fressen im Lager weiter an z.B. Weizen und Mais, sterben dann aber vor Vollendung ihrer Entwicklung ab (Zacher, 1944). Das kann auch für tropische Arten gelten, wie z.B. Mussidia nigrivenella Ragonot, 1888 (Pyralidae), die sich an grünen Maispflanzen entwickelt und dann an Lagermais oder Kakao gefunden wird, wo die Raupe noch weiter fressen kann (Haines, 1991; Schliesske, 2001).
Die Abgrenzung zu den Materialschädlingen ist nicht immer scharf. Monopis-Arten (Tineidae) beispielsweise befallen auch pflanzliche Materialien und Sämereien, hauptsächlich aber trockene Substanzen tierischer Herkunft. Tinea pallescentella (Stainton, 1852) (Tineidae) die auch in Getreide gefunden wurde, tritt fast immer an Keratinsubstanzen auf.
Nur ein Teil der in der Checkliste aufgeführten Arten ernährt sich von den gelagerten Vorräten, diese Arten gehören zu den Ordnungen Coleoptera, Hymenoptera und Lepidoptera. Die primären Vorratsschädlinge sind in der Lage, ihre Entwicklung an intakten Getreidekörnern, die sachgemäß gelagert sind, abzuschließen. Dies sind Arten der Unterfamilien Galleriinae und Phycitinae der Zünsler (Pyralidae) und die Getreidemotte Sitotroga cerealella aus der Familie der Palpenmotten (Gelechiidae). Wird das Getreide etwas feuchter gelagert, treten einige Vertreter der Echten Motten (Tineidae) hinzu. Primäre Vorratsschädlinge finden sich in den Käferfamilien Dermestidae, Silvanidae, Laemophloeidae, Bostrichidae, Anobiidae, Chrysomelidae und Curculionidae. Der Status der Silvanidae und Laemophloeidae als primäre Vorratsschädlinge galt in der früheren Literatur als fraglich, da sich diese sowohl an Getreide als auch an Bruchgetreide und Mehl vermehren können.
Zahlreiche Arten fressen an Schimmel, nicht an den Vorräten selbst. Die Nahrungsbiologie der Psocoptera an Vorräten wird international kontrovers diskutiert. Für Mitteleuropa wurden Pilzmyzel, Bakterien und cellulolytische Mikroorganismen als Nahrung nachgewiesen (Kalinovic et al., 2006), während Staubläuse in Australien, China und den USA für Schäden am Getreidekeimling verantwortlich gemacht werden (Rees, 2004; Athanassiou et al., 2010). Pilzmyzel und -sporen stellen auch die Nahrungsgrundlage für die Käfer aus den Familien Cryptophagidae, Latridiidae, Mycetophagidae und Endomychidae dar.
Saprophage Arten befallen gelegentlich nach guter Praxis gelagerte Vorräte, entwickeln sich aber auch an pflanzlichen und manchmal auch tierischen Abfällen. Beispiele für solche saprophagen Arten sind Hofmannophila pseudospretella (Oecophoridae), Aglossa pinguinalis (Pyralidae) und Trigonogenius globosus (Ptininae) (Abb. 3), diese Arten sind sowohl phytosaprophag als auch zoosaprophag.
Abb. 3. Der Diebkäfer Trigonogenius globosus Solier, 1849, ein importierter sekundärer Vorratsschädling (Foto: Schöller).
