Vom Frachtsegler zum Containerriesen, vom Kornkäfer zur Insektendiversifikation
From the Square Rigged Cargo Ship to Huge Container Vessels, from the Granary Weevil to Insect Diversification
Journal für Kulturpflanzen, 65 (5). S. 204–210, 2013, ISSN 1867-0911, DOI: 10.5073/JfK.2013.05.05, Verlag Eugen Ulmer KG, Stuttgart
Die geschichtliche Entwicklung der Transportschifffahrt im Hamburger Hafen bis hin zu riesigen Containerschiffen wird erläutert und anhand zum Teil über 100 Jahre alten Fotos dargestellt. Die Umschlagraten für Seegüter sind stark gestiegen, und die Reise- und Hafenliegezeiten der Seeschiffe haben sich sehr stark verkürzt. In 3300 im Hafen über 10 Jahre untersuchten Proben von 170 verschiedenen vegetabilen Erzeugnissen wurden im Rahmen der phytosanitären Beschau 85 Käferarten gefunden, von denen aber nur 35 Arten für Vorräte relevant sind.
Stichwörter: Vorratsschutz, Hamburger Hafen, Geschichte, Schiffsverkehr, Fotos
The historical development of trade with sea going ships and vessels of the port of Hamburg is described including the present use of huge container vessels. Plenty of partially historical pictures – some over 100 years old – illustrate the context. During the last decades, the amounts of traded goods have dramatically increased and the times of product loading and discharging decreased. In 3300 samples that had been taken in the port for phytosanitary inspection during the past decade from incoming loads of 170 different kinds of plant products 85 coleopteran species were found. Only 35 species were relevant stored product pest.
Key words: Stored product protection, port of Hamburg, history, ship traffic, pictures
Mit Ankunft des US-amerikanischen Frachters Fairland mit 266 Containern am 6. Mai 1966 in Bremen begann das Zeitalter der Containerschifffahrt in Deutschland bzw. in Europa. Am 31. Mai 1968 traf das erste Vollcontainerschiff, die American Lancer, in Hamburg ein; der Siegeszug der Container war nicht mehr aufzuhalten. Vor Einführung der Container waren die Gütermengen vor allem im Stückgutbetrieb zu bewältigen. Das auffälligste Merkmal der Stückgüter war ihre Vielfältigkeit. Die Stücke unterschieden sich nicht nur nach der Ware, sondern auch in Verpackung, Gewicht und Abmessung. Diese Verschiedenartigkeit hatte zur Folge, dass bei fast jedem Umschlag- und Transportvorgang die Güter immer wieder einzeln angefasst werden mussten, woraus sich der hohe Personalaufwand der damaligen Umschlagbetriebe erklärt. Die weiter steigenden Kosten zwangen zur Industrialisierung des Seegütertransports (Witthöft, 2012). Ein Vergleich der logistischen Leistungen mag dies verdeutlichen: In den Siebzigerjahren schlug ein Stückgutfrachter pro Hafenanlauf in fünf Tagen 5000 Tonnen um. Heute schlägt ein Containerriese in nur 36 Stunden 5400 Standardcontainer (TEU = 20 Fuß-Container) mit einem Gesamtgewicht von über 50 000 Tonnen um (Schliesske, 2001).
Container werden auch weiterhin die Schifffahrt revolutionieren, wie die Ankunft der Christophe Colomb der Reederei CMA CGM im Oktober 2011 zeigt. Mit 365,5 Metern Länge und einer Ladekapazität von 13 880 Containern ist der in Korea gebaute Großfrachter das größte Schiff, das jemals den Hamburger Hafen angelaufen hat.
Solange Güter über See transportiert werden, finden sich auf den Schiffen auch Insekten, die nach den Berichterstattungen zumeist den Vorratsschädlingen zuzurechnen sind. Schon der Römer Plautus erwähnte um 200 vor Christus den Curculio, den Kornkäfer, einen der am weitesten verbreiteten Vorratsschädlinge, die auf den langsam segelnden Schiffen Gelegenheit hatten sich in den Getreideladungen immens zu vermehren.
Im Jahre 1868 wird eine Sendung von 145 tons Mais von Nordamerika nach England verschifft. Als die Ware England erreicht, ist sie so stark verkäfert, dass eine Siebung vorgenommen wird, die einen Siebrückstand von 1,75 tons ergibt (Monro, 1951).
Zwischen den Weltkriegen werden Frachtsegler vor allem für den Transport von Schüttgütern wie Kohle, Salpeter und auch Getreide eingesetzt. Die letzten unter deutscher Flagge segelnden Schiffe waren die Viermastbarken Pamir und Passat. Mit einer Tragfähigkeit von 4750 Tonnen, einer Länge von 115 m und einer Segelfläche von 4100 qm war die 1911 in Hamburg gebaute Passat eines der größten Rahschiffe ihrer Zeit. 1957 machte sie ihre letzte Reise mit einer Ladung Weizen von Südamerika nach Hamburg und wurde noch im gleichen Jahr wegen sinkender Rentabilität außer Dienst gestellt (Schäuffelen, 1973).
