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Originalarbeit

Hell- und dunkelrotes sowie fernrotes Licht in der Kultur der Tomate

Light red and dark red as well as far red light in the cultivation of tomato

Olga Gorbachevskaya, Ken Vogel, Christel Kappis und Hendrikje Schreiter
Institut
Institut für Agrar- und Stadtökologische Projekte an der Humboldt-Universität zu Berlin (IASP), Lebenswissenschaftliche Fakultät, Berlin

Journal für Kulturpflanzen, 68 (10). S. 295–305, 2016, ISSN 1867-0911, DOI: 10.5073/JfK.2016.10.02, Verlag Eugen Ulmer KG, Stuttgart

Kontaktanschrift
Dr. Olga Gorbachevskaya, Institut für Agrar- und Stadtökologische Projekte an der Humboldt-Universität zu Berlin (IASP), Lebenswissenschaftliche Fakultät, Philippstraße 13/Haus 16, 10115 Berlin, E-Mail: olga.gorbachevskaya@iasp.hu-berlin.de
Zur Veröffentlichung angenommen
1. Juli 2016

Zusammenfassung

Zur Erhöhung der Produktivität der Tomate (Solanum lycopersicum L.) wird umfangreich geforscht. Ein erhöhter Anteil roten Lichts wurde als ertragsfördernd bestätigt. Gleichzeitig gibt es Hinweise darauf, dass das rote Licht die Synthese an Antioxidantien bei der Tomate positiv beeinflusst. Dabei wurde nicht beschrieben, welchen Einfluss der schmale Bereich von 700 ± 30 nm (dunkelrot) auf die Pflanzenentwicklung hat. Einige Untersuchungen belegen, dass dieser Spektrumteil von den Pflanzen als ein Merkmal sich verschlechternder Bedingungen angenommen wird und bei manchen Arten zur Beschleunigung der Entwicklung führt. In eigenen Untersuchungen wollte das Institut für Agrar- und Stadtökologische Projekte an der Humboldt-Universität zu Berlin (IASP) Lichtbedingungen schaffen, bei denen die Antioxidan­tiengehalte und die Erträge positiv beeinflusst werden. Dabei sollte der erhöhte Anteil an Dunkelrot im Licht als ein leichter Stress wirken und die Pflanzenentwicklung beschleunigen.

Die Zwerg-Tomaten ‘Micro Tom‘ wurden in speziell konstruierten Boxen mithilfe von Folien und LEDs den veränderten Lichtspektren exponiert. Die Lichtregime in den Boxen unterschieden sich durch das Rot-Blau-Verhältnis von maximal 6,6:1 bis minimal 1,7:1. Der Dunkel­rotanteil schwankte von ca. 14% bis ca. 9% der gesamten Photonenflussdichte. Im ersten Versuch wurden die Pflanzen in drei Altersstufen (4–8 echte Blätter, Blühstadium und Fruchtentwicklung) − jeweils 3 Wochen in den Boxen den veränderten Lichtspektren exponiert und danach unter der gewöhnlichen Gewächshausbeleuchtung weiter kultiviert. Im Parallelversuch wurden die Pflanzen den veränderten Lichtspektren in den Boxen während der gesamten Kulturdauer ausgesetzt.

Es zeigte sich eine eindeutige Reaktion der Tomatenpflanzen aus der jüngsten Altersgruppe auf die 3-wöchige Kultivierung unter mehr rotem und dunkelrotem Licht. Nach einer anfänglichen Verzögerung haben die Pflanzen schließlich signifikant mehr Blütenstände und Früchte produziert. Die Wirkung dieser Lichtregime zeigte sich mehrere Wochen später und äußerte sich auch in erhöhten Antioxidantiengehalten.

Durch die Nutzung von Farbfolien wurde das Licht­spektrum verändert, aber auch die Beleuchtungsstärke beeinträchtigt. Dies wirkte als unvermeidbarer zusätzlicher Einflussfaktor und verringerte die Aussagekraft des Vergleichs der Pflanzenentwicklung unter den Folien und der normalen Gewächshausbeleuchtung. Die Versuchsergebnisse sind jedoch für die Praxis interessant und sollen unter praxisnahen Bedingungen des Gewächs­hauses bzw. Folienhauses präzisiert werden.

Stichwörter: Tomate, hellrotes Licht, dunkelrotes Licht, Lycopin, β-Carotin, Antioxidantien, Farbfolien

Abstract

A lot of research has been done on the productiveness of tomato. An increased red part in the light spectrum was confirmed as yield-supporting. At the same time there are some indications that the red light influences the synthesis of antioxidants in tomato positively. However, it was not described in what way the plant development was influenced by the narrow wavelength area of 700 ± 30 nm (dark red). Some investigations proved that this spectrum part functions as indicator for deteriorating conditions for the plants and leads in some species to an accelerated development. In its own investigations the IASP wanted to create light conditions that can affect both parameters positively: antioxidant contents and yield. Moreover, the increased dark red part of the light was supposed to act as slight stress and thereby accelerate the plant development.

The dwarf tomatoes ‘Micro Tom‘ were exposed to modi­fied light spectra by means of foils and LEDs in specially constructed boxes. The light regimes in the boxes differed by the red-blue ratio from maximum 6,6:1 to minimally 1.7:1. The dark red part varied from approx. 14% to approx. 9% of the photon flux density. In the first trial the plants were exposed to the changed light spectra for 3 weeks in three different development phases (4–8 real leaves, beginning of flowering and beginning fruit deve­lopment). Afterwards they were cultivated under the usual greenhouse illumination. In the parallel trial the plants were kept in the boxes with the modified light during the whole cultivation time.

