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Originalarbeit

Züchtung von Aspen und Hybridaspen für den Kurzumtrieb – Genotypisierung auf Versuchsflächen zum Nachweis von Wurzelbrut

Breeding of aspen and hybrid-aspen for short-rotation coppice – genotyping on test sites to detect root suckers

Heike Liesebach und Mirko Liesebach
Institut
Johann Heinrich von Thünen-Institut, Institut für Forstgenetik, Großhansdorf und Waldsieversdorf

Journal für Kulturpflanzen, 68 (1). S. 1–6, 2016, ISSN 1867-0911, DOI: 10.5073/JfK.2016.01.01, Verlag Eugen Ulmer KG, Stuttgart

Kontaktanschrift
Dr. Heike Liesebach, Thünen-Institut für Forstgenetik, Sieker Landstraße 2, 22927 Großhansdorf, E-Mail: heike.liesebach@ti.bund.de
Zur Veröffentlichung angenommen
1. Oktober 2015

Zusammenfassung

Die weltweit gestiegene Nachfrage nach Energie und Rohstoffen führte in den vergangenen Jahren zu dem vermehrten Anbau von schnellwachsenden Baumarten im Kurzumtrieb, der auch als Produktionsalternative in der Landwirtschaft gilt. Dabei gedeihen Aspen und Hybridaspen auch noch auf sandigen nährstoffarmen Böden. Nach der Ernte der oberirdischen Biomasse können sie aus dem Stock austreiben und verfügen zusätzlich über die Fähigkeit, vermehrt Wurzelbrut zu bilden, die ab der zweiten Ernte wesentlich zum Ertrag beiträgt.

Im Rahmen der Züchtung werden seit vielen Jahren gelenkte Kreuzungen durchgeführt und Nachkommenschaften erzeugt, die auf Versuchsflächen geprüft werden, um ihre Leistungsfähigkeit und Anbaueignung zu beurteilen. Das unterschiedliche Potential zur Ausbildung von Wurzelbrut kann dazu führen, dass bestimmte Nachkommenschaften in benachbarte Parzellen auf Versuchsflächen wachsen und damit der Biomasseertrag einiger Prüfglieder nicht mehr zuverlässig ermittelt werden kann. Stichproben einer Versuchsfläche wurden mit nuklearen Mikrosatellitenmarkern genetisch charakterisiert, um eine eindeutige Zuordnung zu Prüfgliedern zu treffen und die bisher erfassten Daten zu beurteilen. Insbesondere Hybridaspen zeigten dabei ein großes Wuchs­potential und beeinflussten damit benachbarte Parzellen mit Europäischen Aspen. Aus den Ergebnissen werden Schlussfolgerungen für weitere Versuchsanlagen abgeleitet, die auch Aspekte der Biodiversität in der Landschaft berücksichtigen.

Stichwörter: Populus, Zitter-Pappel, Nachkommenschaften, Biomassezuwachs, Mikrosatellitenmarker

Abstract

The globally increased demand for energy resources resulted in an enhanced cultivation of energy crops, including the production of woody biomass in short rotation coppices. This type of cultivation has been presumed to be an alternative land use in recent years.

Aspen and hybrid aspen also grow on sandy and nutrient-poor soils. They are able to grow from the root stock and also from root suckers after harvesting the above-soil biomass. The shoots from root suckers contribute remarkably to the biomass yield in subsequent harvests.

We carried out many controlled pollinations with selected parent clones in our breeding programmes. The offspring families were tested on field trials to determine their performance. The strong potential of certain families to generate root suckers after the first harvest could influence the neighbouring plots in the field trails and thus distort the exact measurement of the biomass yield of some offspring families.

Samples from several plots were genotyped by nuclear microsatellite markers to assign them to their correct offspring family and to their original plot. Especially some hybrid aspen families exhibit a strong potential to propagate by root suckers, and thus influenced neighbouring plots. Conclusions for existing and new field trials were derived including aspects of landscape biodiversity.

