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Originalarbeit – Kurzmitteilung

Bedeutung der CEN/ISO-Normung für die Anwendungstechnik im Pflanzenschutz und für die Umsetzung von EU-Richtlinien*

Importance of CEN and ISO standards with respect to the application techniques for pesticides and the implementation of EU directives

Norbert Alt
Institut
Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e.V. (VDMA), Frankfurt am Main

Journal für Kulturpflanzen, 66 (10). S. 349–352, 2014, ISSN 1867-0911, DOI: 10.5073/JfK.2014.10.05, Verlag Eugen Ulmer KG, Stuttgart

Kontaktanschrift
Norbert Alt, VDMA, Lyoner Str. 18, 60528 Frankfurt am Main, E-Mail: Norbert.Alt@vdma.org
Zur Veröffentlichung angenommen
1. September 2014

Zusammenfassung

Mit den EU-Richtlinien 2009/127/EU und 2009/128/EU wurden die gesetzlichen Umweltanforderungen für das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzgeräten und die Gerätekontrolle in Europa harmonisiert. Harmonisierte Europäische Normen konkretisieren die in den Richtlinien beschriebenen grundsätzlichen Anforderungen. Sie tragen damit nicht nur zu dem Natur- und Verbraucherschutz in der EU bei, sondern unterstützen auch Hersteller und Aufsichtsbehörden bei der Anwendung der gesetzlichen Regelungen. Das Normenwerk für Pflanzenschutzgeräte muss in den nächsten Jahren kontinuierlich weiterent­wickelt werden, um den aktuellen Stand der Technik abzubilden.*

Stichwörter: Pflanzenschutz, Technik, Normung, Gesetzgebung, EU-Richtlinien

Abstract

The EU directives 2009/127/EC and 2009/127/EC specify the environment related regulations for crop protection equipment with respect to its placing on the market and the inspection of equipment in use. Harmonized European standards provide detailed technical specifications in order to support the essential requirements given in the directives. By this, these standards contribute to the safety of the environment and consumers and support manufacturers and authorities with respect to the implementation of the EU regulations. The standards have to be reviewed and amended in the near future to ensure that they represent the actual state of art.

Key words: Pesticide application, spraying equipment, standards, legislation, EU directives

Einleitung

Mit dem Pflanzenschutz-Gesetz von 1986, der Pflanzenschutzmittel-Verordnung und den Geräte-bezogenen BBA- bzw. JKI-Merkmalen wurden in Deutschland sehr detaillierte Regelungen für die Gerätetechnik eingeführt. Diese Vorschriften trugen nicht nur für einen Umwelt- und Verbraucherschutz auf hohem Niveau bei, sondern unterstützten auch Innovationen bei den Pflanzenschutz­geräten. Mit dem EU-Binnenmarkt 1992 erhöhte sich der Druck, die Vorschriften für Pflanzenschutzgeräte europaweit zu harmonisieren. Das Julius Kühn-Institut (JKI), Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen, und der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e.V. (VDMA) nutzten frühzeitig den Handlungsspielraum im Rahmen der Europäischen Normung, die in Deutschland entwickelten Anforderungen an die Gerätetechnik auf die EU-Ebene zu übertragen. Die in den Normen definierten, grundlegenden Anforderungen wurden später auch vom Europäischen Gesetzgeber aufgegriffen und in EU-Richtlinien integriert. Normung, Normung für Pflanzenschutzgeräte sowie der Zusammenhang mit der Europäischen Gesetzgebung werden im Folgenden dargestellt.

Was ist Normung?