A distinct reaction of the tomato plants from the youngest development phase on the 3-week cultivation under more red and dark red light was observed. After an initial delay in flowering, the plants finally produced significantly more inflorescences and fruits. The effect of these light regimes showed several weeks later and had also been accompanied by an increased concentration of antioxidants.

By means of coloured foils not only the light spectrum was altered but also the photon flux density impaired. This acted as unavoidable additional parameter and reduced the explanatory power of the comparison of the plant development under foils and under normal greenhouse lighting. Nevertheless, the test results are interesting for real fruit production and should be specified under practical conditions of greenhouses or Spanish tunnels.

Key words: Tomato, light red, dark red, lycopen, β-carotin, antioxidants, coloured foils

Einleitung

Viele Untersuchungen widmen sich der Erhöhung der Produktivität und des Gehalts an gesundheitsfördernden Stoffen der Tomate (Solanum lycopersicum L.) als wichtigstem Fruchtgemüse in Deutschland (Statista, 2016; BMELV, 2015). Hohe Erträge stehen dabei an erster Stelle. Als gängige Beleuchtung wird in den modernen Gewächshäusern angestrebt, die Rot/Blau-Verhältnisse von etwa 3/1 bis 8/1 (Rot zu Blau 75 bis 87,5% zu 12,5 bis 25%) einzuhalten (Messer, 2012), da Chlorophyll a mit seinem Absorptionsspektrum im roten Bereich in einem Verhältnis von ca. 3:1 zum Chlorophyll b in den Pflanzen vorkommt und die Chlorophylle ihre Absorp­tionsmaxima im roten und blauen Spektralbereich haben. In vielen Untersuchungen wurde belegt, dass das blaue Licht die Blühintensität der Pflanzen positiv beeinflussen kann (Mortensen und Strømme, 1987; Bielenin, 2000). Die Tomate reagiert jedoch mit einer Reduktion der Wachstumshöhe und der Biomasse auf erhöhte Anteile an blauem Licht (440–500 nm) (Mortensen und Strømme, 1987).

Zur Wirkung der Lichtqualität auf die Antioxidantiengehalte gibt es jedoch widersprüchliche Angaben. Einige Untersuchungen zeigen, dass das blaue Licht (um 420–470 nm) einen Einfluss auf die Synthese der gesundheitsfördernden Stoffe wie Carotinoide hat (Zhang et al., 2015). Da die Tomate auf mehr blaues Licht mit reduziertem Wachstum reagiert, könnte ein erhöhter Anteil an blauem Licht zur Erhöhung des Antioxidantiengehalts gegebenenfalls nur zum Ende der Wachstumsphase appli­ziert werden. Auf die Erhöhung des Hellrotanteils (600–660 nm) im Spektrum reagieren die Tomaten mit Erhöhung der Biomasse, der Knospenanzahl und des Ertrages (Tarakanov, 2006). Eine kurze Rotlichtbehandlung von Tomaten, die grün geerntet wurden, kann eine mehr als 2-fache Steigerung des Lycopingehalts zu Folge haben (Azari et al., 2010). Neue Untersuchungen zur Beschattung mit gefärbtem Schattiergewebe zur Phase der Frucht­reifung der Tomaten zeigten, dass mit dem roten Schattiergewebe die Lycopin- und β-Carotingehalte in Tomaten um bis zu 30% erhöht werden können (Ilič et al., 2015).

Bisher gibt es keine einheitliche Strategie, um die Tomate bei hohen Erträgen zu einer starken Antioxidantiensynthese zu bringen. Die Ergebnisse über die Wirkung von Lichtspektren auf die Antioxidantiengehalte von Tomaten sind nicht eindeutig. Das rote Licht könnte jedoch für beide Kulturziele geeignet sein: Erhöhung des Ertrags und des Antioxidantiengehalts.

Die Rolle des dunkelroten Lichts (700 ± 30 nm) in der Entwicklung der Tomaten wurde bisher kaum beachtet, wobei diese Strahlung das Phytochromsystem beeinflusst und photomorphogenetische Reaktionen hervorrufen kann (Prucker, 2013). Diese Reaktionen sollten näher untersucht werden. Die Hypothese in eigenen Untersuchungen war wie folgt: Die Erhöhung des Anteils an rotem Licht soll unter der Berücksichtigung des Wellenlängenbereichs von 700 ± 30 nm erfolgen, da die Prozesse der Photomorphogenese dadurch negativ beeinflusst werden können. Die kurzfristige Spektrumveränderung mit höherem Dunkelrotanteil kann jedoch als Stressfaktor wirken, der die Prozesse in der Pflanze aktiviert, die im Sinne der Kultur­effizienz von Vorteil sind. Diese Reaktionen sind z.B. aus der Strategientheorie bekannt (Tarakanov und Wang, 2009), wurden aber erst am Beispiel der Wurzel- und Knollengemüse als Entwicklungsbeschleunigung zur Vorbereitung auf ungünstige Entwicklungsbedingungen (Ende der Vegetationsperiode) beschrieben. Als mögliche Reaktionen auf die Spektrumveränderung zu höherem Dunkelrotanteil können bei den Tomaten mit determiniertem Wachstum eine schnellere Anlage der Früchte, eine Steigerung der Fruchtanzahl und schließlich des Ertrags vermutet werden.

In Versuchen des IASP wurde angestrebt, diejenigen Steuerungsmechanismen zu finden, die bei Tomatenpflanzen sowohl die Synthese der sekundären Stoffe und ihre Anreicherung in den Früchten als auch die Steigerung der Fruchtanzahl und der Erträge unterstützen. Diese Untersuchungen wurden im Rahmen des Projekts „Steigerung von Qualität und Effektivität im Pflanzenbau mittels innovativer Belichtungsver­fahren (InnoLight)“ durchgeführt. Das Projekt wurde vom Projektträger Euro­Norm des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie im Rahmen des Förderprogramms INNO-KOM-Ost, Modul Vorlaufforschung, gefördert.

