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Originalarbeit – Kurzmitteilung

Anwendungstechnische und prüfungsbegleitende Forschungsarbeiten des Instituts für Anwendungstechnik im Pflanzenschutz*

Research on application techniques and on test methods at the Institute of Application Techniques in Plant Protection

Andreas Herbst
Institut
Julius Kühn-Institut – Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen, Institut für Anwendungstechnik im Pflanzenschutz, Braunschweig

Journal für Kulturpflanzen, 66 (10). S. 344–348, 2014, ISSN 1867-0911, DOI: 10.5073/JfK.2014.10.04, Verlag Eugen Ulmer KG, Stuttgart

Kontaktanschrift
Dr.-Ing. Andreas Herbst, Julius Kühn-Institut, Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen, Institut für Anwendungstechnik im Pflanzenschutz, Messeweg 11/12, 38104 Braunschweig, E-Mail: andreas.herbst@jki.bund.de
Zur Veröffentlichung angenommen
1. September 2014

Zusammenfassung

Neben der Prüfung von Pflanzenschutzgeräten ist Forschung in unterschiedlichen Bereichen der Applikationstechnik und Pflanzenschutzverfahren eine vorrangige Aufgabe des Instituts für Anwendungstechnik im Pflanzenschutz. Die vielfältigen Projekte lassen sich in zwei Hauptrichtungen unterscheiden: Die prüfungsbegleitende Forschung und die anwendungstechnische Forschung. Der Beitrag gibt für beide Hauptrichtungen einen Überblick über laufende oder kürzlich abgeschlossene Pro­jekte; jeweils ein Projekt wird ausführlicher erläutert.*

Stichwörter: Forschung, Anwendungstechnik, Pflanzenschutzgeräteprüfung

Abstract

In addition to the testing of plant protection equipment, research in different areas of application techniques and plant protection methods is a main task of the Institute for Application Techniques in Plant Protection. The diverse projects can be classified as research assigned to the testing as well as research assigned to application techniques. This paper will give a review of ongoing and recently completed projects for both classes; detailed explanations are given for one project of each class.

Key words: Research, application techniques, sprayer testing

Einleitung

Das Institut für Anwendungstechnik im Pflanzenschutz des Julius Kühn-Instituts (JKI), Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen, ist in Deutschland zuständig für die Prüfung von Pflanzenschutzgeräten. Darüber hinaus betreibt das Institut Forschung auf dem Gebiet der Pflanzenschutztechnik und anderer Technologien, die im Pflanzenschutz eingesetzt werden.

Die vielfältigen Forschungsaktivitäten lassen sich in zwei Hauptrichtungen aufteilen: Prüfungsbegleitende Forschung zur Entwicklung von Methoden und Kriterien für die Prüfung von Pflanzenschutzgeräten sowie anwendungstechnische Forschung zur Weiterentwicklung und Verbesserung von Pflanzenschutzgeräten und -verfahren.

In diesem Beitrag wird für beide Forschungsrichtungen je ein Vorhaben ausführlicher erläutert; weitere Beispiele werden genannt.

Prüfungsbegleitende Forschung

Bewertung von Sägeräten hinsichtlich der Abdrift von Beizstaub

Mais wird hauptsächlich mit Einzelkornsägeräten aus­gesät. Dabei erfolgt die Vereinzelung der Saatkörner in den Säaggregaten meist mit Unterdruck, der durch ein zentrales Gebläse erzeugt wird. Die dabei ausgeblasene Abluft ist mit Abriebpartikeln des für die Saatgutbehandlung eingesetzten Beizmittels kontaminiert. Durch Beizstaubabdrift verursachte massive Bienenverluste im süddeutschen Raum bei der Aussaat 2008 waren Anlass, nur noch Sägeräte zu akzeptieren, bei denen die Abluft in oder auf den Boden geleitet wird, um so die Abdrift um mindestens 90% im Vergleich zu herkömmlichen Geräten zu reduzieren.

Beim JKI wurde ein Verfahren entwickelt, mit dem die Abdriftminderung bei Sägeräten ermittelt werden kann. In Anlehnung an das Verfahren zur Abdriftmessung bei Pflanzenschutzgeräten wird dabei eine Fläche von 18 m Breite und ca. 30 m Länge mit dem Sägerät bestellt und gleichzeitig auf der angrenzenden Fläche ermittelt, wie viel „Beizstaub“ in 1 m, 3 m und 5 m auf dem Boden sedimentiert (Abb. 1).

