JfK Kopfgrafik
Home / Archiv / Bd. 65 Nr. 5 (2013) / Originalarbeit – Kurzmitteilung
Originalarbeit – Kurzmitteilung

Vom Frachtsegler zum Containerriesen, vom Kornkäfer zur Insektendiversifikation

From the Square Rigged Cargo Ship to Huge Container Vessels, from the Granary Weevil to Insect Diversification

Joachim Schliesske
Institut
Institut für Angewandte Botanik, Hamburg

Journal für Kulturpflanzen, 65 (5). S. 204–210, 2013, ISSN 1867-0911, DOI: 10.5073/JfK.2013.05.05, Verlag Eugen Ulmer KG, Stuttgart

Kontaktanschrift
Prof. Dr. Joachim Schliesske, Wasserwerkstraße 2, 21789 Wingst, E-Mail: mellarius@t-online.de
Zur Veröffentlichung angenommen
14. September 2012

Zusammenfassung

Die geschichtliche Entwicklung der Transportschifffahrt im Hamburger Hafen bis hin zu riesigen Containerschiffen wird erläutert und anhand zum Teil über 100 Jahre alten Fotos dargestellt. Die Umschlagraten für Seegüter sind stark gestiegen, und die Reise- und Hafenliegezeiten der Seeschiffe haben sich sehr stark verkürzt. In 3300 im Hafen über 10 Jahre untersuchten Proben von 170 verschiedenen vegetabilen Erzeugnissen wurden im Rahmen der phytosanitären Beschau 85 Käferarten gefunden, von denen aber nur 35 Arten für Vorräte relevant sind.

Stichwörter: Vorratsschutz, Hamburger Hafen, Geschichte, Schiffsverkehr, Fotos

Abstract

The historical development of trade with sea going ships and vessels of the port of Hamburg is described including the present use of huge container vessels. Plenty of partially historical pictures – some over 100 years old – illustrate the context. During the last decades, the amounts of traded goods have dramatically increased and the times of product loading and discharging decreased. In 3300 samples that had been taken in the port for phytosanitary inspection during the past decade from incoming loads of 170 different kinds of plant products 85 coleopteran species were found. Only 35 species were relevant stored product pest.

Key words: Stored product protection, port of Hamburg, history, ship traffic, pictures

Transportschiffahrt und Vorratsschutz

Mit Ankunft des US-amerikanischen Frachters „Fairland“ mit 266 Containern am 6. Mai 1966 in Bremen begann das Zeitalter der Containerschifffahrt in Deutschland bzw. in Europa. Am 31. Mai 1968 traf das erste Voll­containerschiff, die „American Lancer“, in Hamburg ein; der Siegeszug der Container war nicht mehr aufzuhalten. Vor Einführung der Container waren die Gütermengen vor allem im Stückgutbetrieb zu bewältigen. Das auf­fälligste Merkmal der Stückgüter war ihre Vielfältigkeit. Die Stücke unterschieden sich nicht nur nach der Ware, sondern auch in Verpackung, Gewicht und Abmessung. Diese Verschiedenartigkeit hatte zur Folge, dass bei fast jedem Umschlag- und Transportvorgang die Güter immer wieder einzeln angefasst werden mussten, woraus sich der hohe Personalaufwand der damaligen Umschlag­betriebe erklärt. Die weiter steigenden Kosten zwangen zur Industrialisierung des Seegütertransports (Witthöft, 2012). Ein Vergleich der logistischen Leistungen mag dies verdeutlichen: In den Siebzigerjahren schlug ein Stückgutfrachter pro Hafenanlauf in fünf Tagen 5000 Tonnen um. Heute schlägt ein Containerriese in nur 36 Stunden 5400 Standardcontainer (TEU = 20 Fuß-Container) mit einem Gesamtgewicht von über 50 000 Tonnen um (Schliesske, 2001).

Container werden auch weiterhin die Schifffahrt revolutionieren, wie die Ankunft der „Christophe Colomb“ der Reederei CMA CGM im Oktober 2011 zeigt. Mit 365,5 Metern Länge und einer Ladekapazität von 13 880 Containern ist der in Korea gebaute Großfrachter das größte Schiff, das jemals den Hamburger Hafen ange­laufen hat.