Material und Methoden

Das Ziel der Versuche war, zu prüfen, ob sich der Ertrag und die Konzentration an sekundären Inhaltsstoffen bei Tomaten durch eine Veränderung des Rot/Blau-Verhältnisses sowie des Anteils an Dunkelrot beeinflussen lassen.

Durch Einsatz von roten, dunkelroten und gelb betonten Folien und in Kombination mit roten und weißen LEDs wurden Spektrumveränderungen in speziellen Versuchsboxen erzeugt. Da Farbfolien mit den gewünschten Spektren und Qualitäten für die Landwirtschaft noch nicht existieren, wurden zunächst die in über 200 Farbvarianten existierenden LEE Filter, die für die Foto-, Kino- und Veranstaltungsbranche konzipiert worden sind, eingesetzt. Von Mai bis Oktober 2015 wurden zwei Gewächshausversuche parallel durchgeführt: I. mit einem drei-wöchigen Impuls in drei Entwicklungsstadien der Tomaten und II. mit einem veränderten Lichtspektrum innerhalb der gesamten Kulturzeit. Das Rot/Blau-Verhältnis des Lichtes, berechnet auf Basis der Photonenflussdichte (PPFD), wurde von ca. 6 auf ca. 1 abgestuft (vgl. Abb. 1).

Abb. 1. Versuchsaufbau der randomisierten Boxen von Versuch 1 und 2 im Gewächshaus; verwendete Fo­lien und LEDs je Box; Rot-Blau-Verhältnis des eingestellten Lichtspektrums, [μmol*m-2s-1] im PAR-Bereich.

Abb. 1. Versuchsaufbau der randomisierten Boxen von Versuch 1 und 2 im Gewächshaus; verwendete Fo­lien und LEDs je Box; Rot-Blau-Verhältnis des eingestellten Lichtspektrums, [μmol*m-2s-1] im PAR-Bereich.

Die Dunkelrotanteile (700 ± 30 nm) in den Boxen, ermittelt in % der Gesamtphotonenflussdichte [μmol* m-²s-1] im PAR-Bereich (Photosynthetisch Aktive Strahlung von 380 bis 780 nm) sind der Tab. 1 zu entnehmen. Unter Fernrot ist der gesamte Spektrumbereich mit den Wellenlängen von 700 bis 780 nm zu verstehen.

Tab. 1. Anteile an Dunkelrot und Rot-Fernrot-Verhältnis der Spektren in den Versuchsboxen sowie im Spektrum an der Fensterbank (Die Boxen des Versuchs I sind grau markiert)

Box Nr.

Versuch

Variante: Folie und ggf. Lichtquelle

Anteil an Dunkelrot 700 nm ± 30 nm
[% der PPFD in PAR]

Rot-Fernrot-Verhältnis, gemessen als PPFD
[μmolm-²s-1]

1

I

Dark Salmon + 1 rote LED

12,77

4,28

2

II

Pale Yellow + 1 rote LED

9,31

4,07

3

I

Clear ohne LED

8,99

4,10

4

II

Dark Salmon + 1 rote LED

13,19

4,24

5

II

Clear ohne LED

10,07

4,24

6

II

Medium Bastard Amber + 1 weiße LED

10,45

4,33

7

I

Pale Yellow + 1 rote LED

10,65

4,31

8

II

Wechsel Pale Yellow/Med. Bastard Amber

10,50/10,91

4,31/4,45

9

II

Pale Yellow + 1 rote LED

10,70

4,51

10

II

Medium Bastard Amber + 1 weiße LED

12,23

4,37

11

I

Dark Salmon + 1 rote LED

14,20

4,17

12

II

Wechsel Pale Yellow/Med. Bastard Amber

9,5/10,45

4,10/4,31

13

II

Dark Salmon + 1 rote LED

13,56

4,34

14

I

Kontrolle ohne Folie und LEDs

9,50

4,27

15

II

Clear ohne LED

9,32

4,10

16

I

Pale Yellow + 1 rote LED

9,66

4,02

I

Kulturtisch am Fenster

9,85

4,23

Der Photonenfluss bei allen angeschalteten Leuchtmitteln betrug in den Boxen mindestens 128 und maximal 150 μmol* m-²s-1.

Die eingesetzte Tomatensorte 'Micro Tom' ist charakterisiert durch kleinwüchsige schnellwachsende Pflanzen mit determiniertem Wachstum, die während einer kurzen Generationsdauer von 70–90 Tagen eine Höhe von 15 bis 20 cm erreichen. Die Früchte sind rot, rundlich bis oval, klein, (ca. 2 cm im Durchmesser) und werden fortlaufend nachgebildet (Matsukura, 2008).

Versuch I (Impulsversuch)

Die Tomatenpflanzen wurden in folgenden drei Entwicklungsstadien jeweils drei Wochen in Versuchsboxen veränderten Lichtspektren ausgesetzt:

1) Jungpflanze mit 4–8 echten Blättern,

2) Blütestadium,

3) Beginn der Fruchtbildung.

Die Beleuchtung in den Versuchsboxen wurde durch Farbfolien und LED in 4 Varianten modifiziert (siehe Tab. 1, Abb. 2 bis 5). 

Abb. 2. links Boxenreihe 9–16, rechts Kulturtisch am Fenster.

Abb. 2. links Boxenreihe 9–16, rechts Kulturtisch am Fenster.

