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Originalarbeit

Cylindrocladiella parva als Ursache von Absterbeerscheinungen an Euonymus fortunei

Cylindrocladiella parva as a causal agent of dieback on Euonymus fortunei

Ulrike Brielmaier-Liebetanz1, Sabine Werres1, Stefan Wagner1, Thomas Brand2 und Verena Döring3
Institut
Julius Kühn-Institut – Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen, Institut für Pflanzenschutz in Gartenbau und Forst, Braunschweig1
Landwirtschaftskammer Niedersachsen – Pflanzenschutzamt, Oldenburg2
Pflanzenschutzamt Berlin3

Journal für Kulturpflanzen, 66 (1). S. 1–6, 2014, ISSN 1867-0911, DOI: 10.5073/JfK.2014.01.01, Verlag Eugen Ulmer KG, Stuttgart

Kontaktanschrift
Dr. Ulrike Brielmaier-Liebetanz, Julius Kühn-Institut, Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen, Institut für Pflanzenschutz in Gartenbau und Forst, 38104 Braunschweig, Messeweg 11/12, E-Mail: ulrike.brielmaier@jki.bund.de
Zur Veröffentlichung angenommen
13. September 2013

Zusammenfassung

Im August 2011 traten an Euonymus fortunei Absterbe­erscheinungen unbekannter Ursache auf. Aus befallenen Trieben wurde ein Cylindrocladium-ähnlicher Pilz isoliert. Anhand seiner morphologischen Merkmale wurde der Pilz als Cylindrocladiella parva (P.J. Anderson) Boesewinkel identifiziert. Eine anschließende Sequenzanalyse der ITS-Region sowie des β-Tubulin-Gens bestätigte das Ergebnis. Die Pathogenität des Pilzes an E. fortunei 'Emerald’n Gold' wurde in mehreren Versuchsansätzen geprüft. Nach Inokulation an den Nodien nach leichter Verletzung entwickelten sich bei hoher Luftfeuchte innerhalb von sieben Wochen an zweijährigen Pflanzen deut­liche Krankheitssymptome. Cylindrocladiella parva ließ sich aus befallenen Trieben reisolieren. Die Pathogenität dieses Erregers an E. fortunei ist damit nachgewiesen. Es ist das erste bekannt gewordene Auftreten von Cylindro­cladiella parva an E. fortunei in Deutschland.

Stichwörter: Pathogenität, Morphologie, Sequenzierung, Cylindrocladium, Ziergehölz, Symptome

Abstract

In August 2011 a shoot dieback of unknown cause was observed on Euonymus fortunei. From the affected shoots a fungus similar to Cylindrocladium was isolated. According to its morphological characteristics this fungus could be identified as Cylindrocladiella parva (P.J. Anderson) Boesewinkel. The subsequent sequence analysis of the ITS regions as well as the β-tubulin-gene confirmed this result. Pathogenicity of this fungus was tested in several trials on E. fortunei 'Emerald’n Gold'. After inoculation of wounded nodes with the fungus and incubation with high humidity two year old plants developed disease symptoms within seven weeks. Cylindrocladiella parva could be reisolated from infected shoots. This is the first occurrence of Cylindrocladiella parva on E. fortunei in Germany according to our knowledge.

Key words: Pathogenicity, morphology, sequence analysis, Cylindrocladium, ornamental shrub, symptoms

Einleitung

Im August 2011 wurden in Neupflanzungen von Euonymus fortunei 'Emerald’n Gold' im ersten Jahr an verschiedenen Standorten in Berlin, überwiegend auf Friedhöfen, an mehreren Tausend Pflanzen massive Absterbeerscheinungen beobachtet. (Abb. 1.1). Die Pflanzen stammten ursprünglich aus einem Betrieb im Ammerland (Niedersachsen), in dem fast zeitgleich vereinzelt entsprechende Schäden an E. fortunei auftraten. Teils waren nur einzelne Triebe betroffen, in anderen Fällen die ganze Pflanze. Die erkrankten Triebe wiesen stängelumfassende schokoladenbraune Läsionen unterschiedlichen Ausmaßes auf, teilweise bis zur Triebspitze hin. Die Ausdehnung der Läsionen verlief in erster Linie akropetal. Triebspitzenwelke, rötliche Verfärbung der Blätter, Blattfall und im Endstadium das Absterben ganzer Triebe waren die Folge (Abb. 1.2 und 1.3).

