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Originalarbeit – Kurzmitteilung

Sensorik zur Pflanzenschutzmittelreduzierung im Obstbau*

Sensor system for reducing plant protection products in fruit growing

Heinz Ganzelmeier
Institut
ehemals Julius Kühn-Institut – Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen, Institut für Anwendungstechnik im Pflanzenschutz, Braunschweig

Journal für Kulturpflanzen, 66 (2). S. 63–72, 2014, ISSN 1867-0911, DOI: 10.5073/JfK.2014.02.05, Verlag Eugen Ulmer KG, Stuttgart

Kontaktanschrift
Dr.-Ing. Heinz Ganzelmeier, Julius Kühn-Institut – Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen, Institut für Anwendungstechnik im Pflanzenschutz, Messeweg 11/12, 38104 Braunschweig, E-Mail: heinz.ganzelmeier@jki.bund.de
Zur Veröffentlichung angenommen
15. November 2013

Zusammenfassung

Ein beträchtliches Potential an Pflanzenschutzmittel (PSM) kann eingespart werden, wenn der Pflanzenschutzmittel­aufwand an die Dichte der Belaubung der Obstbäume und an die gerätetechnischen Parameter der Sprühgeräte angepasst wird. Dies haben das Institut für Anwendungstechnik des Julius Kühn-Instituts und das ESTEBURG Obstbauzentrum Jork in mehrjährigen Untersuchungen nachgewiesen. Hierzu wurden zunächst durch Analyse vorhandener Apfelbaum-Bestände des „Alten Landes“ vier Kennzahlen zu deren Charakterisierung abgeleitet. Auf dieser Grundlage wurde durch Auswertung umfangreicher Spritzbelagsmessungen ein Modell zur Berechnung von Durchdringung und Anlagerung von PSM entwickelt. Hierbei wurden auch die wesentlichen Geräte­parameter mit in Betracht gezogen und deren Einfluss auf die Durchdringung bestimmt. Unter der Voraussetzung, dass die Sprühverluste (gegenüberliegende Baumseite) vermindert und möglichst gleiche Spritzbeläge erzeugt werden, kann anhand des Rechenmodells die optimale PSM-Aufwandmenge in Abhängigkeit der Laubdichte und Geräteparameter bestimmt werden. Mit Hilfe einer Einstellanleitung/Handzettel wird gezeigt, wie die Aufwandmengenreduzierung in der obstbaulichen Praxis genutzt werden kann. Das Institut für Anwendungstechnik im Pflanzenschutz hat weitere Projektmittel akquiriert, die eine sensorgestützte Anpassung der Aufwandmenge zum Ziel haben.

Bei Feldspritzgeräten sind GPS-gestützte Teilbreiten­schaltungen die wichtigsten Assistenzsysteme der letzten Jahre. Das Institut für Anwendungstechnik im Pflanzenschutz hat ein Prüfverfahren für solche Systeme entwickelt und festgestellt, dass die derzeit marktverfügbaren Sys­teme recht ordentlich arbeiten.

Stichwörter: Durchdringung, Belaubungsdichte, Spritzbelagsmessungen, Sensor für Lückenschaltung, Multiple Regressionsanalyse, Reduzierung Pflanzenschutzmittelmenge, Teilbreitenschaltung

Abstract

A considerable amount of plant protection products can be saved if plant protection product doses are adjusted to the foliage density of fruit trees and to the technical equipment parameters of air-assisted sprayers. The Institute for Application Techniques in Plant Protection at the Julius Kühn-Institute and the ESTEBURG – Fruit-Growing Centre in Jork were able to confirm this after carrying out studies over several years. For this purpose, following their analysis, four parameters were derived to characterise existing apple tree plantations in the 'Altes Land' (south of the Elbe in the counties of Hamburg and Lower Saxony). Using this as a basis, a model was developed for calculating the penetration and deposition of PPPs by evaluating extensive spray deposit measurements. At the same time, the main equipment parameters were also taken into consideration and their influence on penetration was determined. Assuming that spray loss (other side of the tree) is reduced and that equal spray deposits are generated where possible, the optimum PPP dose can be determined on the basis of the calculation model according to foliage density and equipment parameters. Instructions for adjustment show how reduced doses can be used in fruit growing. The Institute for Application Techniques in Plant Protection has acquired further project resources with the aim of adjusting dosages using a sensor system.