Abb. 5. Box 6 von innen, 4 m weiße LED, Folie Medi­um Bastard Amber, Ge­wächshauslampen.

Abb. 5. Box 6 von innen, 4 m weiße LED, Folie Medi­um Bastard Amber, Ge­wächshauslampen.

Abb. 3. Behandlungsbeginn in den Boxen.

Abb. 3. Behandlungsbeginn in den Boxen.

Abb. 4. Pflanzenanordnung in Versuchsbox, LED-Aufhängung pflanzen­nah.

Abb. 4. Pflanzenanordnung in Versuchsbox, LED-Aufhängung pflanzen­nah.

Pro Entwicklungsstadium und Box wurden jeweils 10 Pflanzen untersucht. Die restliche Kultur erfolgte unter normalen Gewächshausbedingungen (Gewächshaus­beleuchtung bzw. Tageslicht – sogenannter „Kulturtisch am Fenster“).

Versuch II (Dauerversuch)

In Versuch II wurden die Tomatenpflanzen während der gesamten Kultur 5 Lichtvarianten ausgesetzt (siehe Tab. 1). Jede Boxvariante wurde in 2-facher Wiederholung randomisiert im Gewächshaus aufgestellt (insgesamt 10 Boxen). In einer der Varianten (Boxen 8 und 12) wurde die gelbe Folie Pale Yellow, die durch mehr blaues Licht die Ausbildung von Blütenständen begünstigen sollte, im Stadium der Fruchtbildung durch die Folie Medium Bastard Amber (rot) ersetzt, die die Tomatenanzahl und -masse positiv beeinflussen sollte.

Jeder Box wurden 10 Pflanzen zugeordnet. Die Beleuchtungsdauer wurde auf 16 h/d eingestellt. Dabei unterschied sich die faktische Bestrahlungsdauer mit Gewächs­hauslampen oft um mehrere Stunden von den geplanten 16 h, da bei einer zu hohen Temperatur sowohl das Sonnenlicht durch die Schattierung des Gewächshauses reduziert als auch die Gewächshauslampen abgeschaltet wurden. In dieser Zeit blieben in den Boxen nur die LEDs eingeschaltet.

Durchführung

Die Aussaat der Tomaten erfolgte Anfang Mai 2015. Fünf Wochen nach der Aussaat wurden alle Jungpflanzen (insgesamt 100) für Versuch II in die Boxen gestellt. Bei Versuch I (Impulsversuch) kamen die Pflanzen der ersten Entwicklungsgruppe (insgesamt 60) in die Boxen und die restlichen Pflanzen (120) auf den Kulturtisch am Fenster. Mitte Juni wurden alle Pflanzen in 13er Töpfe umgetopft.

Die zweite und dritte Entwicklungsgruppe von Versuch I wurde jeweils bei Erreichen ihres Entwicklungs­stadiums (mindestens 50% der 10 Pflanzen) für ca. 21 Tage in die Boxen gestellt und anschließend auf den Fenstertisch. Der Versuch lief bis Ende Oktober.

Die Pflanzen wurden innerhalb der Boxen alle 3 Tage rotiert, um vergleichbare Bedingungen zu schaffen. Ausgeizen war bei 'Micro Tom' nicht notwendig. Gedüngt wurde alle 14 Tage mit 65 ml Compo Bio-Tomaten­düngerlösung je Topf. Die Angaben des Herstellers zum Dünger waren wie folgt: 3% Gesamtstickstoff, organisch gebunden, 5% Gesamtkaliumoxid, 1% wasserlösliches Phosphat, 2,0% wasserlöslicher Schwefel und 0,6% wasserlösliches Natrium, 40% organische Substanz. Gewässert wurde 3-mal je Woche mit Leitungswasser (22–45 mg/l Natrium, 0,80–6,20 mg/l Nitrat, 0,14–0,40 mg/l Fluorid bei einem pH-Wert von 7,2–7,6) bis zur Wassersättigung der Erde.

Ab Anfang Juni wurde die Außenlichtgrenze für die Beleuchtungsabschaltung und die einsetzende Schattierung von 50 000 Lux auf 20 000 Lux reduziert. Die Temperaturmessungen in den einzelnen Boxen ergaben keine signifikanten Temperaturunterschiede in Abhängigkeit von der Folienfarbe.

Die Bonitur erfolgte ab Anfang Juni im 14-tägigen Rhythmus. Ab Ende August wurde wöchentlich geerntet.

Erfasst wurden bis zur dritten Bonitur Vitalität der Pflanze, Wuchshöhe und Blattanzahl ab 2 cm Blattlänge, später Habitus (gedrungen, normal, gestreckt), Anzahl der Blütenstände, Anzahl der grünen, orangen und roten Früchte, sowie zur Ernte Fruchtdurchmesser und Fruchtmasse. Von jeweils 5 Pflanzen je Box wurden Boden­mischproben aus deren Wurzelballen zusammengestellt.

Nach der Ernte wurden Frisch- und Trockenmasse der oberirdischen Pflanzenteile (ohne Tomaten) bestimmt. Die geernteten Tomaten wurden hinsichtlich Trockensubstanz, Proteingehalt, Zuckergehalt (Saccharose, Fructose und Glucose), ß-Carotin-, Lycopin- und Ascorbinsäuregehalt untersucht.

Ergebnisse

Versuch I: Impulsversuch

Trotz der Unterschiede in der Wahrnehmung der Vitalität der Pflanzen bei verschiedenen bonitierenden Personen konnte ein signifikanter Unterschied in der Vitalität (Note 1–5) unter den Folien und in der Kontrolle festgestellt werden: bei den Pflanzen unter den Folien sank die Vitalität in den ersten zwei Untersuchungsmonaten von 1 auf 2. Die größten Unterschiede in der Vitalität waren am 21.09. mit einem Phi von 0,6 auf dem Niveau von p < 0,001 signifikant. Die Korrelationen der Vitalität zum Dunkelrotanteil sowie zum Rot-Fernrot-Verhältnis von –0,3 (Kendall’s Tau) waren auf dem Niveau p = 0,01 auch signifikant.

