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Originalarbeit – Kurzmitteilung

Züchtungsmethodische Ansätze zur Verbesserung der Trockenstresstoleranz am Beispiel der Möhre

Breeding approaches to improve drought stress tolerance of carrot

Thomas Nothnagel1, Andrea Rode1, Holger Budahn1, Reiner Krämer1, Frank Dunemann1, Detlef Ulrich2, Andrea Krähmer2, Christoph Böttcher2, Jens Keilwagen3, Thomas Berner3 und Günter Schumann1
Institut
Julius Kühn-Institut – Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen, Institut für Züchtungsforschung an gartenbaulichen Kulturen, Quedlinburg1
Julius Kühn-Institut – Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen, Institut für Ökologische Chemie, Pflanzenanalytik und Vorratsschutz, Berlin und Quedlinburg2
Julius Kühn-Institut – Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen, Institut für die Sicherheit biotechnologischer Verfahren bei Pflanzen, Quedlinburg3

Journal für Kulturpflanzen, 69 (2). S. 39–43, 2017, ISSN 1867-0911, DOI: 10.1399/JfK.2017.02.02, Verlag Eugen Ulmer KG, Stuttgart

Kontaktanschrift
Dr. Thomas Nothnagel, Julius Kühn-Institut, Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen, Institut für Züchtungsforschung an gartenbaulichen Kulturen, Erwin-Baur-Str. 27, 06484 Quedlinburg, E-Mail: thomas.nothnagel@julius-kuehn.de
Zur Veröffentlichung angenommen
21. Dezember 2016

Einleitung

In Deutschland wurden über die letzen Dekaden hinweg relativ konstant auf ca. 10 000 ha Möhren produziert (AMI, 2016). Dabei konzentriert sich die Produktion vorrangig auf die westlichen Bundesländer, in denen die Saisonniederschlagsmenge im Mittel der letzten 50 Jahre 280–350 mm betrug (www.dwd.de/Klimaatlas, Stand: 20.09.2016). Inzwischen sind in vielen dieser Gebiete Trockenphasen und Niederschlagsrückgänge zu verzeich­nen, so dass zunehmend eine kostenintensive Zusatz­bewässerung vorgehalten werden muss.

Der globale Möhrenanbau (ca. 1,5 Mio. ha) ist heute vorrangig in gemäßigten und subtropischen Klimazonen konzentriert und in sehr vielen Regionen ausschließlich mit Zusatzberegnung möglich. Hierdurch droht vielfach zusätzlich die Gefahr der Bodenversalzung, die aufgrund hoher Salzstressempfindlichkeit eine Möhrenproduktion ausschließt.

Inwieweit eine Züchtung von Möhrensorten auf Trockenstresstoleranz möglich ist, soll im Rahmen eigener Forschungsarbeiten untersucht werden. Zunächst ist dabei zu untersuchen, wie Trockenstress experimentell für die Evaluierung und Selektion im Rahmen der Züchtung simuliert werden kann, welchen Einfluss Trocken­stressbedingungen auf wertgebende Merkmale der Möhre haben und wie in der Möhrenzüchtung Trockenstress-assoziierte Merkmale genutzt werden können?

Wie kann Trockenstress zur Evaluierung und Selektion im Rahmen der Züchtung simuliert werden?

Induziert durch Trockenperioden, konnten in mehrjährigen Feldversuchen signifikante Jahreseinflüsse auf den Blatt- und Wurzelertrag von Möhrensorten nachgewiesen werden (Baranski et al., 2010). Darüber hinaus war es möglich, signifikante Veränderungen in den Gehalten an wertbestimmenden Inhaltsstoffen wie Karotin und Zucker sowie Polyacetylen- und Terpenverbindungen aufzuzeigen (Kramer et al., 2012a; Ulrich et al., 2015). Aufgrund variierender Umweltbedingungen sind Feldversuche nur bedingt für die Evaluierung und Selektion im Rahmen der Züchtung geeignet. Daher wurde eine Rain-out-Shelter (Folientunnel) sowie eine Klimakammermethode entwickelt, mit denen definierte Trocken­stressszenarien simuliert werden können (Rode et al., 2011; 2012; Dawid et al., 2016).