GPS-aided section switching systems have been the most significant assisting systems over the last few years as far as field sprayers are concerned. The Institute for Application Techniques in Plant Protection has developed a test method for such systems and has come to the conclusion that the systems available on the market at the moment work very precisely.

Key words: Penetration, foliage density, spray deposit measurements, sensor for gap switching, multiple regression analysis, reducing the amount of plant protection products, boom section switching system

Einleitung

Eine wesentliche Aufgabe des modernen Pflanzenschutzes im Obstbau ist die Ausschöpfung aller Möglichkeiten zur Reduzierung des Aufwandes an Pflanzenschutzmitteln (PSM) und des Schutzes der Umwelt vor Belastungen bei Aufrechterhaltung des erreichten hohen Niveaus der Schaderregerbekämpfung (Ganzelmeier et al., 2012). Neben den praktisch bereits verfügbaren Möglichkeiten der Lückenschaltung und des Recycelns von nicht angelagerter Sprühflüssigkeit werden in Deutschland und auch international Anstrengungen unternommen, den Pflanzenschutzmittelaufwand an die Gegebenheiten der Belaubung der Apfelbäume und in Abhängigkeit von den Leistungsparametern des Sprühgerätes anzupassen (Rossell und Sanz, 2012). Diese PSM-Aufwandmengenanpassung wird über den jahreszeitlichen Verlauf zu einer durchschnitt­lichen Verringerung des Aufwandes an Pflanzenschutzmitteln, Kosteneinsparung und Verringerung der Umweltbelastung führen.

Bevor dieses Verfahren jedoch breiten Eingang in die obstbauliche Praxis finden kann, sind die Zusammenhängen zwischen Laubdichte, Geräteparametern und den auf den Zielflächen angelagerten Pflanzenschutzmittelmengen zu erarbeiten (Schmidt und Koch, 1995; Kaul et al., 2002; Cross et al., 2001; Cross et al., 1997; Dekeyser et al., 2011; Hendrickx et al., 2011; Endalew et al., 2011). Daraus sind Vorgaben für die Berechnung der Anpassung bzw. Reduzierung der Aufwandmenge abzuleiten. Als überaus wichtig ist zudem die Erprobung des Verfahrens durch die Anlage von Wirkungsversuchen im Vergleich mit dem herkömmlichen Verfahren anzusehen.

In Zusammenarbeit zwischen dem Institut für Anwendungstechnik des Julius Kühn-Instituts und dem ESTEBURG Obstbauzentrum Jork wurden umfangreiche Messungen zur Pflanzenschutzmittelablagerung auf den Zielflächen als Grundlage für die Entwicklung dieses Verfahrens durchgeführt und statistisch ausgewertet. In einem ersten Ergebnis wurde 2007 ein erstes Berechnungsmodell für die Pflanzenschutzmittelanlagerung aus den Daten abgeleitet. Auf dieser Grundlage konnten Wirkungsversuche mit ausgewählten Schaderregern über drei Jahre angelegt und ausgewertet werden. Im Ergebnis des Vergleichs mit der herkömmlichen Aufwandmenge wurden keine signifikanten Unterschiede festgestellt. Daraus kann die Sinnfälligkeit der Weiterführung und der Ausdehnung der Versuche abgeleitet werden.

Bei Feldspritzgeräten hat in jüngster Zeit die GPS-gestützte Teilbreitenschaltung große Resonanz in der landwirtschaftlichen Praxis gefunden. Erste Prüfungsergebnisse marktverfügbarer Schaltungen werden vorgestellt.

Voraussetzungen für die Anwendung des Verfahrens

Gleichmäßigkeit bei der Anlagerung der Pflanzenschutzmittel auf den Zielflächen ist ein wesentliches Qualitätskriterium bei der Applikation. Im Obstbau kann dieses Qualitätskriterium durch die Einstellung des Sprühgerätes erreicht werden (Kaul et al., 1998). Zu unterscheiden ist dabei zwischen der Gleichmäßigkeit über der Vertikalen und über der Horizontalen. Während es zur Gleichmäßigkeit der Verteilung über die Vertikale umfangreiche Untersuchungen und Einstellungsvorgaben für das Pflanzenschutzgerät gibt (z.B. Einstellanleitung des Julius Kühn-Instituts – Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen (JKI), Vertikalverteilungsprüfstand), ist die horizontale Verteilungsqualität oder auch die Durchdringung (Abb. 1) noch zu wenig untersucht (Kaul et al., 2003; Schmidt und Koch, 1995). Einfluss auf die Vertikalverteilung haben vor allem die Luftführung (die Richtung und Stärke der Luftströmung am Pflanzenschutzgerät) und die Ausrichtung der Düsen (Abb. 2).