Key words: Populus, trembling aspen, progenies, biomass increment, microsatellite markers

Einleitung

Die weltweit gestiegene Nachfrage nach Energie und Rohstoffen führte in den vergangenen Jahren zum vermehrten Anbau von schnellwachsenden Baumarten. Für die Landwirtschaft gilt der Anbau von schnellwachsenden Baumarten im Kurzumtrieb als eine Produktions­alternative, die aus Sicht des Umweltschutzes allgemein positiv bewertet wird, da sie eine extensive Landnutzungsform darstellt (M. Liesebach, 2006; Lasch et al., 2010; Hennemann-Kreikenbohm et al., 2015; Kurunczi et al., 2015). Häufig werden Baumarten der Gattungen Pappel und Weide für die Bewirtschaftung im Kurzumtrieb auf landwirtschaftlichen Flächen geprüft bzw. angebaut. Die meisten Arten der Gattung Populus werden als schnellwachsend bezeichnet, so auch die Aspen (Zitter-Pappeln) der Sektion Populus.

Aspen (Europäische Zitter-Pappel Populus tremula L.) und Hybridaspen (Kreuzung aus Europäischer und Amerikanischer Zitter-Pappel P. tremula × P. tremuloides) haben einen von Schwarz- und Balsam-Pappeln abweichenden Wuchsrhythmus. Sie kulminieren im Wachstum etwas später, dafür kommen sie mit Stresssituationen besser zurecht und sind weniger anfällig gegenüber Krankheiten. Außerdem tolerieren sie eine größere Standortamplitude, d.h. sie gedeihen auch noch auf sandigen nährstoffarmen Böden (Schreiber et al., 2011; Meyer et al., 2013). Die Pappeln der Sektion Populus verfügen nach der Ernte der oberirdischen Biomasse nicht nur über die Fähigkeit aus dem Stock auszutreiben, sondern, im Unterschied zu den Schwarz- und Balsam-Pappeln, auch Wurzelbrut zu bilden (Schneck und M. Liesebach, 2015).

Im Rahmen der Züchtung von Aspen für Kurzumtriebs­plantagen werden seit vielen Jahren gelenkte Kreuzungen durchgeführt und Nachkommenschaften erzeugt, die auf Versuchsflächen geprüft werden, um ihre Leistungsfähigkeit und Anbaueignung zu beurteilen (M. Liesebach et al., 2012). Die Prüfung erfolgt im üblichen Versuchs­design mit randomisierten Blockanlagen, bepflanzt mit Sämlingen aus den zu prüfenden Nachkommenschafts­familien. Nach 5 bis maximal 20 Jahren werden die Parzellen zum ersten Mal beerntet und der Biomasseertrag ermittelt. Spätestens dann kann aus den verbliebenen Wurzelstöcken eine erhebliche und auch gewünschte Entwicklung von Wurzelbrut einsetzen, was zu einer Ertragssteigerung pro Flächeneinheit ab der zweiten Ernte führt. Das Ausmaß der Wurzelbrutbildung kann sich je nach Prüfglied jedoch deutlich unterscheiden. Versuchsbedingt sind die Parzellen häufig relativ klein, so dass sich die Wurzelbrut bis in Nachbarparzellen ausbreiten könnte und damit Versuchsergebnisse insbesondere bei Folgebeerntungen verfälschen kann.

