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Originalarbeit

Erhebungen zur Anwendung von Pflanzenschutzmitteln im Weinbau

Survey on application of chemical pesticides in grapes (for wine production)

Dietmar Roßberg1 und Roland Ipach2
Institut
Julius Kühn-Institut – Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen, Institut für Strategien und Folgenabschätzung, Kleinmachnow1
Dienstleistungszentrum ländlicher Raum Rheinpfalz, Abteilung Phytomedizin, Neustadt an der Weinstraße2

Journal für Kulturpflanzen, 67 (12). S. 410–416, 2015, ISSN 1867-0911, DOI: 10.5073/JfK.2015.12.03, Verlag Eugen Ulmer KG, Stuttgart

Kontaktanschrift
Dr. Dietmar Roßberg, Julius Kühn-Institut, Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen, Institut für Strategien und Folgenabschätzung, Stahnsdorfer Damm 81, 14532 Kleinmachnow, E-Mail: dietmar.rossberg@jki.bund.de
Zur Veröffentlichung angenommen
11. September 2015

Zusammenfassung

Frei verfügbare Informationen zur tatsächlichen Anwendung chemischer Pflanzenschutzmittel in der Landwirtschaft werden für eine Reihe von wissenschaftlichen Fragestellungen wie auch für die politische Argumentation dringend benötigt. Deshalb werden seit dem Jahr 2000 regelmäßig Erhebungen zur Anwendung chemischer Pflanzenschutzmittel (PSM) in den wichtigsten landwirtschaftlichen und gärtnerischen Kulturen Deutschlands durchgeführt (NEPTUN-Erhebungen). Diese werden seit 2011 unter veränderten gesetzlichen Rahmenbedingungen als PAPA-Erhebungen fortgesetzt. PAPA steht für Panel Pflanzenschutzmittel-Anwendungen. Das heißt, es wurden kulturspezifische Netze von Erhebungsbetrieben geschaffen, in denen jährlich die PSM-Anwendungsdaten detailliert erfasst und in anonymisierter Form an das Julius Kühn-Institut (JKI) weitergeleitet werden.

Alle Erhebungen und Auswertungen beziehen sich auf die Bundesrepublik Deutschland. Die Verteilung der Panel-Betriebe erfolgte proportional zur Verteilung der Anbau­flächen pro Kultur.

Die Ergebnisse der PAPA-Erhebungen zeigen, dass sich die Pflanzenschutzintensität im Weinbau in den letzten Jahren relativ stetig erhöht hat. Zum einen hat der Befallsdruck durch pilzliche Schaderreger auf den Dauerkulturstandorten (insbesondere im Weinbau) in den letzten Jahren erheblich zugenommen. Zum anderen war aber auch zunehmend das verstärkte Auftreten „neuer“ Schad­erreger zu beobachten. Beides ist möglicherweise eine Folge der Klimaveränderung/Klimaerwärmung. Zum dritten führen aber auch der Wegfall hochwirksamer Pflanzenschutzmittel und die Ausbildung von Resistenzen zu einem Anstieg an PSM-Applikationen. Eine Verringerung der Anzahl chemischer Pflanzenschutzmaßnahmen ist deshalb auch in den kommenden Jahren nicht zu erwarten.

Stichwörter: Pflanzenschutz, statistische Erhebung, Behandlungsindex, PAPA, Weinbau

Abstract

Freely available information on the actual use of chemical plant protection products (PPPs) in agriculture is highly necessary for a number of scientific questions and political discussion. Therefore, since 2000, regular surveys on the use of PPPs have been carried out for the most important agricultural and horticultural crops in Germany (NEPTUN projects). In 2011, they were adjusted to legal framework changes. Since then they are known as PAPA surveys with “PAPA” being an abbreviation for Panel Pesticide Applications. For each crop a network of farms was built up. In each the PPP application data are collected annually. The participating farms are distributed throughout Germany proportionally to the production area per crop. The data was anonymized and forwarded to the Julius Kühn-Institut (JKI). All surveys and analyses based on the panel refer to the Federal Republic of Germany.

The results of PAPA surveys show that in grape the plant protection intensity has increased steadily in recent years. One reason for this development is a considerable increase in fungal pathogens in permanent crop sites (especially in viticulture). In addition, an increase of “new” pathogens was observed. Both may be a consequence of climate change/global warming. Finally, the ban of some highly effective pesticides and the development of resistances lead to an increase in pesticide applications. Therefore, a reduction of chemical plant protection measures cannot be expected in the next few years.