Abb. 1. Geräteeinstellung – Voraussetzung für Effizienz und Qualität der Applikation.

Abb. 1. Geräteeinstellung – Voraussetzung für Effizienz und Qualität der Applikation.

Abb. 2. Durchdringung der Laubwand bei unterschiedlicher Laubdichte.

Abb. 2. Durchdringung der Laubwand bei unterschiedlicher Laubdichte.

Als Bearbeitungsmethode wurde die statistische Auswertung mit Hilfe der multiplen Regressionsanalyse gewählt. Voraussetzung für die statistische Auswertung von Messdaten ist die Beschreibung aller Einfluss nehmenden Parameter als Zahlenwert. So lassen sich beispielsweise Düsen ohne Probleme durch die Angabe von Tropfen­größe, Spritzwinkel usw. charakterisieren. Schwieriger wird das für die Charakterisierung der zu behandelnden Laubwand. Dazu gibt es einige Ansätze. Der hier gewählte Ansatz basiert auf einer Fotogalerie von Apfelbäumen, die die gesamte auftretende Palette an Baumtypen über den jahreszeitlichen Verlauf aus applika­tionstechnischer Sicht charakterisieren soll (Walklate et al., 2002). Durch Vergleich der realen Apfelanlage mit der Fotogalerie kann die zu behandelnde Obstanlage durch die Zahlenwerte in der Fotogalerie charakterisiert werden (Abb. 3).

Abb. 3. Kennzeichnung typischer Apfelbäume und deren Laubdichten (LD) durch Angabe der baumbedeckten Flächenanteile in Prozent.

Abb. 3. Kennzeichnung typischer Apfelbäume und deren Laubdichten (LD) durch Angabe der baumbedeckten Flächenanteile in Prozent.

Die dort angegebenen Zahlen kennzeichnen den durch Laub bzw. Äste bedeckten Bildanteil. Dazu wurden drei Bildausschnitte verwendet, nämlich der maximale Wert auf einer Fläche von 30 cm * 30 cm als maximale Laubdichte, ein Streifen von etwa 20 cm neben dem Stamm 30 cm Breite in einem Bereich von 1 m bis in etwa 1,80 m Höhe als Laubdichte in Stammnähe (in diesem Bereich wurden die Ablagerungswerte bei den Durchdringungsversuchen ermittelt) und die gesamte Kronenfläche zwischen zwei Stämmen als mittlere Laubdichte. Die mittlere Laubdicht könnte zukünftig für eine automatisierte Anpassung der Aufwandmenge Bedeutung haben.

Durch zusätzliche Angabe der Baumtiefe in Applikationsrichtung sind dann vier Zahlenwerte zur Beschreibung der Laubdichte verfügbar, wobei die Kombination dieser Werte zusätzliche Informationen über die Größe der Lücken liefert (Abb. 4).

Abb. 4. Beschreibung der Be­laubung durch vier Kennwerte.

Abb. 4. Beschreibung der Be­laubung durch vier Kennwerte.

Die ebenfalls wichtige Kennzeichnung des Sprühgerätes erfolgte durch die zahlenmäßige Angabe der mittleren Luftströmungsgeschwindigkeit am Gebläseauslass (Abb. 5).

Abb. 5. Herstellerangaben – Mittlere Luftgeschwin­digkeit am Gebläseaus­lass.

Abb. 5. Herstellerangaben – Mittlere Luftgeschwin­digkeit am Gebläseaus­lass.

Die ebenfalls als wichtig für die Ablagerungsmenge einzuschätzende Luftströmungsrichtung wurde durch den Winkel der oberen Luftströmungsgrenze beschrieben. Diese kennzeichnet eindeutig den Grad von Konvergenz bzw. Divergenz der Luftströmung am Sprühgerät (Abb. 6).

Abb. 6. Geräteeinstellung – Winkel der obersten Düse zur Horizontalen.

Abb. 6. Geräteeinstellung – Winkel der obersten Düse zur Horizontalen.