Die mit Vorräten assoziierten Insektenarten verteilen sich wie in Abb. 4 angegeben auf die verschiedenen Gilden, d.h. Gruppen von Arten, welche auf ähnliche Weise vergleichbare Ressourcen nutzen, ungeachtet ihres Verwandtschaftsgrades. Einige Arten wurden in Abb. 4 mehrfach genannt, z.B. sekundäre Vorratsschädlinge, die auch Schimmel fressen, oder Tenebroides mauritanicus, der sowohl als sekundärer Vorratsschädling einzustufen ist und sich darüber hinaus räuberisch ernährt. Aus Abb. 4 wird deutlich, dass die primären Vorratsschädlinge mit 33 Arten nur 16% der mit Vorräten assoziierten Arten stellen. Verlust von Vorräten und wirtschaftliche Schäden sind jedoch fast ausschließlich diesen Arten zuzuschreiben. Die artenreichsten Gruppen stellen die sekundären Vorratsschädlinge mit 59 Arten bzw. rund 28% und die Schimmelfresser mit 60 Arten (29%), diese fressen entweder ausschließlich Schimmel oder Schimmel zusätzlich zu den Vorräten. In diesen Gruppen finden sich weitere Arten, die an verarbeiteten Vorräten und Lebensmitteln schädlich werden. Rund 8% sind fakultative Vorratsschädlinge, sie fressen normalerweise an anderen organischen Stoffen. An toten Insekten oder Nagern fressen die zoosaprophagen Arten (Abb. 5), sie stellen 11% der Arten. Die Nützlinge stellen 9,1% der Arten, wobei auf die Parasitoide (Abb. 6) 11 Arten (5,3%) und auf die Räuber 8 Arten (3,8%) entfallen. Zehn der mit Vorräten assoziierten Arten und damit rund 5% sind keine Vorratsschädlinge im engeren Sinne, sie befallen die Samen der grünen Pflanzen auf dem Feld und schlüpfen nach der Ernte im Lager, wo sie sich nicht weiter vermehren können. Insgesamt sind die mit Vorräten assoziierten Arten jedoch eng an die Bedingungen im Lager gebunden, nur 8,7% der Arten lebt überwiegend im Freiland, damit sind rund 91% echte Kulturfolger des Menschen in Mitteleuropa, die in Gebäuden auftreten. Nur wenige vorratsschädliche Arten lebten ursprünglich in Mitteleuropa (Reichmuth, 2009).
Abb. 5. Der zoosaprophage Braune Pelzkäfer Attagenus smirnovi Zhantiev, 1973 ist zugleich sekundärer Vorratsschädling (Foto: Schöller).
Abb. 6. Lariophagus distinguendus (Förster, 1841), ein Parasitoid verschiedener vorratsschädlicher Käfer (Foto: Schöller).
Zacher analysierte die Zusammensetzung der mit Vorräten assoziierten Entomofauna, die er als Biozönose der Getreidespeicher und Mühlen bezeichnete, in vier Beiträgen von denen zwei für einen Vergleich mit der aktuellen Checkliste relevant sind. Anlässlich des 5. Internationalen Kongresses für Entomologie in Paris (Zacher, 1932) diskutierte er die Analogie von Mühlen- und Lagerräumen einerseits und natürlichen Lebensräumen andererseits mit Hilfe ökologischer Begriffe und gliederte sie in verschiedene Biotope. Er erkannte 12 die mitteleuropäische Biozönose der Getreidespeicher und Mühlen kennzeichnende Leitformen, d.h. Insekten, die hier stenotop auf diese Lebensgemeinschaft beschränkt sind (Tab. 3). Palorus subdepressus lebt auch im Freiland und zwischenzeitlich wurde Latheticus oryzae im Freiland gefunden (Junker und Köhler, 2005; Gürlich et al., 2008), ansonsten ist diese Liste heute noch gültig und könnte um Arten wie Rhyzopertha dominica, Corcyra cephalonica, Anisopteromalus calandrae und Cephalonomia tarsalis ergänzt werden.