Key words: Plant protection, statistical survey, treatment index, PAPA, grapes

Einleitung

Für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 1185/2009 über Statistiken zu Pestiziden (Pflanzenschutzmittel-Statistikverordnung) sind in Deutschland zwei Behörden verantwortlich. Die Daten über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln übermittelt das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittel­sicherheit (BVL) an EUROSTAT. Für die Erhebung und Übermittlung der Daten zur landwirtschaftlichen Verwendung von Pflanzenschutzmitteln ist das Julius Kühn-Institut – Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen (JKI) zuständig (vgl. Pflanzenschutzgesetz, § 21). Ziel bei der Konzipierung und Umsetzung der entsprechenden Erhebungen war und ist es, neben der Erfüllung der Anforderungen der Pflanzenschutzmittel-Statistikverordnung auch den Informationsansprüchen des Nationalen Aktionsplanes zur nachhaltigen Anwendung von Pflanzenschutzmitteln (NAP) zu genügen und die zusätzlichen Kosten für die Informationsgewinnung so gering wie möglich zu halten. Darüber hinaus war es wichtig, unnötige Mehr­belastungen für Landwirtschaft und Gartenbau durch zusätzliche bürokratische Auflagen zu vermeiden. Die mittlerweile seit 2011 durchgeführten Erhebungen firmieren unter dem Namen PAPA (Panel Pflanzenschutzmittel-Anwendungen).

Methodik

Für die Sicherstellung der PAPA-Erhebungen im Weinbau hat das JKI einen Vertrag mit dem Deutschen Weinbauverband e.V. (DWV) abgeschlossen. Darin verpflichtet sich der DWV nach den Vorgaben des JKI die Daten zur Anwendung von Pflanzenschutzmitteln (PSM) aus ca. 100 Weinbaubetrieben zu akquirieren und in anonymisierter Form an das JKI weiterzuleiten.

Regionale Gliederung

Da die Pflanzenschutzmittel-Statistikverordnung nur nationale Aussagen verlangt, wird die Bundesrepublik Deutschland als einzige Erhebungsregion betrachtet. Aus arbeitsorganisatorischen und aus Kostengründen wurde darauf verzichtet, von vornherein weitergehende, auf kleinere Gebiete bezogene, repräsentative Aussagen anzustreben. Dennoch wurde auf eine angemessene räumliche Verteilung der Erhebungsbetriebe geachtet. Das JKI hat entsprechende Vorgaben zur Verteilung der Panel-Betriebe proportional zur Verteilung der Anbauflächen pro Kultur abgeleitet (Tab. 1).

Tab. 1. Vorgaben zur Verteilung der PAPA-Erhebungsbe­triebe

 

Anzahl Erhebungsbetriebe

 

Weinanbau­­gebiet

mindestens

höchstens

Bundesland

Baden

16

21

Baden-Württemberg

Württemberg

11

15

Baden-Württemberg

Franken

6

10

Bayern

Rheingau

3

6

Hessen

Ahr

1

2

Rheinland-Pfalz

Mosel

9

11

Rheinland-Pfalz

Nahe

4

6

Rheinland-Pfalz

Pfalz

23

26

Rheinland-Pfalz

Rheinhessen

26

30

Rheinland-Pfalz

Sachsen

0

1

Sachsen

Saale-Unstrut

1

2

Sachsen-Anhalt

Auswahl der Betriebe

Die Betriebsauswahl erfolgte bzw. erfolgt durch die örtlichen Beauftragten des DWV nach den im Folgenden dargestellten Vorgaben. Für die Panels sollten (wenn möglich) ausschließlich Haupterwerbsbetriebe, die typisch für die Region sind, ausgewählt werden. Sie sind der Hauptadressat des NAP. Weitere Vorgaben waren:

• Durchführung des Pflanzenschutzes nach den Grundsätzen der guten fachlichen Praxis im Pflanzenschutz

• lückenlose und zeitnahe Dokumentation der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln

• keine Teilnahme an Förderprogrammen zur Reduzierung von PSM-Anwendungen

• Bereitschaft zur freiwilligen und anonymisierten Weitergabe von Daten über die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln an das JKI

Zu erhebende Daten

Bei den PAPA-Erhebungen werden Daten zu allen relevanten Pflanzenschutzmaßnahmen erfasst. Alle Daten sind schlagspezifisch bzw. für Bewirtschaftungseinheiten (BWE) zu erfassen. Unter einer Bewirtschaftungseinheit werden die Flächen (Parzellen, Schläge) eines Betriebes zusammengefasst, die einheitlich bewirtschaftet werden und auf denen auch die gleichen Pflanzenschutzmittel­anwendungen erfolgen.

