JfK Kopfgrafik
Home / Archiv / Bd. 66 Nr. 10 (2014) / Originalarbeit – Kurzmitteilung
Originalarbeit – Kurzmitteilung

Bedeutung von Anwendungstechnik und Geräteprüfung für die Pflanzenschutzmittelzulassung*

Importance of plant protection equipment/application techniques from the authorization point of view

Martin Streloke
Institut
Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit, Braunschweig

Journal für Kulturpflanzen, 66 (10). S. 337–339, 2014, ISSN 1867-0911, DOI: 10.5073/JfK.2014.10.02, Verlag Eugen Ulmer KG, Stuttgart

Kontaktanschrift
Dr. Martin Streloke, Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit, Messeweg 11/12, 38104 Braunschweig, E-Mail: martin.streloke@bvl.bund.de
Zur Veröffentlichung angenommen
1. September 2014

Einleitung

Im Rahmen der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln bestehen vielfältige Anknüpfungspunkte zur Anwendungstechnik. Deutlich wird dies alleine schon durch die Regelung beider Bereiche in denselben nationalen Gesetzen und Verordnungen wie dem Pflanzenschutzgesetz und den Pflanzenschutzmittelverordnung seit mindestens 30 Jahren (Pflanzenschutzgesetz, 2012; Pflanzenschutzmittelverordnung, 2005). Die intensive fachliche Zusammenarbeit von Regulierung und Technik erfolgt schon über lange Zeit (Rautmann und Streloke, 2001).*

In dem Beitrag wird die Zusammenarbeit von Gerätetechnik und Zulassungsverfahren beispielhaft für die Bereiche Wirksamkeit und Gesundheitsschutz dargestellt. Die intensive Kooperation für Risikobewertung und -management zum Schutz des Naturhaushaltes über die letzten 20 Jahre wird erläutert. Expositionsbewertungen für den Eintragspfad Abdrift, Sicherheitsabstände und verlustmindernde Technik spielen dabei eine besondere Rolle.

Bedeutung von Anwendungstechnik und Geräte­prüfung für die Pflanzenschutzmittelzulassung

Aktueller Rechtlicher Rahmen

Die Anwendung und Zulassung von Pflanzenschutzmitteln ist mittlerweile europarechtlich geregelt. Während in der direkt in Mitgliedstaaten wirksam werdenden Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 (European Commission, 2009a) die maßgeblichen Regeln für die Zulassung enthalten sind, werden in der Rahmenrichtlinie 2009/128/EG (European Commission, 2009b) für die nachhaltige Nutzung von Pestiziden Anforderungen an die Anwendung der Präparate formuliert. Mit dem neuen Pflanzenschutzgesetz aus dem Februar 2012 werden insbesondere Vorgaben des letztgenannten Regelwerkes in nationales Recht überführt. Diese Regelung enthält ebenfalls diverse Bezüge zur Anwendungstechnik.

Wirksamkeit und Gesundheitsschutz

Jede Zulassung in Deutschland beinhaltet neben der Festlegung des Anwendungsgebietes – also Kultur und Schaderreger – auch die genaue Beschreibung der Anwendung. Hierzu gehören einfache Angaben wie z.B. „spritzen oder „streuen“, aber teilweise auch sehr spezielle zur Anwendungsstechnik wie z.B. „spritzen als Reihenbehandlung/mit Dreidüsengabel“, die für Anwendungen in Erdbeeren mit hohem Wasseraufwand typisch sind; die entsprechende Nutzung ist Teil der Guten fachlichen Praxis und damit für jeden Anwender verbindlich. Nun ist es für übliche Anwendungen gerade in feldbau­lichen Großkulturen nicht weiter schwierig, die – zumal von den Antragstellern vorformulierten – Angaben in die offiziellen Beschreibungen der Anwendungen zu übernehmen. Gerade in gartenbaulichen Kulturen oder noch spezielleren Kleinkulturen sind nicht nur spezielle gerätetechnische Eigenschaften zu verstehen. Vielmehr geht es auch um die Frage nach der Verbreitung der Geräte in der Praxis und der für Praktiker eindeutigen und verständ­lichen Bezeichnung der Gerätetechnik. Solche speziellen Fragen werden im Austausch mit Experten für Gerätetechnik geklärt. Schließlich müssen die Angaben auch eindeutig für andere Bewertungsbereiche wie z.B. den Schutz der Anwender oder von Nichtzielorganismen sein, um dort die gesetzlich geforderten Risikobewertungen sinnvoll durchführen zu können.

