JfK Kopfgrafik
Home / Archiv / Bd. 65 Nr. 6 (2013) / Originalarbeit
Originalarbeit

Bewertung von Energiepflanzen in der Humusbilanz – Status quo und Perspektiven

Estimating humus reproduction of bioenergy crops

Christopher Brock1, Silke Bernert1, Matthias Willms2, Lucas Knebl1 und Günter Leithold1
Institut
Justus-Liebig-Universität Gießen1
Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung e.V. (ZALF), Müncheberg2

Journal für Kulturpflanzen, 65 (6). S. 227–235, 2013, ISSN 1867-0911, DOI: 10.5073/JfK.2013.06.02, Verlag Eugen Ulmer KG, Stuttgart

Kontaktanschrift
Dr. Christopher Brock, Justus-Liebig-Universität Gießen, Professur für Organischen Landbau, Karl-Glöckner-Str. 21c, 35394 Gießen, E-Mail: christopher.brock@agrar.uni-giessen.de
Zur Veröffentlichung angenommen
5. April 2013

Zusammenfassung

Der landwirtschaftliche Anbau von Energiepflanzen in Deutschland nimmt heute bereits einen relevanten Anteil des Ackerlandes in Anspruch und ist weiter im Wachsen begriffen. Für die ökologische Nachhaltigkeitsbewertung ist in diesem Zusammenhang u.a. zu prüfen, welchen Einfluss Energiepflanzenproduktionssysteme auf die Humusbilanzen der Anbauflächen ausüben. Validierte Koeffi­zienten für die Bewertung von Energiepflanzenproduk­tionssystemen in der Humusbilanz stehen allerdings heute noch nicht zur Verfügung. Problematisch ist hier, dass bei der Methode des VDLUFA als aktueller Standardmethode für die Humusbilanzierung in Deutschland die Festlegung neuer Koeffizienten nur über Analogieschluss von bereits bewerteten Kulturen möglich, eine reproduzierbare Parametrisierung jedoch methodenbedingt ausgeschlossen ist. Im vorliegenden Artikel werden daher reproduzierbare Humusbilanzkoeffizienten für Produk­tionssysteme verschiedener Energiepflanzen mit dem Modellansatz HU-MOD berechnet. Mit dem Modell berechnete Humusreproduktionskoeffizienten für Fruchtarten können prinzipiell auch für die Humusbilanzierung nach VDLUFA verwendet werden. Eine Modellevaluation zur Prüfung der Anwendbarkeit bei Energiepflanzenproduktionssystemen wurde anhand von Daten aus der Literatur für Zea mais und Miscanthus × giganteus erfolgreich vorgenommen. Mit dem Modell wurden mäßig bis stark negative Humusbilanzkoeffizienten für alle bewerteten Energiepflanzenproduktionssysteme, mit Ausnahme von Miscanthus × giganteus, berechnet. Die ermittelten Koeffizienten liegen dabei insgesamt in einem plausiblen Bereich, der durch Kalibrierung des Modells für die Bewertung von Zea mais und Miscanthus × giganteus bestätigt wurde. Dennoch muss festgestellt werden, dass die aktuelle Datenlage zur ober- und unterirdischen Biomasseproduk­tion in Energiepflanzen-Produktionssystemen sowie zu Anfall und Umsatz von Ernte- und Wurzelrückständen noch sehr schwach und für die Kalibrierung von Mo­dellen zur Bewertung von Einflüssen auf die organische Bodensubstanz insgesamt unzureichend ist. Weiterhin liegen nur für wenige Kulturen Ergebnisse vor, die eine Validierung entsprechender Modellergebnisse zulassen. Für die Nachhaltigkeitsanalyse des Energiepflanzenanbaus und die Umsetzung von § 17 BBodSchG besteht daher dringender Forschungsbedarf.

Stichwörter: Humusreproduktion, Energiepflanzen, Humusbilanz

Abstract

The production of bioenergy crops is increasing in Germany, and today these crops already occupy a relevant share of the total arable land. For environmental impact assessment, the humus balance of bioenergy crop production systems is one important figure. However, the necessary humus balance coefficients are not available for these crops until now. One problem in generating these coefficients for the actual German standard method for humus balancing (VDLUFA, 2004) is that the included coefficients have been derived from long-term field experiments, but a reproducible procedure for the calculation of new coefficients has not been specified. Therefore, we present results from modeling humus reproduction of different bioenergy crops with the HU-MOD approach. The model in principal allows for the calculation of balance coefficients for the VDLUFA (2004) method. Model performance in the assessment of bioenergy crops is tested based on literature data on Zea mais and Miscanthus × giganteus. According to the HU-MOD model, all bioenergy crops under assessment exhibit considerably negative humus reproduction, with Miscanthus × gigan­teus as an exception. Calculated humus reproduction is in a plausible magnitude, as supported by the calibrated model application with Zea mais and Miscanthus × giganteus. However, the parametrization of the humus balance model is hindered by a very limited availability of data, especially with regard to below ground biomass. Further, the data base for validations of the new coefficients is extremely insufficient, indicating the strong demand for more efforts in data supply.

Key words: Bioenergy crops, humus balance, modeling, soil organic matter

1 Einleitung

Der landwirtschaftliche Anbau von Pflanzen für die energetische Verwertung nimmt heute bereits mit > 2 Mio. ha Anbaufläche einen relevanten Anteil des Ackerlandes in Deutschland in Anspruch und ist weiter im Wachsen begriffen (FNR, 2011). Bei der Nachhaltigkeitsbewertung des Energiepflanzenanbaus ist aus ökologischer Sicht u.a. zu prüfen, welche Implikationen diese Entwicklung für die Humusbilanzen der Ackerflächen hat und ob bzw. welche Maßnahmen notwendig sind, um einen Erhalt der Humusvorräte im Sinne von § 17 BBodSchG zu gewährleisten. Hier stellt sich allerdings das Problem, dass in der deutschen Standardmethode zur Humusbilan­zierung nach VDLUFA (2004) bislang keine bestätigten Kennziffern für die Bewertung von Energiepflanzen und Energiepflanzenanbausystemen enthalten sind. Die Kennziffern der VDLUFA-Humusbilanzmethode wurden von Experten aus langjährigen Feldversuchen abgeleitet, die teilweise zu Beginn des vorigen Jahrhunderts angelegt und in den 1970er und 1980er Jahren ausgewertet wurden (VDLUFA, 2004). Solche Kennzahlen fehlen für Pflanzenarten, wie z.B. die Durchwachsene Silphie und Anbauverfahren, wie z.B. Getreide mit Ganzpflanzen­nutzung in der Teigreife, Mischfrüchte aus verschiedenen Kulturarten oder Zweikulturnutzungssysteme, die erst in jüngerer Zeit im Zusammenhang mit der Energiegewinnung aus pflanzlicher Biomasse eine Bedeutung erlangt haben (Nehring und Vetter, 2009).