Folgende Angaben werden zu jeder einzelnen Maßnahme gefordert:

• Datum der Anwendung

• Anwendungsgebiet/Indikation (fakultativ)

• vollständiger Name des Pflanzenschutzmittels

• Aufwandmenge Pflanzenschutzmittel

• Maßeinheit für Aufwandmenge

• behandelte Fläche [ha]

Bei Tankmischungen sind die obigen Angaben für jeden einzelnen Tankmischungspartner erforderlich.

Im Weinbau gibt es die Besonderheit, dass in der Regel auf allen Flächen eines Betriebes die gleichen Pflanzenschutzmaßnahmen durchgeführt werden. Der gesamte Betrieb ist sozusagen eine einzige große Bewirtschaftungseinheit. In einigen Fällen kommt es aber auch zu entsprechenden Ausnahmen (siehe Gliederungspunkt Ergebnisse – Stichprobenumfang).

Erhebungszeitraum

Bei den Dauerkulturen (Tafelapfel, Wein und Hopfen) ist der Erhebungszeitraum das Kalenderjahr.

Datenerfassung

Die Dokumentation der Einzeldaten erfolgt immer durch den Landwirt und/oder die im Betrieb dafür verantwortliche(n) Person(en). Diese Daten werden anschließend durch die von den Vertragspartnern benannten Regionalbetreuer gesammelt und in anonymisierter Form an das JKI weitergeleitet.

Für die Datenerfassung werden derzeit alle Formen für die Dokumentation der durchgeführten Pflanzenschutzmaßnahmen akzeptiert, wenn sie alle gewünschten Angaben enthalten. Die Daten werden im JKI in eine ACCESS-Datenbank übertragen. Anschließend werden verschiedene Plausibilitätstests zur Verifizierung der erfassten Daten durchgeführt, um eventuelle Widersprüche, Fehler oder Mängel in den Daten zu erkennen. Die entsprechenden Entscheidungen bzgl. der Korrektur solcher „Auffälligkeiten“ werden ausschließlich per Einzelfallprüfung getroffen.

Der zeitliche Aufwand für die Erfassung der Daten und die Plausibilitätsprüfung ist erheblich.

Datenanalyse

Zur Beschreibung des quantitativen Umfangs der Anwendung von chemischen Pflanzenschutzmitteln werden die zwei Kennziffern Behandlungshäufigkeit (BH) und Behandlungsindex (BI) berechnet. Zusätzlich wird ein Ranking bzgl. der eingesetzten Wirkstoffe für die Wirkstoffbereiche Herbizide, Fungizide und Insektizide/Akarizide ermittelt.

Eine detaillierte Definition von BH, BI und Wirkstoffranking findet man bei Rossberg (2013) oder im Internet unter http://papa.jki.bund.de.

Ab 2015 werden im Rahmen der Pflanzenschutzmittel-Statistikverordnung auch noch zwei weitere Kenn­ziffern (Behandlungsfläche und ausgebrachte Mengen; jeweils pro Wirkstoff) ermittelt.

Ergebnisse

Quantitative Angaben zum Umfang der Datenerhebungen 2011–2014

Tab. 2 gibt einen Überblick über den Stichprobenumfang in den einzelnen Jahren. Aufgeführt sind die Anzahl Erhebungsbetriebe, die Gesamtzahl unterschiedlicher Spritzfolgen in allen Erhebungsbetrieben und die Anzahl aller dokumentierten Maßnahmen (= Anzahl Datentupel). Mit dem Begriff „Datentupel“ sollen hier alle Angaben, die zur Charakterisierung der Anwendung eines Pflanzenschutzmittels dienen, also Termin + Indikation + Mittelname + Aufwandmenge + behandelte Fläche, zusammengefasst werden.

Tab. 2. Stichprobenumfänge für PAPA-Weinbau 2011–2014

Jahr

Anzahl Betriebe

Anzahl Spritzfolgen

Anzahl Datentupel

2011

102

102

3012

2012

105

105

2407

2013

102

105

2638

2014

104

116

3091

Im Weinbau werden in der Regel auf allen Flächen eines Betrie­bes die gleichen PSM-Anwendungen durchgeführt. Die höhere Anzahl Spritzfolgen im Vergleich zur Anzahl Erhebungs­­betriebe spiegelt hier lediglich wider, dass es entsprechende Ausnahmen gibt.