Welchen Einfluss hat Trockenstress auf Merkmale der Möhre?

Analog zu den Feldversuchen konnte in simulierten Trockenstressexperimenten gezeigt werden, dass neben der zum Teil erheblichen Reduktion der Blatt- und Wurzelbiomasse, vor allem qualitätsbestimmende Merkmale beeinflusst werden. Trockenstress führt zu einer atypischen Wurzelformausprägung und Wurzeloberflächenstruktur. Oft sind tiefe Einschnürungen der Wurzeloberfläche sichtbar, die in der Verarbeitung zu hohen Schälverlusten führen. Karotin und Zuckergehalte sinken, während Laserine, Polyacetylene und eine erhebliche Zahl Terpenverbindungen (Tab. 1) in ihren Gehalten ansteigen (Kramer et al., 2012b; Krähmer et al., 2016; Ulrich et al., unveröffentlicht). Gerade letztere haben einen erheblichen Einfluss auf das Aroma und die sensorische Qualität (Abb. 1).

Tab. 1. Veränderung der Gehalte an volatilen Inhaltsstoffen in der Speicherwurzel bei Trockenstress (Shelter-Versuch mit 6 Möhrensorten in 3 Bewässerungsvarianten; ANOVA, sig. – signifikant, n.s. – nicht signi­fikant)

Wurzel Volatile

Genotyp

Stressvariante

G × E

Hexanal

n.s.

sig. ▼

n.s.

α-Pinen

sig.

sig. ▲

sig.

Camphen

sig.

sig. ▲

sig.

β-Phellandren

sig.

sig. ▼

sig.

β-Pinen

sig.

sig. ▲

sig.

β-Myrcen

sig.

sig. ▲

sig.

Cymen

sig.

sig. ▼

n.s.

Limonen

sig.

sig. ▲

n.s.

β-Ocimen

sig.

sig. ▲

n.s.

γ-Terpinen

sig.

n.s.

n.s.

Terpinolen

sig.

sig. ▲

n.s.

Linalool

sig.

sig. ▲

sig.

Menthatrien

sig.

sig. ▼

n.s.

Bornylacetat

sig.

n.s.

n.s.

Copaen

sig.

sig. ▲

sig.

β-Caryophyllen

sig.

sig. ▲

sig.

β-Farnesen

sig.

sig. ▲

sig.

β-Sesquiphellandren

sig.

sig. ▲

sig.

α-Humulen

sig.

sig. ▲

sig.

Germacren

sig.

sig. ▲

sig.

α-Zingiberen

sig.

sig. ▲

sig.

β-Himalachen

sig.

sig. ▲

sig.

Sesquiphellandren

sig.

sig. ▲

sig.

Guaia-3,9-dien

sig.

sig. ▲

sig.

α- Bisabolen

sig.

n.s.

sig.

α-Bisabolol

n.s.

n.s.

n.s.

Abb. 1. Rain-out-Shelter-Ver­such zur Simulation von Trocken­stress bei Möh­ren (A) und Einfluss von Trockenstress auf die Entwicklung der Speicherwurzel (B,C). B – Kontrolle, C – Trocken­stressvariante – Speicherwurzeln zei­gen eine atypische Wur­zelausprägung und tiefe Einschnürungen.

Abb. 1. Rain-out-Shelter-Ver­such zur Simulation von Trocken­stress bei Möh­ren (A) und Einfluss von Trockenstress auf die Entwicklung der Speicherwurzel (B,C). B – Kontrolle, C – Trocken­stressvariante – Speicherwurzeln zei­gen eine atypische Wur­zelausprägung und tiefe Einschnürungen.