Eine phänotypische Zuordnung einzelner Pflanzen zu einem Prüfglied ist wegen der engen Verwandtschaft innerhalb und zwischen den Familien kaum möglich. Eine sichere Zuordnung kann hier nur mit Genmarkern erreicht werden. Genotypisierungen mit nuklearen Mikro­satellitenmarkern wurden bei Pappeln bereits etabliert und sind durch ihre sehr hohe Variabilität perfekt geeignet, die Abstammung von Nachkommen von ihren Eltern zu rekonstruieren bzw. Klone auch im Fall von Voll­geschwistern zu identifizieren. Hier wurden solche Marker eingesetzt, um am Beispiel einer Versuchsfläche mit Aspen- und Hybridaspennachkommenschaften zu überprüfen, welche Auswertungen die Versuchsanordnung bei der zweiten Ernte noch zulässt und um Schlussfolgerungen für weitere Versuchsflächen abzuleiten.

Material und Methoden

Die Versuchsfläche Dägeling/Schleswig-Holstein (As106) ist ein vollständiger Blockversuch mit 3 Wiederholungen und enthält 23 Nachkommenschaften, davon 12 Nachkommenschaften der Europäischen Aspe, darunter eine freie Abblüte, die in vielen Versuchen als Standard dient, und 11 Nachkommenschaften der Hybridaspe. Die Versuchsfläche Dägeling wurde im Frühjahr 2004 mit zweijährigen Sämlingen auf einer Windwurffläche angelegt (Tab. 1). Die Parzellen bestehen aus jeweils 2 Reihen à 8 Pflanzen im Verband von 2,2 m × 1,1 m je Prüfglied (entspricht 4132 Pflanzen/ha). Die Versuchsfläche wurde mit 2 Randreihen eingefasst, die der Kreuzungsnachkommenschaft „Holsatia“ (Hybridaspe) angehören. Holsatia ist eine Nachkommenschaft von Familieneltern zur Erzeugung von forstlichem Vermehrungsgut der Kategorie „Geprüft“, die auch als Prüfglied im Versuch enthalten ist. Die Gesamtfläche des Versuchs beträgt 0,4 ha.

Tab. 1. Standortdaten der Versuchsfläche Dägeling/Schleswig-Holstein (As106)

Standortmerkmal

Ausprägung/Wert

Geographische Länge

9° 31‘ E

Geographische Breite

53° 53‘ N

Höhe

19 m ü. NN

Mittlere Jahresdurchschnittstemperatur

8,0°C

Mittlere Temperatur Mai-September

14,3°C

Mittlerer jährlicher Niederschlag

820 mm

Grundgestein

Schmelzwassersande über Geschiebelehm

Bodenart

Pseudogley-Gley-Podsol

Wasserhaushalt

Trocken

Nährstoffhaushalt

Mäßig

Nach 5 Jahren im Feld erfolgte die erste Beerntung der gesamten Versuchsfläche in der Vegetationsruhe 2008/09. Die Biomasseerträge wurden je Parzelle ermittelt und auf einen Hektar hochgerechnet. Für die zweite Rotation wurde jeweils eine der 3 Wiederholungen nach weiteren 2, 3 bzw. 5 Jahren beerntet. Neben der Gesamtbiomassewuchsleistung wurde auch der durchschnittliche jährliche Biomassezuwachs bestimmt.

Für eine stichprobenartige genetische Charakterisierung der Aufwüchse aus Wurzelbrut wurden von 6 repräsentativen Prüfgliedern aus der ersten Wiederholung Blattproben von je 10 Pflanzen aus der Mitte der jeweiligen Parzelle (Nähe der Pflanzplätze 4 und 5 der beiden ursprünglichen Reihen) entnommen (Abb. 1). Zwei Prüfglieder der Europäischen Aspe (PGG1 und PGBi) werden jeweils von Nachkommenschaften bzw. Randpflanzen der Hybridaspen flankiert. Eine Nachkommenschaft der Europäischen Aspe (PG8) wird auf einer Seite von einer Nachkommenschaft der Europäischen Aspe und auf der anderen Seite von einer Hybridaspennachkommenschaft begrenzt. Eine weitere Nachkommenschaft der Europäischen Aspe (PG6) wird auf beiden Seiten jeweils von Nachkommenschaften der Europäischen Aspe flankiert. Eine der beiden Hybridaspennachkommenschaften (PG23) wird auf beiden Seiten von einer Hybridaspennachkommenschaft eingegrenzt, die andere (PG18) von je einer Hybrid- und Europäischen Aspennachkommenschaft. Die Tab. 2 gibt eine Übersicht der 6 beprobten Prüfglieder und listet zusätzlich 3 weitere Prüfglieder auf, die als Quelle von Wurzelbrut in Betracht kommen. Von allen fraglichen Kreuzungskombinationen wurden auch die entsprechenden Kreuzungseltern beprobt, mit Ausnahme des Prüfglieds PGBi, soweit sie bisher noch nicht in der Genotypen-Datenbank erfasst waren.