Abb. 1. Feldversuch zur Ermitt­lung der Beizstaub­abdrift bei Sägeräten.

Abb. 1. Feldversuch zur Ermitt­lung der Beizstaub­abdrift bei Sägeräten.

Um die Geräte unabhängig von Einflüssen des Saat­gutes und der Beizqualität prüfen zu können, wird unbehandeltes Saatgut verwendet. Über einen auf dem Gerät montierten Staubdosierer (Palas RBG 1000, Abb. 2) wird ein staubförmiger fluoreszierender Farbstoff (Brillantsulfoflavin) der Ansaugseite des Sägeräte-Gebläses definiert zugeführt.

Abb. 2. Staubdosierer zur definierten Einspeisung eines fluoreszierenden Farbstoffes in die Ansaugöffnung des Gebläses.

Abb. 2. Staubdosierer zur definierten Einspeisung eines fluoreszierenden Farbstoffes in die Ansaugöffnung des Gebläses.

Als Kollektoren für das Staubsediment werden Petri­schalen mit angefeuchtetem Filterpapier verwendet, 10 Stück pro Messentfernung im Abstand von ca. 1 m. Es werden drei Versuche durchgeführt, so dass pro Entfernung 30 Messwerte zur Verfügung stehen, die zu einem Driftindex zusammengefasst werden, der angibt, wie viel Abdrift bezogen auf konventionelle Sägeräte entsteht.

Für eine Auswahl von Geräten sind die Ergebnisse in Abb. 3 dargestellt. Geräte mit einer Abdriftminderung von mindestens 90% (Driftindex höchstens 10) werden in ein offizielles JKI-Verzeichnis eingetragen und dürfen für die Aussaat von mit Mesurol gebeiztem Saatgut verwendet werden. Es wird deutlich, dass nicht alle modifizierten Geräte diese Anforderung erfüllen und deshalb eine Prüfung in jedem Falle notwendig ist.

Abb. 3. Ergebnisse der Messun­gen zur Staubabdrift.

Abb. 3. Ergebnisse der Messun­gen zur Staubabdrift.

Abb. 4 zeigt Beispiele für technische Lösungen zur Reduzierung der Staubabdrift bei Sägeräten im Vergleich zur herkömmlichen Technik.

Abb. 4. Technische Lösungen zur Ableitung der Abluft bei Sägeräten: Obere Reihe: links – ohne Leiteinrich­tung (Abluftöffnung mit Schutzklappe)rechts – das gleiche Gebläse mit LeiteinrichtungMittlere Reihe: Beispiele für Ableitung in den Bo­den über DüngerschareUntere Reihe: Beispiele für Ableitung auf den Boden über Diffusoren.

Abb. 4. Technische Lösungen zur Ableitung der Abluft bei Sägeräten: Obere Reihe: links – ohne Leiteinrich­tung (Abluftöffnung mit Schutzklappe)
rechts – das gleiche Gebläse mit Leiteinrichtung
Mittlere Reihe: Beispiele für Ableitung in den Bo­den über Düngerschare
Untere Reihe: Beispiele für Ableitung auf den Boden über Diffusoren.

Weitere Beispiele für prüfungsbegleitende Forschungsvorhaben

Abdriftpotential. Im Institut für Anwendungstechnik im Pflanzenschutz wird seit Jahren das Abdriftpotential von Düsen im Windkanal untersucht, um die Abdriftminderung bei Feldspritzgeräten zu bewerten. Die Methodik musste für die Untersuchung von Doppel-Flachstrahldüsen angepasst werden. Dazu wurden Vergleichsmessungen mit verschiedenen Düsenanordnungen vorgenommen, um die beste Anpassung an die Ergebnisse von Feldversuchen zu finden.

Gestängebewegung. Für einen neuen Schwingungsprüfstand wurde eine Versuchsmethodik zur Beurteilung der Auswirkungen von Gestängebewegungen auf die Spritzflüssigkeitsverteilung entwickelt. Mit dem Prüfstand kann jetzt auch das Bewegungsverhalten von sehr breiten Spritzgestängen untersucht werden (Abb. 5).