Tab. 3. Leitformen für die Biozönose der Getreidespeicher und Mühlen nach Zacher (1932)
Cryptolestes ferrugineus (Stephens, 1831) | Sitophilus granarius (Linnaeus, 1758) |
Cryptolestes pusillus (Schoenherr, 1817) | Sitophilus oryzae (Linnaeus, 1763) |
Trogoderma granarium Everts, 1898 | Sitophilus zeamais Motschulsky, 1855) |
Latheticus oryzae Waterhouse, 1880/82 | Ephestia kuehniella Zeller, 1879 |
Palorus subdepressus Mulsant, 1854 | Sitotroga cerealella (Olivier, 1789) |
Gnathocerus cornutus (Fabricius, 1798) | Venturia canescens (Gravenhorst, 1829) |
Neben diesen Leitformen zählte er etwa 190 Arten, die sich auch in anderen Biotopen vermehren können und 50 Arten sogenannter Irrgäste, d.h. xenozöne Arten, die in die Lagerräume gelangen, sich dort aber weder ernähren noch fortpflanzen. Anlässlich des 7. Internationalen Kongresses für Entomologie in Berlin (Zacher, 1938) listete er dann die in deutschen Mühlen und Getreidespeichern gefundenen Arthropoden auf und ergänzte dieses Verzeichnis durch Fundortangaben, die befallenen Produkte und skizzierte die Gesamtverbreitung der jeweiligen Arten. Es handelte sich dabei um das erste derartige Verzeichnis und umfasste 409 Arten, wobei neben Insekten auch Asseln und Spinnentiere aufgenommen wurden. Geographisch wurden neben Funden aus Deutschland in den damaligen Grenzen auch einige Funde aus dem Mittelmeergebiet und Ägypten aufgenommen. Hier identifizierte er 29 Arten, die ausschließlich oder fast ausschließlich in Mühlen und Getreidespeichern vorkommen, entsprechend 7% aller von ihm gelisteten Arten. Die Liste von 1938 enthält 168 Arten von Irrgästen entsprechend 41%. Die Einbeziehung dieser Arten ist heute nicht mehr sinnvoll, nicht zuletzt weil in zahlreichen Betrieben, die Getreide und Getreideprodukte verarbeiten, UV-Fallen eingesetzt werden, die eine Vielzahl von Insekten in die Gebäude locken. Für die Vorratsschutzpraxis bleibt es aber bedeutsam, diese Arten von den wirtschaftlich relevanten Arten unterscheiden zu können. Eine Gegenüberstellung der Artenzahlen bei Zacher (1938), verteilt auf die Insektenordnungen, mit denen der aktuellen Liste zeigt Tab. 4. Auch bei Zacher stellen die Käfer die artenreichste Ordnung. Die höhere Artenzahl geht auf die Einbeziehung von Arten zurück, die nicht in Mitteleuropa vorkommen, sowie die Berücksichtigung der Irrgäste wie Blattkäfer oder Marienkäfer, die auch heute noch in Gebäuden zu finden sind. Interessanterweise ist trotz der Nichteinbeziehung von Irrgästen die heute bekannte Zahl von Schmetterlings- und Staublausarten höher. Bei den Staubläusen hat sich die Artenzahl vervierfacht, was vor allem in Fortschritten in der Taxonomie der Gruppe und vermehrter Sammeltätigkeit begründet liegen dürfte. Die bei Zacher wesentlich höheren Artenzahlen in den Ordnungen Hymenoptera, Diptera und Heteroptera liegen an der Einbeziehung der Irrgäste. Diese Hymenopteren und Dipteren sammelte Zacher vor allem an Fenstern von Mühlen, genau wie bei den Wanzen handelt es sich um Freilandarten. Bei Zacher fehlen noch die Samenwespen der Familie Eurytomidae (Hymenoptera). Zwar können auch sie ihre Entwicklung in intakten Samen vollständig durchlaufen, sie befallen diese jedoch bereits auf dem Feld und können sich im Lager an den getrockneten Samen nicht weiter vermehren. In der Arbeit von Zacher (1938) werden 115 Arten behandelt, die auch in der aktuellen Liste verzeichnet sind. Bei 34 dieser Arten (rund 30%) änderte sich zwischenzeitlich die Nomenklatur.