Abb. 1. Krankheitssymptome nach natürlichem Befall an Euonymus fortunei ‘Emerald‘n Gold‘1.1 Schad­bild in einer Neuanpflanzung (Foto: Pflanzen­schutzamt Berlin)1.2 schokoladenbraune Stängelläsionen und Welke (Foto: T. Brand)1.3 rötliche Blattverfärbung und Welke (Foto: T. Brand)

Abb. 1. Krankheitssymptome nach natürlichem Befall an Euonymus fortunei ‘Emerald‘n Gold‘
1.1 Schad­bild in einer Neuanpflanzung (Foto: Pflanzen­schutzamt Berlin)
1.2 schokoladenbraune Stängelläsionen und Welke (Foto: T. Brand)
1.3 rötliche Blattverfärbung und Welke (Foto: T. Brand)

Sowohl am Pflanzenschutzamt Berlin als auch am Pflanzenschutzamt der Landwirtschaftskammer Niedersachsen, Standort Oldenburg, wurde aus krankem Pflanzenmaterial ein Pilz isoliert, der aufgrund von Stiel­fortsätzen mit Vesikeln an den Konidienträgern in beiden Fällen der Gattung Cylindrocladium zugeordnet wurde. Ein Vergleich der Reinkulturen beider Pilzherkünfte unter identischen Bedingungen am Institut für Pflanzenschutz in Gartenbau und Forst des Julius Kühn-Instituts (JKI) bestätigte, dass es sich bei beiden Isolaten um denselben Pilz handelt (Brielmaier-Liebetanz et al., 2013). Aufgrund der sehr kleinen Konidien wurde vermutet, dass der Pilz nicht der Gattung Cylindrocladium (Cy.) zuzurechnen ist, sondern der Gattung Cylindrocladiella (Ce.). Cylindrocladiella-Arten werden mit Krankheitssymptomen an verschiedenen Pflanzenarten in Ver­bindung gebracht. In Neuseeland wurde aus Wurzeln und Trieben absterbender Piniensämlinge eine kleinsporige Art isoliert, die von Boesewinkel (1982) als Ce. infestans beschrieben wurde. In Neuseeland wurde an Reben mit Symptomen der „black foot disease“ (Schwarzfußkrankheit) Ce. parva nachgewiesen und die Patho­genität des Pilzes bestätigt (Jones et al., 2012). Crous et al. (1991) berichteten über die Bedeutung von Cylindrocladium- und Cylindrocladiella-Arten in südafrikanischen Forstbaumschulen. In Infektionsversuchen erwiesen sich südafrikanische Isolate von Ce. camelliae und Ce. parva als pathogen an Eucalyptus grandis, Medicago truncatula, Arachis hypogaea, Glycine max und Pisum sativum (Crous et al., 1993). Aus Europa liegen zwei Meldungen über das Auftreten von Ce. parva vor: In Italien wird dieser Pilz als Ursache einer Umfallkrankheit bei der Stiel-Eiche (Quercus robur) angesehen (Scattolin und Montecchio, 2007). In Spanien wurden aus Reben mit Schwarzfußkrankheit Ce. parva und Ce. peruviana isoliert. Beide Isolate riefen in Infektionsversuchen an Vitis vinifera Krankheitssymptome hervor (Agusti-Brisach et al., 2012).