Normung ist ein Instrument zur (technischen) Regelsetzung und der Beschreibung des Standes der Technik. In Deutschland ist das DIN (Deutsches Institut für Normung e.V.) für diese Aufgabe zuständig. Es bezieht seine Legitimation zum einen aus einer Vereinbarung mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie und zum anderen insbesondere aus seinen Normungsgrundsätzen, die die Einbeziehung aller interessierten Kreise und einen demokratischen Meinungsbildungsprozess fordern. Normungsarbeiten basieren auf dem Austausch fachlicher Argumente mit dem Ziel, Konsens zwischen den Beteiligten zu erreichen. Die Mitarbeit an der Normung und die Anwendung derer Ergebnisse (Normen) sind freiwillig. Die Normungsinhalte werden durch ehrenamtlich tätige Experten gestaltet. Die Rolle der Normungsinstitute DIN (national), CEN (Europäische Normenorganisation) und ISO (Internationale Normung) besteht im Wesentlichen darin, die Plattform für die Diskussionen bereit zu stellen und transparente und effiziente Prozesse zu organisieren.

Für die landtechnische Normung ist die Normengruppe Landtechnik (NLA) zuständig. Die NLA ist organisatorisch in den VDMA Landtechnik integriert und arbeitet nach den Normungsgrundsätzen und Regularien des DIN. Ihre Organisation gliedert sich in eine Lenkungsebene (Vorstand, Beirat) und die Technischen Ausschüsse als Arbeitsebene. Die Technischen Ausschüsse und ihre Untergliederungen (z.B. Arbeitsgruppen) haben eine Doppelfunktion und agieren sowohl als technische Gremien des VDMA als auch als Arbeitsausschüsse der NLA, so dass alle Fragen der technischen Gesetzgebung und Normung gemeinsam und im Kontext diskutiert werden können. In den NLA-Gremien sind in der Regel die interessierten Kreise Anwender (landwirtschaftliche Organisationen), Hersteller, Prüfstellen, Forschung, Beratung, Behörden und Ministerien vertreten. Für die Normungsarbeiten im Bereich Pflanzenschutzgeräte ist die Arbeitsgruppe Pflanzenschutzgeräte unter Vorsitz von Herrn Prof. Dr.-Ing. Heinz Ganzelmeier verantwortlich (Abb. 1).

Abb. 1. Mitglieder der Arbeitsgruppe Pflanzenschutzgerä­te der Normengruppe Landtechnik (NLA).

Abb. 1. Mitglieder der Arbeitsgruppe Pflanzenschutzgerä­te der Normengruppe Landtechnik (NLA).

Warum brauchen Landtechnik und Pflanzenschutz Normung?

Landtechnische Normung verfolgt die Zielsetzung, Beiträge zur Sicherheit von Landmaschinen und Traktoren in Bezug auf deren Konstruktion und Einsatz (Feld, Straße, Umwelt) zu leisten und gleichzeitig eine hohe Gebrauchstauglichkeit und Funktionalität zu gewährleisten.

Aus den besonderen Bedingungen auf der Kundenseite, d.h. in der Landwirtschaft, resultiert die Notwendigkeit, spezifische Anforderungen in Bezug auf Arbeits-, Straßenverkehrs- und Umweltsicherheit für die Landtechnik zu formulieren. Die Besonderheiten der Landwirtschaft im Vergleich z.B. der Bauwirtschaft ergeben sich daraus, dass die landwirtschaftliche Produktion nicht nur in, sondern mit der Natur stattfindet und damit Klima-, Wetter- und Bodenverhältnisse erheblich größere und häufig nur bedingt kalkulierbare Einflussgrößen darstellen. Dies bedeutet zum Beispiel, dass in der Regel nur kleine „Zeitfenster“ zur Verfügung stehen, um Arbeiten zu optimalen Zeitpunkten durchzuführen. Aus dem Umstand, dass es sich bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen um Lebens- und Futtermittel handelt, resultieren weitere, spezifische Anforderungen an die Technik.

An den landwirtschaftlichen Produktionsprozessen sind Maschinen verschiedener Hersteller beteiligt, z.B. Traktor-Geräte-Kombinationen. Um den Einsatz als „System“ zu ermöglichen, müssen die Systemkomponenten zueinander kompatibel sein, d.h. mechanische, hydraulische und elektrische Schnittstellen sowie die Datenkommunikation müssen eindeutig definiert sein. Diese Kompatibilität ist auch für das Produktionsverfahren erforderlich, da die einzelnen Arbeitsschritte (z.B. Getreideernte mit Mähdrescher) sich unmittelbar auf die Qualität des folgenden Arbeitsschrittes (z.B. Stroh- und Stoppelbearbeitung durch Bodenbearbeitungsgeräte) auswirken.