Behandlungshäufigkeiten und Behandlungsindizes

Tab. 3 gibt einen Überblick über alle für Deutschland berechneten Behandlungshäufigkeiten.

Tab. 3. Berechnete Behandlungshäufigkeiten für PAPA-Weinbau 2011–2014
(ergänzt mit Ergebnissen aus früheren Erhebungen)

Jahr

insgesamt

Fungizide

Herbizide

Insektizide

2003 *

8,04

7,43

0,37

0,66

2006 *

9,41

8,61

0,40

0,43

2009 *

9,20

8,86

0,30

0,43

2011

8,89

8,42

0,43

0,40

2012

9,94

9,32

0,41

0,50

2013

10,44

9,55

0,49

0,63

2014

10,81

9,57

0,42

1,14

* Ergebnisse aus früheren NEPTUN-Erhebungen (2014 neu berechnet nach aktueller Methode)

In Tab. 3 ist die Kennziffer Behandlungshäufigkeit auch Wirkstoffbereich-unabhängig (Spalte: „insgesamt“; steht für „alle Mittel“) angegeben. In dem Zusammenhang ist jedoch zu bemerken, dass die Summe der drei Wirkstoffbereich-bezogenen Anwendungshäufigkeiten häufig größer ist als die für alle betrachteten Pflanzenschutzmittel berechnete Anwendungshäufigkeit. Dieser Fakt wird durch folgendes fiktive Beispiel verdeutlicht. Ein Winzer bringt eine Tankmischung bestehend aus zwei Fungiziden und einem Insektizid aus. Dann gilt für diese Maßnahme:

a) Maßnahmen-Koeffizient (alle Mittel) = 1 (Wirkstoffbereich-unabhängig)

b) Maßnahmen-Koeffizient (Herbizide) = 0

c) Maßnahmen-Koeffizient (Fungizide) = 1

d) Maßnahmen-Koeffizient (Insektizide) = 1

Summe von b) bis d) = 2

Tab. 4 gibt einen Überblick über alle für Deutschland berechneten Behandlungsindizes.

Tab. 4. Berechnete Behandlungsindizes für PAPA-Wein­bau 2011–2014
(ergänzt mit Ergebnissen aus frü­heren Erhebungen)

Jahr

insgesamt

Fungizide

Herbizide

Insektizide

2003 *

13,05

12,36

0,14

0,55

2006 *

13,42

12,72

0,33

0,37

2009 *

14,20

13,65

0,20

0,35

2011

15,33

14,65

0,34

0,34

2012

16,62

15,92

0,25

0,45

2013

17,21

16,13

0,52

0,56

2014

19,78

18,29

0,42

1,06

* Ergebnisse aus früheren NEPTUN-Erhebungen

Ein Vergleich mit den Zahlen aus Tab. 3 zeigt, dass die ermittelten Werte für den Behandlungsindex (insgesamt) höher sind als die Werte für Behandlungshäufigkeit (insgesamt). Das ist ein deutliches Indiz dafür, dass bei einer PSM-Anwendung oftmals mehrere Mittel gleichzeitig als Tankmischung ausgebracht werden.

Rangfolgen von Wirkstoffen

Tab. 5 zeigt am Beispiel „Fungizide 2013“ die Darstellung der berechneten Rangfolgen. Eine komplette Darstellung der Wirkstoffrankings aus den vier Jahren würde den Rahmen dieser Veröffentlichung sprengen. Hier wird wiederum auf die Internetseite http://papa.jki.bund.de verwiesen.