Tab. 4. Anzahl mit Vorräten assoziierter Arten, verteilt auf die Insektenordnungen nach Zacher (1938) und in dieser Arbeit
Ordnung | Artenzahl in Zacher (1938) | Artenzahl in dieser Arbeit |
Coleoptera | 156 | 145 |
Lepidoptera | 26 | 28 |
Psocoptera | 6 | 23 |
Hymenoptera | 51 | 13 |
Hemiptera | 12 | 3 |
Diptera | 83 | 1 |
Die größten Lücken bestehen bei der Kenntnis der Verbreitung der natürlichen Feinde der Vorratsschädlinge. Die parasitoiden Hymenopteren sind in der Checkliste mit 11 Arten aus vier Familien vertreten, wobei die Ameisenwespchen (Bethylidae) mit 5 Arten die artenreichste Gruppe darstellen. Der Reismehlkäferparasitoid Holepyris sylvanidis wurde in Deutschland erst 1998 nachgewiesen (Prozell und Schöller, 1998). In dieser Arbeit werden drei Bethylidenarten neu für Deutschland gemeldet, Cephalonomia waterstoni Gahan, 1931 (= Cephalonomia westwoodi sensu Kieffer), Cephalonomia tarsalis (Ashmead, 1893) und Plastanoxus westwoodi (Kieffer, 1914). Cephalonomia waterstoni wurde am 28.08.2003 in Zusmarshausen, Bayern (48°24N 10°35O), in einer Mühle gefangen (leg. Schöller) und im Juni 2009 von Christoph Reichmuth in Finkenthal in Mecklenburg-Vorpommern (53°56N, 12°46E) gesammelt, und zwar auf einem landwirtschaftlichen Betrieb in einer ungeheizten Getreidelagerhalle. Die Parasitoide befanden sich in Weizen, der von Cryptolestes ferrugineus befallen war. Cephalonomia waterstoni ist als monophager Parasitoid von C. ferrugineus bekannt (Finlayson, 1950), im Labor ließ sich die Parasitierung von C. ferrugineus-Larven bestätigen. Cephalonomia tarsalis stammte aus einem Getreidelager in Ogrosen, Brandenburg (51°43N 14°02O), 09.10.2002 sowie aus einer Getreideprobe aus einem landwirtschaftlichen Betrieb in Brome-Altendorf, Landkreis Gifhorn, Niedersachsen (52°61N 10°93O) vom Juli 2006. Plastanoxus westwoodi fehlt in der Entomofauna Germanica (de Rond, 2001). Zacher (1938) listet diese Art mit einem Fund in Hamburg, Speicher, an Paranüssen, Juli 1937. Zur Biologie gibt er an, dass es sich um einen Parasit von Laemophloeus minutus (gültiger Name: Cryptolestes pusillus) handelt. In neuerer Zeit wurde dieser Parasitoid am 19. März und am 21. Oktober 2004 vom Autor in Falkensee in Brandenburg (52°33N 13°03O) in einer Bäckerei gefunden. Die Parasitoide befanden sich in Brotkörben, die mit Cryptolestes capensis (neu für Brandenburg) befallen waren.
Zur inundativen biologischen Bekämpfung, d.h. mit Hilfe des Überschwemmungsverfahrens, werden gegen vorratsschädliche Motten Eiparasitoide der Art Trichogramma evanescens eingesetzt. Diese können sich aber nicht in Vorratslägern etablieren (Schöller, 2010) und wurden daher nicht in die Checkliste aufgenommen.
Bereits Weidner (1964) wies darauf hin, dass kein Vorratsschädling Kosmopolit ist. Will man die Ausbreitung bislang noch nicht etablierter Arten erkennen, ist die Kenntnis der Fauna der Vorratsläger grundlegend. Dies betrifft sowohl Arten, die neu in Deutschland auftreten, aber auch die Besiedlung bzw. den Befall bestimmter Produktgruppen und damit das Schadpotential. Der Speckkäfer Trogoderma angustum beispielsweise, ursprünglich aus Südamerika, wurde in Deutschland erstmals in den 1930er Jahren festgestellt, wo er zunächst auf Berlin und dort auf Privathaushalte beschränkt verbreitet war. Erst in den 1970er Jahren trat er dann als relevanter Schädling an Heil- und Gewürzkräutern auf (Wohlgemuth, 1975). Weidner (1983) kannte Cryptolestes pusilloides (Abb. 7) noch nicht als Vorratsschädling in Deutschland, jetzt ist er sowohl aus Getreide als auch aus Bäckereien bekannt. Derzeit ist der Australische Teppichkäfer (Anthrenocerus australis) in Ausbreitung begriffen. Der