Abb. 5. Aufbau-Feldspritzgerät auf dem Schwingungs­prüfstand.

Abb. 5. Aufbau-Feldspritzgerät auf dem Schwingungs­prüfstand.

Automatische Teilbreitenschaltung. Fast alle Feldspritzgeräte werden mit GPS-gesteuerten Systemen zur automatischen Teilbreitenschaltung verkauft. Es wurde eine Methode entwickelt, mit der die Genauigkeit dieser Systeme unter praktischen Bedingungen ermittelt werden kann (Abb. 6).

Abb. 6. Demonstration einer automatischen Teilbreiten­schaltung mit schwarzem Farbstoff auf Schnee.

Abb. 6. Demonstration einer automatischen Teilbreiten­schaltung mit schwarzem Farbstoff auf Schnee.

Gestängeführung. Zunehmend werden Feldspritzgeräte mit Sensoren zur Messung des Abstandes des Spritz­gestänges zur Zielfläche ausgerüstet. Über den Spritzcomputer wird dann automatisch der vorgewählte Ziel­flächenabstand eingestellt. Dies funktioniert auch am Hang. Mit einem neu entwickelten Prüfstand kann die Genauigkeit dieser Systeme unter definierten Bedingungen ermittelt werden.

Anwendungstechnische Forschung

Auswirkungen höherer Fahrgeschwindigkeiten auf Anlagerung und Abdrift

Neue Traktoren, schwingungsarme Gestänge, elektronische Dosierungshilfen, der Einsatz von abdriftmindernden Düsen und in der Wirkung verbesserte Pflanzenschutzmittel ermöglichen es prinzipiell, höhere Fahr­geschwindigkeiten bei der Durchführung von Pflanzenschutzmaßnahmen anzuwenden. Wie sich hohe Fahr­geschwindigkeiten auf die Bestandesdurchdringung und das Abdriftverhalten auswirken, wurde durch umfang­reiche Feldversuche in den Jahren 2008 und 2009 im Winterweizen unter Einsatz einer modernen Anhängespritze und bei Verwendung abdriftmindernder Injektordüsen der Typen AI 110-015, AI 110-04, AI 110-05, ID 120-025 und ID 120-08 untersucht (Abb. 7). Die Versuchsvarianten beinhalteten Fahrgeschwindigkeiten von 8, 16 und 24 km/h und Aufwandmengen von 100 und 200 l/ha zu den BBCH-Stadien 30-32, 37-39 und 49-51.

Abb. 7. Feldversuch in Winterweizen mit verwendeten Düsen.

Abb. 7. Feldversuch in Winterweizen mit verwendeten Düsen.

Die Versuchsergebnisse zur Durchdringung sind als visuelles Ergebnis (Benetzungsgrad auf wassersensitivem Papier) in Abb. 8 für das BBCH-Stadium 37-39 dargestellt.

Abb. 8. Durchdringungsverhal­ten im Winterweizen.

Abb. 8. Durchdringungsverhal­ten im Winterweizen.

Die Benetzungsgrade auf dem wassersensitiven Papier lassen keine großen Unterschiede zwischen den Fahrgeschwindigkeitsvarianten, im Gegensatz dazu jedoch zwischen den Wasseraufwandmengen 200 und 100 l/ha, erkennen. Höhere Wasseraufwandmengen durchdringen insgesamt besser und erreichen auch noch auf tiefer gelegenen Pflanzenabschnitten höhere Beläge.

Die Ergebnisse der Abdriftmessungen zeigen eine deutliche Zunahme der Abdrift mit der Fahrgeschwindigkeit (Abb. 9). Fahrgeschwindigkeitserhöhungen von 6 auf 24 km/h führen demnach zu mittleren Abdrifterhöhungen um den Faktor 3. Da für die reduzierte Wasseraufwandmenge von 100 l/ha kleinere Düsen eingesetzt werden müssen, trat bei diesen Varianten eine deutlich höhere Abdrift auf. Die Ergebnisse zeigen, dass es selbst bei Verwendung von Düsen mit 90% Abdriftminderung nicht gelingt, die Abdrifteckwerte zu unterschreiten, wenn lediglich die ersten 20 m im Randbereich mit reduzierter Geschwindigkeit behandelt werden.