Hier stellt sich das Problem dar, dass die Generierung von Humusbilanzkoeffizienten für Fruchtarten/Anbau­systeme bisher im Wesentlichen von der Ergebnisfindung in Langzeit-Feldversuchen abhängig ist (Reinhold et al., 2010). Die Festlegung neuer Koeffizienten, z.B. für Energiepflanzen, ist nur über Analogieschluss von bereits bewerteten Kulturen möglich, eine reproduzierbare Parametrisierung jedoch methodenbedingt ausgeschlossen.

Allerdings liegen inzwischen mehrere Ansätze vor, mit denen eine reproduzierbare Nachberechnung der auch in der VDLUFA-Methode verwendeten Humusbilanzkoeffizienten auf Grundlage von Modellen zur C- und N-Dynamik im System Boden-Pflanze erreicht wurde (Leithold, 1983; Asmus, 1985; Leithold, 1991; Hülsbergen, 2003; Brock et al., 2012a).

Vor diesem Hintergrund werden in der vorliegenden Arbeit Probleme und Perspektiven der Bewertung von Energiepflanzenanbausystemen in der Humusbilanz auf Grundlage von Modellierungsergebnissen diskutiert.

2 Material und Methoden

Es wurde eine Bewertung der Humusreproduktionsleistung von Grünschnittroggen (Secale cereale), Energiemais (Zea mais), Sudangrashybriden (Sorghum bicolor × Sorghum sudanense), Sorghum-Hirse, auch Futterhirse genannt (Sorghum bicolor), Durchwachsener Silphie (Silphium perfoliatum), Topinambur (Helianthus tuberosus) und Miscanthus (Miscanthus × giganteus) vorgenommen. Hierfür wurde das Humusbilanzmodell HU-MOD (Brock et al., 2012a) verwendet. Da das Modell in der Lage ist, die in der Humusbilanzmethode des VDLUFA (2004) ausgewiesenen Koeffizienten nachzuvollziehen, wird umgekehrt eine Anwendbarkeit der mit HU-MOD berechneten Bilanzkoeffizienten für Energiepflanzen in der Bilanzierung nach VDLUFA grundsätzlich erwartet.

2.1 Modellbeschreibung

Das Modell HU-MOD (Brock et al., 2012a) berechnet die Inanspruchnahme von organischer Bodensubstanz (OBS) in Anbausystemen auf Grundlage der Abschöpfung von mineralisiertem Stickstoff aus der OBS, unter Berücksichtigung der N-Versorgung der Kulturpflanzen aus anderen Quellen (insbes. Düngung) sowie weiterer, nicht direkt ertragswirksamer Mineralisierung z.B. infolge einer hohen mechanischen Eingriffsintensität in den Boden. Der berechneten Inanspruchnahme von OBS wird die Hu­musersatzleistung von Ernte- und Wurzelrückständen sowie organischen Düngern im Anbausystem gegenübergestellt.

Das Modell wurde in Dauerfeldversuchen validiert, eine spezifische Überprüfung der Humusreproduktionsbewertung für einzelne Kulturen/Anbausysteme war dabei aber nicht möglich. In den für die Validierung herangezogenen Fruchtfolgen waren zudem keine Energiepflanzen vertreten.


Der verwendete Algorithmus lautet:

Humusreproduktion = Humusersatz – Inanspruchnahme
von Humus


mit


Humusersatz = CH


CH = CR × hR + CRT × hRT + CEX × hEX + CRE × hRE + CS × hS

CH = Humusersatzleistung von Pflanzenbiomasse (kg Humus-C ha–1)

CR/RT/EX/RE/S = C-Eintrag mit Wurzeln zur Ernte (R), Wurzelumsatz während Standzeit (RT), Exudaten (EX), Ernterückständen (RE), Nebenernteprodukten (S) (kg ha–1)

hR/RT/EX/RE/S = spezifische Humifizierungsrate von CR, CRT, CEX, CRE, CS


und


Inanspruchnahme von Humus = NH


NH = (NPB – Ndfa – NDep × NURNDep – NFert × NURNFert)/
NURNH + ΔNmin


NPB = N in der gesamten Pflanzenbiomasse (kg N ha–1)

Ndfa = N aus symbiontischer Fixierung (kg N ha–1)

NDep = N aus atmosphärischer Deposition (kg N ha–1)

NFert = der Pflanzenernährung kurzfristig zur Verfügung stehender N aus Düngern jeglicher Art (kg N ha–1)

NH = N aus der Mineralisierung von Humus (kg N ha–1)

NUR[NDEP, NFERT, NH] = Verwerteter Anteil der N-Mengen in den verschiedenen Pools (NDep, NFert, NH) in der Biomassebildung der Gesamtpflanze inkl. Wurzeln (Faktor)

ΔNmin = Zu- bzw. Abnahme des Boden-Nmin-Gehaltes im Zuge des jeweiligen Fruchtarten-Anbausystems (kg N ha–1)


Als variable Input-Daten werden im Modell i) Fruchtart, ii) Ertrag (Haupt- und Nebenprodukt) und iii) Art und Menge der Düngung berücksichtigt. Auf dieser Grund­lage werden C- und N-Flüsse im System Boden-Pflanze geschätzt.

2.2 Parametrisierung

Tab. 1 zeigt die Parametrisierung des Modells für die Bewertung der Ziel-Fruchtarten und -Produktionssysteme. Für Mais wurden die Daten in Clapp et al. (2000) und für Miscanthus die Angaben aus Kahle et al. (2001) verwendet, da diese Publikationen neben Angaben zu Biomasse und Düngung der Kulturen auch Daten zur Entwicklung der OBS-Mengen unter den Produktionssystemen enthalten und so eine Validierung der Modellergebnisse erlauben. Für Miscanthus wurde weiterhin eine Fixierung von atmosphärischem N durch Bodenbakterien unter Bezug auf Davis et al. (2012) angenommen.

Tab. 1. Parametrisierung des Humusbilanzmodells HU-MOD (Brock et al., 2012a) für die Bewertung von Ener­giepflanzen-Produktionssystemen. Erläuterung der Parameter und der Datenbasis für die Parametrisie­rung im Text (Kap. Material und Methoden). Variantenbezeichnungen bei Zea mais und Miscanthus × giganteus beziehen sich auf die verwendete Literatur (Clapp et al., 2000; Kahle et al., 2001)

Parametrization of the HU-MOD model (Brock et al., 2012a) for the evaluation of bioenergy crop pro­duction systems. Explanations of the parameters and the data base for the parameterization are given in the text (chapter “Material und Methoden”). Treatment IDs with Miscanthus × giganteus and Zea mais refer to the literature used for the model evaluation (Clapp et al., 2000; Kahle et al., 2001)