Der Einfluss der Folien auf die Pflanzenhöhe äußerte sich am stärksten durch reduzierte Lichtverfügbarkeit für die Pflanzen sowie verändertes Rot-Fernrot-Verhältnis und führte zu leichten Symptomen des Schattenvermeidungssyndroms. Der Einfluss wurde bei den Pflanzen der Entwicklungsgruppe 1 nachgewiesen: z.B. waren die Pflanzen unter der gelben Folie mit im Durchschnitt ca. 21 cm Höhe signifikant höher als in der Kontrolle ohne Folie (18 cm). Unter der Folie Dark Salmon wurden die zweitgrößten Pflanzen gebildet.

Die Einflüsse auf die Vitalität und Pflanzenhöhe waren jedoch nicht gravierend, die Pflanzen entwickelten sich ausreichend und sortengemäß, auch hinsichtlich der Blüten und Früchte.

Die größte Tomatenanzahl pro Pflanze wurde mit 85 Früchten bei der Kontrolle ohne Folie gebildet. Hier waren die Ergebnisse hinsichtlich der Masse der Früchte pro Pflanze mit ca. 120 g in allen drei Gruppen sehr ähnlich.

Die Lichtverhältnisse beeinflussten die Anzahl an Tomaten. Eine signifikante Korrelation zwischen dem Rot-Fernrot-Verhältnis des Lichts und der Gesamtanzahl der Tomaten war mit 0,4 auf dem Niveau von 0,05 mittelmäßig (Kendall’s Tau). Das Rot-Blau-Verhältnis des Lichtes wirkte signifikant schwach positiv auf die Anzahl von kleinen Tomaten (< 1,0 cm) und negativ auf die Frisch­masse der Pflanze.

Die Wirkung der Lichtspektrumveränderung für drei Wochen zeigte sich signifikant in der Gruppe 1 (Pflanzen mit 4 bis 8 Blättern) unter den Folien Dark Salmon, Yellow und Clear. Bei den Pflanzen der Entwicklungsgruppe 1 wurde nach dem Ende der 3-wöchigen Kultivierung unter den dunkelroten und gelben Folien eine Verzögerung der Bildung von Blütenständen festgestellt. Zwei Wochen bis einen Monat später bildeten Pflanzen der Gruppe 1, die unter der dunkelroten Folie Dark Salmon kultiviert wurden, signifikant mehr Blütenstände als in den anderen Varianten.

Die Anzahl der Früchte in der Gruppe 1 stieg stark ab dem ca. 65. Tag der Untersuchung (1,5 Monate nach der Kultivierung in der Box) und blieb bis zum Ende der Untersuchung signifikant größer als in der Gruppe 2 und 3 unter der gleichen Folie (vgl. Abb. 6).

Abb. 6. Fruchtentwicklung der Tomatenpflanzen bei ei­ner 3-wöchigen Licht­veränderung durch die rote Folie Dark Salmon. DS 1 bis DS 3: Pflan­zengruppen 1 (4–8 Blät­ter), 2 (Blütenstandbildung) und 3 (Grüne Frucht-Stadie). Der Parameter „Tomaten gesamt“ beinhaltet auch die grü­nen Tomaten, der Para­meter „Ernte kumulativ“ nur die roten gesammelten (leicht von der Pflanze zu tren­nenden) Tomaten.

Abb. 6. Fruchtentwicklung der Tomatenpflanzen bei ei­ner 3-wöchigen Licht­veränderung durch die rote Folie Dark Salmon. DS 1 bis DS 3: Pflan­zengruppen 1 (4–8 Blät­ter), 2 (Blütenstandbildung) und 3 (Grüne Frucht-Stadie). Der Parameter „Tomaten gesamt“ beinhaltet auch die grü­nen Tomaten, der Para­meter „Ernte kumulativ“ nur die roten gesammelten (leicht von der Pflanze zu tren­nenden) Tomaten.

Die Erhöhung der Gesamtanzahl der Früchte (grüne, gelbe und rote Tomaten) bedeutete jedoch keine Erhöhung der Ernte, da die Steigerung der kumulativen Erntemasse anders verlief (vgl. Abb. 7), wobei die Folie Dark Salmon wieder die größten Unterschiede hervorrief. Bei den Impulsgruppen 1 und 3 wurden am Ende der Untersuchung vergleichbare Gesamtmassen der Tomaten gefunden, wobei in der Gruppe 1 zuerst eine Verzögerung der Massenzunahme festzustellen war. Bei der Gruppe 2 war die Entwicklung ungünstiger hinsichtlich der Ernte als in den Gruppen 1 und 3. Schließlich wurden unter der dunkelroten Folie die geringsten Erträge erzielt.

Abb. 7. Zunahme der Gesamt­masse der Tomaten­früchte in den Beleuchtungsvarianten mit drei Farbfolien und 3 Pflanzengruppen. Im­puls 1: Pflanzengruppe mit 4–8 Blätter, Impuls 2: Pflanzen mit anfäng­lichen Blüte, Impuls 3: Pflanzen mit grünen Früchten.

Abb. 7. Zunahme der Gesamt­masse der Tomaten­früchte in den Beleuchtungsvarianten mit drei Farbfolien und 3 Pflanzengruppen. Im­puls 1: Pflanzengruppe mit 4–8 Blätter, Impuls 2: Pflanzen mit anfäng­lichen Blüte, Impuls 3: Pflanzen mit grünen Früchten.