Solange Güter über See transportiert werden, finden sich auf den Schiffen auch Insekten, die nach den Berichterstattungen zumeist den Vorratsschädlingen zuzurechnen sind. Schon der Römer Plautus erwähnte um 200 vor Christus den „Curculio“, den Kornkäfer, einen der am weitesten verbreiteten Vorratsschädlinge, die auf den langsam segelnden Schiffen Gelegenheit hatten sich in den Getreideladungen immens zu vermehren.

Im Jahre 1868 wird eine Sendung von 145 tons Mais von Nordamerika nach England verschifft. Als die Ware England erreicht, ist sie so stark „verkäfert“, dass eine Siebung vorgenommen wird, die einen Siebrückstand von 1,75 tons ergibt (Monro, 1951).

Zwischen den Weltkriegen werden Frachtsegler vor allem für den Transport von Schüttgütern wie Kohle, Salpeter und auch Getreide eingesetzt. Die letzten unter deutscher Flagge segelnden Schiffe waren die Viermastbarken „Pamir“ und „Passat“. Mit einer Tragfähigkeit von 4750 Tonnen, einer Länge von 115 m und einer Segel­fläche von 4100 qm war die 1911 in Hamburg gebaute „Passat“ eines der größten Rahschiffe ihrer Zeit. 1957 machte sie ihre letzte Reise mit einer Ladung Weizen von Südamerika nach Hamburg und wurde noch im gleichen Jahr wegen sinkender Rentabilität außer Dienst gestellt (Schäuffelen, 1973).

Die wichtigsten Schiffstypen, die heute Agrargüter transportieren, sind die sogenannten Panamax-, Handysize- und Handymax-Schiffe. Panamax-Schiffe haben ihren Namen, weil sie durch ihre Größe und den Tiefgang gerade durch den Panamakanal passen. Die maximale Tragfähigkeit dieses Schiffstyps mit Schüttgütern beträgt 65 000 Tonnen. Weltweit gibt es rund 1600 Schiffe dieser Bauart. Handymax-Schiffe haben eine Tragfähigkeit um die 50 000 Tonnen. Deren Zahl liegt weit über 1800. Handysize-Schiffe haben eine Nutzlast von ungefähr 25 000 Tonnen. Diese Schiffstypen sind besonders wichtig für die Häfen Nordafrikas, da größere Schiffe von über 50 000 Tonnen dort nicht andocken können (Balkhausen, 2010).

Die Dynamik der Entwicklungen in den Transport-, Umschlag- und Lagersystemen hat auch die Insekten­faunen der weltweit gehandelten vegetabilen und animalischen Güter stark verändert. War der Fokus bei den phytosanitären Kontrollen früher mehr auf die vorratsschädlichen Arten ausgerichtet, so ist heute ein von der Ware gelöstes Spektrum von Insektenarten zu erwarten, für die spezielle Kontrollsysteme zu entwickeln waren. Bei 3300 Untersuchungen von 170 verschiedenen vegetabilen Gütern, die in den Neunzigerjahren im Hamburger Hafen durchgeführt wurden, konnten allein 85 Käfer­arten festgestellt werden, von denen lediglich 35 Arten für Vorratsgüter relevant waren (Schliesske, 1998, 2001).

Anhand von Bildern (s. Abb. 1 bis 26) wurde die Entwicklung und Dynamik des Hamburger Hafens aufgezeigt:

Abb. 1. 1890 Hansahafen Getreideumschlag.

Abb. 1. 1890 Hansahafen Getreideumschlag.

Abb. 26. Vorbildliche Lagerung von Rohkaffee und Hasel­nüssen im Schuppen 69, Inspektionsgänge ermög­lichen die Kontrolle und Pflege der Ware, 1993.

Abb. 26. Vorbildliche Lagerung von Rohkaffee und Hasel­nüssen im Schuppen 69, Inspektionsgänge ermög­lichen die Kontrolle und Pflege der Ware, 1993.

Abb. 2. 1900 Umschlag vom Schiff in Schuten.

Abb. 2. 1900 Umschlag vom Schiff in Schuten.

Abb. 3. Die Viermastbark „Passat“ vor dem Silo der Fa. P. Kruse, 1955 (?).