Tab. 5. PAPA-Weinbau 2013: Wirkstoff-Ranking Fungi­zide

Wirkstoffname

Anteil am Wirkstoff­bereich (bezogen auf BI-Werte) in %

Anteil in Prozent aller Erhebungs­betriebe

Folpet

16,34

95,1

Schwefel

14,94

99,02

Myclobutanil

5,72

73,53

Metiram

5,48

70,59

Metrafenone

4,33

72,55

Fluopyram

4,31

78,43

Boscalid

3,72

72,55

Tebuconazol

3,67

74,51

Cyflufenamid

3,5

61,76

Kresoxim-methyl

3,43

66,67

Difenoconazol

2,97

60,78

Quinoxyfen

2,81

54,9

Cyazofamid

2,76

54,9

Penconazol

2,65

49,02

Dimethomorph

2,47

42,16

Dithianon

2,43

38,24

Mancozeb

2,1

34,31

Kupferhydroxid

1,95

33,33

Iprovalicarb

1,72

30,39

Fluopicolide

1,15

30,39

Fosetyl

1,15

30,39

Cyprodinil

1,11

36,27

Fludioxonil

1,11

36,27

Proquinazid

1,06

22,55

Ametoctradin

0,88

22,55

Mandipropamid

0,79

19,61

Metalaxyl-M

0,77

17,65

Benthiavalicarb

0,61

13,73

Cymoxanil

0,54

11,76

Kaliumphosphonat (Kaliumphosphit)

0,54

16,67

Fenhexamid

0,44

22,55

Amisulbrom

0,42

7,84

Trifloxystrobin

0,4

7,84

Azoxystrobin

0,38

7,84

Pyraclostrobin

0,37

11,76

Kupferoxychlorid

0,3

11,76

nur Wirkstoffe mit einem Anteil an der Wirkstoffgruppe ≥ 0,3% aufgelistet

Diskussion

In Deutschland ist ebenso wie in der Europäischen Gemeinschaft der Anbau von Weinreben zur Erzeugung von Wein (Keltertrauben) nur auf genehmigten, weinbauwürdigen Flächen erlaubt. Dies führt zu einer teils jahrhundertealten Dauerkultur mit den oft daraus resultierenden phytosanitären Problemen. Durch den meist regional geschlossenen Anbau ist der Druck durch pilzliche oder tierische Schaderreger besonders hoch. In der Folge der Klimaveränderung/Klimaerwärmung kam es in den letzten Jahren zusätzlich zu einer Verschiebung bzw. Erweiterung des Schaderregerpotentials im Weinbau. Dies zeigt sich unter anderem in einer Zunahme der Behandlungshäufigkeiten und der Behandlungsindizes seit der ersten NEPTUN-Erhebung 2003 (vgl. Rossberg, 2004, 2007, 2010).

Fungizide

Für die Bekämpfung von Pilzkrankheiten stehen im Weinbau keine kurativ wirkenden Fungizide zur Verfügung, so dass deren Anwendung vorbeugend erfolgt. Die Praxis erhält hierbei Unterstützung durch Hinweise des Warndienstes und verschiedener Prognosemodelle. Die Behandlungen erfolgen nach einer mehr oder weniger festen Terminierung, da neben den Witterungsverhältnissen der Neuzuwachs den Spritzabstand vorgibt. Junges Pflanzengewebe ist sehr anfällig, so dass im regelmäßigen Abstand ein wirksamer Fungizidbelag aufgebracht werden muss. Neben den Hauptkrankheiten Echter (Oidium) und Falscher Mehltau (Peronospora) treten Fäulniserreger wie Botrytis (Graufäule) oder Penicillium (Grünfäule) und regional Roter Brenner, Phomopsis und Schwarzfäule auf. Echter und Falscher Mehltau sind dabei meist die Leitkrankheiten nach denen die Spritz­folge ausgerichtet werden muss. Beide Krankheiten stellen unterschiedliche klimatische Ansprüche. Während der Falsche Mehltau feucht-warme Bedingungen bevorzugt, gedeiht der Echte Mehltau besonders gut bei schwül-warmen Hochdruckwetterlagen mit nächtlicher Taubildung, so dass für eine der beiden Krankheiten meist gute Infektionsbedingungen vorliegen. Da die deutschen Wein­anbaugebiete in unterschiedlichen klimatischen Regionen liegen, ist auch das Auftreten und die Verbreitung der beiden Mehltaupilze von Jahr zu Jahr und von Region zu Region unterschiedlich.

Andere Pilzkrankheiten mit Ausnahme von Botrytis werden in der Regel durch eine Zusatzwirkung der Mehltaumittel mit erfasst, so dass zu deren Bekämpfung keine separaten PSM-Anwendungen notwendig sind.

Bei der Bekämpfung von Botrytis werden meist verschiedene Strategien angewendet. Bevor es zum Einsatz teurer Botrytizide kommt, werden vorrangig kulturtechnische Maßnahmen getroffen. Dazu zählen unter anderem die Entblätterung der Traubenzone zur besseren Durchlüftung oder das Ausdünnen der Traubenstruktur. Die arbeits- und kostenintensiveren Maßnahmen wie Traubenteilen und Botrytizid-Anwendungen werden meist nur im Premiumbereich angewendet. Dabei kann die Anwendung der Mittel auf die Traubenzone beschränkt werden, was zu einer Einsparung an Pflanzenschutzmitteln von 40 bis 50% führt und auch den Behandlungsindex entsprechend verringert.