Identifizierung des Pilzes aus Euonymus fortunei

Die Bestimmung der beiden Pilzisolate erfolgte nach Boesewinkel (1982) und Crous (2002). Zur Beschreibung der Kulturmorphologie wurden Impfstücke aus Reinkulturen der Isolate JKI-2187 (Herkunft Berlin) und JKI-2188 (Herkunft Oldenburg) auf 2% Malzextraktagar (MEA) übertragen und bei 25°C im Dunkeln kultiviert. Zunächst entwickelte sich weißes Myzel. Durch eine sehr rasch einsetzende Chlamydosporenbildung verfärbten sich die Pilzkulturen auf der Unterseite innerhalb einer Woche gelbbraun (JKI-2187) bis ockerfarben (JKI-2188) (Abb. 2.1). Die Chlamydosporen bildeten sich in langen Ketten (Abb. 2.2), Mikrosklerotien oder Fruchtkörper waren nicht zu beobachten.

Abb. 2. Morphologische Charakteristika von Cylindrocladiella parva JKI-2187 Balkenlänge: 15 μm2.1 Kolonie­wachstum auf Malzextraktagar im Dunkeln (Foto: Julius Kühn-Institut)2.2 Chlamydosporenbildung in Ketten2.3 und 2.4 Penicillate Konidiophoren2.5 Filament mit keulenförmigem Vesikel2.6 Konidien (Fo­to: Julius Kühn-Institut)

Abb. 2. Morphologische Charakteristika von Cylindrocladiella parva JKI-2187
Balkenlänge: 15 μm
2.1 Kolonie­wachstum auf Malzextraktagar im Dunkeln (Foto: Julius Kühn-Institut)
2.2 Chlamydosporenbildung in Ketten
2.3 und 2.4 Penicillate Konidiophoren
2.5 Filament mit keulenförmigem Vesikel
2.6 Konidien (Fo­to: Julius Kühn-Institut)

Die mikroskopischen Merkmale wurden nach siebentägiger Kultur auf speziellem nährstoffarmem Agar (SNA) (Nirenberg, 1976) bei 25°C unter NUV-Licht erfasst. Die Konidiophoren sind penicillat verzweigt (Abb. 2.3 und 2.4). Ihre Stielfortsätze (Filamente) sind schmal, und wirken aufgrund starker Lichtbrechung dickwandig. Das Filament ist nicht septiert und endet in einem keulen- bis spatelförmigen Vesikel (Abb. 2.5). Die Konidien sind hyalin, zylindrisch, haben ein Septum oder sind unseptiert und hängen in schleimigen runden, bis leicht asymmetrischen Köpfchen zusammen. Sie sind 12,7–15,7 (14,6) μm lang und 2,2–3,3 (2,7) μm breit (Abb. 2.6).

Auf Malzextrakt-Agar wurden folgende Kardinaltemperaturen für das Wachstum ermittelt:

Minimum unter 5°C (bei 5°C fand bei beiden Isolaten noch Wachstum statt), Maximum 35°C, Optimum 25°C. Aufgrund der beschriebenen Merkmale wurde der Pilz als Cylindrocladiella parva (P.J. Anderson) Boesewinkel identifiziert.

Die anschließenden molekularbiologischen Untersuchungen bestätigten das Ergebnis. Als Genregionen wurden zum einen die rDNA internal transcribed spacer (ITS) region ausgewählt und zum anderen das β-Tubulin-Gen. Dazu wurde aus Myzel von auf MEA kultivierten Isolaten (JKI-2187 und JKI-2188) die DNA mittels des Invisorb® Spin Plant Mini Kits (STRATEC Molecular GmbH, Berlin) isoliert. Für die Amplifikation des ITS-Abschnittes wurden die Primer ITS1 und ITS4 von White et al. (1995) verwendet sowie für das β-Tubulin Gen die Primer Bt2a und Bt2b von Glaas und Donaldson (1995). Nach Überprüfung der erfolgreichen Amplifikation der Genabschnitte wurden diese aufgereinigt (MSB® Spin PCRapace Kit, STRATEC Molecular GmbH, Berlin) und zur Sequenzierung der Firma LGC Genomis (Berlin) geschickt. Anschließend erfolgte der Sequenzabgleich mit bereits hinterlegten Sequenzen in einer GenBank (NCBI, http://www.ncbi.nlm.nih.gov). Beide Isolate (JKI-2187 und JKI-2188) hatten identische Basensequenzen und zeigten in der ITS1- und ITS4-Sequenz eine 99% Homologie gegenüber der Sequenz von Ce. parva Isolat CPC 5735 (GenBank Accession No. AY793454) und in der β-Tubulin-Sequenz eine 100% Übereinstimmung mit Ce. parva Isolat CPC 10956 (GenBank Accession No AY793489).