Reiskäfer (Sitophilus oryzae) tritt erst seit Mitte der 1970er Jahre vermehrt in Deutschland auf (Rassmann et al., 1995). Die Staublaus (Dorypteryx domestica) wurde erst 1958 aus Afrika beschrieben und ist heute in Deutschland wahrscheinlich die häufigste Staublausart in Gebäuden. Ein weiteres Beispiel ist die Dörrobstmotte (Plodia interpunctella), die in Deutschland erst seit Mitte der 2000er Jahre im geschütteten Lagergetreide als bedeutender Schädling hervortritt, obwohl sie sich bereits im 19. Jahrhundert als Schädling in Gebäuden etablierte. Die Häufigkeit des Auftretens der vorratsschädlichen Arten ist eng an die Wirtschaftsweise des Menschen gebunden. Die wirtschaftliche Bedeutung einzelner Arten hat sich im Laufe der Zeit entsprechend häufig gewandelt. Dieser Aspekt kann von Arealverschiebungen überlagert werden, die z.B. klimatisch bedingt sein können. Solche Arealerweiterungen sind nicht nur für den Vorratsschutz bzw. die Schädlingsbekämpfung von Bedeutung. Vorratsschädlinge wurden auch bei der Erfassung von Invasionsarten berücksichtigt, die im Zusammenhang mit der Klimaerwärmung intensiv untersucht werden (Geiter et al., 2002).
Abb. 7. Der primäre Vorratsschädling Cryptolestes pusilloides (Steel und Howe, 1952) vermehrt sich auch an Bruchgetreide und Mehl (Foto: Schöller).
In Mitteleuropa wird die Faunistik vor allem von in ihrer Freizeit arbeitenden Entomologen betrieben. Diese Entomologen haben aber nur selten Zutritt zu Betrieben, und auch Bestimmungssendungen aus Privathaushalten erreichen sie meist nur zufällig. Daher wird die domicole Fauna (mit der menschlichen Behausung verknüpfte Fauna) häufig weniger gut erfasst als manches Habitat im Freiland. Dies wird deutlich, wenn man die Angaben in der Entomofauna Germanica für weit verbreitete Arten von Vorratsschädlingen betrachtet. So fehlt beispielsweise die Dörrobstmotte für Hessen und Rheinland Pfalz (Gaedicke und Heinicke, 1999). Um Ausbreitungstendenzen erkennen zu können, ist die Erfassung der Funde zumindest auf Niveau der Bundesländer wichtig, darüber hinaus nach Zeithorizonten. Dazu sind konkrete Fundnachweise notwendig, die den Rahmen dieser Checkliste gesprengt hätten. In der Entomofauna Germanica wurde für knapp die Hälfte der Arten eine nach Bundesländern gegliederte Übersicht vorgelegt (Tab. 1). Für den praktischen Vorratsschutz sind darüber hinaus vor allem die Häufigkeit der Arten und damit die Befallshäufigkeit relevant. Da der Befall durch Vorratsschädlinge in Deutschland nicht systematisch dokumentiert wird, liegen hierzu keine belastbaren Daten vor. Vorratsschutzexperten und Schädlingsbekämpfer könnten hierzu befragt werden. Einige mit Vorräten assoziierte Arten sind in Deutschland selten, Dienerella argus steht beispielsweise auf der Roten Liste Bayerns in der Kategorie 1, d.h. vom Aussterben bedroht (Schmidl und Esser, 2003). Berücksichtigt werden sollte auch, welche Arten im Freiland häufig sind.
Verschiedene Arten von Vorratsschädlingen unterscheiden sich signifikant in ihrer Empfindlichkeit gegenüber chemischen Vorratsschutzmitteln. Für die Zulassung von Vorratsschutzmitteln in einem bestimmten geographischen Gebiet ist es daher von grundlegender Bedeutung, die im Gebiet vorkommenden Vorratsschädlinge zu kennen und abzugleichen, ob die biologische Wirksamkeit gegenüber diesen Schädlingen getestet wurde. Dieser Aspekt wird zukünftig zunehmend an Bedeutung gewinnen, da das grundsätzlich auf einer Zoneneinteilung beruhende Zulassungsverfahren bei Mitteln für den Vorratsschutz, d.h. für Lagerräume, zur Saatgutbehandlung und zur Nacherntebehandlung, zonenübergreifend für alle Regionen der EU gilt (Kroos et al., 2013).