Die Erhöhung der Behandlungshäufigkeiten insgesamt von 2003 (erste NEPTUN-Erhebung) bis 2014 (Tab. 3) beruht vor allem auf einer Zunahme der Fungizid-Anwendungen. Hierfür sind mehrere Gründe aufzuführen. Allen voran die schon erwähnte Klimaveränderung mit ihren Wetterextremen. Während es in einigen Anbaugebieten zu häufigeren Regenereignissen kommt und so der Falsche Mehltau gefördert wird, herrschen in anderen Regionen Witterungsbedingungen, die die Ausbreitung des Echten Mehltau unterstützen. Aber auch die Pflanzenschutzmittel selbst können indirekt für eine Erhöhung der Behandlungshäufigkeit verantwortlich sein, z.B. durch Minderwirkungen oder Resistenzen. So ist die deutliche Zunahme bei der Behandlungshäufigkeit in 2012 gegenüber dem Vorjahr sehr wahrscheinlich auf die weitverbreitet auftretende Resistenz von Oidium gegenüber Strobilurinen zu begründen. Lokal auftretender starker Oidiumbefall nach der Anwendung Strobilurin-haltiger Mittel machte mehrere Nachfolgebehandlungen in kurzen Zeitabständen notwendig. Auch wird das Auftreten aggressiverer Rassen beim Echten Mehltau dafür verantwortlich gemacht, dass einige Wirkstoffe nicht mehr ausreichend wirken und kürzere Spritzabstände eingehalten werden müssen. Dies führt auch zwangsläufig zu einer Erhöhung der Behandlungshäufigkeit, die in den darauffolgenden Jahren 2013 und 2014 konstant auf hohem Niveau blieb.

Bei den Behandlungsindizes fällt die Zunahme noch stärker aus. Da mit dem Übergang von den NEPTUN- zu den PAPA-Erhebungen die Methode zur Berechnung der Behandlungsindizes leicht modifiziert wurde (z.B. Einführung terminabhängiger „Regel“-Aufwandmengen für Fungizide und Einbeziehung der „RAK-Anwendungen“), können die Zahlen erst ab 2011 direkt verglichen werden. Im Weinbau werden beide Leitkrankheiten – Echter und Falscher Mehltau – in der Regel immer gemeinsam bekämpft. Dazu werden die beiden Fungizide in einer Tankmischung gemeinsam ausgebracht, was rechnerisch zu einer Verdoppelung der Behandlungsindizes führt im Vergleich zur Anwendung eines Mittels, das gegen beide Krankheiten wirken würde. Früher gab es zwei Strobilurin-haltige Produkte (Cabrio Top und UNIVERSALIS) die gegen beide Krankheiten eingesetzt werden konnten. Nach dem Auftreten der Strobilurinresistenzen wurden die Produkte von der Praxis nach 2012 nicht mehr eingesetzt bzw. vom Markt genommen. Durch einen regional zum Teil massiven Oidiumdruck in Verbindung mit einer weit verbreiteten Strobilurinresistenz mussten Nachbehandlungen oder Zwischenspritzungen erfolgen, die den Behandlungsindex von 14,6 in 2011 auf 16,1 in 2013 anhob. Eine noch größere Steigerung erfolgte zwischen 2013 und 2014 von einem Behandlungsindex von 16,1 auf 18,3. Die Gründe hierfür liegen beim Witterungsverlauf und dem daraus resultierenden Befallsdruck durch die beiden Mehltauarten. Zu Beginn der Spritzungen herrschte in vielen Anbaugebieten eine trocken warme Witterung und durch die schlechten Erfahrungen mit Oidiumbefall im Vorjahr wurden die Behandlungen frühzeitig begonnen. Mitte Juli begann dann eine längere Nässeperiode, die bis Mitte August anhielt. Fast täglich lagen ideale Infektionsbedingungen für Peronospora vor. Die Anwendungen mussten in verkürzten Intervallen erfolgen. Zudem begünstigte die Nässe auch das Auftreten von Fäulnis wie z.B. Botrytis. Deshalb wurden 2014 auch öfter Botrytizide eingesetzt. Da diese Mittel häufig in einer Tankmischung mit den Mehltaumitteln zum Einsatz kommen, erhöht sich dadurch die Behandlungshäufigkeit nur wenig. Beim Behandlungsindex hingegen schlägt jedes weitere Mittel zu Buche.