Fruchtart

Variante

Ertrag

Dün­gung**

Spross: Wurzel-
Ver­hältnis

NPB

Ndfa

NDep

NFert

NH

CH

HRC

  

dt TM ha–1

kg N ha–1

 

kg N ha–1

kg N ha–1

kg N ha–1

kg N ha–1

kg N ha–1

kg C ha–1

kg C ha–1

Sorghum bicolor

120

120

1,43

423,73

0

20

72

377,47

3046,63

–931,93

 

150

120

1,43

529,66

0

20

72

495,17

3808,29

–1410,84

Sorghum bicolor × sudan­ense

120

120

3,86

332,22

0

20

72

275,79

1753,20

–1153,69

 

150

120

3,86

415,27

0

20

72

368,07

2191,49

–1688,05

Secale cereale (BBCH 75)

80

120

2,68

336,34

0

20

72

280,38

1746,99

–1208,24

 

100

120

2,68

420,43

0

20

72

373,81

2183,73

–1756,24

Silphium perfoliatum

150

220

2,98

369,18

0

20

132

250,19

2255,65

–381,44

 

180

220

2,98

443,01

0

20

132

332,23

2706,78

–795,01

Helianthus tuberosus

60

60

5,60

92,75

0

20

36

59,724

328,39

–195,70

 

80

60

5,60

123,67

0

20

36

84,077

437,86

–448,32

Zea mais

NT_H_Dg0

118,81

0

4,45

175,82

0

20

0

182,02

225,13

–1693,4

 

NT_R_Dg0

118,81

0

4,45

175,82

0

20

0

135,04

1056,22

–367,1

 

MB_H_Dg0

130,83

0

4,45

193,60

0

20

0

201,77

247,90

–1878,8

 

MB_R_Dg0

130,83

0

4,45

193,60

0

20

0

148,51

1176,13

–389,3

 

CH_H_Dg0

156,19

0

4,45

231,13

0

20

0

243,48

295,96

–2270,3

 

CH_R_Dg0

156,19

0

4,45

231,13

0

20

0

194,27

1280,72

–766,9

 

NT_H_DG200

142,84

200

4,45

211,38

0

20

120

88,19

784,85

–144,8

 

NT_R_Dg200

142,84

200

4,45

211,38

0

20

120

23,60

1339,52

1090,8

 

MB_H_Dg200

145,51

200

4,45

215,33

0

20

120

92,58

799,52

–176,4

 

MB_R_Dg200

145,51

200

4,45

215,33

0

20

120

24,54

1383,75

1125,0

 

CH_H_Dg200

166,87

200

4,45

246,94

0

20

120

127,70

916,88

–429,2

 

CH_R_Dg200

166,87

200

4,45

246,94

0

20

120

61,69

1483,72

833,5

Mis­canthus ×
giganteus

Standort 1 (Luvisol)

208,67

100

1,20

716,3

225

20

89,0*

433,66

7447,05

2876,2

Standort 2 (Cambisol)

218,00

100

1,20

748,3

250

20

91,6*

438,56

7792,90

3170,4

Standort 3 (Phaeozem)

299,67

100

1,20

1028,6

0

20

87,7*

1032,08

10562,64

–315,6

*  berücksichtigt N-Input durch abgestorbene Pflanzenrückstände    ** mineralische N-Düngung

Die Werte zu Erträgen und N-Düngung der anderen bewerteten Kulturen basieren auf Fachinformationen der landwirtschaftlichen Ressortforschung und Offizialberatung mehrerer Bundesländer (Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft, Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen, Landwirtschaftliches Technologiezentrum Augustenberg, Landwirtschaftskammer Niedersachsen, Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen, Thüringer Landesanstalt für Landwirtschaft) für die Praxis. Wissenschaftlich publizierte Literatur stand nicht in ausreichendem Umfang zur Verfügung, allerdings konnten z.T. Ergebnisse aus dem EVA-Projekt (Projekt „Entwicklung und Vergleich von optimierten Anbausystemen für die landwirtschaft­liche Produktion von Energiepflanzen unter den verschiedenen Standortbedingungen Deutschlands“, Laufzeit 2005–2012, gefördert durch das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz) sowie von Vetter (2009) herangezogen werden. Bei den N-Gehalten im Ernteprodukt wurde auf Primärdaten aus Versuchsanlagen des EVA-Projektes (Willms et al., 2012) und der Arbeitsgruppe Grünlandwissenschaft und Nachwachsende Rohstoffe an der Universität Kassel (Grass, 2012) zurückgegriffen. N-Gehalte der Wurzeln konnten in Ermangelung von Daten nicht kalibriert werden und müssen so in Anlehnung an im Modell bereits bewertete Kulturen geschätzt werden. Notwendige Daten zur Kalibrierung des Humusersatz-Subalgorithmus im Modell HU-MOD sind in der Literatur bislang nicht verfügbar. Daher wurden Wurzelmengen (Parameter CR) auf Grundlage des MONICA-Modells (Nendel et al., 2011) geschätzt. Die hier angenommenen Spross: Wurzel-Verhältnisse für die Kulturen sind in Tab. 1 ausgewiesen. Zur Schätzung des Parameters CRE wurden in Anlehnung an Nendel et al. (2011) pauschal Ernterückstände in Höhe von 10% der geernteten Pflanzenbiomasse angenommen. Ausgewiesene C-Gehalte für Wurzelmaterial unterschiedlicher Pflanzen variieren im Modell unwesentlich. Für die hier durchgeführten Berechnungen wurde ein mittlerer Wert von 45% C in der Trockensubstanz angenommen.

Bei den Modellierungen ohne Kalibrierung (betrifft alle Kulturen außer Zea mais und Miscanthus × giganteus] wurde grundsätzlich von einer vollständigen Abfuhr der erntebaren Biomasse ausgegangen.

2.3 Modellevaluation

Eine Evaluation der Modellperformance konnte für Mais (Zea mais) und Miscanthus (Miscanthus × giganteus) durchgeführt werden. Hierzu wurde die Übereinstimmung der Modellierungsergebnisse mit den Angaben bei Clapp et al. (2000) zur Entwicklung der OBS-Vorräte unter Mais in einem 13-jährigen Anbauversuch, bzw. bei Kahle et al. (2001) zur Entwicklung der OBS-Vorräte unter drei 2- bis 5-jährigen Feldversuchen, geprüft. Die Prüfung erfolgt mittels linearer Regression sowie Be­rechnung des mittleren quadratischen Fehlers (RMSE) gemäß:


RMSE = frames/bilder/brock_et_al_Fml-1.gif


mit p = predicted value (vorhergesagter Wert) und o = observed value (gemessener Wert).

3 Ergebnisse

3.1 Modellevaluation für Mais und Miscanthus

Die Abb. 1 und 2 zeigen die Ergebnisse der Modell­evaluation hinsichtlich der Bewertung der Humusreproduktionsleistung von Miscanthus und Energiemais nach den Ergebnissen von Kahle et al. (2001) sowie Clapp et al. (2000).