Schon lange hat der Schutz der Anwender von Pflanzenschutzmitteln eine sehr hohe Bedeutung bei deren Zulassung. Bei der Durchführung von Forschungsprojekten sowie der Erstellung von Expositionsmodellen spielt die eingesetzte Anwendungstechnik eine zentrale Rolle. Dabei ging und geht es nicht nur darum, durch die Einbeziehung von gerätetechnischem Sachverstand möglichst realistische und repräsentative Versuche durchzuführen und Modelle zu erstellen. Vielmehr diente dieser auch der gleichzeitigen technischen Optimierung der Geräte, um einen möglichst hohen Anwenderschutz zu erreichen. Damit einhergehend wurden die entsprechenden Anforderungen im Zulassungsverfahren kontinuierlich erhöht.

Naturhaushalt

In Deutschland wurden in den letzten 20 Jahren viele Feldversuche zur Ermittlung der Abdrift in benachbarte Nichtzielbereiche von behandelten Flächen durchgeführt (Ganzelmeier et al., 1995). Ziel war zunächst die Ermittlung der Abnahme von gemessenen Rückständen in Petri-Schalen als Grundlage für die Festlegung von Sicherheitsabständen zu Gewässern bzw. genauer der dort lebenden Organismen. Für die Auswahl und Spezifizierung der Geräte waren Experten für Anwendungsgeräte herangezogen worden. Auswertung und Diskussion der Versuchs­ergebnisse erfolgte ebenfalls unter ihrer Führung. Hin­gegen erfolgte die auf dieser Grundlage vorgenommene Festsetzung der sogenannten Abdrifteckwerte unter Federführung der für die Risikobewertung und das Risiko­management zuständigen Bundesbehörden. Diese Abdrift­eckwerte werden mittlerweile nicht nur für Gewässer – Oberflächen- und Grundwasser – sondern auch für den terrestrischen Bereich zur Bewertung der Risiken für Wirbellose und Pflanzen genutzt. Gleiches gilt neuerdings für den Schutz der Gesundheit Nebenstehender („Bystander“) wie Spaziergänger oder Anwohner. Die Expositionsdaten werden den entsprechenden ökotoxikologischen Prüfergebnissen gegenüber gestellt und mit den entscheidungsrelevanten Triggerwerten der Einheitlichen Grundsätze verglichen. Seit mindestens 10 Jahren sind die sogenannten „Ganzelmeier values“ eine feste Größe in den regulatorischen Verfahren auf europäischer Ebene (FOCUS, 2001). Die weltweite Nutzung der Abdriftmess­ergebnisse aus den Praxisversuchen im wissenschaft­lichen Bereich wurde insbesondere durch eine frühe Publikation der – standardisierten – Prüfmethoden und der Daten aus den Einzelversuchen in englischer Sprache gefördert.

Durch die Nutzung der Abdrifteckwerte für die Risikobewertung im Zulassungsverfahren werden für einzelne Mittel, vor allem aber bestimmte Indikationen in Raumkulturen Risiken ermittelt, die nach den Kriterien der Einheitlichen Grundsätze nicht mehr annehmbar sind. Eine Zulassung solcher Mittel oder Indikationen wäre damit nicht mehr möglich. Dadurch dass die Abdrift­eckwerte Risikobewertungen für verschiedene Abstände z.B. zu Gewässern erlauben, war das ganze Abdriftmessprogramm von Beginn an auf die Bereitstellung aus­reichender Mittel und Indikationen für den praktischen Pflanzenschutz hin ausgerichtet. Die Erteilung rechtlich verbindlicher und mittlerweile kontrollierter Sicherheitsabstände zu Gewässern war in Deutschland die wichtigste und bisher am häufigsten erteilte Risikominderungsmaßnahme zum Schutz des Naturhaushaltes.