Abb. 3. Die Viermastbark „Passat“ vor dem Silo der Fa. P. Kruse, 1955 (?).

Abb. 4. Ein russischer Bulkcarrierer löscht Getreide, Fa. P. Kruse, 1993.

Abb. 4. Ein russischer Bulkcarrierer löscht Getreide, Fa. P. Kruse, 1993.

Abb. 5. Im Laderaum eines Getreidefrachters, mit Planier­raupen wird das Getreide an die Saugheber ge­bracht.

Abb. 5. Im Laderaum eines Getreidefrachters, mit Planier­raupen wird das Getreide an die Saugheber ge­bracht.

Abb. 6. Getreideterminal Hamburg.

Abb. 6. Getreideterminal Hamburg.

Abb. 7. Stückgutfrachter „MS Hamburg“, Baujahr 1950.

Abb. 7. Stückgutfrachter „MS Hamburg“, Baujahr 1950.

Abb. 8. 1954, Stückgutfrachter werden abgefertigt; gut zu erkennen das bordeigene, aufgeheißte Ladege­schirr.

Abb. 8. 1954, Stückgutfrachter werden abgefertigt; gut zu erkennen das bordeigene, aufgeheißte Ladege­schirr.

Abb. 9. Containerschiff „MS Isar Express“, Baujahr 1973.

Abb. 9. Containerschiff „MS Isar Express“, Baujahr 1973.

Abb. 10. 2000, Containerschiff „Pallise Bay“ beim Wende­manöver. In 2010 wurden 9843 Schiffsankünfte, davon 5252 Containerschiffe, registriert.

Abb. 10. 2000, Containerschiff „Pallise Bay“ beim Wende­manöver. In 2010 wurden 9843 Schiffsankünfte, davon 5252 Containerschiffe, registriert.

Abb. 11. Izmir 1958, Luken des „SS Pergamon“, der Deut­schen Levante Linie, Hamburg, sind geöffnet, um Stückgut zu löschen.

Abb. 11. Izmir 1958, Luken des „SS Pergamon“, der Deut­schen Levante Linie, Hamburg, sind geöffnet, um Stückgut zu löschen.

Abb. 12. In den „Baco-Liner 3“ werden für Westafrika be­stimmte Bargen mit Hilfe des Spezialschleppers „Stier“ eingeschwommen.

Abb. 12. In den „Baco-Liner 3“ werden für Westafrika be­stimmte Bargen mit Hilfe des Spezialschleppers „Stier“ eingeschwommen.

Abb. 13. Hafenarbeiter 1948 beim Kakaoumschlag.

Abb. 13. Hafenarbeiter 1948 beim Kakaoumschlag.

Abb. 14. Sackware von Rohkakao auf Bolstern, Fa. Meyer und Con­sorten, 1995.

Abb. 14. Sackware von Rohkakao auf Bolstern, Fa. Meyer und Con­sorten, 1995.

Abb. 15. Rohkakao als Bulkware in einem Schuppen der Fa. Meyer und Consorten, 2002. Die Schaufel des Radladers ist eine Spezial­anfertigung um mög­lichst wenige Kakaobohnen zu beschädigen.

Abb. 15. Rohkakao als Bulkware in einem Schuppen der Fa. Meyer und Consorten, 2002. Die Schaufel des Radladers ist eine Spezial­anfertigung um mög­lichst wenige Kakaobohnen zu beschädigen.

Abb. 16. Rohkaffeeumschlag 1952 noch mit der Sackkarre.

Abb. 16. Rohkaffeeumschlag 1952 noch mit der Sackkarre.

Abb. 17. Transport von Rohkaffee im Schüttcontainer, Kaf­feelagerei 1999.

Abb. 17. Transport von Rohkaffee im Schüttcontainer, Kaf­feelagerei 1999.

Abb. 18. Hansahafen 1908, Stückgutabfertigung im Schup­pen 35 am O’Swaldkai.

Abb. 18. Hansahafen 1908, Stückgutabfertigung im Schup­pen 35 am O’Swaldkai.

Abb. 19. Schauerleute 1948 bei der Arbeit mit Stückgut auf der Kaianlage.