Zacher (1938) betonte, dass seine Artenliste nur ein Anfang sei und Anregung für weitere Untersuchungen. Weitere Daten zum hier diskutierten Thema dürften sich in grauer Literatur wie z.B. Pflanzenschutz- oder Quarantäneberichten verbergen. Interessant wäre darüber hinaus die Auswertung faunistischer Arbeiten für den Naturschutz, da Vorratsschädlinge immer wieder im Freiland gefunden werden. Die hier vorliegende Liste wird sicherlich sowohl von Seiten des angewandten Vorratsschutzes als auch der faunistischen Grundlagenforschung Ergänzungen erfahren und soll zu neuen Untersuchungen anregen.
Christoph Reichmuth führte mich in den Vorratsschutz ein und gab die entscheidenden Impulse für meine bis heute andauernde Forschung zum biologischen Vorratsschutz, ihm danke ich hier auch für die Durchsicht des Manuskripts. Horst Bathon, Roßdorf, prüfte ebenfalls die Arbeit. Jeroen de Rond, Lelystad, Niederlande, überprüfte die Bestimmungen der Bethylidae. Jens Esser, Berlin, danke ich für die Durchsicht der Arbeit und wertvolle Hinweise zu den vorratsschädlichen Käfern, und Zuzana Kučerová, Prag, prüfte dankenswerterweise die Liste der Staubläuse einer früheren Version des Manuskripts.
Athanassiou, C.G., F.H. Arthur, J.E. Throne, 2010: Efficacy of methoprene for control of five species of Psocids (Psocoptera) on wheat, rice, and maize. Journal of Food Protection 73, 2244-2249.
Bollow, H., 1958: Vorrats- und Gesundheitsschädlinge. Stuttgart, Franckh'sche Verlagshandlung, 178 S.
Dathe, H., A. Taeger, S.M. Blank (Eds.), 2001: Verzeichnis der Hautflügler Deutschlands. Entomofauna Germanica 4. Entomologische Nachrichten und Berichte. Beiheft 7, 1-180.
Engelbrecht, H., C. Reichmuth, 2005: Schädlinge und ihre Bekämpfung. Schädlingskundlicher Gesundheitsschutz und Vorratsschutz. 4. Aufl., Leipzig, Behr, 348 S.
Finlayson, L.H., 1950: Host preference of Cephalonomia waterstoni Gahan, a bethylid parasitoid of Laemophloeus species. Behaviour 2, 275-316.
Fritzsche, R., R. Keilbach, 1994: Die Pflanzen-, Vorrats- und Materialschädlinge Mitteleuropas: mit Hinweisen auf Gegenmaßnahmen. Jena, G. Fischer, 458 S.
Gaedicke, R., W. Heinicke (Eds.), 1999: Verzeichnis der Schmetterlinge Deutschlands. Entomofauna Germanica 3. Entomologische Nachrichten und Berichte (Dresden), Beiheft 5, 1-216.
Geiter, O., S. Homma, R. Kinzelbach, 2002: Bestandsaufnahme und Bewertung von Neozoen in Deutschland. Umweltbundesamt, Texte 25/02, Berlin, 308 S.
Gürlich, S., H. Meybohm, W. Ziegler, 2008: Nachträge zur Käferfauna von Schleswig-Holstein, Hamburg und Nord-Niedersachsen. Bericht der koleopterologischen Sektion mit zusammenfassendem Jahresrückblick 2007. Bombus Faunistische Mitteilungen aus Nordwestdeutschland 3 (82-84), 325-336.
Haines, C.P. (Ed.), 1991: Insects and arachnids of tropical stored products: their biology and identification. Kent, United Kingdom, Natural Resources Institute, 246 S.
Hinton, H.E., 1945: A monograph of the beetles associated with stored products, Vol. 1. London, British Museum (Natural History), VIII, 443 S.