Auch in der Vergangenheit wurden im Weinbau die für den jeweiligen Entwicklungszustand zugelassenen Aufwandmengen eher selten reduziert. Mit zunehmendem Krankheitsdruck in den letzten Jahren werden die rechtlich möglichen Aufwandmengen jedoch konsequent voll ausgenutzt, um die Krankheiten auch sicher bekämpfen zu können. Eine Verringerung der Behandlungsindizes kann nur mit einer indirekten Reduzierung der Aufwandmenge durch die Applikation mit einem Recyclinggerät oder einer Teilflächenapplikation erfolgen.

Teilflächenbehandlungen sind jedoch nur dann möglich, wenn nur eine bestimmte Zone in der Laubwand behandelt werden muss, wie zum Beispiel bei einer Botrytizidbehandlung die Traubenzone. Solche Behandlungen sind jedoch zusätzliche Anwendungen, die dann die Behandlungshäufigkeiten erhöhen. Mit zunehmender Größe der Betriebe ist aus zeitlichen Gründen eine separate Teilflächenbehandlung kaum noch möglich. Alle genannten Faktoren führten im Berichtszeitraum zwangsläufig zu einer Erhöhung der Behandlungsindizes.

Herbizide

Im Weinbau werden Herbizide meist nur als Streifenbehandlung unter den Rebzeilen eingesetzt (Teilflächenbehandlung). Dabei werden bei einer durchschnittlichen Reihenbreite von 2,0 m nur ca. 40 bis 60 cm breite Streifen behandelt. Nur in Ausnahmefällen erfolgt im Weinbau eine ganzflächige Herbizid-Anwendung, wie zum Beispiel in Steillagen, in denen keine maschinelle Bodenbearbeitung durchgeführt werden kann. Da viele Betriebe keine Herbizide einsetzen und häufig auch nur eine Anwendung stattfindet, liegt die Behandlungshäufigkeit über alle Weinbauflächen deutlich unter 1. Da nur Teil­flächen behandelt werden, liegt auch der Behandlungsindex bei den Herbiziden im Weinbau deutlich unter 1.

Insektizide

Die wichtigsten tierischen Schädlinge im Weinbau sind die beiden Wickler-Arten Bekreuzter und Einbindiger Traubenwickler. Diese werden seit einigen Jahrzehnten zunehmend durch den Einsatz spezifischer Sexuallockstoffe (Pheromone) mit der sogenannten Verwirrungsmethode bekämpft. Durch die Freisetzung der Phero­mone aus entsprechenden Dispensern bildet sich über den Weinbergsflächen eine Pheromonduftwolke, durch die die Männchen gehindert werden, paarungswillige Weibchen aufzufinden. Es kommt so zu keiner Befruchtung und es werden keine oder nur unbefruchtete Eier abgelegt. Diese Anwendung erfolgt großflächig und meist dort, wo die beiden Arten regelmäßig und auch verstärkt auftreten. Nur noch vereinzelt werden die Traubenwickler mit Insektiziden bekämpft. Der Einsatz von Pheromonen wird bei der Berechnung von Behandlungshäufigkeit und Behandlungsindex allerdings auch berücksichtigt (gleichberechtigt zur Anwendung anderer Insektizide!).

Weitere wichtige Schädlinge waren in früheren Jahren die Obstbaumspinnmilbe (Panonychus ulmi) und die Bohnenspinnmilbe (Tetranychus urticae). Durch den Einsatz raubmilbenschonender Spritzfolgen werden heute beide Milbenarten biologisch vor allem durch die Raubmilbe Typhlodromus pyri kontrolliert. Auf einen Einsatz von Akariziden gegen diese beiden Milbenarten kann in der Regel verzichtet werden. Weitere tierische Schäd­linge treten im Weinbau meist nur gelegentlich auf und werden nicht regelmäßig bekämpft.

Darunter fallen unter anderem der Springwurmwickler, die meist in Junganlagen wegen fehlender Raubmilbenpopulation auftretenden Blattgall- und Kräuselmilben, die Grüne Rebzikade und einige weitere Schädlinge. Durch den deutlich verringerten Einsatz von insektiziden und akariziden Wirkstoffen liegt die Behandlungshäufigkeit für diese Wirkstoffgruppen im Weinbau deutlich unter 1. Da bei den genannten Einsatzgebieten in der Regel die gesamte Laubwand mit voller Aufwandmenge behandelt werden muss, liegt der Behandlungsindex zahlenmäßig in gleicher Größenordnung wie die Behandlungshäufigkeit.

