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Originalarbeit

Zum Auftreten von Marssonina coronaria an Apfel in Baden-Württemberg

Occurence of Marssonina coronaria on apple in Baden-Wuerttemberg

Jan Hinrichs-Berger und Gabriele Müller
Institut
Landwirtschaftliches Technologiezentrum Augustenberg

Journal für Kulturpflanzen, 65 (9). S. 347–350, 2013, ISSN 1867-0911, DOI: 10.5073/JfK.2013.09.02, Verlag Eugen Ulmer KG, Stuttgart

Kontaktanschrift
Dr. Jan Hinrichs-Berger, Landwirtschaftliches Technologiezentrum Augustenberg, Neßlerstr. 23–31, 76227 Karlsruhe, E-Mail: jan.hinrichs-berger@ltz.bwl.de
Zur Veröffentlichung angenommen
18. März 2013

Zusammenfassung

Der Erreger der Blattfallkrankheit an Apfel Marssonina coronaria (Hauptfruchtform Diplocarpon mali) wurde in Baden-Württemberg in vielen Regionen nachgewiesen. Betroffen waren zahlreiche Apfelsorten. Er trat vor allem in Kleingärten und Streuobstwiesen auf. Es handelt sich bei diesem Schaderreger sehr wahrscheinlich nicht um einen „neuen“ Krankheitserreger, da entsprechende Krankheitssymptome schon vor 2010 beobachtet worden sind.

Stichwörter: Marssonina coronaria, Diplocarpon mali, Apfel, Malus domestica, Monitoring

Abstract

Apple leaf blotch disease caused by Marssonina coronaria (teleomorph Diplocarpon mali) was detected in several regions of Baden-Wuerttemberg. It was observed on numerous apple cultivars, especially in allotments and extensive grassland-orchards (Streuobstwiesen). M. coronaria is very probably not a “new” pathogen in Baden-Württemberg, since apple trees showing premature defoliation and typical leaf blotch symptoms were already observed before 2010.

Key words: Marssonina coronaria, Diplocarpon mali, apple, Malus domestica, survey

Einleitung

Im September 2010 hatte in Baden-Württemberg zum ersten Mal ein hier bislang unbekannter Schaderreger nachweislich zu einem vorzeitigen Blattfall in einer biologisch bewirtschafteten Apfel-Anlage geführt. Der Schaderreger wurde als Marssonina coronaria identifiziert. Derselbe Schadpilz hat ein Jahr später in verschiedenen Landes­teilen ebenfalls zu einem Blattfall an Apfel geführt (Hinrichs-Berger, 2011).

Nach Harada et al. (1974) wurde M. coronaria erst­malig 1907 als neuer Schaderreger in Japan beschrieben. Dort soll er in den 1910er Jahren zu größeren Verlusten im Apfelanbau geführt haben, bevor er, vermutlich durch den Einsatz von Bordeaux-Brühe, zurückgedrängt wurde. Sein Hauptverbreitungsgebiet liegt im asiatischen Raum (Japan, China, Korea, Taiwan, Indien), es gibt aber auch Meldungen zum Auftretens aus Kanada und USA (Anonymous, 2011) sowie Südamerika. In Europa wird von einem Auftreten in Rumänien und 2001 in Italien berichtet (Tamietti und Matta, 2003). In letzter Zeit gab es Fundmeldungen aus Österreich (Persen et al., 2012), Südtirol (Lindner, 2012) und der Schweiz (Spuhler, 2012).

Um die Bedeutung und Verbreitung des Pilzes besser beurteilen zu können, hatte das Landwirtschaftliche Technologiezentrum Augustenberg (LTZ) im Rahmen der Überwachung von Schaderregern in Baden-Württemberg um die Einsendung von Apfel-Blattproben gebeten, die bis Anfang Oktober vorzeitig vom Baum herunter­gefallen waren und für einen M. coronaria-Befall cha­rakteristische Symptome aufwiesen (Hinrichs-Berger, 2012).

Über die Verbreitung des Schaderregers wird im Folgenden berichtet.

Material und Methoden

Im Anfang August 2012 erschienenen Heft 8/2012 der Zeitschrift „Obst & Garten“, deren Verbreitungsgebiet vor allem in Baden-Württemberg liegt, wurde die Leserschaft über den Krankheitserreger M. coronaria und seine charakteristischen Symptome an Apfel informiert und zur Einsendung von verdächtig erscheinenden Apfelblattproben aufgefordert (Hinrichs-Berger, 2012). Neben dem Fundort und der betroffenen Sorte wurde nach der Intensität der Nutzung und dem Erstauftreten der Symptome gefragt.

Die Bestimmung des Schaderregers erfolgte lichtmikroskopisch direkt an den eingesandten Blättern oder nach einer bis zu vierzehntägigen Inkubation in der Feuchten Kammer. Von einer Isolierung des Schaderregers wurde abgesehen, da das Wachstum von M. coronaria in vitro ausgesprochen langsam ist (Lee et al., 2011). Eine Probe galt als infiziert, sobald an wenigstens einem Blatt der Schadpilz nachweisbar war.