Mit den Sicherheitsabständen zu Gewässern wurden einerseits Indikationen und Mittel erst zulassungsfähig gemacht. Auf der anderen Seite stellen gerade größere Abstände auch eine gravierende Einschränkung des praktischen Pflanzenschutzes dar. Gerade durch die starke Beteiligung von Experten für Anwendungstechnik wurde deshalb sehr schnell über technische Möglichkeiten der Abdriftminderung diskutiert. Mit der offizialisierten Geräteprüfung in Deutschland stand zusätzlich ein Instrument zur Verfügung, innovative Techniken durch eine rechtlich verbindliche, entlastende Berücksichtigung im Rahmen der erteilten Anwendungsbestimmungen zu fördern (BBA, 2000). Zusammen mit der Innovationsfreudigkeit der Gerätehersteller und der hohen Akzeptanz technischer Problemlösungen unter den Anwendern von Pflanzenschutzmitteln wurde insgesamt eine Verbreitung wirkungsvoller verlustminder Anwendungstechnik wie in keinem anderen Land erreicht. Diese Entwicklung ist umso erstaunlicher, als bis zu Beginn der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts allseits die möglichst feintropfige – aber leider abdriftfördernde – Applikation angepriesen worden war. Mittlerweile ist auch die Förderung verlustarmer Anwendungstechnik durch die entlastende Berücksichtigung bei der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln auf europäischer und OECD-Ebene angekommen (FOCUS, 2007). In Deutschland ist das Thema mittlerweile schon in Nischen wie z.B. der Anwendung mit Luftfahrzeugen angekommen. Die Hubschrauber sind heute auch mit abdriftmindernden Düsen bestückt.

Der fachwissenschaftliche Austausch zwischen den führenden Forschungsgruppen im Bereich Gerätetechnik in Europa ist seit langem etabliert. Im Rahmen der OECD oder ISO wird die Standardisierung der Technik erfolgreich betrieben. Als sehr schwierig hat sich demgegenüber die Harmonisierung der Abdrifteckwerte innerhalb der EU – insbesondere der zentralen Zone – im Hinblick auf die Festlegung von Risikominderungsmaßnahmen in den einzelnen Mitgliedstaaten erwiesen. Gerade zwischen den Niederlanden und Deutschland gibt es hier gravierende Unterschiede, die zukünftig bei der Erteilung von Zulassungen im Rahmen des neuen zonalen Verfahrens nach der Verordnung (EU) 1107/2009 zu Schwierigkeiten führen werden. Auf Initiative der Niederlande hat es dazu einen speziellen Workshop gegeben. An der Har­monisierung der Ansätze wird aber noch gearbeitet. Hier besteht noch dringender Handlungsbedarf.

Daneben hat es immer wieder spezielle Probleme gegeben, in denen eine enge Zusammenarbeit zwischen Anwendungstechnik und Zulassungsarbeit notwendig wurde: So z.B. zur Reduzierung von Fällen, bei denen Blätter von Nichtzielpflanzen durch Abdrift und/oder Verflüchtigung von Clomazonehaltigen Mitteln vorübergehend ausbleichen („bleaching“). Hier wurde zur Verminderung der Verflüchtigung und Abdrift eine mindestens zu nutzende Wassermenge pro Hektar rechtsverbindlich festgelegt. Zudem wurde ein Abstand zu allen Flächen in der Nachbarschaft der Applikationsflächen festgesetzt.

Für die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln in Steillagen des Weinbaues sowie des Kronenbereiches von Wäldern wurden in den letzten Jahren spezielle Abdriftwerte für die Ausbringung mit Luftfahrzeugen erarbeitet. Zudem wurde die Anwendung nur auf Hubschrauber eingeschränkt, da Starrflügler nachweislich deutlich mehr Abdrift produzieren. Durch Messungen wurden zudem bestimmte abdriftmindernde Gestänge und Düsen ermittelt, die anschließend in den relevanten Zulassungen/Genehmigungsverfahren als Grundlage für die Risiko­bewertung genutzt und als rechtsverbindliche Anwendungsbeschränkung festgelegt wurden.

Die enge Verzahnung der Gerätetechnik mit der Zulassung hat in den letzten 20 Jahren maßgeblich zur Entschärfung von Konflikten zwischen Ökonomie und Ökologie beigetragen. Die Anforderungen aus der Zulassung haben die Einführung moderner Anwendungstechnik erheblich beschleunigt. Es bleibt zu hoffen, dass sich dieser Prozess auf europäischer Ebene wiederholt.

