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Originalarbeit – Mitteilung

Erste Erfahrungen mit Trauermücken (Sciaridae) zur biologischen Bekämpfung des Stumpfblättrigen Ampfers (Rumex obtusifolius L.)

First Experiences with Black Fungus Gnats (Sciaridae) to Biological Control of Broad-Leaved Dock (Rumex obtusifolius L.)

Werner A. H. Müller
Institut
vormals Pflanzenschutzamt Suhl

Journal für Kulturpflanzen, 67 (4). S. 139–147, 2015, ISSN 1867-0911, DOI: 10.5073/JfK.2015.04.04, Verlag Eugen Ulmer KG, Stuttgart

Kontaktanschrift
Dr. Werner Müller, Siechenrasen 3, 98574 Schmalkalden, E-Mail: werner.mueller@dm-pcb.de
Zur Veröffentlichung angenommen
10. Februar 2015

Zusammenfassung

In sieben von acht überprüften Beständen des Stumpfblättrigen Ampfers (Rumex obtusifolius L.) waren in den Pfahlwurzeln Larven von Trauermücken (Sciaridae) vorhanden. Vereinzelt traten in und an den Pfahlwurzeln Larven von Rüsselkäfern und Schmetterlingsraupen auf. Durch das fortlaufende Fressen der Trauermückenlarven in den Pfahlwurzeln nimmt in den nachfolgenden Aufwüchsen und Jahren die Höhe der Ampferpflanzen ab, es werden keine Blütentriebe mehr gebildet und die Anzahl und Größe der Blätter verringert sich bis die völlig zerstörte Pfahlwurzel nicht mehr austreibt. In dem Ampferbestand mit dem Erstfund von Trauermücken hat sich die ampferfreie Fläche in dreieinhalb Jahren von 110 m² auf 499 m² erhöht. Der kleine Ampferbestand in Bermbach ist nach zwei Jahren, die Ampferbestände am Henneberger Haus bei Schmalkalden und in Themar sind nach fünf Jahren erloschen.

Eine erfolgreiche biologische Bekämpfung des Stumpfblättrigen Ampfers ist möglich, wenn Larven von Trauermücken in den Pfahlwurzeln vorhanden sind und durch die Bewirtschaftungsmaßnahmen das Reifen der Ampfersamen unterbunden wird.

Stichwörter: Stumpfblättriger Ampfer, Rumex obtusifolius L., Trauermücken, biologische Bekämpfung

Abstract

In seven out of eight examined stocks of broad-leaved dock larvae of black fungus gnats existed in the tap roots. Rarely, larvae of weevils and caterpillars occurred in and around the tap roots. The continuous eating of the larvae of black fungus gnats in the tap roots has the following effects in subsequent regrowths and years: the height of dock plants decreases, no more flowering shoots are formed, and the number and size of leaves reduces until the completely destroyed tap roots do no longer sprout. In the stock of dock where black fungus gnats have been detected first, the area clear of dock increased from 110 m² to 499 m² within three and a half years. The small stock of dock in Bermbach extinguished after two years, the stocks at Henneberger Haus near Schmalkalden and at Themar disappeared after five years.

Successful biological control of broad-leaved dock is possible when larvae of black fungus gnats are present in the tap roots and farming prevents the dock seeds from ripening.

Key words: Broad-leaved dock, Rumex obtusifolius L., black fungus gnats, biological control

Einleitung und Aufgabenstellung

Vor einiger Zeit wurde über das Vorkommen von Trauermückenlarven in den Pfahlwurzeln des Stumpfblättrigen Ampfers berichtet (Menzel und Müller, 2010). Das sind erste Ergebnisse von Untersuchungen über das Vorkommen von Insektenlarven an und in den Pfahlwurzeln des Stumpfblättrigen Ampfers. Dabei sollte auch ermittelt werden, ob die Anzahl und die Fraßtätigkeit der Larven ausreicht, um die Pfahlwurzel zum Absterben zu bringen und damit ihren Wiederaustrieb zu verhindern. Des Weiteren interessierten die Schadbilder an der Einzelpflanze und im Pflanzenbestand und letztlich die Auswirkungen des Larvenbefalls auf die Größe des Ampferbestandes.

Material und Methoden

Der Nachweis von Trauermückenlarven in der Pfahlwurzel des Stumpfblättrigen Ampfers und die weitgehend abgestorbene Pfahlwurzel nach dem Schlüpfen der Trauermücken (Müller, 2008b) waren Anlass für weitere Untersuchungen über den Befall von Pfahlwurzeln des Ampfers mit Insektenlarven. Dazu wurden in sieben weiteren nach dem Zufallsprinzip festgelegten Ampferbeständen in Südwest-Thüringen in den Jahren 2007 (Themar, Sportplatz; Themar, Radweg; Breitungen; Schmalkalden, Henneberger Haus; Schmalkalden, Herrenkuppe) und 2008 (Bermbach, Steinbach-Hallenberg) nach nicht oder nur geringfügig ausgetriebenen Pfahlwurzeln gesucht, die ein Hinweis auf den Larvenbefall sind. Das weitere methodische Vorgehen ist bei Menzel und Müller (2010) beschrieben.

Insekten aus den Pfahlwurzeln des Stumpfblättrigen Ampfers in Südwest-Thüringen

In sieben von insgesamt acht untersuchten Ampferbeständen wurden nicht oder nur schwach ausgetriebene Pfahlwurzeln gefunden. Lediglich in einem Ampferbestand (Themar, Radweg) war dies nicht der Fall. Insgesamt wurden 21 Pfahlwurzeln ausgegraben und in Zucht­gefäße zum Schlüpfen der Insekten gelegt.

Die Ergebnisse der Schlüpfversuche sind in der Tab. 1 zusammengestellt. Daraus ist ersichtlich, dass an allen sieben Fundorten, an denen Pfahlwurzeln entnommen wurden, aus den Pfahlwurzeln Insekten schlüpften oder Schmetterlingsraupen (Bermbach) vorhanden waren. Wo das nicht der Fall war (Schmalkalden, Henneberger Haus, Probe 3, 5 und 6), waren die Pfahlwurzeln beim Aus­graben bereits vollständig oder größtenteils abgestorben. Aus weiteren, beim Ausgraben bereits geschädigten Pfahlwurzeln schlüpften nur wenige Insekten (Bermbach, Probe 1; Schmalkalden, Henneberger Haus, Probe 2; Steinbach-Hallenberg, Probe 4). In der Probe 4 vom Henneberger Haus bei Schmalkalden mit zwei geschlüpften Mücken fanden sich in der Pfahlwurzel dicke Fraßgänge und in der Probe 2 aus Bermbach mit einer geschlüpften Mücke waren in der Pfahlwurzel mehrere größere Hohlräume vorhanden.