Abb. 1. Übereinstimmung zwi­schen Messdaten und Modell­ergebnissen zur Veränderung der Hu­musvorräte unter Miscanthus × giganteus nach Kalibrierung des Humusbilanzmodells HU-MOD. Datenbasis bei Kahle et al. (2001). Parametrisierung des Modells lt. Tab. 1.

Abb. 1. Übereinstimmung zwi­schen Messdaten und Modell­ergebnissen zur Veränderung der Hu­musvorräte unter Miscanthus × giganteus nach Kalibrierung des Humusbilanzmodells HU-MOD. Datenbasis bei Kahle et al. (2001). Parametrisierung des Modells lt. Tab. 1.

Correlation between ob­served and predicted change of soil organic matter stocks under Miscanthus × giganteus after calibration of the HU-MOD model. Data base in Kahle et al. (2001). Parameterizati­on of the model as shown in Table 1.

Abb. 2.   Übereinstimmung zwischen Messdaten und Modellergebnissen zur Veränderung der Humusvorräte un­ter Zea mais nach Kalibrierung des Humusbilanzmodells HU-MOD. Datenbasis bei Clapp et al. (2000). Parametrisierung des Modells lt. Tab. 1. 2A: Alle Bodenbearbeitungsvarianten (n = 12), 2B: Minimalbodenbearbeitung (NT, n = 4), 2C: Pflug (MB, n = 4), 2D: Grubber (CH, n = 4).

Abb. 2.   Übereinstimmung zwischen Messdaten und Modellergebnissen zur Veränderung der Humusvorräte un­ter Zea mais nach Kalibrierung des Humusbilanzmodells HU-MOD. Datenbasis bei Clapp et al. (2000). Parametrisierung des Modells lt. Tab. 1. 2A: Alle Bodenbearbeitungsvarianten (n = 12), 2B: Minimalbodenbearbeitung (NT, n = 4), 2C: Pflug (MB, n = 4), 2D: Grubber (CH, n = 4).

Correlation between observed and predicted change of soil organic matter stocks under Zea mais after calibration of the HU-MOD model. Data base in Clapp et al. (2000). Parameterization of the model as shown in Table 1. Fig. 2A: all tillage treatments (n = 12), 2B: No-till (NT, n = 4), 2C: Mouldboard plow (MB, n = 4), 2D: Chisel plow (CH, n = 4).

Aufgrund der hohen, durch die Düngung im Experiment von Kahle et al. nicht kompensierten N-Entzüge mit der geernteten Miscanthus-Biomasse. muss in Übereinstimmung mit Davis et al. (2012) eine weitere N-Quelle angenommen werden, um die positive Entwicklung der Humusvorräte für die Standorte 1 (Luvisol) und 2 (Cambisol) bei Kahle et al. (2001) nachvollziehen zu können (Abb. 1). In der Modellierung wurde dafür eine Fixierung von 225 kg N ha–1a–1 in dem Luvisol und von 250 kg N ha–1a–1 im Cambisol angenommen. Beide Werte liegen in der von Davis et al. (2012) angegebenen Größenordnung, wobei die Autoren keine standortdifferenzierten Angaben vorlegen. Die Abnahme der OBS-Vorräte unter dem Phaeozem (Standort 3 bei Kahle et al., 2001) kann in der angegebenen Höhe nicht nachvollzogen werden. Selbst unter der Annahme, dass an dem Standort keine Fixierung von atmosphärischem N2 stattfindet, wird vom Modell lediglich eine Abnahme der OBS-Vorräte in der Größenordnung von 315 kg SOC ha–1a–1 vorausgesagt. Die stark negative Entwicklung der OBS-Vorräte bei Standort 4 (Rendzic Leptosol) der Auswertung von Kahle et al. konnte mit dem Modell nicht nachvollzogen werden. Da jedoch auch Kahle et al. die Daten zu Standort 4 für nicht interpretierbar halten, wurde dieser Datensatz aus der vorliegenden Auswertung entfernt. Ohne Berücksichtigung von Standort 4 zeigt sich insgesamt eine zufriedenstellende Modell-Performance (Abb. 1, RMSE = 154,37). Die Implikationen der hier vorgenommenen Kalibrierung für die Modellanwendung ohne Kalibrierungs-Datensatz sind jedoch kritisch zu diskutieren.

Bei der Bewertung der OBS-Mengenänderungen unter Maisproduktionssystemen nach den Daten von Clapp et al. (2000) zeigt das Modell insgesamt eine unbefriedigende Performance (Abb. 2A, RMSE = 958,29). Eine getrennte Auswertung der drei bei Clapp et al. angegebenen Bodenbearbeitungssysteme ergibt jedoch ein differenzierteres Bild (Abb. 2B-D): Unter Minimalbodenbear­beitung (NT) ist der Zusammenhang zwischen Modell­ergebnissen und Messdaten sehr groß (Abb. 2B), wobei die absolute Abweichung der Werte voneinander immer noch erheblich ist (RMSE = 613,72). Die Abweichung liegt allerdings wahrscheinlich noch im Fehlerbereich der Messwerte (Fehler ist in der Quelle nicht quanti­fiziert, vgl. Körschens, 2010). Auch im Pflug-System (Abb. 2C, RMSE = 906,74) ist die Modellperformance noch als zufriedenstellend zu bewerten. Eine sehr ge­ringe Übereinstimmung zwischen modellierten und gemessenen Werten zeigt sich nur bei der Grubber-Variante (Abb. 2D, RMSE = 1247,45). Die schlechte Modellper­formance bei der letzteren Variante ist ausschlaggebend für die unbefriedigende Modellperformance bei Berücksichtigung des gesamten Datensatzes. Es ist zu diskutieren, wie die Modellperformance bei der Bewertung von Maisproduktionssystemen vor diesem Hintergrund zu bewerten ist. Zu beachten ist allerdings, dass bei Mais keine mit Blick auf die Datenverfügbarkeit in der Praxisanwendung problematische Kalibrierung des Modells wie bei Miscanthus vorgenommen wurde.

3.2 Modellierung für Sorghumhirse, Sudangrashybride, Durchwachsene Silphie, Topinambur und Grünschnitt­roggen

Die Spannweiten der berechneten Humusbilanzkoeffi­zienten für die o.g. Fruchtarten sind in Abb. 3 wiedergegeben, zusammen mit den Spannweiten der berechneten Humusbilanzkoeffizienten für die Mais- und Miscanthus-Produktionssysteme nach Clapp et al. (2000) bzw. Kahle et al. (2001). Die Spannweite ergibt sich jeweils aus der Parametrisierung gemäß Tab. 1: Minimum und Maximum werden durch die Modellierung mit den beiden für jede Fruchtart angegeben Ertrags- und Düngungsniveaus bestimmt. Bei niedrigem Ertragsniveau weist das Modell bei gleicher Düngung jeweils einen geringeren Humus­ersatzbedarf aus, als bei höherem Ertragsniveau und damit höherer Abschöpfung von N aus der Humusmineralisierung.