Literatur

BBA (Biologische Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft), 2000: Sechste Bekanntmachung über die Eintragung in das Verzeichnis „Verlustmindernde Geräte“, Biologische Bundesanstalt für Forst- und Landwirtschaft, Braunschweig. 2000. 3 S.

European Commission, 2009a: Regulation (EC) No 1107/2009 of the European Parliament and of the Council of 21 October 2009 concerning the placing of plant protection products on the market and repealing Council Directives 79/117/EEC and 91/414/EE.

European Commission, 2009b: Directive 2009/128/EC of the European Parliament and of the Council of 21 October 2009 establishing a framework for Community action to achieve the sustainable use of pesticides.

FOCUS, 2001: FOCUS Surface Water Scenarios in the EU Evaluation Process under 91/414/EEC. Report of the FOCUS Working Group on Surface Water Scenarios, European Commission Document Reference SANCO/4802/2001-rev.2, 245 S.

FOCUS, 2007: Landscape and mitigation factors in aquatic ecological risk Assessment. Report of the FOCUS Working Group on Landscape and Mitigation Factors in Ecological Risk Assessment, EC SANCO/10422/2005, version 2.0, September 2007, http://focus.jrc.ec.europa.eu/lm/.

Ganzelmeier, H., D. Rautmann, R. Spangenberg, M. Streloke, M. Herrmann, H.-J. Wenzelburger, H.F. Walter, 1995: Untersuchungen zur Abdrift von Pflanzenschutzmitteln. Mitt. Biol. Bundesanst. Land-Fortwirtsch. Berlin-Dahlem 304, 111 S.

Ganzelmeier, H., D. Rautmann, R. Spangenberg, M. Streloke, M. Herrmann, H.-J. Wenzelburger, H.F. Walter, 1995: Studies on the spray drift of plant protection products. (Untersuchungen zur Abdrift von Pflanzenschutzmitteln). Mitt. Biol. Bundesanst. Land-Fortwirtsch. Berlin-Dahlem 305, 111 p.

Gesetz zum Schutz der Kulturpflanzen (Pflanzenschutzgesetz – PflSchG), 2012: Pflanzenschutzgesetz vom 6. Februar 2012 (BGBl. I S. 148, 1281).

Pflanzenschutzmittelverordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 9. März 2005 (BGBl. I S. 734), zuletzt geändert durch Artikel 3 § 7 des Gesetzes vom 13. Dezember 2007 (BGBl. I S. 2930).

Rautmann, D., M. Streloke, 2001: Die Verzahnung der Prüfung der Pflanzenschutzgeräte mit der Zulassung der Pflanzenschutzmittel. Nachrichtenbl. Deut. Pflanzenschutzd. 53 (10), 270-273.


Fußnoten:

*  

Der Artikel basiert auf einem Vortrag anlässlich der Fachtagung Gerätetechnik zur Verabschiedung von Herrn Dr.-Ing. Ganzelmeier im September 2012.

ISSN (elektronisch): 1867-0938
ISSN (print): 1867-0911
Verlag
Eugen Ulmer KG
Ulmer-Logo
Verantwortlicher Herausgeber
Präsident und Professor
Prof. Dr. Frank Ordon
Julius Kühn-Institut - Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen
Erwin-Baur-Str. 27
06484 Quedlinburg
Schriftleitung
Dr. Anja Hühnlein
Julius Kühn-Institut - Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen
Erwin-Baur-Str. 27
06484 Quedlinburg
E-Mail: journal-kulturpflanzen@julius-kuehn.de
Co-Schriftleitung
Dr. Ulrike Stahl
Julius Kühn-Institut - Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen
Layout/Technische Umsetzung
mediaTEXT Jena GmbH
mediaTEXT-Logo
Julius Kühn-Institut (JKI)
Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen
 
Erwin-Baur-Str. 27
06484 Quedlinburg
Deutschland
Fon: 03946 47-0
Fax: 03946 47-255
Mail: poststelle@julius-kuehn.de
De-Mail: poststelle@julius-kuehn.de-mail.de
Impressum
 
Diese Zeitschrift wird vom Julius Kühn-Institut herausgegeben.
JKI-Logo