Abb. 9. Einfluss der Fahrge­schwindigkeit auf die Abdrift.

Abb. 9. Einfluss der Fahrge­schwindigkeit auf die Abdrift.

Weitere Beispiele für anwendungstechnische Forschungsvorhaben

Anpassung der Applikationsparameter an die Belaubungsdichte im Obstbau. Eine optimale Applikation von Pflanzenschutzmitteln im Obstbau erfordert eine auf die Baumform und die Belaubungsdichte abgestimmte Einstellung des Sprühgerätes. Dazu werden umfangreiche Untersuchungen durchgeführt, um die grundlegenden Einflüsse auf die Anlagerung beschreiben zu können. Die gewonnenen Erkenntnisse sollen es ermöglichen, den Gebläseluftstrom so einzustellen, dass eine optimale Anlagerung erfolgt und ein Austrag der Spritzflüssigkeit auf der Rückseite der Baumreihe vermieden wird.

Einfluss der Gestängehöhe auf das Abdriftpotential. Der Abstand zwischen Düse und Zielfläche hat einen großen Einfluss auf die Abdrift. Neuere Gestänge sind mit Spritzleitungen ausgerüstet, die die Montage von Düsen mit einem Abstand von 25 cm ermöglichen. Dadurch kann das Gestänge näher an der Zielfläche geführt werden ohne Verschlechterung der Querverteilung. Untersuchungen im Windkanal zeigen, dass bei Zielflächenabständen um 25 cm mit Injektordüsen eine Abdriftminderung von über 95% erreicht wird.

Direkteinspeisung von Pflanzenschutzmitteln. Es wurde der Prototyp eines Feldspritzgerätes entwickelt, der die Möglichkeit bietet, drei verschiedene Pflanzenschutzmittel über Direkteinspeisung zu applizieren. Dazu verfügt das Gerät über drei Direkteinspeiseeinheiten, wobei jede Einheit einem eigenen Spritzsystem bestehend aus Pumpe, Armatur und Düsenleitung zugeordnet ist. Der Tank des Prototyps ist in fünf Kammern unterteilt, ein Behälter für jedes der drei Systeme für die Trägerflüssigkeit (im Normalfall Wasser) und zusätzlich einen Frisch­wassertank und einen Spülwasserauffangtank. Der Prototyp bietet die Möglichkeit, verzögerungsfrei unterschiedliche Pflanzenschutzmittel teilflächenspezifisch zu applizieren (Abb. 10).

Abb. 10. Feldspritzgerät mit mehreren Systemen zur Direk­teinspeisung.

Abb. 10. Feldspritzgerät mit mehreren Systemen zur Direk­teinspeisung.

Fazit

Am JKI-Institut für Anwendungstechnik im Pflanzenschutz wird eine Vielzahl von prüfungsbegleitenden und anwendungstechnischen Forschungsvorhaben durchgeführt. Die Projekte zur Entwicklung von Prüfmethoden und -kriterien sind wichtig, um die Pflanzenschutzgeräteprüfung ständig dem Stand der Technik anzupassen und neue Techniken zuverlässig beurteilen zu können. Diese Projekte haben eine große Bedeutung für die erfolgreiche Beteiligung an europäischen und internationalen Normungsvorhaben.

Die applikationstechnische Forschung wird im Institut für Anwendungstechnik im Pflanzenschutz weiter an Bedeutung gewinnen; zunehmend werden diese Projekte durch Drittmittel finanziert.


Fußnoten:

*  

Der Artikel basiert auf einem Vortrag anlässlich der Fachtagung Gerätetechnik zur Verabschiedung von Herrn Dr.-Ing. Ganzelmeier im September 2012.

ISSN (elektronisch): 1867-0938
ISSN (print): 1867-0911
Verlag
Eugen Ulmer KG
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Verantwortlicher Herausgeber
Präsident und Professor
Prof. Dr. Frank Ordon
Julius Kühn-Institut - Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen
Erwin-Baur-Str. 27
06484 Quedlinburg
Schriftleitung
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