Abb. 3. Mit HU-MOD modellierte Humusreproduktionsleistung in Energiepflanzen-Produktionssystemen. Zur Parametrisierung vgl. Tab. 1. Bei Miscanthus × giganteus und Zea mais zeigen die Boxen den Interquartilsbereich 25–75 an, die hin­terlegten Balken bezeichnen die gesamte Spannweite zwischen Minimum und Maximum der berechneten Humusreproduktionsleistungen gemäß Tab. 1.

Abb. 3. Mit HU-MOD modellierte Humusreproduktionsleistung in Energiepflanzen-Produktionssystemen. Zur Parametrisierung vgl. Tab. 1. Bei Miscanthus × giganteus und Zea mais zeigen die Boxen den Interquartilsbereich 25–75 an, die hin­terlegten Balken bezeichnen die gesamte Spannweite zwischen Minimum und Maximum der berechneten Humusreproduktionsleistungen gemäß Tab. 1.

Humus reproduction in the production of selected bioenergy crops according to the HU-MOD model. For parameterization cf. Table 1. With Miscanthus × giganteus and Zea mais, boxes refer to the interquartil range 25–75, whiskers denote the whole min-max range according to Table 1.

Aufgrund der hohen Erntemengen ergeben sich ins­gesamt mäßig bis stark negative Werte, d.h. ein hoher Humusersatzbedarf der Systeme auch bei Düngung gemäß den Empfehlungen zu den jeweiligen Kulturen (Tab. 1, Abb. 3). Aus der Parametrisierung ergeben sich die folgenden mittleren Humusbilanzkoeffizienten (gerundet, Angabe in kg Humus-C ha–1a–1): Sorghum bicolor = –1171, Sorghum bicolor × sudanense = –1421, Silphium perfoliatum = –588, Helianthus tuberosus = –322, Secale cereale (BBCH 75) = –1482. Die Plausibilität der Ergebnisse ist natürlich kritisch zu hinterfragen. Dies gilt ins­besondere für die Bewertung der mehrjährigen Kulturen (Silphium perfoliatum, Helianthus tuberosus). Zu beachten ist weiterhin die sehr starke modellierte Humuszehrung durch Secale cereale (BBCH 75). Diese ergibt sich aus der vergleichsweise niedrigen N-Düngungsempfehlung zu der Kultur gemäß Vetter (2009), die den mit dem hohen Ertragsniveau verbundenen N-Entzug bei weitem nicht kompensiert.

4 Diskussion

Im vorliegenden Artikel wurde die Bewertung der Humusreproduktionsleistung verschiedener Energiepflanzen-Anbausysteme mit einem Modellansatz vorgenommen. Die Modellierung bietet den Vorteil, dass Ergebnisse bei Anwendung eines validierten Modells und hinreichender Kalibrierung allgemein eine hohe Plausibilität besitzen. Falls neuere Erkenntnisse dies notwendig machen, kann überdies eine reproduzierbare Anpassung der Koeffizienten vorgenommen werden. Natürlich birgt eine Modellierung grundsätzlich die Gefahr einer unbemerkten Fehl­einschätzung von Faktoren und Prozessen durch falsche oder unzureichende Parametrisierung, auch wenn das Modell für andere Situationen (hier: für die Bewertung bestimmter anderer Fruchtarten in Ackerbausystemen) bereits validiert wurde. Dennoch sind kurzfristig Alternativen zur modellbasierten Berechnung von Humusbilanzkoeffizienten nicht verfügbar, da hier nur eine lang­fristige empirische Ableitung aus Dauerfeldversuchen in Frage kommt. Die Anlage entsprechender Versuche ist für die Validierung von Modellierungsergebnissen zwar unbedingt zu fordern, kann aber nicht zur Erarbeitung kurzfristig benötigter Aussagen zur Humusreproduktionsleistung von Produktionssystemen einzelner Nutzpflanzen beitragen.

Für Mais spiegelt die hier für die Modellüberprüfung verwendete Quelle (Clapp et al., 2000) die Ergebnisse zur Humusreproduktion in der Literatur gut wieder. Die o.g. Autoren beobachteten in der Mehrzahl der Varianten eine Abnahme der OBS-Mengen in dem 13-jährigen Versuch, z.T. wurde bei Verbleib der Stoppel jedoch auch eine Zunahme der Humusvorräte erreicht (abgesehen vom Verbleib der Stoppel in der entsprechenden Variante wurde keine organische Düngung durchgeführt). Auch Sparling et al. (1992), Riffaldi et al. (1994) und Verma et al. (2005) stellten einen Abbau der OBS-Vorräte unter Mais-Produktionssystemen fest, während u.a. Follett et al. (2012) sowie Kristiansen et al. (2005) eine OBS-Anreicherung fanden. Eine eindeutige Zuordnung zu Bewirtschaftungsfaktoren ist anhand der der genannten Literaturstellen nicht möglich. Allerdings ist grundsätzlich die Abhängigkeit des Umsatzes und damit der Entwicklung der OBS-Vorräte von der jeweiligen Vorbewirtschaftung zu berücksichtigen. Mann et al. (2002) diskutieren diesen Sachverhalt im Zusammenhang mit der Analyse des Einflusses der Ganzpflanzenernte bei Mais auf die Humusvorräte und führen aus, dass eine gegenüber der vorherigen Situation veränderte Biomasseabfuhr mit der Entwicklung der OBS-Vorräte korreliert ist. Eine Verminderung der Biomassezufuhr und überdies gleichzeitig erhöhte Biomasseabfuhr führt an einem Standort zu einer Störung des Fließgleichgewichtes der Umsatzprozesse und damit in diesem Falle zu einer Abnahme der OBS-Vorräte. Umgekehrt führt eine Erhöhung der Biomassezufuhr und/oder Verminderung der Abfuhr zu einer Zunahme der Humusvorräte. Der Zusammenhang ist dabei allerdings nicht zwangsläufig linear, da hier noch weitere Standortfaktoren (Boden, Klima, Niveau der OBS-Mengen) einen Einfluss ausüben. Eine Inten­sivierung der Biomasseabfuhr, z.B. bei der Umstellung von Körnermais- auf Silo-/Energiemaisproduktion, führt daher auch nach Wilhelm et al. (2004) oder Kochsiek und Knops (2012) zu einer negativen Beeinflussung der Entwicklung der OBS-Vorräte.