Untersuchungen zur Pathogenität

Zur Prüfung der Pathogenität von Ce. parva wurden am Pflanzenschutzamt Berlin und am JKI Braunschweig, Institut für Pflanzenschutz in Gartenbau und Forst, Infektionsversuche an Euonymus fortunei durchgeführt.

Versuche am Pflanzenschutzamt Berlin

Versuchsanordnung. Als Versuchspflanzen dienten zweijährige Euonymus fortunei ‘Emerald‘n Gold‘. In einer ersten Variante (Versuch B-1) wurden die Pflanzen mit einer Konidiensuspension des aus kranken Euonymuspflanzen isolierten Ce. parva inokuliert. Zehn Pflanzen wurden mit je 10 ml Suspension übersprüht und drei Wochen im Gewächshaus kultiviert. In dieser Zeit entwickelten die Euonymuspflanzen keine Krankheitssymptome. In einer weiteren Variante (Versuch B-2) wurden den Versuchspflanzen vor dem Einsprühen mit Konidien­suspension Verletzungen an Blättern und Trieben durch Hitze (Lötkolben) zugefügt. Danach wurden die Pflanzen einzeln in Tüten verpackt und zehn Tage bei 23°C, 12 h Licht kultiviert, danach weitere drei Wochen ohne Tüten.

Ergebnis. Auf den durch Hitzebehandlung nekrotisierten Blattteilen breitete sich Ce. parva gut aus und sporulierte, es erfolgte jedoch keine Besiedlung von gesundem Gewebe. Die ursprünglich beobachteten Schadsymptome ließen sich nicht reproduzieren.

Versuche am Julius Kühn-Institut Braunschweig

Versuchsanordnung. In zwei aufeinander folgenden Versuchen (JKI-1, JKI-2) wurden zweijährige Pflanzen der Sorte ‘Emerald’n Gold‘ mit einem Einsporisolat Ce. parva JKI-2188 inokuliert. Tab. 1 gibt eine Übersicht über die Versuchsvarianten. Als Inokulum diente wässrige Konidiensuspension der Dichte 105/ml oder pilzbewachsene Agarstückchen. Die Konidiensuspension (5 ml) wurde entweder über die gesamte Pflanze gesprüht oder an die mit Sandpapier angerauhte Triebbasis gegossen. Die Inokulation mit Agarstückchen erfolgte an den Nodien oder an der Triebbasis. Für die Inokulation an den Nodien wurden an fünf Trieben pro Pflanze jeweils die beiden Blätter an einem Nodium entfernt, das Nodium mit einer Nadel angestochen und ein pilzbewachsenes Agarstückchen aufgelegt. Für die Inokulation an der Trieb­basis wurde eine Rindenzunge eingeschnitten und das Impfstück eingelegt. Die Inokulationsstellen wurden mit feuchtem Zellstoff und Parafilm umwickelt. Kontrollpflanzen für die einzelnen Varianten wurden entsprechend behandelt, jedoch ohne Pilzisolat. Die Inkubation der Pflanzen erfolgte in der Klimakammer bei 21°C/16°C (Tag/Nacht), 90–100% relativer Luftfeuchte und 12 Stunden Licht. In den ersten drei Wochen standen die Pflanzen unter einem Folienzelt und wurden regelmäßig von oben bewässert. Für die Reisolierung wurden oberflächendesinfizierte Triebstücke vom Rand der Läsionen auf Kartoffel-Dextrose-Agar (PDA) ausgelegt und die Petrischalen bei 20°C im Dunkeln inkubiert.