Tab. 1. Die in den Zuchtgefäßen geschlüpften Insekten und gefundenen Puppen und Larven

  

Anzahl

  

Trauermücken

 

Rüsselkäfer

 

Schmetterlinge

Fliegen

Fundort

Probe

Mücken

Puppen

Larven

 

Rhynoncus

Apion

 

Falter

Raupen

 

Schmalkalden, Wolfsberg

 

49

 

1

       

Themar, Sportplatz

 

38

3

15

 

7

2

    

Breitungen

1

4

         
 

2

5

         

Schmalkalden, Herrenkuppe

 

16

 

7

       

Schmalkalden, Henneberger Haus

1

5

         
 

2

1

         
 

3

          
 

4

2

         
 

5

          
 

6

          

Steinbach-Hallenberg

1

4

         
 

2

25

2

7

       
 

3

1

1

1

       
 

4

1

         
 

5

42

4

2

       
 

6

37

2

7

       

Bermbach

1

2

         
 

2

1

         
 

3

        

1

 
 

4

6

   

1

  

1

3

1

Die weitaus größte Anzahl der geschlüpften Insekten waren Trauermücken der Arten Bradysia scabricornis Tuomikoski, 1960, Bradysia vagans (Winnertz, 1868), Corynoptera subparvula Tuomikoski, 1960, Epidapus absconditus (Vimmer, 1926), Lycoriella castanescens (Lengersdorf, 1940) und Lycoriella ingenua (Dufour, 1839) (Menzel und Müller, 2010). Daneben schlüpften aus den Pfahlwurzeln von zwei Fundorten (Bermbach und Themar) noch Rüsselkäfer der Arten Rhinoncus pericarpius und Apion miniatum. Die größte Artenvielfalt an geschlüpften Insekten war in der Probe 4 aus Bermbach vorhanden: Neben sechs Trauermücken schlüpften in dieser Probe noch ein Rüsselkäfer (Rhinoncus pericarpius), ein Schmetterling (Hopfenbohrer, Hepiolus humuli Linné, 1758)* und eine Nacktfliege (Psilidae).** Weiterhin fanden sich in dieser und der Probe 3 aus Bermbach noch drei beziehungsweise eine Schmetterlingsraupe, die aber nicht zum Verpuppen und Schlüpfen der Falter kamen. Aus diesen Schlüpfergebnissen kann man den Schluss ziehen, dass in unserem Gebiet verbreitet Trauermückenlarven und vereinzelt auch andere Insektenlarven in den Pfahlwurzeln des Stumpfblättrigen Ampfers minieren.

Die vorliegenden Untersuchungsergebnisse reichen nicht aus, um zu beurteilen, ob sich die gefundenen Trauermückenarten unterschiedlich gut für die biologische Bekämpfung des Stumpfblättrigen Ampfers eignen. Auffallend ist aber das häufige Vorkommen der als phytophag zu betrachtenden Art Bradysia scabricornis (Menzel und Müller, 2010), besonders in den Pfahlwurzeln mit starkem Befall. Diese Trauermückenart schlüpfte aus den Pfahlwurzeln von vier der sieben Fundorte. Nicht ganz so häufig war die Gattung Lycoriella. Die beiden mycetophagen Arten L. castanescens und L. ingenua konnten an drei Fundorten nachgewiesen werden. Von diesen fällt Themar durch die hohe Anzahl der geschlüpften Imagines auf (Tab. 1). Die übrigen drei Arten Bradysia vagans, Corynoptera subparvula und Epidapus absconditus waren jeweils nur an einem Fundort mit wenig geschlüpften Mücken vorhanden.

In den Zuchtgefäßen und an und in den Pfahlwurzeln wurden außer den genannten Insekten und ihren Entwicklungsstadien keine weiteren Schaderreger gefunden. Trotz der optimalen Entwicklungsbedingungen für Pilze und Bakterien in den Zuchtgefäßen war in allen Schlüpfversuchen nur eine Pfahlwurzel von einem weißen flaumigen Pilzmyzel überzogen, ohne dass dadurch sichtbare Schäden an der Pfahlwurzel entstanden sind. Auch in der Literatur gibt es keine Hinweise, dass Pilze oder Bakte­rien als Schaderreger an und in den Pfahlwurzeln des Stumpfblättrigen Ampfers auftreten.

Cavers und Harper (1964) erwähnen außer Plasmodio­phora brassicae in den Wurzelhaaren keine weiteren Pilze und Bakterien als Schaderreger an den Pfahlwurzeln von Rumex obtusifolius. In ihrer Literaturauswertung über das Auftreten von Pilzen an Unkräutern nennen Sedlar et al. (1983) keinen Pilz, der an den Pfahlwurzeln von Ampferarten gefunden wurde. In diesem Zusammenhang muss noch darauf hingewiesen werden, dass die Pfahlwurzeln des Stumpfblättrigen Ampfers durch die darin enthaltenen antiseptisch wirkenden Gerbstoffe vor Fäulnis geschützt werden (von Guttenberg, 1951; Sobotik, 2001).

Der Einfluss des Trauermückenbefalls auf das Erscheinungsbild des Stumpfblättrigen Ampfers

Bisher war fehlender oder schwacher Austrieb der einzige Hinweis auf den Befall der Pfahlwurzeln des Stumpfblättrigen Ampfers mit Insektenlarven. Andere markante Befallssymptome sind bis dahin in den Ampferbeständen mit bekanntem Larvenbefall in den Pfahlwurzeln nicht aufgefallen.

