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Vorwort

Bericht über die Fachtagung „Die Durchwachsene Silphie, eine Energiepflanze der Zukunft? Perspektiven von der Pflanze bis zur Landschaft“

Journal für Kulturpflanzen, 67 (11). S. 349–350, 2015, ISSN 1867-0911, Verlag Eugen Ulmer KG, Stuttgart

Report on the Expert Conference “The Cup Plant, an Energy Crop of the Future? Perspectives from the Plant to the Landscape”

Vorwort

Am 9. und 10. Mai 2016 fand im Forum des Thünen-Instituts in Braunschweig eine Fachtagung zur Durchwachsenen Silphie (Silphium perfoliatum L.) statt. Gemein­same Veranstalter waren das Thünen-Institut für Biodiversität und das Julius Kühn-Institut für Pflanzenbau und Bodenkunde. An dieser Veranstaltung nahmen rund fünfzig Gäste aus Deutschland und Österreich teil, um sich über die neuesten Erkenntnisse aus Wissenschaft und Praxis zu informieren. Der Artname „Durchwachsene“ Silphie rührt übrigens daher, dass der Stängel die an der Basis miteinander verwachsenen Blattpaare zu durchwachsen scheint.

In zehn Vorträgen und zwanzig Postern wurden pflanzenbauliche, züchterische, ökonomische sowie ökologische Aspekte der Durchwachsenen Silphie behandelt. Es ging um Fragen der Klimaanpassung, des Wasserhaushalts, der Biodiversität und der Bodengesundheit, um Perspektiven der Züchtung und des Anbaus in Deutschland sowie der betrieblichen und regionalen Einpassung dieser neuen Energiepflanze. Mehrere Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Fachtagung haben das Angebot der Veranstalter genutzt, die wesentlichen Ergebnisse aus ihren Vorträgen und Postern in dem hier vorliegenden Themenheft des Journals für Kulturpflanzen zu veröffentlichen.

Ein Highlight der Veranstaltung bildete der Vortrag des Landwirts Ralf Brodmann aus Oberschwaben, in dem er ein neues Verfahren zur Anlage von Silphie Dauerkulturen durch eine Untersaat in Mais vorstellte (Frölich et al.). Durch Verwendung von Saat- anstelle von Pflanzgut und der Möglichkeit einer Biomasseernte von Mais bereits im Etablierungsjahr der Durchwachsenen Silphie lassen sich der Zeitaufwand und die Kosten einer Neuanlage deutlich reduzieren. Durch den Trend von der bislang üblichen Auspflanzung vorgezogener Jungpflanzen hin zur Aussaat von Samen kommt der Saatgutqualität künftig eine zentrale Bedeutung zu. Weil Silphiebestände über einen langen Zeitraum blühen und abreifen, ist die Samen­rohware von sehr uneinheitlicher Qualität. Entscheidend für einen zügigen und gleichmäßig hohen Feldaufgang sind deshalb eine hohe Akkuratesse bei der Saatgutvorbehandlung, Saatgutaufbereitung und maschinellen Aussaat. Mehrere Beiträge befassten sich mit Fragen zu diesem Themenkomplex (Köhler und Biertümpfel, Gansberger, Schäfer et al.). Sehr positiv stimmte ein auf der Tagung vorgestellter ökonomischer Vergleich des Anbaus von Silphie und Silomais (Gerstberger et al.). Allerdings wurde auch deutlich, dass die Silphie entgegen einer noch verbreiteten Meinung einen relativ hohen Wasserbedarf besitzt (Schittenhelm et al.). Mehrjährige und mehrortige Feldversuche in Bayern haben gezeigt, dass hohe Silphieerträge neben einer guten Wasserversorgung auch nährstoffreiche Böden voraussetzen und dass mit Mais vergleichbare Trockenmasseerträge nur selten erzielt werden (Hartmann und Lunenberg, Lunenberg und Hartmann). Dem aus pflanzenbaulicher Sicht wünschenswerten Einsatz von Silphie-Dauerkulturen als Erosionsschutzmaßnahme (z.B. im Hügelland und Hanglagen der Mittelgebirge) würden die in diesen Regionen ohnehin meist hohen natürlichen Niederschläge entgegenkommen. Eine wichtige Voraussetzung für die langfristige und größerflächige Etablierung dieser neuen Energiepflanze ist die kontinuierliche züchterische Bearbeitung sowie die Bereitstellung von Saat- bzw. Pflanzgut. In einem Vortrag zu dieser Thematik (Blüthner et al.) wurde deutlich, dass es bezüglich der Zuchtziele und Zuchtmethodik noch viele offene Fragen gibt.