Anmerkungen zur Lückenschaltung: Das Ziel der Lückenschaltung besteht darin, mittels Sensoren Lücken in der Belaubung zu erkennen und die relevanten Düsen des Sprühgerätes entsprechend aus- und einzuschalten (Kaul et al., 2010). Die Realisierung dieser Forderung gestaltet sich jedoch besonders schwierig, da der abgetastete und besprühte Bereich bei den üblichen Sensoren und Düsen nicht in Übereinstimmung gebracht werden kann. Außerdem besprühen die Düsen in vertikaler Richtung das 5- bis 8-Fache des abgetasteten Bereiches. Dadurch entstehen Düsenüberlappungen, die eine Behandlung der Lücke zur Folge haben, obwohl der entsprechende Sensor die ihm zugehörige Düse abgeschaltet hat. Umgekehrt können Minderdosierungen in der Nähe der Lücken auftreten (Abb. 7).

Abb. 7. Vergleich von Sprühstrahl und Sichtfenster der Sensor­abtastung.

Abb. 7. Vergleich von Sprühstrahl und Sichtfenster der Sensor­abtastung.

Messungen und ihre Auswertung

Die Messanordnung wurde entsprechend Abb. 8 gewählt. Die Messung der Ablagerungsmenge und damit der Durchdringung der Laubwand erfolgte mit Hilfe von künstlichen Messflächen in Form von Filterpapierröllchen von ca. 10 cm Länge und 0,5 cm Durchmesser. Als Messflüssigkeit wurde Brillantsulfoflavin-Lösung verwendet. 18 Mess­flächen wurden 50 cm vor den Düsen, in der Mitte des Baumes und hinter dem Baum in einer Ebene nahe dem Stamm als Bereich mit dem dichtesten Laubwerk angeordnet. Zusätzlich wurden 12 Messträger in einer Baumlücke befestigt, um den Unterschied in der Ablagerungsmenge zwischen belaubtem und unbelaubtem Bereich erfassen zu können. Die zusätzlich auf einem Filterpapierstreifen gemessene Vertikalverteilung diente lediglich der Kontrolle der Gleichmäßigkeit der Flüssigkeitsverteilung über die Vertikale und wurde nicht in die Auswertung einbezogen.

Abb. 8. Messaufbau als Grund­lage zur Berechnung der Durchdringung.

Abb. 8. Messaufbau als Grund­lage zur Berechnung der Durchdringung.

Neben der Ablagerungsmenge auf den künstlichen Messträgern wurden alle denkbaren gerätetechnischen, wetterbedingten und laubwandspezifischen Einfluss­parameter bei jedem Versuch erfasst. Beeinflussbare Geräte- und Laubwandparameter wurden größtmöglich variiert (Abb. 9).

Abb. 9. Bei den Versuchen ge­messene Werte.

Abb. 9. Bei den Versuchen ge­messene Werte.

Die gemessenen Werte wurden in einer Matrix zusammengefasst. Das Ziel war, diese Daten zur Berechnung der Ablagerungsmenge der Messflüssigkeit in Abhängigkeit von wichtigen Parametern zu nutzen. Dafür wurde die multiple Regressionsanalyse des Softwarepakets SAS verwendet. Als Modellkriterium diente das Akaike-Kriterium, um Einflussfaktoren mit geringer Auswirkung auf das Ablagerungsergebnis von denen mit relevantem Einfluss zu trennen. Die Abhängigkeiten der Ablagerungsmenge der Messflüssigkeit von den als relevant anzu­sehenden Parametern sind in Abb. 10 dargestellt.

Abb. 10. Berechnung der Durch­dringung, Ergebnis der statistischen Auswer­tung der Messungen durch multiple Regres­sionsanalyse.

Abb. 10. Berechnung der Durch­dringung, Ergebnis der statistischen Auswer­tung der Messungen durch multiple Regres­sionsanalyse.

Auf dieser Basis wurde die Regressionsgleichung für die Baummitte und den Laubwandrand auf der vom Sprühgerät abgewandten Seite berechnet. Diese ermöglicht die Bestimmung der Ablagerungsmenge an den Außenseiten der Baumreihe und in Baummitte sowohl für einseitige und mit Hilfe der Summenbildung auch für beidseitige Applikation.