Nach diesem Kenntnisstand ist nur das Endstadium des Befalls mit seinen Auswirkungen auf die gesamte Pflanze bekannt. Daraus ergibt sich die Aufgabe, die vorhergehende Entwicklung zu untersuchen. Das ist umso mehr erforderlich, da Trauermückenlarven den größten Teil des Jahres in den Pfahlwurzeln vorhanden sind. Dadurch wird auch die Frage aufgeworfen, zu welchen Veränderungen der fortlaufende Fraß der Larven in der Pfahlwurzel an den oberirdischen Trieben der Ampferpflanze führt.

Für die Untersuchung dieser Problematik wurde der Ampferbestand auf dem Wolfsberg bei Schmalkalden ausgewählt, in dem 2005 aus einer nicht ausgetriebenen Pfahlwurzel Trauermücken schlüpften. Unter der Annahme, dass die benachbarten Ampferpflanzen schon schwach mit Trauermückenlarven befallen sind, wurden 2006 fünf Randpflanzen des Befallsherdes markiert und ab 2007 regelmäßig auf Veränderungen kontrolliert. Dabei befindet man sich aber in einer zwiespältigen Situation: Entweder entnimmt man Pfahlwurzeln und untersucht diese auf das Vorhandensein von Insektenlarven und vermindert dadurch gleichzeitig die Insektenpopulation oder man verzichtet auf diese Untersuchung und verfolgt die Entwicklung und Ausbreitung der Trauermückenpopulation und den damit in Verbindung stehenden Rückgang des Ampferbestandes. Beide Untersuchungen sind zur gleichen Zeit in demselben Ampferbestand nicht möglich. Da die Beantwortung der Frage im Vordergrund stand, ob sich die ampferfreie Fläche vergrößert, hat der Autor der Beobachtung der Ampferpflanzen den Vorrang gegeben und die Untersuchung der Pfahlwurzeln auf den Zeitpunkt verschoben, zu dem diese nicht mehr austreiben.

Bereits im Jahre 2007 zeigten die fünf ausgewählten Ampferpflanzen deutliche Unterschiede zu den Ampferpflanzen auf der übrigen Wiese. In allen drei Aufwüchsen waren die fünf Pflanzen im Durchschnitt kleiner als die Ampferpflanzen auf der übrigen Wiese (Tab. 2). Dieser Unterschied war mit 24 cm im 1. Aufwuchs am größten. In den beiden folgenden Aufwüchsen war die Differenz mit 14,1 und 3,3 cm wegen der insgesamt geringeren Höhe dieser Aufwüchse ebenfalls geringer. In den nächsten zwei Jahren setzte sich diese Entwicklung fort, wobei die Höhe der fünf Randpflanzen kontinuierlich abnahm. Es muss aber darauf hingewiesen werden, dass sich die fünf Ampferpflanzen in der Abnahme der Wuchshöhe sehr unterschiedlich verhielten (Abb. 1). Bemerkenswert ist weiterhin, dass die Pfahlwurzel der Pflanze 5 nach der zweiten Mahd 2008 nicht wieder austrieb.

Tab. 2. Einfluss des Trauermücken-Befalls in den Pflan­zenwurzeln auf die Höhe der Ampferpflanzen

  

Durchschnittliche Höhe der Ampferpflanzen in cm

Jahr

Aufwuchs

10 gesunde Pflanzen

5 Pflanzen mit
Larvenbefall in
der Pfahlwurzel

Differenz

2007

1

120,8

96,8

24,0

 

2

43,1

29,0

14,1

 

3

11,5

8,2

3,3

2008

1

83,6

36,4

47,2

 

2

45,5

30,5

15,0

 

3

15,1

10,0

5,1

2009

1

73,8

28,2

45,6

 

2

78,1

16,0

62,1

 

3

13,3

4,4

8,9

2010

1

45,5

14,6

30,9

Abb. 1. Einfluss des Trauermückenbefalls auf das Höhen­wachstum des Stumpfblättrigen Ampfers.

Abb. 1. Einfluss des Trauermückenbefalls auf das Höhen­wachstum des Stumpfblättrigen Ampfers.

Es ist notwendig, zu einigen recht erheblichen Abweichungen in den Kurven Stellung zu nehmen. Alle diese Abweichungen können mit terminlichen Unterschieden in der Mahd und unter normalen Niederschlägen erklärt werden. Der starke Rückgang der Triebhöhe der Ampferpflanzen im 1. Aufwuchs von 2007 zu 2008 ist auf unterschiedliche Mahdtermine in den beiden Jahren zurückzuführen. Im Jahr 2007 wurde die Wiese am 14.7. gemäht, zu einem Zeitpunkt, als der Ampfer sein Höhenwachstum gerade abgeschlossen hatte. Dagegen erfolgte 2008 die 1. Mahd bereits am 5.6., als die Blütentriebe des Ampfers noch im vollen Wachstum begriffen waren (Tab. 3). In den Jahren 2009 und 2010 bewirkten geringe Niederschläge im April eine weitere Abnahme der Höhe der Ampferpflanzen auf dem nicht von Larven befallenen Teil der Wiese. Der frühe 1. und der sehr späte 2. Schnitt sorgten 2009 für eine größere Höhe der Ampferpflanzen im 2. Aufwuchs auf der befallsfreien Wiese, während der frühe 2. Schnitt 2010 sich positiv auf die Höhe der Ampferpflanzen im 3. Aufwuchs auf der befallsfreien Wiese und der Pflanze 1 auswirkte. Der hohe Wert der Pflanze 1 im 2. Aufwuchs 2008 ist auf das Ausbilden eines Blütentriebes zurückzuführen.

Tab. 3. Termine der Mahd der Wiese auf dem Wolfsberg bei Schmalkalden

 

Datum

 

Jahr

1. Mahd

2. Mahd (Nutzung)

Anzahl Tage zwischen 1. und 2. Mahd

2007

14.7.

9.9.

57

2008

5.6.

2.9.

68

2009

6.6.

16.9.

95

2010

8.6.

19.7.

41

Aber trotz dieser recht erheblichen Abweichungen im Verlauf der Kurven muss festgestellt werden, dass sich die Höhe der fünf ausgewählten Randpflanzen im Durchschnitt der drei Jahre kontinuierlich verringert hat. Diese kontinuierliche Höhenabnahme der Ampferpflanzen in allen drei Aufwüchsen während der Beobachtungszeit von 2007 bis 2010 muss mit der fortlaufenden Zerstörung der Pfahlwurzel der Ampferpflanzen durch die Trauermückenlarven in Verbindung gebracht werden.