Im Rahmen einer Assoziationsstudie wurden 124 Möhren-Genotypen (114 Sorten, 7 Zuchtlinien, 3 Wildformen) unter Trockenstressbedingungen verglichen. Dabei zeigte sich eine breite Variation, die als Selektionsbasis geeignet erscheint. So variierte die durch Trocken­stress induzierte Wurzelertragsreduktion im Vergleich zur Kontrolle zwischen 5% und 40%. Die geprüften Wildformen und einige Zuchtlinien zeigten keine Ertrags­verluste, manche sogar eine relative Ertragssteigerung (Abb. 2). Blattsegmente der Testpflanzen wurden außerdem im Brutschrank (7 h, 35°C) hinsichtlich ihres Wasser­haltevermögens (Transpiration) geprüft. Der relative Wasserverlust variierte zwischen 10 und 60% (Abb. 3).

Abb. 2. Klimakammer-Trocken­­stressexperiment mit 124 Möhren-Genoty­pen. Dargestellt ist der relative Wurzelertrag (x%) der Genotypen im Vergleich zur Kontrolle (100%).

Abb. 2. Klimakammer-Trocken­­stressexperiment mit 124 Möhren-Genoty­pen. Dargestellt ist der relative Wurzelertrag (x%) der Genotypen im Vergleich zur Kontrolle (100%).

Abb. 3. Blatt-Transpirationstest mit 124 Möhren-Geno­typen im Brutschrank bei 35°C über 7 h. Dar­gestellt ist der relative Wasserverlust in den Blattproben (x%) im Vergleich zur Kontrolle (100%).

Abb. 3. Blatt-Transpirationstest mit 124 Möhren-Geno­typen im Brutschrank bei 35°C über 7 h. Dar­gestellt ist der relative Wasserverlust in den Blattproben (x%) im Vergleich zur Kontrolle (100%).

Forschungsfokus – Identifizierung und Funktionsaufklärung von Genen der Terpenbiosynthese

Aufgrund der nachgewiesenen starken Veränderung der Mono- und Sesquiterpenmuster von Möhren unter Trockenstressbedingungen und der großen Bedeutung dieser Stoffgruppe für die sensorische Qualität (Aroma, Beliebtheit) sowie einer möglicherweise bestehenden Resistenz gegen biotische Stressfaktoren, wurde der Fokus molekulargenetischer Forschungsarbeiten zunächst auf die Identifizierung und Funktionsaufklärung von Genen der Terpenbiosynthese gelegt. Ziele sind die Identifizierung beteiligter Schlüsselgene und die Entwicklung von funktionalen Markern für einige besonders wichtige Gene des Terpenstoffwechsels der Möhre. Hiermit könnten Genotypen selektiert werden, welche auch unter Trockenstressbedingungen noch die gewünschten Terpen-Profile aufweisen.

Nachdem zunächst die Genfamilie der Terpensynthasen in der Möhre durch bioinformatische Methoden auf 65 Mitglieder bestimmt wurde, werden derzeit mit Hilfe von QTL-Analysen und Kandidatengen-basierten genetischen Assoziationsstudien einzelne Terpensynthasegene genauer analysiert. Dabei werden phänotypische Daten der Terpenprofile einer F2-Kreuzungsnachkommenschaft von 161 Pflanzen für QTL-Analysen und SNP-basierte gene­tische Assoziationsanalysen verwendet (Abb. 4.).

Abb. 4. Auszug aus der genetischen Kopplungskarte der Möhre mit den bisher kartierten und verifizierten Ter­pensynthasegenen (rot hervorgehoben). Grün markierte Genloci repräsentieren Ankermarker zum Refe­renzgenom.

Abb. 4. Auszug aus der genetischen Kopplungskarte der Möhre mit den bisher kartierten und verifizierten Ter­pensynthasegenen (rot hervorgehoben). Grün markierte Genloci repräsentieren Ankermarker zum Refe­renzgenom.