Ergebnisse und Diskussion

Bis Ende Oktober 2012 hat das LTZ im Rahmen des Leser­aufrufs 72 Probeneinsendungen erhalten. Davon kamen 10 Einsendungen außerhalb von Baden-Württemberg. Außer Blättern von Apfel wurden auch Blätter von Birnen, Quitten und Zwetschen eingesandt, die ebenfalls vorzeitig vom Baum fielen und verdächtige Symptome aufwiesen.

In Abb. 1 ist das Verbreitungsgebiet von M. coronaria in Baden-Württemberg auf Landkreisebene dargestellt. Die Landkreise, in denen M. coronaria an wenigstens einer Probe nachgewiesen wurde, sind rot eingefärbt. Leider hat das LTZ aus vielen Landkreisen keine Proben erhalten, sodass die Verbreitungskarte noch einige Lücken aufweist. Auch wenn der Schaderreger vor allem im Westen und Südwesten bzw. Osten und Südosten nachgewiesen worden ist, ist mit einer flächendeckenden Verbreitung des Schaderregers im Lande zu rechnen.

Abb. 1. Verbreitungsgebiet von Marssonina coronaria in Baden-Württemberg auf Landkreisebene. Die Landkreise, in denen der Schaderreger an we­nigstens einer Probe nachgewiesen wurde, sind rot eingefärbt. Die Angaben in Klammern unter den Kreis­namen geben die Anzahl befal­­lener Proben und die Anzahl untersuchter Proben an. Aus grün ge­färbten Landkreisen wurden Proben einge­sandt, an denen M. coronaria nicht nachweisbar war. Krei­se, aus denen keine Pro­ben zur Untersuchung kamen, sind weiß darge­stellt.

Abb. 1. Verbreitungsgebiet von Marssonina coronaria in Baden-Württemberg auf Landkreisebene. Die Landkreise, in denen der Schaderreger an we­nigstens einer Probe nachgewiesen wurde, sind rot eingefärbt. Die Angaben in Klammern unter den Kreis­namen geben die Anzahl befal­­lener Proben und die Anzahl untersuchter Proben an. Aus grün ge­färbten Landkreisen wurden Proben einge­sandt, an denen M. coronaria nicht nachweisbar war. Krei­se, aus denen keine Pro­ben zur Untersuchung kamen, sind weiß darge­stellt.

Von den zehn Einsendungen außerhalb von Baden-Württemberg war M. coronaria in einer Apfelblattprobe aus Hessen (Lahn-Dill-Kreis) nachweisbar. Hingegen war dieser Schaderreger an den eingesandten Blättern von Birne, Quitte und Zwetsche nicht zu diagnostizieren.

Wenn der Blattfall an Apfel nicht auf eine Infektion mit M. coronaria zurückzuführen war, ließ er sich in den allermeisten Fällen auf eine starke Besiedlung mit Spinnmilben oder einen Befall mit pilzlichen Schaderregern aus den Gattungen Alternaria, Phyllosticta, Diplodia und/oder Venturia zurückführen.

Insgesamt war der Erreger der Blattfallkrankheit an 37 von den eingesandten 72 Proben zu finden.

M. coronaria tritt an einem großen Sortenspektrum auf. So war der Pilz an 20 Sorten im Rahmen dieses kleinen Monitorings nachweisbar. Darüber hinaus sind in der Literatur weitere, bedeutende Sorten beschrieben, an denen er ebenfalls zu Schäden führt (Tab. 1). Außerdem wurde der Schaderreger auch an einer nicht näher bestimmten Wildapfel-Form diagnostiziert, die in einer Hecke neben einer stark befallenen Anlage stand. Sharma et al. (2011) haben unter 70 Apfelsorten fünf Sorten identifiziert, die gegenüber einem M. coronaria-Befall resistent sind und unter natürlichen Befallsbedingungen keine Krankheitssymptome zeigen.

Tab. 1. Von einem Marssonina-Befall betroffene Apfel­sorten

In Baden-Württemberg betroffene Sorten

Weltweit betroffene Sorten

Berlepsch, Brettacher, Cox Orange, Florina, Gewürzluiken, Gloster, Golden Delicious, Gravensteiner, Hilde, Jakob Fischer, James Grieve, Jonagold, Melrose, Oberländer, Reglindis, Rewena, Rubinola, Schöner von Boskoop, Topaz

Braeburn
Dalinbel
Fu­ji
Hana
Jonagored

Betrachtet man das Auftreten von M. coronaria in Abhängigkeit von der Anbauintensität (Tab. 2), so fällt auf, dass über 85% der Einsendungen, in denen der Schad­erreger nachgewiesen worden war, aus dem Haus- und Kleingarten sowie von Streuobstwiesen kamen. Dort standen mutmaßlich vor allem Bäume, an denen kein ge­zielter Pflanzenschutz durchgeführt wurde. In biologisch bzw. integriert bewirtschafteten Anlagen scheint der Schaderreger hingegen zumindest derzeit keine größeren Probleme zu bereiten. Das deckt sich mit den Beobachtungen von Obstbauberatern in Baden-Württemberg. Somit hatten wahrscheinlich die jeweiligen in den biologisch bzw. integriert bewirtschafteten Anlagen zum Beispiel zur Schorfbekämpfung eingesetzten Fungizide eine gute Nebenwirkung gegen M. coronaria. Allerdings wurden bereits fungizid-resistente Stämme des Pilzes in Japan beobachtet (Tanaka et al., 2000).