Tab. 1. Infektionsversuche am Julius Kühn-Institut

Versuch/
Inokulation­stermin

Inokulum

Inokulationsmethode

Anzahl Pflanzen

inokuliert

nicht inokuliert

JKI-1/
02.05.2012

Konidiensuspension

Nadelstiche in Blätter
Einsprühen

20

16

 

Konidiensuspension

Stutzen von Trieben
Einsprühen

20

16

 

Konidiensuspension

leichter Verletzung der Triebbasis mit Sandpapier
Angießen

20

16

 

pilzbewachsenes Agarstück

Verletzung von Nodien
Applikation des Agarstücks direkt auf die Wun­de

20

16

JKI-2/
23.08. 2012

pilzbewachsenes Agarstück

Verletzung von Nodien
Applikation des Agarstücks direkt auf die Wun­de

40

20

 

pilzbewachsenes Agarstück

Applikation des Agarstücks in eine Rindenzunge an der Triebbasis

16

8

Ergebnis. Im Versuch JKI-1 entwickelten sich nach An­impfen pilzbewachsener Agarstücke an verletzten Nodien Krankheitssymptome. Sieben Wochen nach der Inokulation zeigten vier von 20 inokulierten Pflanzen Absterbe­erscheinungen an einzelnen Trieben. Die Symptome stimmten mit denen der erkrankten Pflanzen überein, aus denen Ce. parva ursprünglich isoliert wurde. Die Pflanzen aller anderen Varianten zeigten keine Krankheitssymptome. In dem Folgeversuch JKI-2 traten die ersten Symptome bereits nach drei Wochen auf. Sieben Wochen nach der Inokulation zeigten alle 40 Pflanzen, die an den Nodien inokuliert wurden, massive Absterbe­erscheinungen. Auch in diesem Versuch waren die Symp­tome identisch zu den Symptomen der natürlich erkrankten E. fortunei: Schokoladenbraune, den Stängel umfassende Läsionen, die sich von der Infektionsstelle aus akropetal ausdehnen und zum Absterben der Triebe führen (Abb. 3). Teilweise verfärbten sich die Blätter rötlich. An Pflanzen, die an der Triebbasis inokuliert wurden, entwickelten sich keine Krankheitssymptome. Dies gilt auch für alle nicht inokulierten Kontrollpflanzen. In Versuch JKI-1 und JKI-2 ließ sich Ce. parva aus inokulierten Pflanzen mit Symptomen reisolieren. Die Resiolate stimmten in ihren Merkmalen mit dem Ursprungsisolat überein. Damit sind die Koch’schen Postulate erfüllt.

Abb. 3. Reproduktion der Symptome an Euonymus fortu­nei ‘Emerald‘n Gold‘ – sieben Wochen nach Ino­kulation (Foto: Julius Kühn-Institut).

Abb. 3. Reproduktion der Symptome an Euonymus fortu­nei ‘Emerald‘n Gold‘ – sieben Wochen nach Ino­kulation (Foto: Julius Kühn-Institut).

Diskussion

Die Vermutung, dass es sich bei den Pilzisolaten aus geschädigten E. fortunei-Pflanzen um eine Art der Gattung Cylindrocladium handelt, war naheliegend, weil beide Isolate an den fertilen Hyphen Filamente mit terminalem Vesikel ausbilden. Die Konidien der Isolate JKI-2187 und JKI-2188 sind jedoch deutlich kleiner als in der Gattung Cylindrocladium üblich. Sie werden in runden bis leicht asymmetrischen Köpfchen durch farblosen Schleim zusammengehalten, während die Konidien von Cylindro­cladium-Arten in geraden oder leicht gebogenen zylin­drischen Clustern angeordnet sind. Ein weiterer Unterschied zu Cylindrocladium spp. ist das Fehlen von Septen in den Filamenten. Aufgrund dieser abweichenden morphologischen Merkmale wurden die beiden Isolate aus E. fortunei als Cylindrocladiella parva (P.J. Anderson) Boesewinkel identifiziert. Boesewinkel (1982) definierte die neue Gattung Cylindrocladiella, um kleinsporige Arten aus der Gattung Cylindrocladium zusammenzuführen. Anderson (1918) hatte ein kleinsporiges Cylindrocladium aus Rosen, das er zunächst als eine Zwergform von Cy. scoparium Morgan angesehen hatte, als Cy. parvum von Cy. scoparium abgegrenzt. Cylindrocladium parvum (P.J. Anderson) ist das Basionym von Ce. parva.