Abb. 1. Aufbau einer Parzelle und Markierung des in der zweiten Rotation beprobten Standraums der Bäu­me 4 und 5 (grau).

Abb. 1. Aufbau einer Parzelle und Markierung des in der zweiten Rotation beprobten Standraums der Bäu­me 4 und 5 (grau).

Tab. 2. Sechs genetisch charakterisierte Prüfglieder der Versuchsfläche Dägeling sowie drei benachbarte Prüf­glieder und ihre taxonomische Einordnung

Prüfgliedbezeichnung

Nachkommenschaft

Kombination

PGG1

Graupa1 (2 Klon-Samenplantage)

P. tremula × P. tremula

PGBi

Bialystok (freie Abblüte)

P. tremula × P. tremula

PG8

Brauna11 × CVS52

P. tremula × P. tremula

PG6

W95 × W66

P. tremula × P. tremula

PG23

C61 × T44–60

P. tremula × P. tremuloides

PG18

GroßDubrau1 × Turesson141

P. tremula × P. tremuloides

PG2

W95 × Ihl1

P. tremula × P. tremuloides

PG3, PG10, PG16, PG21*

W95 × Turesson141

P. tremula × P. tremuloides

PG17, Rand

Brauna11 × Turesson141 (Holsatia)

P. tremula × P. tremuloides

* Mehrere Prüfglieder von einer Kombination aus verschiedenen Kreuzungsjahren

Die Genotypisierung erfolgte mit 16 nuklearen Mikrosatellitenmarkern nach einer bereits etablierten Methode (H. Liesebach et al., 2010; H. Liesebach et al., 2015). Die Wahrscheinlichkeiten für die zufällige Identität der Multilocus-Genotypen von Vollgeschwistern, obwohl sie nicht zu einem Klon gehören, wurden für jede Kreuzungskombination aus den Genotypen der jeweiligen Eltern durch Multiplikation der Wahrscheinlichkeiten für jeden einzelnen Marker berechnet.

Ergebnisse

Biomasseertrag von ausgewählten Prüfgliedern

Im ersten Umtrieb nach 5 Standjahren im Feld hatten die Parzellen aller Nachkommenschaften der Europäischen Aspe im Mittel 1,7 tatro/Jahr* ha und die aller Hybrid­aspe 4,5 tatro/Jahr* ha Zuwachs erbracht (M. Liesebach und Bütow, 2012). Der Zuwachs der Hybridaspen betrug im Mittel über alle Nachkommenschaften somit 262% gegenüber den Nachkommenschaften der Europäischen Aspe.