Tab. 2. Auftreten [%] von Marssonina coronaria in Abhän­gigkeit von der Anbauintensität

Klein­­garten

Streuobst

biologisch be­wirtschaftete Anlage

integriert be­wirtschaftete Anlage

keine Angaben

24

62

3

8

3

Bei der Befragung, wann der durch den Marssonina-Befall ausgelöste, vorzeitige Blattfall erstmalig beobachtet wurde, gaben 30% der Einsender an, dass der Blattfall schon vor 2010 beobachtet worden war (Tab. 3). In knapp 40% der Fälle wurde diese Krankheitserscheinung jedoch im Jahr 2012 erstmalig registriert. Aufgrund dieser Beobachtungen und seiner weiten Verbreitung ist davon auszugehen, dass der Schaderreger in Baden-Württemberg nicht „neu“, sondern wahrscheinlich schon länger etabliert ist. Die starke Zunahme des Auftretens im Jahr 2012 mag mit den Witterungsbedingungen zu tun haben. So gilt der Pilz als wärme- und feuchtigkeitsliebend (Sharma et al., 2009). Die Sommer 2010, 2011 und 2012 in Baden-Württemberg waren durch relativ warme Temperaturen und durch viele Niederschläge mit entsprechend langen Blattnässedauern charakterisiert. Das mag die Schadensentwicklung begünstigt haben. Sollte es in den nächsten Jahren wieder kühlere und/oder trockenere Sommer geben, wird das Schadauftreten vermutlich wieder zurückgehen.

Tab. 3. Erstauftreten [%] von allen 37 im Rahmen des Mo­nitorings nachgewiesenen Vorkommen von Mars­sonina coronaria

2012

2011

2010

vor 2010

keine Angaben

38

8

8

30

16

Danksagung

Wir bedanken uns sehr herzlich bei den Einsendern der Blattproben.

Literatur

Anonymous, 2011: Diplocarpon mali Y. Harada & Sawamura. Distribution Maps of Plant Diseases (Map No. 1099).

Harada, Y., K. Sawamura, K. Konno, 1974: Diplocarpon mali, sp. nov., the perfect state of apple blotch fungus Marssonina coronaria. Annals of the Phytopathological Society of Japan 40, 412-418.

Hinrichs-Berger, J., 2011: „Neue“ Blattfallkrankheit an Apfel. Obstbau 36 (12), 645-647.

Hinrichs-Berger, J., 2012: Apfelbäume. Vorzeitiger Blattfall. Obst & Garten 131 (8), 302-303.

Lee, D.-H., C.-G. Back, N.K.K. Win, K.-H. Choi, K.-M. Kim, I.-K. Kang, C. Choi, T.-M. Yoon, J.Y. Uhm, H.-Y. Jung, 2011: Biological characterization of Marssonina coronaria associated with apple blotch disease. Mycobiology 39 (3), 200-205.

Lindner, L., 2012: Die Marssonina-Blattfleckenkrankheit jetzt auch in Südtirol. Obstbau Weinbau (2), 66-68.

Persen, U., R. Steffek, C. Freiding, G. Bedlan, 2012: Erstnachweis von Diplocarpon mali an Malus domestica in Österreich. Journal für Kulturpflanzen 64 (5), 168-170.

Sharma, N., V.S. Thakur, J. Mohan, S.M.P. Khurana, S. Sharma, 2009: Epidemiology of Marssonina blotch (Marssonina coronaria) of apple in India. Indian Phytopathology 62 (3), 348-359.

Sharma, N., V.S. Thakur, S. Sharma, J. Mohan, S.M.P. Khurana, 2011: Development of Marssonina blotch (Marssonina coronaria) in different genotypes of apple. Indian Phytopathology 64 (4), 358-362.

Spuhler, M., 2012: Kernobst: Marssonina coronaria, eine neue Pilzkrankheit, befällt Apfelbäume. Neue Apfelkrankheit wird erforscht. Schweizer Bauer (09.06.2012) 21.

Tamietti, G., A. Matta, 2003: First report of leaf blotch caused by Marssonina coronaria on apple in Italy. Plant Disease 87 (8), 1005.

Tanaka, S., N. Kamegawa, S. Ito, M. Kameya-Iwaki, 2000: Detection of thiophanate-methyl-resistant strains in Diplocarpon mali, causal fungus of apple blotch. Journal of General Plant Pathology 66, 82-85.


ISSN (elektronisch): 1867-0938
ISSN (print): 1867-0911
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