Im agrarökologisch geprägten Teil der Fachtagung wurden neue Erkenntnisse sowohl zu Kernthemen der biologischen Vielfalt im Boden und standortrelevanten Bodeneigenschaften als auch zu wesentlichen Aspekten der Bestäubergemeinschaften präsentiert. Feldunter­suchungen aus Rheinland-Pfalz belegen eine steigende Bodenqualität unter Dauerkulturen wie der Durchwachsenen Silphie hinsichtlich der Aktivität von Bodenmikro­organismen und Regenwürmern als Folge fehlender Boden­bearbeitung und vermehrten Eintrags an organischer Substanz (Emmerling). Neben höheren Bestandesdichten und Biomassen bei Regenwürmern im Vergleich zu einjährigen Ackerkulturen ließ sich auf einer Silphiefläche im bayerischen Kirchweidach die Regenwurmart Octodrilus pseudolissaensioides erstmals für Deutschland nachweisen (Burmeister und Walter). Vergleichende Unter­suchungen der Bodentiergemeinschaften (Regenwürmer, Collembolen, freilebende Nematoden) unter Silphie- und Maisbeständen in Niedersachsen und Thüringen dokumentieren Standzeiten von mindestens fünf Jahren bei der Durchwachsenen Silphie, bis positive Effekte auf die Boden-Biodiversität verzeichnet werden können (Schorpp et al.). Eine Zunahme in den funktionellen Gruppen der Bodentiergemeinschaften verläuft überwiegend über einen Anstieg der Individuenzahlen einzelner Taxa. Es wird für einen vermehrten Anbau der Durchwachsenen Silphie vor allem auf erosionsgefährdeten Standorten plädiert (Gerstberger et al.). Die Autoren stufen die Gefahr von Nitrateinträgen ins Grundwasser bei Durchwachsener Silphie wegen ihrer höheren Wurzeldichte und Wurzeltiefe deutlich niedriger als bei Mais ein. Insgesamt wird aus bodenökologischer Sicht der Anbau Durchwachsener Silphie im Vergleich zu einjährigen Kulturen als wertvoller Beitrag zum Bodenschutz und zur funktionellen Boden-Biodiversität gewertet und als nachhaltiges sowie innovatives Anbausystem empfohlen. Die späte Blüte der Durchwachsenen Silphie stellt im Vergleich zu Mais ein gutes Angebot von Pollen und Nektar bereit (Schorpp et al.). Dieses Angebot wurde auf Silphieflächen in Niedersachsen von Honigbienen, einigen Arten der Hummeln und Schwebfliegen besonders genutzt. In einem Silphiebestand auf einem fruchtbaren Auen­boden im bayerischen Rosenau im Isartal wurden Honigbienen, Erd- und Steinhummeln als häufigste Vertreter der Bestäubergemeinschaft identifiziert (Burmeister und Walter). Nur auf Flächen mit einer guten Wasser- und Nährstoffversorgung können sich die Silphie-Pflanzen optimal entwickeln und auch eine hohe Menge an Pollen und Nektar produzieren, wohingegen sich Trockenstress u.a. negativ auf die Blütenbildung auswirkt (Schorpp et al.). Der Anbau der Durchwachsenen Silphie eignet sich als Teilaspekt eines Landschaftsmanagements zur Etablierung eines vielseitigen, ganzjährigen Blütenangebots in der Agrarlandschaft. Die Potenziale einer anderen, ebenfalls aus Nordamerika stammenden mehrjährigen Pflanzenart, der Virginiamalve (Sida hermaphrodita Rusby), wurden von Veste et al. aufgezeigt.

Beendet wurde die Veranstaltung mit einer sehr lebendigen und optimistischen Podiumsdiskussion zu den Perspektiven des Silphie-Anbaus in Deutschland. Durch die von der Metzler & Brodmann KG vermarktete Innovation hat sich die Akzeptanz der Durchwachsenen Silphie in der landwirtschaftlichen Praxis deutlich verbessert. Das gestiegene Interesse an dieser Pflanze kommt nicht zuletzt dadurch zum Ausdruck, dass sich die Anbaufläche, insbesondere durch Flächenzuwächse in Baden-Württemberg und Teilen Bayerns, von etwa 400 auf 800 Hektar im Jahr 2016 in etwa verdoppelt hat. Gleichzeitig konnten durch die aktuellen Forschungsprojekte einige Mythen zur Silphie in Faktenwissen umgewandelt werden. Es zeigte sich jedoch noch weiterer Forschungs- und Entwicklungsbedarf insbesondere im Hinblick auf die Standortfrage des Anbaus sowie von Züchtungszielen im Spannungsfeld zwischen agronomischer Leistung und agrar­ökologischer Wirkung.

Die Herausgeber dieses Themenheftes:
Dr. Siegfried Schittenhelm1, Dr. Jens Dauber2, Prof. Dr. Stefan Schrader2


1 Julius Kühn-Institut, Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen, Institut für Pflanzenbau und Bodenkunde, Bundesallee 50, 38116 Braunschweig.
E-Mail: siegfried.schittenhelm@julius-kuehn.de2 Johann Heinrich von Thünen-Institut, Bundesforschungsinstitut für Ländliche Räume, Wald und Fischerei, Institut für Biodiversität, Bundesallee 50, 38116 Braunschweig. E-Mail: jens.dauber@thuenen.de;
stefan.schrader@thuenen.de

Abb. 1. Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Fachtagung vor dem Eingang des Thünen-Forums in Braunschweig.

Abb. 1. Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Fachtagung vor dem Eingang des Thünen-Forums in Braunschweig.

Abb. 2. Silphieblüte mit Schmetterlingsbesuch.

Abb. 2. Silphieblüte mit Schmetterlingsbesuch.


ISSN (elektronisch): 1867-0938
ISSN (print): 1867-0911
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Prof. Dr. Frank Ordon
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Erwin-Baur-Str. 27
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Julius Kühn-Institut - Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen
Erwin-Baur-Str. 27
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