In Bezug auf die gesetzlichen Vorschriften für Pflanzenschutzgeräte erfolgte jetzt mit der Änderungs-Richtlinie 2009/127/EU zu der Maschinen-Richtlinie (2006/42/EU) die Harmonisierung der umweltrelevanten Anforderungen an die Gerätetechnik. Die Richtlinie 2009/127/EU trägt zu dem freien Warenverkehr für Pflanzenschutz­geräte in Europa bei und definiert gleichzeitig ein einheitlich hohes Niveau für den Umwelt- und Verbraucherschutz bei der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln. Die Richtlinie selbst gibt nur grundlegende Anforderungen und Ziele vor, die durch harmonisierte Europäische Normen weiter konkretisiert werden. Harmonisierte Europäische Normen werden unter Beachtung zusätzlicher Auflagen des europäischen Gesetzgebers erarbeitet und lösen die sogenannte Vermutungswirkung aus, das heißt sowohl der Hersteller des Gerätes als auch die zustän­digen Behörden können davon ausgehen, dass das jeweilige Produkt den gesetzlichen Anforderungen entspricht (Abb. 2).

Abb. 2. Anwendung der Richtlinie Maschinen (2006/42/EU und 2009/127/EU) und die Rolle harmonisier­ter Europäischer Normen.

Abb. 2. Anwendung der Richtlinie Maschinen (2006/42/EU und 2009/127/EU) und die Rolle harmonisier­ter Europäischer Normen.

In Ergänzung zu der EU-Richtlinie 2009/127/EU ist für Pflanzenschutzgeräte die Rahmen-Richtlinie 2009/128/EU über die nachhaltige Verwendung von Pflanzenschutzmitteln von besonderer Bedeutung, da mit dieser Richt­linie die regelmäßige Gerätekontrolle in den Mitgliedstaaten eingeführt wird. Da auch diese Richtlinie ebenfalls nur grundsätzliche Vorgaben für die Kontrolle macht, obliegt auch hier die Konkretisierung der Normung.

Was wurde bis jetzt erreicht?

In den letzten 25 Jahren ist ein sehr umfangreiches, detailliertes und hochwertiges Regel- und Normenwerk für Pflanzenschutzgeräte entstanden. Ein wichtiger Erfolgsfaktor dafür war und ist die konstruktive Zusammenarbeit zwischen Geräteherstellern und dem Julius Kühn-Institut. Mit dem frühzeitigen Beginn der Europäischen Normungsarbeiten Anfang der 1990er Jahre konnten zwei wichtige Ziele realisiert werden:

• für die EU-Richtlinien 2009/127/EU (Neugeräte) und 2009/128/EU (Gerätekontrolle) standen geeignete und abgestimmte Texte zur Verfügung, die dann auch praktisch 1:1 in die Richtlinienvorschläge aufgenommen wurden, so dass eine Diskussion von technischen Sachverhalten auf politischer Ebene nicht erforderlich war;

• die Bereitstellung der europäischen Normen noch vor Inkrafttreten der Richtlinien ermöglichte es den Herstellern, sich frühzeitig auf die neuen gesetzlichen Anforderungen einzustellen; gleichzeitig konnten diese Normen später als Basis für die Erarbeitung von EN ISO-Normen herangezogen werden.

Die Inhalte der jetzt in Vorbereitung befindlichen Normenreihe EN ISO 16119 mit den Umwelt-relevanten Anforderungen an neu in Verkehr gebrachte Pflanzenschutzgeräte sind in Abb. 3 dargestellt. Abb. 3 verdeutlicht auch, dass die Anforderungen der Normenreihe EN ISO 16119 durch eine Vielzahl von ISO-Normen hinterlegt sind, die weitergehendere Anforderungen an einzelne Bauteile oder Prüfmethoden beschreiben, so dass sich insgesamt ein vollständiges und komplexes Regelwerk ergibt.