Eine Besonderheit war das Jahr 2014. Hier trat zum ersten Mal in großem Umfang in vielen Regionen die Kirschessigfliege (Drosophila suzukii) auf. Im Laufe des Jahres bauten sich auch in fast allen Weinanbaugebieten starke Populationen auf. Die Kirschessigfliege schädigt durch ihre Eiablage und dem danach folgenden Larvenfraß vor allem rote Früchte, so auch rote bzw. dunkel gefärbte Traubensorten. In vielen Rotweinanlagen wurde zum Teil erheblicher Befall festgestellt und Bekämpfungsmaßnahmen eingeleitet. Dies führte 2014 zu einer Verdoppelung der Behandlungshäufigkeit. Da die gesamte Laubwand mit voller Aufwandmenge behandelt wurde, verdoppelte sich auch der Behandlungsindex.

Danksagung

An dieser Stelle ist es den Autoren ein Bedürfnis, dem Deutschen Weinbauverband als Vertragspartner in den PAPA-Erhebungen im Weinbau, zu danken. Ein besonders großes „Dankeschön“ geht an alle regionalen PAPA-Beauftragten, ohne deren Mithilfe es unmöglich wäre, eine solche Erhebung durchzuführen, und für die diese Erhebungen einen erheblichen zusätzlichen Arbeitsaufwand mit sich brachten. Die erforderlichen Verbindungen zu den Erhebungsbetrieben mussten geknüpft werden. Es war Überzeugungsarbeit zu leisten; die Winzer mussten für die Projektteilnahme gewonnen werden und jedes Jahr erneut motiviert werden, weiter mitzumachen.

Und schließlich ist auch den an der Erhebung beteiligten Winzern zu danken, die ja auf freiwilliger Basis ihre Daten zu den Pflanzenschutzmittelanwendungen in ihren Betrieben bereitstellen. Nur dank der entgegenkommenden Mitarbeit der angesprochenen Partner konnten die Erhebungen zur Anwendung von Pflanzenschutzmitteln im Weinbau erfolgreich durchgeführt werden bzw. können diese Erhebungen auch in den nächsten Jahren erfolgen.

Die dabei gewonnenen Daten und die darauf basierenden Analysen bilden eine wertvolle Grundlage nicht nur für weitere wissenschaftliche Auswertungen sondern vor allem auch für die Politikberatung und die Formulierung gesellschaftlicher Zielstellungen bzgl. eines umweltverträglichen und nachhaltigen Pflanzenschutzes.

Besondere Anerkennung verdient auch das große Engagement meiner Kollegin Frau Krammer bei der elektronischen Erfassung der übermittelten Erhebungsdaten. Dank ihrer ausgezeichneten Fachkenntnisse konnten bereits bei der Eingabe fachliche Probleme bzw. Fehler in den Daten erkannt und behoben werden.

Literatur

EU-Verordnung 1185/2009 über Statistiken zu Pestiziden. Amtsblatt der Europäischen Union L 324/1.

Gesetz zum Schutz der Kulturpflanzen (Pflanzenschutzgesetz – PflSchG). Bundesgesetzblatt, Jahrgang 2012, Teil 1, Nr. 7, S. 148.

Rossberg, D., 2004: NEPTUN 2003 – Erhebung der tatsächlichen Pflanzenschutzmittel-Anwendungen im Weinbau. Berichte aus der Biologischen Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft Heft 124, 18 S.

Rossberg, D., R. Ipach, 2007: NEPTUN 2006 – Weinbau. Statistische Erhebung zur Anwendung von Pflanzenschutzmitteln in der Praxis. Berichte aus der Biologischen Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft Heft 140, 16 S.

Rossberg, D., 2010: NEPTUN 2009 – Wein. Berichte aus dem Julius Kühn-Institut Heft 151, 19 S.

Rossberg, D., 2013: Erhebungen zur Anwendung von Pflanzenschutzmitteln in der Praxis im Jahr 2011. Journal für Kulturpflanzen 65 (4), 141-151.


ISSN (elektronisch): 1867-0938
ISSN (print): 1867-0911
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Präsident und Professor
Prof. Dr. Frank Ordon
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Schriftleitung
Dr. Anja Hühnlein
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Co-Schriftleitung
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