Ansatz für die Anpassung der Aufwandmenge

Als Ansatz für die Berechnung der PSM-Aufwandmengen­anpassung, d.h. die Reduzierung der Pflanzenschutzmittelmenge, wird die Beurteilung der geräte- und anlagenspezifischen Horizontalverteilung der Anlagerungsmenge genutzt. Dabei treten bei einseitiger Applikation zwei grundlegende Situationen auf. Erstens kann bei vollständiger Durchdringung auf der Rückseite der Baumreihe (vom Sprühgerät aus gesehen) eine bestimmte Ablagerungsmenge austreten. Zweitens kann die Durchdringung nicht vollständig sein und somit keine Ablagerungsmenge auf der Rückseite der Baumreihe gemessen werden (Abb. 11). Wenn bei vollständiger Durchdringung auf der Baumrückseite eine Ablagerungsmenge gemessen wird, so ist dies der „mögliche Überschuss“, der nicht erforderlich ist.

Abb. 11. Ansatz für die Reduzie­rung der Pflanzen­schutzmittelmenge.

Abb. 11. Ansatz für die Reduzie­rung der Pflanzen­schutzmittelmenge.

Dieser ist nicht unbedingt erforderlich, um den Bekämpfungserfolg zu sichern. Die Berechnung einer möglichen Aufwandmengenreduzierung basiert damit auf dem Wert der Durchdringung der Bäume. Sie kann als objektiv und vom Obstbaugebiet unabhängig angesehen werden.

Abb. 11 zeigt das daraus resultierende mögliche Einsparungspotential. Unter praktischen Bedingungen wird dabei eine Reduzierung der Aufwandmenge auf maximal bis zu 70% der Soll-Aufwandmenge erreicht.

Berechnungsbeispiel

Zur Darstellung der Reduzierungsmöglichkeiten über den jahreszeitlichen Verlauf wurde ein Berechnungsbeispiel für einen bestimmten Baumtyp gewählt (Abb. 12).

Abb. 12. Berechnung der Pflan­zenschutzmittel-Auf­wandmenge im Jahresverlauf.

Abb. 12. Berechnung der Pflan­zenschutzmittel-Auf­wandmenge im Jahresverlauf.

Entsprechend dem Berechnungsergebnis (rote Felder) zur PSM-Aufwandmengenanpassung ist der dominierende Einfluss der Belaubungsdichte erkennbar. Das Einsparpotential wird im Frühjahr als am größten ausgewiesen. Zu diesem Zeitpunkt beginnt die Laubentwicklung. Bei voller Belaubung ist keine Einsparung möglich, die volle Aufwandmenge ist anzuwenden.

Wirkungsversuche

Zur Absicherung der vorgeschlagenen Verfahrensweise wurden Wirkungsversuche über den Zeitraum von drei Jahren zu Apfelschorf, Obstbaumspinnmilbe und Apfelmehltau in Verantwortung des ESTEBURG Obstbauzentrums Jork durchgeführt. Die Ergebnisse der Wirkungsversuche rechtfertigen eine Ausdehnung des Versuchsumfangs und eine vorerst begrenzte Einführung in die Praxis.

Anwendung des Verfahrens

Um das vorgeschlagene Verfahren anwenden zu können, sind leicht verständliche Vorgaben für den Anwender erforderlich. Dies kann im gegenwärtigen Stadium der Entwicklung durch gerätespezifische Einstellanleitung/Handzettel) verwirklicht werden (Abb. 13). Auf diesen ist das eingesetzte Pflanzenschutzgerät mit seinen Einsatzparametern charakterisiert. Daneben wird eine vereinfachte Baumgalerie angegeben, bei der die PSM-Aufwandmengenanpassung durch die Farbe des Rahmens gekennzeichnet wird.

Abb. 13. Einstellanleitung (Handzettel) zur PSM-Aufwandmengen­­anpassung Holder.

Abb. 13. Einstellanleitung (Handzettel) zur PSM-Aufwandmengen­­anpassung Holder.

Durch Vergleich und Auswahl des beim Obstbauern vorhandenen Baumtyps mit den Bäumen in der Galerie und Ablesen der möglichen Aufwandmengenreduzierung über die Rahmenfarbe werden die notwendigen Informationen zur PSM-Aufwandmengenanpassung gewonnen. Für die praktische Anwendung kann die Aufwandmengenreduzierung durch geringere Zugabe von Pflanzenschutzmittel in den Behälter (insbesondere zur Durchführung von Versuchen), durch schnelleres Fahren oder durch Verringerung der applizierten Flüssigkeitsmenge erreicht werden. Letztere beiden Verfahren eignen sich für die praktische Anwendung. Das hier beschriebene Verfahren basiert auf der Durchdringung der Bäume und kann deshalb als objektiv und vom Obstanbaugebiet unabhängig angesehen werden.