Auf der Teilfläche, die in der zweiten Rotation nach 2 Jahren beerntet wurde (Wiederholung 3), betrugen die Zuwächse der Nachkommenschaften der Aspen 3,9 tatro/Jahr* ha und die der Hybridaspe 6,6 tatro/Jahr* ha. Die Hybridaspen produzierten somit 169% im Vergleich zu den Europäischen Aspen (M. Liesebach und Bütow, 2012). Auf der Wiederholung 2 erfolgte die Beerntung in der zweiten Rotation nach 3 Jahren. Es wurden folgende mittlere Biomassezuwächse für die zweite Rotation ermittelt: Nachkommenschaften der Europäischen Aspe im Mittel 4,8 tatro/Jahr* ha und die der Hybridaspe 7,5 tatro/Jahr* ha. Die Wuchsleistung die Hybridaspe lag somit bei 157% im Vergleich zu den Nachkommenschaften der Europäischen Aspe. In der ersten Wieder­holung erfolgte die Beerntung in der zweiten Rotation nach 5 Jahren. Die Nachkommenschaften der Europäischen Aspen hatten einen Biomassezuwachs von im Mittel 8,1 tatro/Jahr* ha und die der Hybridaspe von 9,6 tatro/Jahr* ha. Der Unterschied betrug nun nur noch 119%. Für ausgewählte Prüfglieder sind in Tab. 3 die Gesamtwuchsleitung und der mittlere jährliche Bio­masse­zuwachs zusammengestellt.

Tab. 3. Ausgewählte Prüfglieder der Versuchsfläche Dägeling, ihr Gesamtbiomasseertrag und der mittlere jähr­liche Biomasse­zuwachs nach der 1. und 2. Ernte im 5-jährigen Umtrieb

Prüfgliedbezeichnung

Kombination

1. Ernte

2. Ernte

Gesamtertrag [tatro/ha]

Jährlicher Zuwachs [tatro/Jahr* ha]

Gesamtertrag [tatro/ha]

Jährlicher Zuwachs [tatro/Jahr* ha]

PGG1

P. tremula × P. tremula

4,2

0,8

53,2

10,6

PGBi

P. tremula × P. tremula

8,6

1,7

49,6

9,9

PG8

P. tremula × P. tremula

5,1

1,0

44,6

8,9

PG6

P. tremula × P. tremula

9,1

1,8

29,3

5,8

PG23

P. tremula × P. tremuloides

10,9

2,2

38,6

7,7

PG18

P. tremula × P. tremuloides

33,2

6,6

59,7

11,9

PG2

P. tremula × P. tremuloides

25,0

5,0

55,9

11,2

PG3, PG10, PG16, PG21

P. tremula × P. tremuloides

27,8

5,6

62,8

12,6

PG17

P. tremula × P. tremuloides

25,7

5,1

53,1

10,7

Genetische Identifizierung von Versuchspflanzen und Zuordnung zu Prüfgliedern

Anhand der Genotypen der Kreuzungseltern konnten alle 60 Proben zweifelsfrei einer bestimmten Kreuzungskombination zugeordnet werden. Nur 19 Pflanzen wuchsen dabei auf der „richtigen“ Parzelle (grau unterlegt in Tab. 4), die übrigen 41 Proben hatten sich von benachbarten Parzellen über Wurzelbrut ausgebreitet. Bei 3 Prüfgliedern der Europäischen Aspen (PG8, PGBi, PGG1) waren sogar alle 10 entnommenen Proben benachbarten Hybridaspenfamilien zuzuordnen.

Tab. 4. Zuordnung von 60 untersuchten Proben aufgrund des Genotyps zu einem Prüfglied auf der Versuchsflä­che Dägeling (grau unterlegt: genetische Zuordnung entspricht dem Prüfglied nach Flächenplan)

  

Prüfglied nach Genotyp

 
  

PG6

PG23

PG18

PG2

PG3, PG10, PG16, PG21

PG17, Rand

Summe

Prüfglied lt. Flächenplan

PGG1

  

2

  

8

10

PGBi

    

6

4

10

PG8

    

9

1

10

PG6

7

   

3

 

10

PG23

 

6

 

3

 

1

10

PG18

  

6

  

4

10

 

Summe

7

6

8

3

18

18

60

Insgesamt wurden unter den 60 untersuchten Proben nur 36 verschiedene Multilocus-Genotypen nachgewiesen. Da die Wahrscheinlichkeiten für die zufällige Identität von Multilocus-Genotypen bei Vollgeschwistern je nach Kreuzungsfamilie zwischen 3,1 * 10–5 und 1,2 * 10–7 betragen, muss davon ausgegangen werden, dass zufäl­lige Identität ausgeschlossen ist und dass es sich bei identischen Genotypen um Klone aus Wurzelbrut handelt.