Hoffmann, H.-J., A. Melber, 2003: Verzeichnis der Wanzen (Heteroptera) Deutschlands. In: Klausnitzer, B., (Ed.): Entomofauna Germanica 6. Entomologische Nachrichten und Berichte, Beiheft 8, 209-272.
de Jong, Y.S.D.M. (Ed.), 2011: Fauna Europaea version 2.4. http://www.faunaeur.org.
Junker, M., F. Köhler, 2005: Nachtrag zur Käferfauna (Coleoptera) der Grafschafter Krautfabrik in Meckenheim/Rheinland. Mitteilungen der Arbeitsgemeinschaft Rheinischer Koleopterologen (Bonn) 15, 25-44.
Kalinovic, I., V. Rozman, A. Liska, 2006: Significance and feeding of psocids (Liposcelididae, Psocoptera) with Microorganisms. In: Lorini, I., B. Bacaltchuk, H. Beckel, D. Deckers, E. Sundfeld, J.P. dos Santos, D. Biagi, C. Celaro, L.R.DA. Faroni, L. de O.F. Bortonlini, M.R. Sartori, M.C. Elias, N.C. Guedes, R.G. da Fonseca, V.M. Scussel (Eds.): Proceedings of the 9th International Working Conference on Stored Product Protection. 15–18 October 2006 in Campinas, São Paulo, Brazil, Brazilian Post-harvest Association – ABRAPOS, Passo Fundo, RS, Brazil, 1087-1094.
Köhler, F., B. Klausnitzer (Eds.), 1998: Entomofauna Germanica 1. Verzeichnis der Käfer Deutschlands. – Entomologische Nachrichten und Berichte, Beiheft 4, 1-185.
Kroos, G.-M., M. Schöller, C. Reichmuth, 2013: Vorratsschutz im Kontext der Bewertung von Pflanzenschutzmitteln und Biozidprodukten. Journal für Kulturpflanzen 65 (5), 184-191.
Lienhard, C., 2003: Verzeichnis der Staubläuse (Psocoptera) Deutschlands. In: Klausnitzer, B. (Ed.) Entomofauna Germanica 6. Entomologische Nachrichten und Berichte, Beiheft 8, 54-71.
Löbl, I., A. Smetana, 2008: Catalogue of Palaearctic Coleoptera. Vol. 5: Tenebrionoidea. Stenstrup, Apollo Books, 669 S.
Lucht, W.H., 1987: Die Käfer Mitteleuropas. Katalog. Krefeld, Goecke und Evers, 342 S.
Mehl, S., 1940: Schädlinge im Getreidespeicher. München, Datterer & Cie., 80 S.
Mound, L., 1989: Common insect pests of stored food products. A guide to their identification. 7th edition. London, British Museum (Natural History), 68 S.
Mourier, H., O. Winding, 1979: Tierische Schädlinge und andere ungebetene Tiere in Haus und Lager. Bestimmen, an ihren Spuren erkennen, bekämpfen und schützen. München, BLV, 224 S.
Prozell, S., M. Schöller, 1998: Insect fauna of a bakery, processing organic grain and applying Trichogramma evanescens Westwood. In: Adler, C., M. Schöller (Eds.): Integrated Protection of Stored Products. IOBC wprs Bulletin 21 (3), 39-44.
Rassmann, W., G. Peckenschneider, A. Schick-Plätke, C. Reichmuth, I. Bahr, 1995: Neue Aspekte über die Verbreitung vorratsschädlicher Insekten. Mitteilungen der Deutschen Gesellschaft für allgemeine und angewandte Entomologie 9, 495-498.
Reichmuth, C., 2009: Vorratsschädlinge und Vorratsschutz im Wandel der Zeit. In: Herrmann, B. (Ed.): Beiträge zum Göttinger Umwelthistorischen Kolloquium 2008–2009, Göttingen, Universitätsverlag, 17-76.
Reichmuth, C., M. Schöller, C. Ulrichs, 2007: Stored product pests in grain. Morphology – Biology – Damage – Control. Bonn, AgroConcept Verlagsgesellschaft, 170 S.