Ein weiteres unterschiedliches Verhalten der fünf kontrollierten Pflanzen zu den Ampferpflanzen auf der übrigen Wiese konnte beim Ausbilden der Fruchttriebe festgestellt werden. Im 1. Aufwuchs haben 2007 alle fünf ausgewählten Ampferpflanzen Fruchtstände ausgebildet, während 2008 das nur noch zwei Ampferpflanzen taten. Im 2. Aufwuchs entwickelte 2007 noch eine Pflanze Fruchttriebe und 2008 waren es zwei von den fünf kontrollierten Pflanzen. Danach hat keine der fünf Ampferpflanzen mehr Fruchttriebe ausgebildet.

Weiterhin gab es auffallende Veränderungen beim Ausbilden der Blätter. Im 3. Aufwuchs 2007 fiel auf, dass die Pflanzen 4 und 5 nur noch vier beziehungsweise drei Blätter ausbildeten, während die Pflanzen 1 bis 3 noch 35 bis 42 Blätter entwickelten. Im Durchschnitt ging die Anzahl Blätter von 24,6 im Jahr 2007 auf 5,6 im Jahr 2008 zurück (Tab. 4). Die weitere Entwicklung ist aus der Tab. 4 ersichtlich. Dabei ist bemerkenswert, dass die Pflanze 1 weiterhin eine hohe Anzahl Blätter bildete.

Tab. 4. Anzahl Blätter an den Ampferpflanzen vom Rand des Befallsherdes

Datum

Länge der Blattspreite in cm

Anzahl Blätter der Pflanze

 

Mittel der Anzahl Blätter

1

2

3

4

5

 

insgesamt

Pflanze 2 bis 5

11.10.2007

 

39

35

42

4

3

 

24,6

 

14.10.2008

über 10

10

       
 

2 bis 6

3

6

7

2

0

 

5,6

3,75

13.10.2009

über 10

24

       
 

2 bis 6

 

3

5

2

0

 

6,8

2,5

29.04.2010

über 10

26

       
 

2 bis 6

 

0

2

2

0

 

6,0

1,0

25.05.2010

über 10

16

  

2

    
 

2 bis 6

 

0

12

2

0

 

6,4

3,5

Mit der Abnahme der Anzahl Blätter je Ampferpflanze in aufeinanderfolgenden Jahren verringerte sich auch die Größe der Blätter. Im letzten Befallsstadium bildeten die Pfahlwurzeln nur noch kleine Blättchen, deren Blattspreite eine Länge von 2 bis 6 cm erreichte.

Die Pfahlwurzel der Pflanze 2 hat im Frühjahr 2010 keine Blätter mehr gebildet und die Pflanzen 3 und 4 hatten am 29.4.2010 wie am Ende des vorhergehenden Jahres jeweils noch zwei kleine Blättchen. Daraufhin habe ich den Entschluss gefasst, die Pfahlwurzeln der Pflanzen 2, 3 und 4 auszugraben. Beim Ausgraben am 25.5.2010 gab es eine Überraschung. Auf der abgestorbenen Pfahlwurzel der Pflanze 3 hatten sich vier kleine Triebe mit neun kleinen Blättchen mit einer Länge der Blattspreite von 3 bis 6 cm entwickelt. Die Pflanze 4 hatte sogar vier Blätter ausgebildet mit einer Länge der Blattspreite von 8, 10 und 13 cm, ein Blatt war noch eingerollt.

Trotz der nachträglich noch ausgetriebenen Blätter wurden die Pfahlwurzeln der Pflanzen 2, 3 und 4 am 25.5.2010 ausgegraben und in Zuchtgefäße gelegt, um das Schlüpfen von Insekten festzustellen. Im Ergebnis dieses Schlüpfversuches sind aus den Pfahlwurzeln aller drei Ampferpflanzen Trauermücken geschlüpft, zwar nur jeweils eine Trauermücke aus den Pfahlwurzeln der Pflanzen 2 und 4, aus der Pfahlwurzel der Pflanze 3 schlüpften vier Trauermücken. Zusätzlich schlüpften aus der Pfahlwurzel der Pflanze 4 noch zwei Rüsselkäfer (Rhinoncus pericarpius). Es ist verständlich, dass in den nahezu abgestorbenen Pfahlwurzeln nur noch wenige Trauermückenlarven ausreichend Nahrung finden. Trotz der geringen Anzahl der geschlüpften Trauermücken ist das doch ein Hinweis darauf, dass die Trauermücken im Laufe von drei Jahren die Ampferpflanzen zum Absterben gebracht haben. Nach Abschluss der Schlüpfversuche waren die Pfahlwurzeln der Pflanzen 2 und 3 völlig abgestorben. Bei der Pflanze 4 bestand die Pfahlwurzel nach Abschluss des Schlüpfversuches noch zu zwei Dritteln aus gelbem gesunden Gewebe. Dies ist der Grund dafür, dass sich im Mai 2010 nochmals vier größere Blätter entwickeln konnten.