Im Rahmen eines Genotyping-By-Sequencing (GBS) – Ansatzes wurden 96 Möhrenakzessionen mit einem reprä­sentativen geografischen Abstammungshintergrund teilsequenziert und ebenfalls auf ihre VOC-Muster ana­lysiert. Mit Hilfe eines GWAS (genome-wide-association-study) – Ansatzes sollen Genomregionen der Möhre identifiziert werden, die einen genetischen Beitrag zur Ausprägung bestimmter Terpen-Profile liefern. Ziel ist die Vorhersage von gewünschten Terpenmustern anhand von Genomdaten.

Ausblick

Mittelfristig soll der Züchtung ein Set funktioneller Marker zur Verfügung gestellt werden, die mit Allelen asso­ziiert sind, welche wichtig für eine konstant gute Qualität insbesondere unter Stressbedingungen sind. Darü­ber hinaus bieten die bisherigen methodischen und experimentellen Ansätze die Möglichkeit der Untersuchung und Identifizierung von Genen weiterer putativ in das Stressmanagement involvierter Biosynthesewege (Polyacetylene, Prolin, ABA, Jasmonat etc.).

Literatur

AMI (Agrarmarkt Informations-Gesellschaft), 2016: Markt Bilanz Gemüse 2016. Agrarmarkt Informations-Gesellschaft mbH, ISBN 1869-8908.

Baranski, R., A. Maksylewicz-Kaul, I. Kaminska, M. Leja, J. Schulz-Witte, H. Schulz, T. Nothnagel, R. Carle, 2010: Characterisation of carrots of various root colour. Ecological Chemistry and Engi­neering 17, 1053-1059.

Dawid, C., T. Nothnagel, D. Ulrich, A. Dunkel, D. Günzkofer, S. Baur, T. Hofmann, 2016: Molekulare und sensorische Charakterisierung des Metaboloms abiotisch gestresster Karotten (Daucus carota L.). Berichte aus dem Julius Kühn-Institut 183, 72-73.

Krähmer, A., C. Boettcher, A. Rode, T. Nothnagel, H. Schulz, 2016: Quantifying biochemical quality parameters in carrots (Daucus carota L.) – FT-Raman spectroscopy as efficient tool for rapid metabolite profiling. Food Chemistry 212, 495-502. DOI: 10.1016/jfoodchem.2016.05.176.

Kramer, M, A. Maksylewicz-Kaul, R. Baranski, T. Nothnagel, R. Carle, D.R. Kammerer, 2012a: Effects of cultivation year and growing location on the phenolic profile of differently coloured carrot cultivars. Journal of Applied Botany and Food Quality 85, 235-247.

Kramer, M., G. Bufler, T. Nothnagel, R. Carle, D.R. Kammerer, 2012b: Effects of cultivation conditions and cold storage on poly­acetylene contents of carrot (Daucus carota L.) and parsnips (Pasti­naca sativa L.). Journal of Horticultural Science & Biotechnology 87, 101-106.

Rode, A., T. Nothnagel, E. Kampe, 2011: Etablierung eines neuen Hybrid­systems zur Züchtung von Möhren mit spezifischer Eignung für den Anbau unter Trocken- und Salzstressbedingung in Zentralasien. Julius-Kühn-Archiv 430, 29-34.

Rode, A., T. Nothnagel, E. Kampe, 2012: Two methodical approaches for evaluation of drought stress tolerance in carrots. Book of Abstracts. 2nd Symposium on Horticulture in Europe, Angers, France 1st – 5 July 2012 (SHE2012), 58-59.

Ulrich, D., T. Nothnagel, H. Schulz, 2015: Influence of cultivar and harvest year on the volatile profiles of leaves and roots of carrots (Daucus carota spp. sativus Hoffm.) J. Agriculture and Food Chemistry 63, 3348-3356, DOI: 10.1021/acs.jafc.5b00704.


ISSN (elektronisch): 1867-0938
ISSN (print): 1867-0911
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