Die molekulargenetischen Untersuchungen der beiden Gen-Sequenzen ITS und β-Tubulin belegen mit sehr hoher Homologie (99% und 100%) der verwendeten Genabschnitte, dass es sich bei den Isolaten um Ce. parva handelt. Mit einer Homologie von 98% sind Ce. elegans und Ce. lageniformis molekulargenetisch den untersuchten Sequenzen am ähnlichsten (NCBI BLAST).

Mit den Kardinaltemperaturen min. unter 5°C, max. 35°C und opt. 25°C handelt es sich bei Ce. parva um eine eurythermale Art. Das heißt, der Pilz kann sich an einen breiten Temperaturbereich anpassen. Nach den Ergebnissen der eigenen Temperaturversuche scheinen Tem­peraturen von 20–25°C besonders günstig für die Entwicklung des Pilzes zu sein. Es ist also davon auszu­gehen, dass Infektionen eher in den Sommermonaten zu Schäden führen.

Da es nicht in allen Infektionsversuchen zur Ausbildung von Krankheitssymptomen kam, handelt es sich bei Ce. parva aus E. fortunei vermutlich um einen Schwächeparasiten, der nur unter ganz bestimmten Bedingungen, wie z.B. hoher Luftfeuchtigkeit und Verletzung, Schäden verursacht. In den vorliegenden Infektionsversuchen entwickelten sich nur dann Symptome, wenn nach Ent­fernen der Blätter an den Nodien inokuliert wurde. Möglicherweise spielt auch der Entwicklungszustand der Pflanzen eine Rolle für den Infektionsverlauf.

Bisher ist nicht bekannt, ob Ce. parva außer E. fortunei weitere Euonymus-Arten befällt. Der aus der Literatur ersichtliche Wirtspflanzenkreis deutet darauf hin, dass der Erreger Pflanzenarten aus sehr unterschiedlichen Gattungen befallen kann. Allerdings ließen sich in Infektionsversuchen Krankheitssymptome nicht immer reproduzieren und die Ergebnisse waren uneinheitlich. So gelang es Van Coller et al. (2005) nicht, bei Inokulation von Rebentrieben mit Ce. parva die Koch‘schen Postulate zu erfüllen. Dagegen konnten Agusti-Brisach et al. (2012) bei Verwendung einer anderen Inokulationsmethode die Pathogenität von Ce. parva an Rebensämlingen nachweisen. Diese unterschiedlichen Ergebnisse bestärken die Vermutung, dass Ce. parva als Schwächeparasit zuzuordnen ist, der auch saprophytisch leben kann.

Seit dem Erstauftreten von C. parva an E. fortunei im Jahr 2011 wurden bis auf einen Fall auf einem Friedhof in Niedersachsen keine weiteren Schäden aus der Praxis gemeldet. Die Bedeutung von Ce. parva an E. fortunei ist somit bisher als gering einzustufen. Es ist aber zu empfehlen, Euonymus-Bestände, insbesondere Jungpflanzen, aufmerksam zu kontrollieren. Dabei ist zu berücksich­tigen, dass auch Botrytis Absterbeerscheinungen verur­sachen kann, und eine rötliche Verfärbung der Blätter an E. fortunei auch eine Folge von Trockenheit oder Kälte sein kann. Bei den beschriebenen Symptomen ist auch ein Befall mit Phytophthora sp. nicht auszuschließen. Aus den USA wurde über ein Triebsterben an E. japonica berichtet, das durch eine Phytophthora-Art hervorgerufen wird, die eng verwandt zu P. citrophthora ist (Keim et al., 1981). Bei Absterbeerscheinungen an E. fortunei wird zur Klärung der Ursache dringend eine Laboruntersuchung angeraten.