Die sich über mehrere Jahre hinziehenden Veränderungen an Ampferpflanzen mit Trauermückenbefall sowie das Auftreten von nur einer Generation bei Trauermücken im Jahr sind nur unter der Annahme möglich, dass die Pfahlwurzeln des Ampfers in mehreren aufeinanderfolgenden Jahren wiederholt von Trauermückenlarven befallen werden. Diese Annahme kann durch mehrere Beobachtungen gestützt werden. Ein wichtiger Beweis ist, dass aus den drei im Mai 2010 ausgegrabenen Pfahlwurzeln der über drei Jahre hin beobachteten Ampferpflanzen Trauermücken geschlüpft sind. Weiterhin ist die Verstärkung der Befallsmerkmale über drei Jahre nur mit einem wiederholten Befall zu erklären. Bei einem einmaligen Befall dürften sich in den nachfolgenden Jahren die Befallsbilder nicht verstärken. In Ampferbeständen kommt die Annahme des mehrmaligen Befalls der Pfahlwurzeln mit Trauermückenlarven darin zum Ausdruck, dass die Höhe der Ampferpflanzen vom befallsfreien Bestand zur Befallsstelle hin kontinuierlich abnimmt. Nach den vorliegenden Erfahrungen ist der mehrjährige wiederholte Befall der Ampferpfahlwurzeln mit Trauermückenlarven die Regel, während einmaliger starker Befall nur vereinzelt zum sofortigen Absterben der Pfahlwurzel führt.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass an den fünf Ampferpflanzen während der dreijährigen Beobachtungszeit dieselben Veränderungen festgestellt werden konnten; aber die einzelnen Pflanzen durchliefen die einzelnen Stadien der Veränderung mit unterschiedlicher Geschwindigkeit. Zu Beginn der Beobachtung im Jahre 2007 hat der Larvenbefall begonnen oder die Pfahlwurzeln waren nur gering befallen, da alle Pflanzen noch Fruchttriebe, allerdings mit verringerter Höhe ausbildeten. Die Pfahlwurzel der Pflanze 5 trieb bereits nach der 2. Mahd 2008 nicht wieder aus und die der Pflanze 2 im Frühjahr 2010. Als Besonderheit muss betrachtet werden, dass auf der abgestorbenen Pfahlwurzel der Pflanze 3 noch vier kleine Triebe mit neun Blättchen vorhanden waren. Die Pfahlwurzel der Pflanze 4 konnte im Frühjahr 2010 noch vier Blättchen entwickeln, da sie noch zu zwei Dritteln aus gesundem Gewebe bestand. Die geringsten Veränderungen konnten bei der Pflanze 1 festgestellt werden: Sie bildete 2010 noch eine größere Anzahl Blätter, die allerdings nicht mehr die normale Größe erreichten.

Als Ergebnis der Beobachtungen kann man feststellen, dass — anders als beim Einsatz von Herbiziden — die oberirdischen Teile der Ampferpflanzen nicht absterben, sondern die Pfahlwurzeln von Trauermückenlarven unterschiedlich schnell zerfressen werden und schließlich nicht mehr austreiben. Die zeitlichen Unterschiede beim Absterben der Pfahlwurzeln können mit deren unterschiedlicher Größe und einem unterschiedlich starken Befall der einzelnen Pfahlwurzeln mit Trauermückenlarven erklärt werden.

Veränderungen in Ampferbeständen durch den Befall der Pfahlwurzel des Ampfers mit Insektenlarven

Die im vorhergehenden Abschnitt beschriebenen, durch den Befall mit Trauermückenlarven in den Pfahlwurzeln hervorgerufenen, zeitlich aufeinander folgenden Veränderungen an den oberirdischen Teilen der Ampferpflanzen können in Ampferbeständen flächenmäßig nebeneinander beobachtet werden. Von der befallsfreien Fläche zum Rand des Befallsherdes hin nimmt die Höhe der Ampferpflanzen kontinuierlich ab. Am Rand der Befallsfläche bilden die Ampferpflanzen noch Fruchtstände aus, dann verringern sich zum Befallsherd hin die Höhe der Ampferpflanzen sowie die Anzahl und Größe der Blätter. Dadurch sind die Ampferpflanzen im hohen Wiesenbestand kaum noch zu sehen.

Durch das Absterben von Pfahlwurzeln ist in dem Ampferbestand auf dem Wolfsberg eine kleine Fläche ohne Ampferpflanzen entstanden. Dieser kleine Befallsherd bot sich dazu an, die weitere Entwicklung der Trauermückenpopulation und eine damit in Verbindung stehende Veränderung der ampferfreien Fläche zu beobachten. Als Begrenzung der ampferfreien Fläche dienten die im vorhergehenden Abschnitt bereits beschriebenen fünf Randpflanzen. Die durch diese Pflanzen begrenzte ampferfreie Fläche hatte am 6.11.2006 eine Größe von 110 m². Nachdem die Pfahlwurzeln der bisherigen Randpflanzen 2, 3 und 4 ausgegraben worden waren, wurde am 24.6.2010 die nun größere ampferfreie Fläche erneut vermessen. Nunmehr waren auf einer Fläche von 499 m² keine Ampferpflanzen mehr vorhanden. Somit hat sich in dreieinhalb Jahren die ampferfreie Wiesenfläche auf das Viereinhalbfache ihres ursprünglichen Umfangs vergrößert. Dabei muss noch berücksichtigt werden, dass in diesen drei Jahren auf dieser Fläche die zweite Mahd so spät erfolgte, dass die Ampfersamen reif werden konnten (Tab. 3). Die ampferfreie Fläche hat sich so weit ausgedehnt, dass sie nach einer Seite hin an die Wiesenfläche mit nur einzelnen Ampferpflanzen angrenzt. Deshalb sind weitere Messungen der ampferfreien Fläche nicht sinnvoll, weil sie zu falschen Ergebnissen führen würden.***

Die im Frühjahr 2007 auf der ampferfreien Fläche gefundenen vier schwachen Ampferpflanzen waren im 2. Aufwuchs desselben Jahres nicht mehr vorhanden.

Auf dem Teil der Wiese, auf dem durch das Auftreten von Trauermücken jetzt kein Rumex obtusifolius mehr vorhanden ist, wächst in größerem Umfang Rumex acetosa. Das ist ein Hinweis darauf, dass der Wirtspflanzenkreis der Trauermücken eng begrenzt ist, da nicht alle Arten der Gattung Rumex befallen werden.

Auch die Grünlandflächen, auf denen 2007 und 2008 Pfahlwurzeln entnommen wurden, sind in den folgenden Jahren weiter kontrolliert worden. Die Entwicklung auf diesen Flächen war sehr unterschiedlich. Die Wiese an der Herrenkuppe bei Schmalkalden ist bereits im Spätherbst 2007 umgepflügt worden und im darauffolgenden Herbst 2008 ebenfalls die Wiese bei Steinbach-Hallenberg.

Auf der Wiese in Breitungen mit einem relativ großen Ampferbestand konnten am 20.8.2010 nur noch neun Ampferpflanzen gefunden werden. Die Ursache für das nahezu Erlöschen dieses Ampferbestandes konnte nicht ermittelt werden.