Die Abb. 2 stellt die räumliche Anordnung der Parzellen auf der Versuchsfläche sowie die Zugehörigkeit der untersuchten Proben zu Prüfgliedern und Klonen dar. Dabei sind die Prüfglieder der Europäischen Aspe rot und Prüfglieder der Hybridaspe blau hinterlegt. Schwarz umrandet sind die Parzellen, aus deren Mitte (Abb. 1) jeweils 10 Proben genetisch untersucht worden sind. Jeder Kreis steht für einen Genotyp, und die Zahl im Kreis gibt die Anzahl der Proben an, die zu diesem Genotyp gehören. Die Parzelle von Prüfglied PG6, die an den Längs­seiten von anderen Prüfgliedern der Europäischen Aspe umgeben ist, enthält als einzige 2 Klone mit insgesamt 7 Individuen der Europäischen Aspe. Die übrigen 53 Proben sind Hybridaspen von verschiedenen Prüfgliedern bzw. der Randbepflanzung. Nur die 12 farblich hervorgehobenen Kreise ohne Pfeil entsprechen Proben, die in der richtigen Parzelle wachsen. Von den übrigen 24 Geno­typen können die meisten eindeutig einer Parzelle zugeordnet werden, aus der sie stammen müssen, dargestellt durch einen Pfeil. Die 3 Proben aus dem Prüfglied PG6, die zur Kreuzungskombination W95 × Turesson141 gehören, können nicht eindeutig einer Parzelle zugeordnet werden, aus der sie stammen, da diese Kreuzungskom­bination mit insgesamt 4 Prüfgliedern vertreten ist. Es kann angenommen werden, dass die Ausbreitung in eine direkt benachbart liegende Parzelle am wahrscheinlichsten ist. Deshalb wurden diese 3 Proben dem Prüfglied PG3 zugeordnet (gestrichelte Pfeile). Die Herkunft aus einem oder mehreren der Prüfglieder PG10, PG16 und PG21 kann jedoch nicht ausgeschlossen werden. Auch die Pflanzen dieser Kreuzungskombination im Prüfglied PGBi, die in Abb. 2 dem PG3 zugeordnet wurden, könnten aus dem PG21 kommen, das diagonal angrenzt. Zumindest in einem Fall muss jedoch die Ausbreitung durch Wurzelbrut über eine größere Entfernung, aus der Randbepflanzung über die Parzelle PG16 hinweg in die Parzelle PG8, erfolgt sein.

Abb. 2. Ausschnitt aus dem Versuchsplan der Fläche Dä­geling mit Ergebnissen der genetischen Analysen und den wahrscheinlichsten Ausbreitungsrichtun­gen durch Wurzelbrut (rot: Europäische Aspe, blau: Hybridaspe, jeder Kreis steht für einen Geno­typ, weitere Erklärungen im Text).

Abb. 2. Ausschnitt aus dem Versuchsplan der Fläche Dä­geling mit Ergebnissen der genetischen Analysen und den wahrscheinlichsten Ausbreitungsrichtun­gen durch Wurzelbrut (rot: Europäische Aspe, blau: Hybridaspe, jeder Kreis steht für einen Geno­typ, weitere Erklärungen im Text).