Danksagung

Ganz herzlichen Dank an Elvira Dressler für ihre große Verlässlichkeit bei den Laborarbeiten. Frau Trautmann gilt unser Dank für die sehr umsichtig durchgeführten Infektionsversuche. Last not least ein Dankeschön an die Mitarbeiter der Gärtnerei, die mit viel Sorgfalt die Euonymus-Pflanzen für die Versuche großgezogen haben.

Literatur

Agusti-Brisach, C., S. Alaniz, D. Gramaje, A. Perez-Sierra, J. Armengol, 2012: First report of Cylindrocladiella parva and C. peruviana associated with black-foot disease of grapevine in Spain. Plant Disease 96 (9), 1381.

Anderson, P.J., 1918: Rose canker and its control. Massachusetts Agricultural Experiment Station Bulletin 183, 11-46.

Boesewinkel, H.J., 1982: Cylindrocladiella, a new genus to accommodate Cylindrocladium parvum and other small-spored species of Cylindrocladium. Can. J. Bot. 60, 2288-2294.

Brielmaier-Liebetanz, U., S. Wagner, S. Werres, 2013: First report of dieback on Euonymus fortunei caused by Cylindrocladiella parva in Germany. Plant Disease 97 (8), 1120.

Crous, P.W., A.J.L. Phillips, M.J. Wingfield, 1991: The genera Cylindrocladium and Cylindrocladiella in South Africa, with special reference to forest nurseries. Suid-Afrikaanse Bosboutydskrif 157, 69-85.

Crous, P.W., A.J.L. Phillips, M.J. Wingfield, 1993: New records of Cylindrocladium and Cylindrocladiella spp. in South Africa. Plant Pathology 42, 302-305.

Crous, P.W., 2002: Taxonomy and Pathology of Cylindrocladium (Calonectria) and allied genera. St. Paul, Minnesota, APS Press, 278 p.

Glaas, N.L., G.C. Donaldson, 1995: Development of primer sets designed for use with the PCR to amplify conserved genes from filamentous ascomycetes. Appl. Environ. Microbiol. 61 (4), 1323-1330.

Jones, E.E., D.S. Brown, C.M. Bleach, B. Pathrose, C. Barcla, M.V. Jaspers, H.J. Ridgway, 2012: First report of Cylindrocladiella parva as a grapevine pathogen in New Zealand. Plant Disease 96 (1), 144.

Keim, R., J. Klure, G.A. Zentmyer, 1981: A foliage blight of euonymus caused by Phytophthora. California Agriculture May-June, 16-17.

Nirenberg, H., 1976: Untersuchungen über die morphologische und biologische Differenzierung in der Fusarium-Sektion Liseola. Mitt. Biol. Bundesanst. Land-Forstwirtsch. 169, 1-117.

Scattolin, L., L. Montecchio, 2007: First report of damping-off of common oak plantlets caused by Cylindrocladiella parva in Italy. Plant Disease 91 (6), 771.

Van Coller, G.J., S. Denman, J.Z. Groenewald, S.C. Lamprecht, P.W. Crous, 2005: Characterisation and pathogenicity of Cylindrocladiella spp. associated with root and cutting rot symptoms of grapevines in nurseries. Australasian Plant Pathology 34, 489-498.

White, T.J., T. Bruns, S. Lee, J.W. Taylor, 1995: Amplification and direct sequencing of fungal ribosomal RNA genes for phylogenetics. In: Innis, M.A., D.H. Gelfand, J.J. Sninsky, T.J. White, (Eds.). PCR Protocols: A Guide to Methods and Applications. New York, Academic Press, 1990, 315-322.


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