Abb. 3. Inhalte der Normenreihe EN ISO 16119 für neue Pflanzenschutzgeräte.

Abb. 3. Inhalte der Normenreihe EN ISO 16119 für neue Pflanzenschutzgeräte.

Eine ähnliche Situation ergibt sich auch für die Normenreihe EN ISO 16122, die sich mit der Kontrolle der einzelnen Bauarten von Pflanzenschutzgeräten befasst.

Wo liegen die künftigen Herausforderungen?

Die zurückliegenden Jahre waren dadurch gekennzeichnet, dass das Thema Umwelt auf der europäischen und internationalen Ebene platziert, eine entsprechende Gremienstruktur aufgebaut und die genannten Grundlagennormen erarbeitet werden mussten. In den kommenden Jahren müssen insbesondere drei Schwerpunkte gesetzt werden:

Einheitliche Anwendung: die Erfahrungen mit der Maschinen-Richtlinie 2006/42/EU haben im Bereich Arbeitssicherheit gezeigt, dass es ein relativ langer Prozess ist, bis alle Betroffenen über neue EU-Regelungen informiert und mit deren korrekten Anwendung vertraut sind. Da es in den meisten Mitgliedstaaten in der Vergangenheit keine spezifischen Umweltvorschriften für Pflanzenschutzgeräte gab, ist bei der Anwendung der Richtlinie 2009/127/EU für Neugeräte sicher von einer ähnlichen „Lernkurve“ auszugehen. Hersteller und Aufsichtsbehörden sind gefordert, den gesetzlichen Vorgaben nachzukommen und deren Umsetzung im Markt zu beobachten. Die Normung muss ihre Netzwerke weiter ausbauen, um möglichst alle Betroffenen in den Dialog einzubeziehen.

Weiterentwicklung der Anforderungen: die Geräte­industrie verfügt über eine hohe Innovationskraft. Neuentwicklungen der Hersteller, die häufig das Ergebnis von gemeinsamen Projekten mit Lieferanten, Forschung und Beratung sind, erhalten einen überdurchschnittlich hohen Anteil der Auszeichnungen bei der Agritechnica (z.B. 2011). Normen müssen diesem sich ständig und schnell weiterentwickelnden Stand der Technik angepasst werden. Insbesondere die immer wichtiger werdenden Assistenzsysteme z.B. für Befüllen, Teilbreitenschaltung, Gerätereinigung sind in den Normen zu spezifizieren.

• Die Kommunikation des Nutzens hochwertiger Technik gegenüber dem Endkunden ist vorrangig die Aufgabe des Herstellers. Objektive Beurteilungskriterien können jedoch das Marktangebot transparenter machen und Investitionsentscheidungen erleichtern. Die Beratung ist gefordert, unterstützend tätig zu werden und den Nutzen sowohl in betriebswirtschaftlicher Hinsicht als auch in Bezug auf den Natur- und Verbraucherschutz zu verdeutlichen.

Der Nationale Aktionsplan zur nachhaltigen Verwendung von Pflanzenschutzmitteln verdeutlicht die Notwendigkeit einer ganzheitlichen Betrachtung, um alle Optimierungspotentiale ausschöpfen zu können. Die generelle Anwendung des für die Land- und Forstwirtschaft nicht neuen Nachhaltigkeits-Prinzips ermöglicht es, wirtschaftliche, umweltrelevante und soziale Aspekte im Kontext zu betrachten und damit der gesellschaftlichen Verantwortung gerecht zu werden. Die Landtechnik hat damit begonnen, „Nachhaltigkeit“ für sich, d.h. Unternehmen und Produkte, zu definieren.


Fußnoten:

*  

Der Artikel basiert auf einem Vortrag anlässlich der Fachtagung Gerätetechnik zur Verabschiedung von Herrn Dr.-Ing. Ganzelmeier im September 2012.

ISSN (elektronisch): 1867-0938
ISSN (print): 1867-0911
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Präsident und Professor
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Schriftleitung
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