Auf der Wiese in Themar, wo 2007 nur die ausgegrabene Ampferpflanze sichtbar befallen war, wurden am 1.10.2009 mehrere kleine, 3 bis 4 m² große Flächen ohne Ampfer gefunden. Am 9.5.2010 hatten 28 Pfahlwurzeln nur einen schwachen Austrieb und am 4.10.2012 war dieser Ampferbestand erloschen.

Auf der Weide am Henneberger Haus bei Schmalkalden wurden am 11.10.2007 sechs Pfahlwurzeln ohne oder mit geringem Austrieb gefunden und ausgegraben. Am 27.4.2008 war neben 14 vorjährigen Fruchttrieben kein Neuaustrieb vorhanden und am 29.4.2010 betraf dies 52 vorjährige Fruchttriebe. Am 16.9.2012 war der ehemalige Ampferbestand nicht mehr vorhanden.

Die größte Überraschung bot aber die Wiese bei Bermbach. Am 27.7.2010 konnten an der bekannten Befallsstelle keine Ampferpflanzen mehr gefunden werden. Somit muss dieser kleine Ampferbestand als erloschen gelten. Das relativ schnelle Absterben dieses Ampferbestandes legt den Schluss nahe, dass die dort in und an den Pfahlwurzeln des Ampfers gefundenen Schmetterlingsraupen den Ampfer schneller zum Absterben bringen als die Trauermückenlarven. Diese Annahme ist darauf begründet, dass die Schmetterlingsraupen wesentlich größer als die Trauermückenlarven sind und deshalb auch ihr Nahrungsbedarf höher ist. Dieser Umstand lässt sie bei der biologischen Bekämpfung des Ampfers erfolgreicher sein.

Im Ergebnis der Untersuchungen kann festgestellt werden, dass von den vier untersuchten Ampferbeständen einer bereits nach zwei Jahren (Bermbach) und zwei weitere (Themar und Henneberger Haus) nach fünf Jahren nicht mehr vorhanden, also erloschen waren. Der größere Ampferbestand auf dem Wolfsberg bei Schmalkalden ist wesentlich kleiner geworden. Nach diesen Ergebnissen sind Insektenlarven in der Lage, Ampferbestände zum Absterben zu bringen. Das könnte die Grundlage für eine biologische Bekämpfung des Stumpfblättrigen Ampfers sein.

Das Geschlechterverhältnis der Trauermücken und Rückschlüsse aus dem Verkleinern eines Ampfer­bestandes auf die Eizahl/Mückenweibchen

Da über die Biologie der Trauermücken nur ungenügende Kenntnisse vorhanden sind (Menzel und Müller, 2010), sollen die vorliegenden Unterlagen noch für das Ergänzen des bisherigen Wissens ausgewertet werden. Das ist am ehesten möglich in Verbindung der Populationsentwicklung der Trauermücken mit dem Verkleinern eines Ampferbestandes. Zum Gewinnen der erforderlichen Daten wird vom Ausbreiten des Trauermückenbefalls in dem Ampferbestand auf dem Wolfsberg ausgegangen. Als wichtig für die Populationsentwicklung der Trauermücken werden berücksichtigt: das Männchen : Weibchen-Verhältnis der Trauermücken, die Anzahl der vom Mückenweibchen abgelegten Eier und die Verluste während der Entwicklung vom Ei bis zur Imago. Nicht berücksichtigt werden äußere Einflüsse (Witterung, Parasitenbefall), die die Populationsentwicklung der Trauermücken ebenfalls beeinflussen können.

Das Männchen : Weibchen-Verhältnis der Trauermücken wurde mit den noch vorhandenen Mücken aus den Schlüpfversuchen (Menzel und Müller, 2010) ermittelt (Tab. 5). Dabei konnten sehr unterschiedliche Verhältnisse festgestellt werden. So waren bei Bradysia scabricornis vom Wolfsberg wesentlich mehr Männchen als Weibchen vorhanden. Bei Lycoriella ingenua aus Themar waren es im Gegensatz dazu mehr Weibchen als Männchen. In den beiden anderen noch untersuchten Proben überwog ebenfalls der Anteil der Weibchen. Insgesamt wurden jeweils 45 männliche und 45 weibliche Tiere gezählt, was sich in unseren Berechnungen im Durchschnitt als ein Männchen : Weibchen-Verhältnis von 1:1 niederschlägt. Ob die Anzahl der untersuchten Trauermücken für das Ermitteln des Männchen : Weibchen-Verhältnisses ausreichend ist, müssen weitere Untersuchungen zeigen. Je höher der Weibchenanteil in einer Population ist, desto schneller vergrößert sich bei gleicher Eizahl/Weibchen die Population und desto schneller nimmt der Ampferbestand ab.

Tab. 5. Das Geschlechterverhältnis bei verschiedenen Herkünften von Trauermücken

  

Anzahl

Herkunft

Trauermücken-Art

Männchen

Weibchen

Schmalkalden Herrenkuppe

Bradysia scabricornis

1

3

Schmalkalden Wolfsberg

Bradysia scabricornis

29

5

Steinbach-Hallenberg

Lycoriella castanescens

7

14

Themar

Lycoriella ingenua

8

23

Die von jedem Mückenweibchen im Durchschnitt abgelegte Anzahl Eier wurde über die ampferfreie Fläche auf dem Wolfsberg ermittelt. Die ursprüngliche Befallsdichte betrug 3,3 Ampferpflanzen/m². In fünf Jahren wurden die Ampferpflanzen auf 499 m² vernichtet, das sind insgesamt 1647 Pflanzen. Zum Abtöten einer mittelgroßen Pfahlwurzel sind 50 Mückenlarven, also auch 50 Eier erforderlich. Während der Entwicklung der Mücken vom Ei bis zur Imago wurden 20% Verluste angenommen. Dazu wurden keine Untersuchungen durchgeführt. Der Weibchenanteil in der Mückenpopulation betrug 14,7% (Tab. 5). Der Anfangsbefall lag bei 50 Larven/Pfahlwurzel. Wenn man von diesen Grundlagen ausgeht, dann hat ein Mückenweibchen im Durchschnitt 37 Eier abgelegt und die Trauermückenpopulation in fünf Jahren rein rechnerisch 1563 Pfahlwurzeln des Ampfers vernichtet. Bei 38 Eiern/Weibchen würde sich diese Zahl auf 1782 Pfahlwurzeln erhöhen. Zwischen diesen beiden Zahlen liegt die Anzahl von 1647 ursprünglich vorhandener Ampferpflanzen. Legt man das mittlere Männchen : Weibchen-Verhältnis von 1:1 zugrunde (Tab. 5), dann kommt man rein rechnerisch zu einer durchschnittlichen Eizahl von 11 Eiern/Weibchen.