Die wichtigsten Schiffstypen, die heute Agrargüter transportieren, sind die sogenannten Panamax-, Handysize- und Handymax-Schiffe. Panamax-Schiffe haben ihren Namen, weil sie durch ihre Größe und den Tiefgang gerade durch den Panamakanal passen. Die maximale Tragfähigkeit dieses Schiffstyps mit Schüttgütern beträgt 65 000 Tonnen. Weltweit gibt es rund 1600 Schiffe dieser Bauart. Handymax-Schiffe haben eine Tragfähigkeit um die 50 000 Tonnen. Deren Zahl liegt weit über 1800. Handysize-Schiffe haben eine Nutzlast von ungefähr 25 000 Tonnen. Diese Schiffstypen sind besonders wichtig für die Häfen Nordafrikas, da größere Schiffe von über 50 000 Tonnen dort nicht andocken können (Balkhausen, 2010).
Die Dynamik der Entwicklungen in den Transport-, Umschlag- und Lagersystemen hat auch die Insektenfaunen der weltweit gehandelten vegetabilen und animalischen Güter stark verändert. War der Fokus bei den phytosanitären Kontrollen früher mehr auf die vorratsschädlichen Arten ausgerichtet, so ist heute ein von der Ware gelöstes Spektrum von Insektenarten zu erwarten, für die spezielle Kontrollsysteme zu entwickeln waren. Bei 3300 Untersuchungen von 170 verschiedenen vegetabilen Gütern, die in den Neunzigerjahren im Hamburger Hafen durchgeführt wurden, konnten allein 85 Käferarten festgestellt werden, von denen lediglich 35 Arten für Vorratsgüter relevant waren (Schliesske, 1998, 2001).
Anhand von Bildern (s. Abb. 1 bis 26) wurde die Entwicklung und Dynamik des Hamburger Hafens aufgezeigt:
Abb. 26. Vorbildliche Lagerung von Rohkaffee und Haselnüssen im Schuppen 69, Inspektionsgänge ermöglichen die Kontrolle und Pflege der Ware, 1993.
Abb. 5. Im Laderaum eines Getreidefrachters, mit Planierraupen wird das Getreide an die Saugheber gebracht.
Abb. 8. 1954, Stückgutfrachter werden abgefertigt; gut zu erkennen das bordeigene, aufgeheißte Ladegeschirr.
Abb. 10. 2000, Containerschiff Pallise Bay beim Wendemanöver. In 2010 wurden 9843 Schiffsankünfte, davon 5252 Containerschiffe, registriert.
Abb. 11. Izmir 1958, Luken des SS Pergamon, der Deutschen Levante Linie, Hamburg, sind geöffnet, um Stückgut zu löschen.
Abb. 12. In den Baco-Liner 3 werden für Westafrika bestimmte Bargen mit Hilfe des Spezialschleppers Stier eingeschwommen.
Abb. 15. Rohkakao als Bulkware in einem Schuppen der Fa. Meyer und Consorten, 2002. Die Schaufel des Radladers ist eine Spezialanfertigung um möglichst wenige Kakaobohnen zu beschädigen.
Abb. 23. Containerterminal mit Containerbrücke und einem Feederschiff. In 2005 wurden 8,1 Mill. TEU (20-Fuß-Container) umgeschlagen. Der Containerisierungsgrad beträgt 95%.
Abb. 24. Auf dem Terminal werden die Container mit Hilfe von Vans bewegt und auf Bahn und Lkw verladen.
Abb. 25. Brooktorkai 1995, die Gebäude der Speicherstadt werden für die Lagerung von Waren nur noch bedingt genutzt.
Bildquellen: AP-Archiv, Institut für Angewandte Botanik, Universität Hamburg, Bildarchiv: Prof. Dr. J. Schliesske.
Balkhausen, O., 2010: Häfen sind ein Schlüsselfaktor. DLG-Mitteilungen 7, 13-17.
Monro, H.A.U., 1951: Insect Pests in Cargo Ships. Canada Department of Agriculture, Publication 855.
Schäuffelen, O., 1973: Die letzten großen Segelschiffe. 3. Auflage. Bielefeld und Berlin, Verlag Delius Klasing.
Schliesske, J., 1998: Zur Einschleppung von Insekten durch moderne Transportfazilitäten im Seegüterverkehr. Verhandlungen zum Westdeutschen Entomologentag 1997, Düsseldorf, Löbbecke-Museum, 57-65.
Schliesske, J., 2001: Zum Wandel der Transportraum-Entomologie. Mitteilungen der Deutschen Gesellschaft für Angewandte Entomologie 13, 149-160.
Witthöft, H.J., 2012: Maritime Streiflichter. Köhlers Flottenkalender, Internationales Jahrbuch der Seefahrt. Hamburg, Köhlers Verlagsgesellschaft, 34-37.