Der Zusammenhang zwischen Biomasseabfuhr und Humusreproduktion liegt auch dem hier verwendeten Modell HU-MOD (Brock et al., 2012a) zugrunde. Durch die hohe Biomasseproduktion und -abfuhr in Energiepflanzenanbausystemen werden daher vergleichsweise hohe „Humusbedarfskoeffizienten“ (vgl. VDLUFA, 2004) ermittelt, und zwar sowohl für einjährige, als auch für mehrjährige Kulturen. Da der errechnete Humusersatzbedarf im Modell letztendlich von der Inanspruchnahme von N aus der Humusmineralisierung abhängt, hat die Einschätzung und Anrechnung anderer N-Quellen großen Einfluss auf das Modellergebnis. So können die bei Kahle et al. (2001) aufgeführten OBS-Zunahmen unter Miscan­thus bei zwei der vier in der Quelle ausgewerteten Standorte mit dem Modell erst bei Annahme einer erheblichen Fixierung von atmosphärischem N durch Bodenbakterien unter Bezug auf Davis et al. (2012) nachvollzogen werden (auch in diesem Versuch wurde keine organische Düngung gegeben, allerdings verblieben größere Mengen an Pflanzenrückständen nach allen Ernten). Wird diese Kalibrierung nicht durchgeführt, ergibt sich aufgrund der hohen Biomasse eine stark negative Wirkung auf die OBS-Vorräte, wie z.B. bei Qin et al. (2012) an­genommen. Diese Einschätzung widerspricht allerdings den gemessenen Ergebnissen zu Miscanthus in verschiedenen Studien (vgl. Diskussion bei Kahle et al., 2001). Für die Modellanwendung unter Praxisbedingungen ist dieser Kalibrierungsbedarf natürlich problematisch, vor allem, falls eine standortdifferenzierte Bewertung notwendig ist. Unsere Ergebnisse deuten auf diese Notwendigkeit hin.

Für Mais und die anderen von uns bewerteten ein­jährigen Kulturen liegen keine Ergebnisse vor, die auf die Notwendigkeit einer Annahme der Fixierung erheblicher Mengen an atmosphärischem N unter den Kulturen hinweisen. Für die anderen mehrjährigen Kulturen (Silphium perfoliatum, Helianthus tuberosus) ist der Sachverhalt allerdings zu prüfen, da von verschiedenen Autoren zunehmende OBS-Vorräte unter mehrjährigen Kulturen berichtet wurden (Bolinder et al., 2007; Su, 2007; Liebig et al., 2008), und zwar auch bei hohem Biomasse- und damit N-Entzug. Mineralische N-Düngung allein führt dabei, wie bereits im Zusammenhang mit der Bewertung von Miscanthus ausgeführt, im Modell nicht zu positiven Humusreproduktionskoeffizienten für entsprechende Systeme. Hier besteht Forschungsbedarf.

Grundsätzlich mindert mineralische N-Düngung im Modell den Bedarf an N aus der Humusmineralisierung. Dabei wird eine Verwertungsrate des Mineraldünger-N durch die Pflanzenbestände von lediglich 60% angenommen. Dies entspricht allerdings Ergebnissen von Cassman et al. (2002) oder Nissen und Wander (2003), wonach landwirtschaftliche Kulturpflanzen selbst bei optimaler Düngung noch einen erheblichen Anteil von N aus der OBS-Mineralisierung aufnehmen. Auch in hoch gedüngten Kulturen wird so ein Bedarf an N aus der Humus­mineralisierung ausgewiesen, der zunächst zu einer negativen Einschätzung der Humusreproduktion führt. Allerdings kann nicht von den Pflanzen aufgenommener Mineraldünger-N bei Verfügbarkeit ausreichender Mengen an C-reichen Substraten über den mikrobiellen Umsatz durchaus zu einer Erhöhung des Humusersatzes im entsprechenden Produktionssystem beitragen (van Groenigen et al., 2006). Mit Blick auf die Ergebnisse in der Literatur – z.B. zu Mais bei Clapp et al. (2000) – ist zu vermuten, dass der Humusabbau unter einjährigen nicht-legumen Ackerkulturen zumindest bei Ganzpflanzenernte in Produktionssystemen ohne organische Düngung durch den gesteigerten Humusersatz nicht kompensiert wird und so eine negative Netto-Humusreproduktion erwartet werden muss. Mit Blick auf die hier vorgenommenen Modellierungen ist aber zu beachten, dass für die Parametrisierung z.T. Daten verwendet wurden, die selbst bereits aus der Modellierung (hier nach Nendel et al., 2011) stammen. Durch die Hinter­einanderschaltung zweier Modelle können sich Methodenfehler ggf. potenzieren (Timlin et al., 2002). So geben Meki et al. (2013) für Sorghum bicolor ein Spross: Wurzel-Verhältnis von ca. 3,5:1 an. Dieses liegt ungefähr in der von uns für Sudangrashybride (Sorghum bicolor × sudanense) angenommenen Größenordnung, während das Modell von Nendel et al. (2011) für Sorghum bicolor eine wesentlich höhere Wurzelmasse annimmt (Spross: Wurzel-Verhältnis 1,43:1). Zu beachten ist, dass die ebenfalls auf Modellierung beruhenden Angaben bei Meki et al. (2013) die subtropischen Klimabedingungen am Golf von Mexiko annehmen, während das Modell von Nendel et al. (2011) für die Klimabedingungen in Deutschland parametrisiert wurde.

Mit Blick auf die Verwertbarkeit von mit dem hier verwendeten Ansatz modellierten Koeffizienten in der Humusbilanzierung nach VDLUFA (2004) sind abschließend noch einige methodische Anmerkungen zu machen: Die in VDLUFA (2004) angegebenen Humusbedarfskoeffizienten beziehen sich auf den mit organischer Düngung zu deckenden Bedarf ackerbaulicher Kulturen zur dauerhaften Realisierung eines hohen Ertragsniveaus bei hoher N-Effizienz und ohne negative Beeinflussung der Bodenfunktionen. Ein quantitativer Bezug zur Entwicklung der Humusvorräte wird nicht hergestellt und kann ohne Berücksichtigung sonstiger Standortbedingungen in der Humusbilanzmethode in der Tat auch nicht unterstellt werden (vgl. Brock et al., 2012b). Auch das im vorliegenden Beitrag verwendete Humusbilanzmodell HU-MOD wurde zunächst nicht für die Quantifizierung von Mengenänderungen der organischen Bodensubstanz validiert, sondern nur für eine relative Bewertung des Einflusses unterschiedlicher Bewirtschaftungs­szenarien an einem Standort auf die Entwicklung der Humusvorräte (Brock et al., 2012a). Dennoch ist fest­zustellen, dass beide Humusbilanzmethoden (VDLUFA, 2004; Brock et al., 2012a) konzeptionell durchaus eine Beziehung zwischen Humusreproduktionskoeffizienten und Mengenänderungen der organischen Bodensubstanz annehmen, hier aber auf eine quantitative Bewertung aufgrund der Nicht-Berücksichtigung des Einflusses wichtiger Standortfaktoren sinnvollerweise verzichten. Bei entsprechender Kalibrierung zur Berücksichtigung der tatsächlichen ökologischen Rahmenbedingungen des Humusumsatzes an einem Standort ist das von uns verwendete Modell HU-MOD daher in der Lage, die reale Humusreproduktion näherungsweise zu quantifizieren und kann deswegen auch an diesem Parameter überprüft werden. Da (optimale) mineralische Düngung und (hohe) Erträge im Modell als Input-Parameter berücksichtigt werden, ist der Bezug der Modellergebnisse zu Ände­rungen der Humusvorräte das sinnvollste Prüfkriterium. In der Tat wird auch von der Humusbilanzierung nach VDLUFA (2004) erwartet, dass zumindest theoretisch (d.h. bei entsprechenden Rahmenbedingungen) ausgeglichene Bilanzsalden einen Erhalt der Humusvorräte implizieren. Hier sei auch erwähnt, dass im Auswertungszeitraum gleichbleibende Humusvorräte durchaus ein Kriterium bei der Ableitung der Humusreproduk­tionskoeffizienten durch Asmus und Herrmann (1977) waren, die der Bilanzmethode von VDLUFA (2004) zugrunde liegen.