Unter der gelben Folie zeigte sich zwei Monate nach dem Impuls in der Gruppe 1 eine signifikante Erhöhung der Fruchtmasse pro Pflanze. Diese signifikanten Unterschiede zu den Massen in der Gruppen 2 und 3 konnten nach einem Monat nicht mehr gefunden werden. Am Ende der Kultivierung wurden in der Gruppe 1 vergleichbare Ergebnisse wie unter der klaren Folie gefunden, die Masse war mit 114 g pro Pflanze nur tendenziell geringer als in der Variante mit klarer Folie bzw. in der Kontrolle (ca. 120 g).

In der Variante mit klarer Folie (Gruppen 2 und 3) wurde bei geringerer Tomatenanzahl die gleiche Tomatenmasse pro Pflanze wie in der Kontrolle gebildet, die Früchte waren dementsprechend tendenziell bis signifikant größer als in der Kontrolle.

Die Pflanzen der Gruppe 3 haben in allen Varianten außer der gelben Folie die signifikant geringste Tomatenanzahl gebildet. Die Früchte der Pflanzen der Gruppe 3 waren jedoch in den meisten Varianten signifikant am größten. Nur bei der gelben Folie gab es keine signifikanten Unterschiede.

Nach den 3-wöchigen Lichtimpulsen durch Farbfolien im Gewächshaus konnte trotz großer Schwankungen in den Messwerten gezeigt werden, dass nach dem Wachstum unter der dunkelroten Folie Dark Salmon im Durchschnitt mehr β-Carotin gebildet wurde als unter der gelben und durchsichtigen Folien sowie in der Kontrolle (Abb. 8). Dabei wurde ein signifikanter mittelmäßiger bis starker Zusammenhang zwischen dem Rotlichtanteil im Spektrum (u.a. Rot-Blau- und Rot-Fernrot-Verhältnis) und dem Gehalt an β-Carotin gefunden (Kendall’s τ von entsprechend 0,7 und 0,5 bei p < 0,01). Die positive Wirkung des erhöhten Rotanteils zeigte sich mehrere Wochen nach der 3-wöchigen Spektrumveränderung, auch wenn die Pflanzen unter den Farbfolien während der Bestrahlung noch keine Tomaten gebildet haben.

Abb. 8. Gehalt an β-Carotin im Versuch mit 3-wöchiger Impulsgebung durch veränderte Licht­­spektren bei den Toma­tenpflanzen unterschiedlichen Al­ters: Mittelwerte und Standardfehler. 1 – Jungpflanze mit 4–8 echten Blättern, 2-Blü­testadium, 3-Beginn der Fruchtbildung. Dark Salmon, Pale Yellow und Clear sind die Foli­enbezeichnungen. Un­terschiedliche Buchstaben bedeuten die signifikanten Unter­schiede im Scheffé-Test auf dem Niveau α = 0,05.

Abb. 8. Gehalt an β-Carotin im Versuch mit 3-wöchiger Impulsgebung durch veränderte Licht­­spektren bei den Toma­tenpflanzen unterschiedlichen Al­ters: Mittelwerte und Standardfehler. 1 – Jungpflanze mit 4–8 echten Blättern, 2-Blü­testadium, 3-Beginn der Fruchtbildung. Dark Salmon, Pale Yellow und Clear sind die Foli­enbezeichnungen. Un­terschiedliche Buchstaben bedeuten die signifikanten Unter­schiede im Scheffé-Test auf dem Niveau α = 0,05.

Eine Wirkung des Alters, in dem die Pflanzen mit veränderten Lichtspektren bestrahlt wurden, auf die Anti­oxidantiengehalte in der Frucht, war nicht eindeutig feststellbar (vgl. Abb. 8).

Die größten Gehalte an Ascorbinsäure wurden in den Früchten der Pflanzen gefunden, die im Stadium von 4 bis 8 Blättern drei Wochen unter der dunkelroten Folie standen. Der Gehalt an Ascorbinsäure war hier im Durchschnitt zweifach höher als in der Kontrolle.

Beim Lycopin-Gehalt konnten keine eindeutigen Tendenzen festgestellt werden. In den Früchten der Pflanzen, die drei Wochen lang einen Impuls mit mehr Rotlicht bekommen hatten, konnte tendenziell im Durchschnitt mehr Lycopin gefunden werden als in der Kon­trolle und unter der klaren Folie. Die Lycopin-Gehalte schwankten allerdings stark bei gleichen Boxen und Pflanzengruppen (Abb. 9).

Abb. 9. Gehalt an Lycopin im Versuch mit 3-wöchent­lichen Impulsgebung durch veränderte Lichtspektren bei den Tomatenpflanzen unter­schiedlichen Alters: Mittelwerte und Stan­dardfehler. 1 – Jung­pflanze mit 4–8 echten Blättern, 2-Blütestadi­um, 3-Beginn der Fruchtbildung. Dark Salmon, Pale Yellow und Clear sind die Foli­enbezeichnungen. Un­terschiedliche Buchstaben bedeuten die signifikanten Unter­schiede im Scheffé-Test auf dem Niveau α = 0,05.

Abb. 9. Gehalt an Lycopin im Versuch mit 3-wöchent­lichen Impulsgebung durch veränderte Lichtspektren bei den Tomatenpflanzen unter­schiedlichen Alters: Mittelwerte und Stan­dardfehler. 1 – Jung­pflanze mit 4–8 echten Blättern, 2-Blütestadi­um, 3-Beginn der Fruchtbildung. Dark Salmon, Pale Yellow und Clear sind die Foli­enbezeichnungen. Un­terschiedliche Buchstaben bedeuten die signifikanten Unter­schiede im Scheffé-Test auf dem Niveau α = 0,05.