In Themar ist die Größe der Ampferbefallsfläche und die Anzahl Ampferpflanzen/m² nicht ermittelt worden. Ordnet man den 74,2% Weibchenanteil von Themar (Tab. 5) der Befallsfläche auf dem Wolfsberg zu, dann hat im Durchschnitt jedes Mückenweibchen 7,3 Eier gelegt.

Die angeführten Beispiele zeigen, dass für das Erreichen derselben Absterberate von Pfahlwurzeln die Anzahl der erforderlichen Eier/Weibchen vom Anteil der Weibchen in der Mückenpopulation abhängig ist. So kann dasselbe Ergebnis sowohl mit einem hohen Anteil Weibchen in der Population und wenig Eiern/Weibchen erreicht werden als auch mit einem geringen Anteil Weibchen in der Population und einer hohen Anzahl Eier/Weibchen. Die errechneten Eizahlen können nur Anhaltspunkte sein. Das Ermitteln der Eizahlen/Weibchen ist nur durch das Auszählen am Objekt möglich.

In Abb. 2 zeigt die Kurve den Rückgang des Ampfer­bestandes auf dem Wolfsberg in Abhängigkeit von der Entwicklung der Trauermückenpopulation. Nach der Kurve starben in den ersten beiden Jahren nach dem Larven­befall nur wenige Pfahlwurzeln ab. In den beiden folgenden Jahren erhöhte sich dieser Wert und im fünften Jahr stieg dann die Kurve steil an. Das ist aber schon die Zeit, in der die Ampferbestände in Themar und am Henne­berger Haus bei Schmalkalden erloschen sind. Auf dem Wolfsberg hat sich nach 2010 die Verkleinerung des Ampferbestandes wieder verlangsamt und der steile Anstieg der Kurve (Abb. 2) nicht fortgesetzt. Daraus muss der Schluss gezogen werden, dass sich die Trauermückenpopulation nicht mehr so stark vermehrt hat wie in den Jahren zuvor. Es ist eine bekannte Erscheinung, dass sich Insektenpopulationen nicht unbegrenzt vermehren, sondern nach Erreichen eines Maximums die Individuenzahl wieder rückläufig ist. Diese Problematik trifft auf alle Fälle zu, in denen endemisch vorkommende Insekten zur biologischen Bekämpfung genutzt werden.

Abb. 2. Der Rückgang des Ampferbestandes auf dem Wolfsberg bei Schmalkalden in Abhängigkeit von der Entwicklung der Trauermückenpopulation.

Abb. 2. Der Rückgang des Ampferbestandes auf dem Wolfsberg bei Schmalkalden in Abhängigkeit von der Entwicklung der Trauermückenpopulation.

Schlussfolgerungen aus den Untersuchungen und Hinweise zur biologischen Bekämpfung des Stumpfblättrigen Ampfers

Die Möglichkeit der biologischen Bekämpfung des Ampfers mit den in seinen Pfahlwurzeln vorkommenden Trauermücken steht im Widerspruch zu der Tatsache, dass sich der Stumpfblättrige Ampfer in den letzten Jahrzehnten auf dem Grünland vermehrt hat. Die Gründe dafür liegen auch in dem unterschiedlichen Vermehrungspotential des Ampfers und seiner Gegenspieler. Nach früheren Untersuchungen (Müller, 2008a) entwickelt eine Ampferpflanze unter unseren Bedingungen in einem Jahr auf unbewirtschafteten Flächen bei einmaligem Fruchten durchschnittlich 21 000 lebensfähige Früchte, auf Mähwiesen im 2. und 3. Aufwuchs etwa 3300 lebensfähige Früchte. Im Gegensatz dazu liegen über die Biologie und das Fortpflanzungsverhalten der gefundenen Trauermückenarten nur ungenügende Untersuchungsergebnisse vor. Geht man davon aus, dass ein Weibchen 8 bis 60 Eier legt,**** dann hat der Ampfer im Durchschnitt eine 100- bis 600-mal höhere Vermehrungsrate als die Trauermücken. Schon diese Tatsache erklärt den großen Vorteil des Ampfers bei seiner weiteren Ausbreitung. Zu Gunsten des Ampfers kommt noch hinzu, dass etwa 50 Trauermückenlarven erforderlich sind, um eine mittelgroße Pfahlwurzel des Ampfers zum Absterben zu bringen. Ein weiterer Vorteil für den monoklinen Ampfer ist, dass sich aus jeder Blüte eine einsamige Frucht entwickelt, während bei den bi­sexuellen Trauermücken die Männchen für die Eiproduktion ausfallen. So ist es verständlich, dass die Trauermücken bei den gegenwärtigen Bewirtschaftungsverfahren des Grünlandes die Vermehrung des Ampfers nicht verhindern können.

Im Grunde genommen ist es für die biologische Bekämpfung des Ampfers von untergeordneter Bedeutung, welche endemisch vorkommenden Parasiten genutzt werden. Ausschlaggebend ist ihr Erfolg bei der Vernichtung des Ampfers. In unserem Gebiet sind dabei Trauermücken erfolgreich und wurden verbreitet in den Pfahlwurzeln des Stumpfblättrigen Ampfers nachgewiesen. Nach Menzel und Müller (2010) sind die gefundenen Trauermückenarten bis auf Epidamus absconditus in Europa weit verbreitet. Damit ist nicht nur bei uns die Möglichkeit gegeben, Trauermückenarten zur biologischen Bekämpfung des Stumpfblättrigen Ampfers zu nutzen.

Als weitere Insektenart für die biologische Bekämpfung des Ampfers nennen Kohout und Kohoutova (1994) den Rüsselkäfer Apion miniatum. Die Larven dieses Rüsselkäfers minieren in den Pfahlwurzeln und den basalen Triebteilen des Ampfers und haben an einigen Stand­orten in der Tschechischen Republik zu einem Rückgang der Ampferpflanzen geführt.