5 Schlussfolgerungen

Die Modellierung der Humusreproduktion von Kulturpflanzenbeständen bietet einen vielversprechenden Ansatz zur reproduzierbaren Bewertung der Anbausys­teme in der Humusbilanz. Die im Rahmen der vorliegenden Arbeit ermittelten Koeffizienten für Energiepflanzenanbausysteme liegen dabei insgesamt in einem plausiblen Bereich, der durch Evaluationen des Modells hinsichtlich der Bewertung von Mais und Miscanthus bestätigt wurde. Dennoch muss festgestellt werden, dass die aktuelle Datenlage zur ober- und unterirdischen Biomasseproduktion in Energiepflanzen-Produktionssystemen sowie zu Anfall und Umsatz von Ernte- und Wurzelrückständen noch sehr schwach und für die Kalibrierung von Modellen zur Bewertung von Einflüssen auf die organische Bodensubstanz insgesamt unzureichend ist. Weiterhin liegen nur für wenige Kulturen Ergebnisse vor, die eine Validierung entsprechender Modellergebnisse zulassen. Für die Nachhaltigkeits­analyse des Energiepflanzenanbaus und die Umsetzung von § 17 BBodSchG besteht daher dringender Forschungsbedarf, der in einem aktuellen Projekt (Ver­bundvorhaben „Ermittlung von Humusbedarfskoeffi­zienten für Energiepflanzenarten und Energiepflanzen­anbausysteme“, Laufzeit 2012–2015, gefördert durch das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz) unter Beteiligung von Mit­gliedern der Autorengruppe angegangen wird, um zu anwendbaren Humusbilanzkoeffizienten für Energiepflanzen und Energiepflanzenproduktionssysteme zu kommen.

Danksagungen

Die Autoren bedanken sich bei den verantwortlichen Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen im EVA-Projekt (Leitung Dr. habil. Armin Vetter, Christoph Strauss) sowie bei Dr. Rüdiger Grass (Universität Kassel), für die Bereitstellung von Daten.

Literatur

Asmus, F., 1985: Ermittlung des Bedarfs des Bodens an organischer Substanz auf der Basis von Stickstoffentzügen. Archiv für Acker- und Pflanzenbau und Bodenkunde 29, 31-38.

Asmus, F., V. Herrmann, 1977: Reproduktion der Organischen Substanz des Bodens. Akademie der Landwirtschaftswissenschaften der DDR, Berlin (Ost).

Bolinder, M.A., H.H. Janzen, E.G. Gregorich, D.A. Angers, A.J. VandenBygaart, 2007: An approach for estimating net primary productivity and annual carbon inputs to soil for common agricultural crops in Canada. Agriculture, Ecosystems and Environment 118, 29-42.

Brock, C., U. Hoyer, G. Leithold, K.-J. Hülsbergen, 2012a: The humus balance model HU-MOD: a simple tool for the assessment of management change impact on soil organic matter levels in arable soils. Nutrient Cycling in Agroecosystems 92, 239-254.

Brock, C., U. Franko, H.-R. Oberholzer, K. Kuka, G. Leithold, H. Kolbe, J. Reinhold, 2012b: Humus balancing in Central Europe – concepts, state of the art, and further challenges. Journal of Plant Nutrition and Soil Science, DOI: 10.1002/jpln.201200137.

Cassman, K.G., A. Dobermann, D.T. Walters, 2002: Agroecosystems, Nitrogen-use Efficiency, and Nitrogen Management. AMBIO 31, 132-140.

Clapp, C.E., R.R. Allmaras, M.F. Layes, D.R. Linden, R.H. Dowdy, 2000: Soil organic carbon and 13C abundance as related to tillage, crop residue, and nitrogen fertilization under continuous corn management in Minnesota. Soil & Tillage Research 55, 127-142.

Davis, S.C., W.J. Parton, S.J. Del Grosso, C. Keough, E. Marx, P.R. Adler, E.H. DeLucia, 2012: Impact of second-generation biofuel agriculture on greenhouse-gas emissions in the corn-growing regions of the US. Frontiers in Ecology and the Environment 10 (2), 69-74.

Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e.V. (FNR), 2011: Anbau­fläche für nachwachsende Rohstoffe 2011. Online-Dokument, http://mediathek.fnr.de/grafiken/daten-und-fakten/anbauflache-fur-nachwachsende-rohstoffe-2011.html, Abruf 11.05.2012.

Follett, R.F., K.P. Vogel, G.E. Varvel, R.B. Mitchell, J. Kimble, 2012: Soil Carbon Sequestration by Switchgrass and No-Till Maize Grown for Bioenergy. Bioenergy Research 5, 866-875.

Grass, R., 2012: Schriftliche Mitteilung.

Hülsbergen, K.-J., 2003: Entwicklung und Anwendung eines Bilanzierungsmodells zur Bewertung der Nachhaltigkeit landwirtschaftlicher Systeme. Berichte aus der Landwirtschaft, Aachen, Shaker Verlag.

Kahle, P., S. Beuch, B. Boelcke, P. Leinweber, H.-R. Schulten, 2001: Cropping of Miscanthus in Central Europe: biomass production and influence on nutrients and soil organic matter. European Journal of Agronomy 15, 171-184.

Kochsiek, A.E., J.M.H. Knops, 2012: Maize cellulosic biofuels: soil carbon loss can be a hidden cost of residue removal. Global Change Biology Bioenergy 4, 229-233.

Körschens, M., 2010: Soil organic carbon (Corg) – importance, determination, evaluation. Archives of Agronomy and Soil Science 56 (4), 375-392.

Kristiansen, S.M., E.M. Hansen, L.S. Jensen, B.T. Christensen, 2005: Natural 13C abundance and carbon storage in Danish soils under continuous silage maize. Europ. J. Agronomy 22, 107-117.

Leithold, G., 1983: Die Berechnung von fruchtarten- und ertrags­orientierten Kennziffern für den Bedarf der Böden an organischer Substanz am Beispiel der Zuckerrübe auf sandigem Lehmboden. Archiv f. Acker- u. Pflanzenbau u. Bodenkunde 27, 59-67.

Leithold, G., 1991: Zur Herleitung der Gleichung der „horizontalen“ Stickstoffbilanz. Wissenschaftliche Zeitschrift der Universität Halle XXXX´91 (M 6), 139-145.