Versuch II: Dauerversuch

In diesem Versuch wurden große Unterschiede in den Boniturparametern innerhalb der zwei Box-Wieder­holungen gefunden, was die Vergleichbarkeit der Werte erschwert. Mehr Aussagekraft haben die Korrelationen, bei denen man jede Versuchsbox als Einzelversuch betrachtet.

Ähnlich wie im Impulsversuch, zeigte sich hier die leicht negative Wirkung des Fernrotanteils auf die Vitalität der Tomatenpflanzen sowie die Wirkung dieses Parameters auf die Pflanzenhöhe (Schattenvermeidungssyndrom). Die Pflanzen entwickelten sich trotzdem ausreichend und sortengerecht.

Die günstigsten Entwicklungsbedingungen für die hohe Anzahl an Blütenständen und danach Tomaten wurden unter der klaren Folie geschaffen: dort wurden die meisten Blütenstände gebildet. Zwischen dem Rot-Fernrot-Anteil im Spektrum und der Anzahl an Blütenständen wurde ein schwacher signifikant negativen Zusammenhang gefunden (Kendall’s τ=–0,259 bei p < 0,01): bei mehr fernroter Strahlung wurden mehr Blütenstände gebildet. Diese Reaktion kann auf eine Strategie hindeuten, die Reproduktion unter ungünstigen Bedingungen zu verstärken. Gleichzeitig zeigte sich ein schwacher positiver Zusammenhang des Blauanteils im Spektrum mit der Blütenstandanzahl (Kendall’s τ=0,245 bei p < 0,01) und danach mit der Fruchtbildung (Kendall’s τ=0,420 bei p < 0,001).

In diesem Versuch zeigte sich, dass eine dauerhaft reduzierte Menge an verfügbarem Licht (durch die Farbfolien) die Ernte viel stärker beeinflusst als eine kurzzeitige im Versuch I. Die größte Anzahl an Tomaten wurde unter den klaren und gelben Folien gebildet. Die größte Ernte bezüglich der Tomatenmasse wurde in einer Box mit gelber Folie dokumentiert: dort wurden 66 Früchte mit der Gesamtmasse von 89 g geerntet, allerdings wesentlich weniger als im Versuch I. Die zweitgrößte Ernte wurde in der Box mit roter Folie Medium Bastard Amber gesammelt. Allerdings relativiert die geringe Tomaten­anzahl und -masse in den jeweiligen Wiederholungs­boxen dieses Ergebnis wieder, so dass die größte durchschnittliche Anzahl an Tomaten und die größte durchschnittliche Masse unter der klaren Folie geerntet wurden. Am geringsten war die Tomatenanzahl in den Boxen unter der Folie Dark Salmon mit der geringsten Lichttransmission im PAR-Bereich (vgl. Abb. 10).

Abb. 10. Vergleich der Tomaten­anzahl im Dauerver­such. Folienbezeichnungen: Clear: klare Folie, Y: Yellow, MB: Medium Bastard Amber, Y/MB: Wechsel von Yellow zum Medium Bastard Amber in dem Frucht­einsatz, DS: Dark Sal­mon. Der Parameter „Tomaten gesamt“ be­inhaltet auch die grünen Tomaten, der Parameter „Ernte kumulativ“ nur die roten gesammelten (leicht von der Pflanze zu trennenden) Toma­ten.

Abb. 10. Vergleich der Tomaten­anzahl im Dauerver­such. Folienbezeichnungen: Clear: klare Folie, Y: Yellow, MB: Medium Bastard Amber, Y/MB: Wechsel von Yellow zum Medium Bastard Amber in dem Frucht­einsatz, DS: Dark Sal­mon. Der Parameter „Tomaten gesamt“ be­inhaltet auch die grünen Tomaten, der Parameter „Ernte kumulativ“ nur die roten gesammelten (leicht von der Pflanze zu trennenden) Toma­ten.

Die Ergebnisse in den Varianten mit der durchgängigen roten Folie (Medium Bastard Amber) sowie mit dem Folienwechsel waren widersprüchlich: in beiden Fällen wurden in einer Box eine sehr hohe und in der Wieder­holungsbox eine niedrige Tomatenanzahl dokumentiert – in der Variante mit dem Folienwechsel unterschied sich die Fruchtanzahl zwischen den Wiederholungsboxen fast um das Zweifache. Somit konnte die Wirkung des veränderten Rot-Blau-Verhältnisses sowie des Folienwechsels nicht bewertet werden. Zudem waren die tatsächlichen Spektrumunterschiede zwischen den Folien Pale Yellow und Medium Bastard Amber vermutlich nicht groß genug, um den Wechsel als Veränderung in der Lichtqualität anzuerkennen.

Diskussion

Mit dem Dauerversuch konnte die Regel der Praktiker „1% weniger Licht gleich 1% weniger Ertrag“ bestätigt werden. Die Erhöhung des gesamten Anteils an rotem Licht hatte keine nennenswerte Wirkung auf die Pflanzen­entwicklung gezeigt, da in diesem Versuch die gesamte Lichtintensität unter den Folien dauerhaft geringer war als unter normalen Gewächshausbedingungen. Bei der dunkelroten Folie mit der geringsten Transmission wurde der geringste Ertrag erzielt. Die Dauerveränderung des Lichtspektrums durch mehr Dunkelrot hat auch bei einer höheren Photonenflussdichte (Folie Medium Bastard Amber im Vergleich zu Dark Salmon) keine photomorphogenetische Wirkung erzeugt. Die Variante mit klarer Folie stellte den Pflanzen mehr Licht zur Verfügung und führte zu größten Erträgen im Vergleich aller Folien.