Rees, D., 2004: Insects of Stored Products. Collingwood, CSIRO Publishing, 192 S.
de Rond, J., 2001: Bethylidae. In: Dathe, H., A. Taeger, S.M. Blank (Eds.): Verzeichnis der Hautflügler Deutschlands. Entomofauna Germanica 4. Entomologische Nachrichten und Berichte. Beiheft 7, 117-119.
Scheurer, S., K. Bauer-Dubau, 1999: Vorratsschädigende Lepidoptera und Coleoptera in Berlin während der Jahre 1991–1997 – Überblick und Tendenzen. Anzeiger für Schädlingskunde, Pflanzen- und Umweltschutz 72, 14-18.
Schliesske, J., 2000: Zur Arthropodenfauna und ihrer phytosanitären Konsequenzen in Importsendungen von Rohkakao (Theobroma cacao L.) aus westafrikanischen Ländern. Entomologica Basiliensia 22, 107-114.
Schliesske, J., 2001: Zum Spektrum vorrats- und holzschädigender Insekten auf und zwischen den Lägern des Hamburger Freihafens. Verhandlungen des Westdeutschen Entomologentags 2000, 325-331.
Schmidl, J., J. Esser, 2003: Rote Liste gefährdeter Cucujoidea (Coleoptera: Clavicornia) Bayerns. Schriftenreihe des Bayerischen Landesamtes für Umweltschutz 166, 135-139.
Schöller, M., 2010: Biological control of stored-product insects in commodities, food processing facilities and museums. Julius-Kühn-Archiv 425, 596-606.
Stein, W., 1986: Vorratsschädlinge und Hausungeziefer: Biologie, Ökologie, Gegenmaßnahmen. Stuttgart, Ulmer, 278 S.
Tolasch, T., S. Gürlich, 2010: Verbreitungskarten der Käfer Schleswig-Holsteins und des Niederelbegebietes. Homepage des Vereins für Naturwissenschaftliche Heimatforschung zu Hamburg e.V. [http://www.entomologie.de/hamburg/karten].
Vater, A., 1992: Gliederfüßer in Leipziger Wohnungen. Analyse von Bürgereinsendungen 1970–1989. Zeitschrift für angewandte Zoologie 79, 65-115.
Weidner, H., 1964: Eingeschleppte und eingebürgerte Vorratsschädlinge in Hamburg. Zeitschrift für angewandte Entomologie 54, 163-177.
Weidner, H., U. Sellenschlo, 2010: Vorratsschädlinge und Hausungeziefer: Bestimmungstabellen für Mitteleuropa. 7. Auflage, Heidelberg, Spektrum Akademischer Verlag, 337 S.
Wohlgemuth, R., 1975: Trogoderma angustum Sol., ein neuer Schädling in Apotheken. Anzeiger für Schädlingskunde, Pflanzen- und Umweltschutz 48, 18-21.
Wohlgemuth, R., C. Reichmuth, G. Langenschwadt, 1983: Zusammenfassung der Erhebungen über den Befall von Importgütern durch Vorratsschädlinge bei der Einfuhr in die Bundesrepublik Deutschland der Jahre 1975/75 bis 1979. Mitteilungen aus der Biologischen Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft Heft 212, 1-156.
Zacher, F., 1927: Die Vorrats-, Speicher- und Materialschädlinge und ihre Bekämpfung. Berlin, Parey, 366 S.
Zacher, F., 1932: Die Biozönose der Getreidespeicher und Mühlen. 5. Internationaler Kongreß für Entomologie in Paris 1932, 699-703.
Zacher, F., 1938: Die Gliedertiere (Arthropoda) der Mühlen und Getreidespeicher in Deutschland. 4. Beitrag zur Kenntnis, der Mühlen- und Speicherbiozönose. Mitteilungen der Gesellschaft für Vorratsschutz e.V., Sonderheft anläßlich des VII. Internationalen Kongresses für Entomologie, Berlin, 15.–20. August 1938, 1-48.
Zacher, F., 1944: Vorratsschutz gegen Schädlinge. Ein Leitfaden für Müller, Bäcker und Getreidehändler. 2. Aufl. Berlin, Parey, 113 S.; 1964, XI, 125 S.
Zuska, J., 1994: Haus- und Vorratsschädlinge. Hanau, Dausien, 192 S.