Liebig, M.A., M.R. Schmer, K.P. Vogel, R.B. Mitchell, 2008: Soil carbon storage by switchgrass grown for bioenergy. Bioenergy Research 1, 215-222.

Mann, L., V. Tolbert, J. Cushmann, 2002: Potential environmental effects of corn (Zea mays L.) stover removal with emphasis on soil organic matter and erosion. Agriculture, Ecosystems and Environment 89, 149-166.

Meki, M.N., J.L. Snider, J.R. Kiniry, R.L. Raperd, A.C. Rocateli, 2013: Energy sorghum biomass harvest thresholds and tillage effects on soil organic carbon and bulk density. Industrial Crops and Products 43, 172-182.

Nendel, C., M. Berg, K.C. Kersebaum, W. Mirschel, X. Specka, M. Wegehenkel, K.O. Wenkel, R. Wieland, 2011: The MONICA model: Testing predictability for crop growth, soil moisture and nitrogen dynamics. Ecological Modeling 222, 1614-1625.

Nehring, A., A. Vetter, 2009: Entwicklung und Optimierung von standortangepassten Anbausystemen für Energiepflanzen im Fruchtfolgeregime. Abschlussbericht 2009 zum Teilprojekt 1 im Projekt „Entwicklung und Vergleich von optimierten Anbau­systemen für die landwirtschaftliche Produktion von Energiepflanzen unter den verschiedenen Standortbedingungen Deutschlands (EVA)“ der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e.V., AZ 2200-2305, http://www.eva-verbund.de/uploads/media/ab_tp1_ges.pdf, Abruf 11.05.2012.

Nissen, T.M., M.M. Wander, 2003: Management and Soil-Quality Effects on Fertilizer-Use Efficiency and Leaching. Soil Sci. Soc. Am. J. 67, 1524-1532.

Qin, Z., Q. Zhuang, M. Chen, 2012: Impacts of land use change due to biofuel crops on carbon balance, bioenergy production, and agricultural yield, in the conterminous United States. Global Change Biology Bioenergy 4, 277-288.

Reinhold, J., E. Baumann, M. Körschens, G. Leithold, C. Engels, J. Heyn, 2010: Zusammenstellung der fachlichen Grundlagen zum VDLUFA-Standpunkt „Humusbilanzierung“ und Erarbeitung von aktuellen Empfehlungen zu dessen Anwendung in der Praxis. In: Engels, C., J. Reinhold, T. Ebertseder, J. Heyn (Hrsg.): Schluss­bericht zum Forschungsvorhaben „Humusbilanzierung land­wirtschaftlicher Böden – Einflussfaktoren und deren Auswirkungen“ der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung, AZ 514-06.01-2808HS016, 39-90, http://www.vdlufa.de/joomla/Dokumente/SchlussberichtGesamt201010.pdf, Abruf 11.05.2012.

Riffaldi, R., A. Saviozzi, R. Levi-Minzi, F. Menchetti, 1994: Chemical characteristics of soil after 40 years of continuous maize cultivation. Agriculture, Ecosystems and Environment 49, 239-245.

Sparling, G.P., T.G. Shepherd, H.A. Kettles, 1992: Changes in soil organic C, microbial C and aggregate stability under continuous maize and cereal cropping, and after restoration to pasture in soils from the Manawatu region, New Zealand. Soil & Tillage Research, 24, 225-241.

Su, Y.Z., 2007: Soil carbon and nitrogen sequestration following the conversion of cropland to alfalfa forage land in northwest China. Soil & Tillage Research 92, 181-189.

Timlin, D.J., Y. Pachepsky, B.A. Acock, J. Šimunek, G. Flerchinger, F. Whisler, 2002: Error analysis of soil temperature simulations using measured and estimated hourly weather data with 2DSOIL. Agricultural Systems 72, 215-239.

van Groenigen, K.-J., J. Six, B.A. Hungate, M.-A. de Graaff, N. van Breemen, C. van Kessel, 2006: Element interactions limit soil carbon storage. Proceedings of the National Academy of Sciences 103, 6571-6574.

Verband Deutscher Landwirtschaftlicher Untersuchungs- und Forschungsanstalten (VDLUFA), 2004: Humusbilanzierung. Standpunkt des VDLUFA. http://www.vdlufa.de/joomla/Dokumente/Standpunkte/08-humusbilanzierung.pdf, Abruf 11.05.2012.

Verma, S.B., A. Dobermann, K.G. Cassman, D.T. Walters, J.M. Knops, T.J. Arkebauer, A.E. Suyker, G.G. Burba, B. Amos, H. Yang, D. Ginting, K.G. Hubbard, A.A. Gitelson, E.A. Walter-Shea, 2005: Annual carbon dioxide exchange in irrigated and rainfed maize-based agroecosystems. Agricultural and Forest Meteorology 131, 77-96.

Vetter, A., 2009: Anbausysteme für Energiepflanzen. Optimierte Fruchtfolgen und effiziente Lösungen. Frankfurt am Main, DLG-Verlag.

Wilhelm, W.W., J.M.F. Johnson, J.L. Hatfield, W.B. Voorhees, D.R. Linden, 2004: Crop and Soil Productivity Response to Corn Residue Removal: A Literature Review. Agronomy Journal 96, 1-17.

Willms, M., A. Nehring, J. Peters, M. Fritz, K. Deiglmayr, A. Vetter, C. Strauss, 2012: schriftliche Mitteilung zu Ergebnissen aus dem Projekt: Entwicklung und Vergleich von optimierten Anbausystemen für die landwirtschaftliche Produktion von Energiepflanzen unter den verschiedenen Standortbedingungen Deutschlands (EVA).


ISSN (elektronisch): 1867-0938
ISSN (print): 1867-0911
Verlag
Eugen Ulmer KG
Ulmer-Logo
Verantwortlicher Herausgeber
Präsident und Professor
Prof. Dr. Frank Ordon
Julius Kühn-Institut - Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen
Erwin-Baur-Str. 27
06484 Quedlinburg
Schriftleitung
Dr. Anja Hühnlein
Julius Kühn-Institut - Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen
Erwin-Baur-Str. 27
06484 Quedlinburg
E-Mail: journal-kulturpflanzen@julius-kuehn.de
Co-Schriftleitung
Dr. Ulrike Stahl
Julius Kühn-Institut - Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen
Layout/Technische Umsetzung
mediaTEXT Jena GmbH
mediaTEXT-Logo
Julius Kühn-Institut (JKI)
Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen
 
Erwin-Baur-Str. 27
06484 Quedlinburg
Deutschland
Fon: 03946 47-0
Fax: 03946 47-255
Mail: poststelle@julius-kuehn.de
De-Mail: poststelle@julius-kuehn.de-mail.de
Impressum
 
Diese Zeitschrift wird vom Julius Kühn-Institut herausgegeben.
JKI-Logo