In diesem Zusammenhang sei auch darauf hingewiesen, dass in dem erloschenen kleinen Ampferbestand bei Bermbach die Raupen des Schmetterlings Hepiolus humuli gefunden wurden. Somit muss in Zukunft auch den Schmetterlingsraupen bei der biologischen Bekämpfung des Ampfers die gebührende Beachtung geschenkt werden.

Aber nicht alle in den Pfahlwurzeln vorkommenden Insektenarten können überall zur biologischen Bekämpfung des Ampfers genutzt werden. Bei uns tritt zwar Apion miniatum auch verbreitet auf, aber immer nur in einzelnen oder wenigen Exemplaren. Die geringe Anzahl Larven in der Pfahlwurzel wird jedoch von der Ampferpflanze ohne größere Schäden toleriert.

Ähnliche Verhältnisse liegen bei dem Rüsselkäfer Rhinoncus pericarpius vor. Die Larven dieses Rüsselkäfers kommen in unserem Gebiet auch verbreitet in den Pfahlwurzeln des Ampfers vor, aber in einer so geringen Anzahl, dass sie von den Ampferpflanzen toleriert werden. Nur in dem Trockenjahr 2003 war die Anzahl Larven in den Pfahlwurzeln des Ampfers so stark erhöht, dass die Wurzeln nicht wieder austrieben (Müller, 2008b).

Diese Verhältnisse beleuchten eine andere Proble­matik: Es reicht nämlich für die erfolgreiche Bekämpfung des Ampfers nicht aus, wenn Insektenlarven in den Pfahlwurzeln minieren. Erst durch ihre Anzahl müssen die Larven eine Schadhöhe erreichen, die das erneute Austreiben der Pfahlwurzel verhindert. Oder diese Schad­höhe muss — wie im Fall der Trauermücken — durch mehrmaligen Befall in aufeinanderfolgenden Jahren erreicht werden.

Die von der Natur gegebenen Möglichkeiten zur biologischen Bekämpfung des Stumpfblättrigen Ampfers sollten weitestgehend genutzt werden. Dafür ist es als erstes erforderlich, sich in dem dafür vorgesehenen Ampfer­bestand einen Überblick zu verschaffen, ob und welche Parasiten in und an den Pfahlwurzeln des Ampfers vorkommen. Diese Untersuchungen sollten unter Mitwirkung der staatlichen Einrichtungen des Pflanzenschutzdienstes vorgenommen werden. Wenn in den Pfahlwurzeln wirksame Parasiten in ausreichender Anzahl gefunden werden, kann man sich für eine biologische Bekämpfung des Ampfers entscheiden. Will man diesen Weg beschreiten, dann muss eine weitere Vermehrung der Ampferpflanzen verhindert werden. Dazu muss die alte, schon langzeitig erhobene Forderung verwirklicht werden, durch eine entsprechende Bewirtschaftung des Grünlandes die Samenreife des Ampfers zu verhindern. Das geschieht durch die rechtzeitige Mahd der Wiesen und das Nachmähen auf den Weiden (Müller, 2008a). Diese Arbeiten sind neben dem Nachweis der Parasiten in den Pfahl­wurzeln die einzigen Aufwendungen für die biologische Bekämpfung des Ampfers. Alles Weitere erledigen die Insektenlarven in den Pfahlwurzeln.

Danksagung

Unseren Söhnen Dietmar, Haiko und Olaf danke ich für ihre Hilfe und Unterstützung.

Literatur

Cavers, P.B., J.L. Harper, 1964: Biological flora of the British Isles: Rumex obtusifolius L. and Rumex crispus L. Journal of Ecology 52, 737-766.

Guttenberg, H. von, 1951: Lehrbuch der Allgemeinen Botanik, Berlin, Akademie-Verlag, 639 S.

Kohout, V., S. Kohoutova, 1994: Possibilities of utilization of species Apion miniatum Germar in biological control of genus Rumex. Zeitschrift für Pflanzenkrankheiten und Pflanzenschutz, Sonderheft 14, 217-220.

Menzel, F., W.A.H. Müller, 2010: Trauermücken (Diptera: Sciaridae) aus Pfahlwurzeln von Rumex obtusifolius Linnaeus in Südwest-Thüringen (Deutschland), mit Bemerkungen zur Variabilität von Bradysia scabricornis Tuomikoski. Studia dipterologica 17 (1/2), 161-171.

Müller, W.A.H., 2008a: Beitrag zur Biologie des Stumpfblättrigen Ampfers (Rumex obtusifolius L.) Nachrichtenbl. Deut. Pflanzenschutzd. 60 (6), 129-138.

Müller, W.A.H., 2008b: Beitrag zur Bekämpfung des Stumpfblättri­gen Ampfers (Rumex obtusifolius L.) Nachrichtenbl. Deut. Pflanzenschutzd. 60 (9), 193-200.

Sedlar, L., R. Vonmoos, G. Défago, H. Kern, 1983: Fungi Occuring on Selected Weeds. A Compilation from Literature Data ETH Zürich.

Sobotik, M., 2001: Verbreitung, Morphologie und Anatomie des Ampfers. 7. Alpenländisches Expertenforum, Bundesanstalt f. Alpenländische Landwirtschaft, Gumpenstein, 33-38.


Fußnoten:

*  

Herrn Dr. Nuss, Senckenberg Naturhistorische Sammlungen in Dresden, danke ich für das Bestimmen des Schmetterlings.

**  

Herrn Dr. Menzel, Senckenberg Deutsches Entomologisches Institut in Müncheberg, danke ich für das Bestimmen der Fliege.

***  

Die vorgesehenen Schlüpfversuche mit Pfahlwurzeln des Ampfers aus dem Randbereich der Trauermückenbefallsfläche zum Nachweis des Larvenbefalls und zum Nachweis der Ausbreitung der Trauermückenpopulation im Ampferbestand konnten 2010 und 2011 nicht vorgenommen werden.

****  

Herrn Dr. Menzel, Senckenberg Deutsches Entomologisches Institut in Müncheberg, danke ich für die Angaben.

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