Abb. 19. Schauerleute 1948 bei der Arbeit mit Stückgut auf der Kaianlage.

Abb. 20. 1958, Schuppen 76/77, Stückgutkräne in Aktion.

Abb. 20. 1958, Schuppen 76/77, Stückgutkräne in Aktion.

Abb. 21. Schuppen 75 nach dem Kriegsende wieder in Funktion.

Abb. 21. Schuppen 75 nach dem Kriegsende wieder in Funktion.

Abb. 22. Stückgutfrachter 1970 an einer Mehrzweckanlage mit den entsprechenden Kränen auf dem Kai.

Abb. 22. Stückgutfrachter 1970 an einer Mehrzweckanlage mit den entsprechenden Kränen auf dem Kai.

Abb. 23. Containerterminal mit Containerbrücke und einem Feederschiff. In 2005 wurden 8,1 Mill. TEU (20-Fuß-Container) umgeschlagen. Der Containerisie­rungsgrad beträgt 95%.

Abb. 23. Containerterminal mit Containerbrücke und einem Feederschiff. In 2005 wurden 8,1 Mill. TEU (20-Fuß-Container) umgeschlagen. Der Containerisie­rungsgrad beträgt 95%.

Abb. 24. Auf dem Terminal werden die Container mit Hilfe von Vans bewegt und auf Bahn und Lkw verladen.

Abb. 24. Auf dem Terminal werden die Container mit Hilfe von Vans bewegt und auf Bahn und Lkw verladen.

Abb. 25. Brooktorkai 1995, die Gebäude der Speicherstadt werden für die Lagerung von Waren nur noch be­dingt genutzt.

Abb. 25. Brooktorkai 1995, die Gebäude der Speicherstadt werden für die Lagerung von Waren nur noch be­dingt genutzt.

Literatur

Bildquellen: AP-Archiv, Institut für Angewandte Botanik, Univer­sität Hamburg, Bildarchiv: Prof. Dr. J. Schliesske.

Balkhausen, O., 2010: Häfen sind ein Schlüsselfaktor. DLG-Mitteilungen 7, 13-17.

Monro, H.A.U., 1951: Insect Pests in Cargo Ships. Canada Department of Agriculture, Publication 855.

Schäuffelen, O., 1973: Die letzten großen Segelschiffe. 3. Auflage. Bielefeld und Berlin, Verlag Delius Klasing.

Schliesske, J., 1998: Zur Einschleppung von Insekten durch moderne Transportfazilitäten im Seegüterverkehr. Verhandlungen zum Westdeutschen Entomologentag 1997, Düsseldorf, Löbbecke-Museum, 57-65.

Schliesske, J., 2001: Zum Wandel der Transportraum-Entomologie. Mitteilungen der Deutschen Gesellschaft für Angewandte Entomologie 13, 149-160.

Witthöft, H.J., 2012: Maritime Streiflichter. Köhlers Flottenkalender, Internationales Jahrbuch der Seefahrt. Hamburg, Köhlers Verlagsgesellschaft, 34-37.


ISSN (elektronisch): 1867-0938
ISSN (print): 1867-0911
Verlag
Eugen Ulmer KG
Ulmer-Logo
Verantwortlicher Herausgeber
Präsident und Professor
Prof. Dr. Frank Ordon
Julius Kühn-Institut - Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen
Erwin-Baur-Str. 27
06484 Quedlinburg
Schriftleitung
Dr. Anja Hühnlein
Julius Kühn-Institut - Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen
Erwin-Baur-Str. 27
06484 Quedlinburg
E-Mail: journal-kulturpflanzen@julius-kuehn.de
Co-Schriftleitung
Dr. Ulrike Stahl
Julius Kühn-Institut - Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen
Layout/Technische Umsetzung
mediaTEXT Jena GmbH
mediaTEXT-Logo
Julius Kühn-Institut (JKI)
Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen
 
Erwin-Baur-Str. 27
06484 Quedlinburg
Deutschland
Fon: 03946 47-0
Fax: 03946 47-255
Mail: poststelle@julius-kuehn.de
De-Mail: poststelle@julius-kuehn.de-mail.de
Impressum
 
Diese Zeitschrift wird vom Julius Kühn-Institut herausgegeben.
JKI-Logo