Diskussion

Wie schon in zahlreichen früheren Versuchen gezeigt (Schönbach, 1960; Johnsson, 1976; Melchior, 1985; Joachim, 1991; M. Liesebach et al., 1999; M. Liesebach et al., 2012), bestätigt sich auch hier die Wuchsüberlegenheit der Hybridaspen durch ihren Heterosiseffekt gegenüber vielen Nachkommenschaften der Europäischen Aspe sehr deutlich. Die Umtriebszeit der ersten Rotation sollte für Aspen nicht unter 10 Jahren liegen, da der laufende Zuwachs vorher sein Maximum noch nicht erreicht hat und daher Wuchspotenzial ungenutzt bleibt (M. Liese­bach et al., 1999). Auch für Standorte in Süddeutschland (Abbachhof) und in Nordhessen (Canstein) gehen M. Liesebach et al. (2000) von Umtriebszeiten von 10 bis 15 Jahren aus. Die auf der Fläche Dägeling durchgeführten kurzen Umtriebe bis 5 Jahre hatten versuchstechnische Gründe und sind für den praktischen Anbau von Aspen eher ungeeignet.

Von den Untersuchungen am Abbachhof aus den 1990er Jahren war bekannt, dass sich ein Hybridaspenklon nach einer Beerntung im Alter von 5 Jahren in eine benachbarte Weidenfläche ausgebreitet hatte (unver­öffentlicht). Über das Ausmaß der Durchmischungen beernteter Versuchsflächen mit Aspen, die im Kurzumtrieb bewirtschaftet werden, gab es bislang keine Ergebnisse. Die vorliegende Arbeit zeigt, dass bei einem längeren zweiten Umtrieb eine Angleichung des Ertrags der vermeintlichen Europäischen Aspen an die der Hybrid­aspen stattgefunden hat. Dieses war auf die vegetative Ausbreitung durch Wurzelbrut einiger sehr wüchsigen Hybridaspen in die Nachbarparzellen zurückzuführen.

Bei einer forstlichen Bewirtschaftung mit längeren Umtriebszeiten spielt die vegetative Ausbreitung durch Wurzelbrut eine untergeordnete Rolle und beeinflusst auch kaum die Datenauswertung von Versuchsanlagen. Bei der Bewirtschaftung im Kurzumtrieb stammt der Biomasseertrag bei Aspen ab der zweiten Rotation aus Stockausschlägen und Wurzelbrut, wodurch die vegeta­tive Ausbreitungskapazität durch Wurzelbrut eine große Bedeutung erlangt. Dies geht auf der Versuchsfläche Dägeling mit ihren kleinen Parzellen offensichtlich soweit, dass manche Nachkommenschaften der Europäischen Aspe von benachbarten Hybridaspen mehr oder weniger vollständig überwachsen werden, wie die genetische Analyse gezeigt hat. Diese Tatsache muss natürlich bei der Auswertung der Versuchsdaten berücksichtigt werden, indem Flächen mit kleinen Parzellen nicht weiter ausgewertet werden können. Bei größeren Parzellen lässt sich unter Umständen nur der Kernbereich für die Biomasseertragsschätzung weiter auswerten. Dabei sollte mit genetischen Begleituntersuchungen die Reinheit der Prüfglieder festgestellt werden.

Zur förderfähigen Aufwertung von Kurzumtriebsplantagen unter Naturschutzaspekten wird der Anbau von Baumartenmischungen, z.B. mit Hasel oder Eberesche, zur Erhöhung der Strukturvielfalt diskutiert (Hennemann-Kreikenbohm et al., 2015). Es kann nach der ersten Beerntung nach ca. 10–15 Jahren nach derzeitigem Kenntnisstand nicht gesichert werden, dass zusätzlich eingebrachte Begleitarten den gewünschten dauerhaften Bestand haben werden. Um das Ertragspotential der Hybridaspen auch in naturschutzmäßig aufgewerteten Anbauten zu nutzen, soll ihr kombinierter Anbau mit Begleitarten in unterschiedlicher Zusammensetzung experimentell geprüft werden.