In dem Impulsversuch ist es gelungen, durch die Veränderung der Lichtqualität die Morphogenese der Pflanzen zu beeinflussen. Die Jungpflanzen reagierten auf die Umstellung des Lichtregimes mit viel rotem Licht (Rot-Blau-Verhältnis in der Photonenflussdichte über 5 in den Boxen mit Dark Salmon) und geringerer Photonenflussdichte auf das Regime mit weniger rotem Licht (Rot-Blau-Verhältnis von ca. 2,6 – Fensterbank des Gewächshauses) und etwa 25% höherer Photonenflussdichte signifikant. Bei der ersten Variante der Lichtregime wurde etwa 3% mehr dunkelrotes Licht erzeugt. Der genaue Einflussweg des Lichtes und die einflussnehmenden Faktoren in diesem Versuch sind allerdings nicht eindeutig zu identifizieren.

Wellenlängen über 700 nm im Spektrum verursachen bekanntlich das Schattenvermeidungssyndrom bei Volllichtpflanzen (Smith, 1994), bei dem die Pflanze versucht, durch das Strecken des Stängels und der Blattstiele an mehr Licht zu kommen. In unserem Versuch waren diese Merkmale kaum zu finden. Gleichzeitig wird die Blühphase der Pflanzen durch die fernrote Strahlung gerade positiv beeinflusst (Runkle und Heins, 2001). So wurde bei der Beleuchtung mit fernrotarmem Licht (FR-reduzierte Beleuchtung mit Hilfe eines speziellen Filters) eine Verzögerung der Blüte bei der Tomate festgestellt (Runkle und Heins, 2002). Da der gesamte Anteil an fernrotem Licht in beiden Lichtregimen (Box 1 bzw. 11 und Kulturtisch am Fenster) etwa gleich war, konnte ihre Wirkung auf die Blüte vernachlässigt werden.

Das hellrote Licht soll laut Literatur einen positiven Einfluss auf die Bildung der Blüte haben. In den Boxen mit mehr rotem und u.a. hellrotem Licht (1 und 11 im Impulsversuch) war das nicht der Fall. Nach unseren Versuchsergebnissen konnte vermutet werden, dass die Wellenlängen insbesondere im Bereich von 700 ± 30 nm einen Einfluss auf die Blühphase haben und zwar einen negativen. Gleichzeitig muss der Einfluss der Senkung der Photonenflussdichte durch die Folie berücksichtigt werden. Die beschriebene Wirkung des Lichtes als Faktor der Verzögerung der Blüte bei jungen Pflanzen scheint mit dem Wellenlängenbereich unter 700 nm in Zusammenhang zu stehen. Die Anpassung an mehr dunkelrotes Licht (um 680 nm) kann durch sogenannte „state transition“ erfolgen, indem die mobilen Proteine der peripherischen Antenne vom Photosystem I zum Photosystem II wandern (Minagawa, 2011). Dies ist mit Einbußen in der Photosyntheseintensität verbunden und kann bei Jungpflanzen mit 4 bis 8 Blättern einen Stress verursachen. Neu ist im Versuch, dass die Pflanzen nach drei Wochen solcher Bestrahlung zunächst seltener blühen und dann eine stärkere Blütenbildung zeigen als in anderen Varianten. Diese geht in eine größere Anzahl an Früchten über, die über mehrere Wochen vorhanden bleibt (trotz einer regelmäßigen Fruchternte). Ein direkter Vergleich der Gesamtmasse der Tomaten im Impuls- und Dauerversuch zeigt die Vorteile eines kurzen Stresses, bei dem eine wesentlich größere Ernte erzielt wird als bei der Dauerkultivierung unter gleichen Bedingungen. Diese Reak­tion kann in der Tomatenproduktion angewendet werden, da die Pflanzen schneller mehr Früchte erzeugen und somit die Kulturdauer reduziert werden kann. Allerdings ist zu klären, ob und welche weiteren Parameter der Beleuchtung zur Steigerung der Fruchtmasse und des Gesamtertrags führen, z.B. muss durch Versuche ermittelt werden, welches Hell-Dunkelrot-Verhältnis optimal wäre. Leider war es im Versuch mit den Farbfolien nicht möglich, die gleiche Photonenflussdichte in allen Varianten zu schaffen. Die weiteren konstanten Rahmenbedingungen für eine optimale Ernte wie der Anteil an Blaulicht sowie die gesamte Lichtintensität sollen in praxis­nahen Versuchen im Produktionsgewächshaus mit marktfähigen Sorten getestet werden.

Die Farbfolien zeigten sich für die Erhöhung der Antioxidantiengehalte als vorteilhaft. Insbesondere die roten Folien – wie aus der Literatur bereits bekannt – unterstützen die Bildung von allen drei untersuchten Antioxidantien. Unter optimaler Photonenflussdichte kann die Variante mit mehr dunkelrotem Licht zu größeren Erträgen und gleichzeitig zu höheren Gehalten an gesundheitsfördernden Sekundärstoffen führen.

Die Rolle des blauen Lichts in der Synthese der Anti­oxidanten konnte mit den zu Verfügung stehenden Folien nicht untersucht werden (bei blauen Folien war die Licht­intensität zu gering). Farbfolien in der Landwirtschaft können nicht nur zur Erhöhung der Produktivität und gegebenenfalls zur Verkürzung der Entwicklungszeit der Früchte führen. Sie können auch zur Erhöhung der Konzentration gesundheitsrelevanter Stoffe im Gemüse beitragen, was am Beispiel der Tomate gezeigt wurde.

Literatur

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