Es konnte gezeigt werden, dass bei Anpassung der relevanten gerätetechnischen Parameter an die jeweilige Obstanlage, die hinsichtlich Laubdichte und Baumtiefe stark variieren, beträchtliche Pflanzenschutzmitteleinsparungen möglich sind. Dies sollte Forscher und Entwickler von Sprühgeräten motivieren, sensorgestützte Lösungen auch für Sprühgeräte des Obstbaus zu entwickeln, die technisch anspruchsvoll sind und zuverlässig funktionieren.

Das Institut für Anwendungstechnik des Julius Kühn-Instituts hat weitere Forschungsmittel akquiriert, um mit Herstellern von Sensoren und Sprühgeräten diese Entwicklungen voranzubringen.

Assistenzsysteme bei Feldspritzgeräten

GPS-unterstützte Teilbreitenschaltungen und automatische Reinigungssysteme sind die wichtigsten Assistenzsysteme der letzten Jahre für Feldspritzgeräte (Herbst et al., 2012a; Herbst et al., 2012b).

Das Institut für Anwendungstechnik hat 6 Anhänge­geräte (4000 bis 6000 l und 27/28 m), die mit diesen Systemen ausgestattet waren, untersucht, um sich ein Bild über deren Arbeitsweise und Gebrauchstauglichkeit zu verschaffen.

Automatische Teilbreitenschaltungen (ATS) sollen bei abnehmender bzw. zunehmender Spritzbreite (z.B. bei Keilen) Teilbreiten des Spritzgestänges automatisch ab- und anschalten, so dass möglichst Fehlstellen oder Doppelbehandlungen unterbleiben. Die ATS arbeiten GPS-gestützt und ohne Zutun des Fahrers. Untersucht wurde, welche Schaltgenauigkeit diese Systeme aufweisen und ob die möglichen Einstellungen (0%, 50%, 100% Überlappung) auch eingehalten werden. Dazu wurde ein spezieller Messaufbau gewählt, um die Schaltzeitpunkte exakt und mit hoher Reproduzierbarkeit bestimmen zu können (Abb. 14).

Abb. 14. Versuchsanordnung zur Bestimmung der Schaltge­nauigkeit von automatischen Teilbreitenschaltun­gen.

Abb. 14. Versuchsanordnung zur Bestimmung der Schaltge­nauigkeit von automatischen Teilbreitenschaltun­gen.

Die Ergebnisse zeigen, dass nach Justierung des Gesamtsystems (Hydraulik und Elektrik) alle 6 Systeme recht ordentlich arbeiten. Bei einer Einstellung von 50% Überlappung werden tatsächliche Überlappungen von 31% bis max. 90% erzielt (Abb. 15).

Abb. 15. Gemessene Überlap­pungen bei einer Sol­leinstellung von 50% und einer Fahrge­schwindigkeit von 8 km/h.

Abb. 15. Gemessene Überlap­pungen bei einer Sol­leinstellung von 50% und einer Fahrge­schwindigkeit von 8 km/h.

Außerdem wurde festgestellt, dass die Systeme insgesamt zu früh schalten, dies gilt sowohl für Fahrgeschwindigkeiten von 8 km/h als auch für 16 km/h (Abb. 16).

Abb. 16. Schaltfehler beim Aus­fahren aus dem Vorge­wende.

Abb. 16. Schaltfehler beim Aus­fahren aus dem Vorge­wende.

Danksagung

Den Kollegen, Dr.-Ing. Peter Kaul und Dr.-Ing. Andreas Herbst, die diese Forschungsprojekte verantwortlich geleitet haben, sei für die Bereitstellung der Ergebnisse gedankt.

Literatur

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Fußnoten:

*  

Der Artikel basiert auf einem Vortrag anlässlich des 1. Julius-Kühn- Symposiums „Sensorik im Pflanzenbau“.

ISSN (elektronisch): 1867-0938
ISSN (print): 1867-0911
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