Dank

Die Autoren danken dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) und der Fachagentur für Nachwachsende Rohstoffe e.V. (FNR) für die Förderung der entsprechenden Teilprojekte des Thünen-Instituts für Forstgenetik in den Verbundvorhaben FastWOOD, FastWOOD II und FastWOOD III (Fkz. 22011107, 2200026 und 22000514). Ebenso wird dem Grundstückseigen­tümer für die Bereitstellung der Fläche, den Mitarbeitern der Gärtnerei und dem technischen Personal in Großhansdorf für die Versuchsflächenarbeiten sowie Frau Hannelore Enkisch in Waldsieversdorf für sorgfältige Laborarbeiten gedankt.

Literatur

Hennemann-Kreikenbohm, I., L. Jennemann, W. Peters, 2015: Naturverträgliche Anlage und Bewirtschaftung von Kurzumtriebsplantagen. In: FastWOOD II: Züchtung schnellwachsender Baumarten für die Produktion nachwachsender Rohstoffe im Kurzumtrieb – Erkenntnisse aus 6 Jahren FastWOOD. Thünen Report 26, 181-184.

Joachim, H.-F., 1991: Hybridaspen – schnellwüchsige, leistungsfähige und vielseitig einsetzbare Baumsorten. In: IFE-Berichte aus Forschung Entwicklung. Eberswalde, 1-47.

Johnsson, H., 1976: Das Produktionspotential der Hybridaspe (Populus tremula × tremuloides) in Südschweden. Die Holzzucht 30, 19-22.

Kurunczi, B., T. Glaser, E.-G. Wilhelm, P.A. Schmidt, 2015: Unter­suchungen zur Diasporenbank einer Kurzumtriebsplantage im Vergleich mit einer konventionell bewirtschafteten Ackerfläche: am Beispiel der Kurzumtriebsplantage "Methau 1" (Sachsen). Natur und Landschaft, (im Druck).

Lasch, P., C. Kollas, J. Rock, F. Suckow, 2010: Potentials and impacts of short-rotation coppice plantation with aspen in Eastern Germany under conditions of climate change. Regional Environmental Change 10 (2), 83-94.

Liesebach, H., V. Schneck, E. Ewald, 2010: Clonal fingerprinting in the genus Populus L. by nuclear microsatellite loci regarding differences between sections, species and hybrids. Tree Genetics & Genomes 6 (2), 259-269.

Liesebach, H., K. Ulrich, D. Ewald, 2015: FDR and SDR processes in meiosis and diploid gamete formation in poplars (Populus L.) detected by centromere-associated microsatellite markers. Tree Genetics & Genomes 11, 801.

Liesebach, M., 2006: Aspekte der biologischen Vielfalt in Kurzumtriebsplantagen. In: A. Bemmann (Hrsg.): Anbau und Nutzung von Bäumen auf landwirtschaftlichen Flächen. Tharandt, TU Dresden, 3-16.

Liesebach, M., U. Bütow, 2012: Biomasseerträge von 16 Nachkommenschaften der Zitter-Pappeln im Kurzumtrieb. In: Züchtung und Ertragsleistung schnellwachsender Baumarten im Kurzumtrieb – Erkenntnisse aus drei Jahren FastWOOD, ProLoc und Weidenzüchtung. Beiträge aus der Nordwestdeutschen Forstlichen Versuchsanstalt Band 8, 345-346.

Liesebach, M., V. Schneck, H. Wolf, 2012: Züchtung von Aspen für den Kurzumtrieb. In: Züchtung und Ertragsleistung schnellwachsender Baumarten im Kurzumtrieb – Erkenntnisse aus drei Jahren FastWOOD, ProLoc und Weidenzüchtung. Beiträge aus der Nordwestdeutschen Forstlichen Versuchsanstalt Band 8, 73-90.

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Melchior, G.H., 1985: Die Züchtung von Aspen und und Hybridaspen und ihre Perspektiven für die Praxis. Allgemeine Forst- und Jagdzeitung 156, 112-122.

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