Züchtungsmethodische Ansätze zur Verbesserung der Trockenstresstoleranz am Beispiel der Möhre
Breeding approaches to improve drought stress tolerance of carrot
Journal für Kulturpflanzen, 69 (2). S. 39–43, 2017, ISSN 1867-0911, DOI: 10.1399/JfK.2017.02.02, Verlag Eugen Ulmer KG, Stuttgart
In Deutschland wurden über die letzen Dekaden hinweg relativ konstant auf ca. 10 000 ha Möhren produziert (AMI, 2016). Dabei konzentriert sich die Produktion vorrangig auf die westlichen Bundesländer, in denen die Saisonniederschlagsmenge im Mittel der letzten 50 Jahre 280–350 mm betrug (www.dwd.de/Klimaatlas, Stand: 20.09.2016). Inzwischen sind in vielen dieser Gebiete Trockenphasen und Niederschlagsrückgänge zu verzeichnen, so dass zunehmend eine kostenintensive Zusatzbewässerung vorgehalten werden muss.
Der globale Möhrenanbau (ca. 1,5 Mio. ha) ist heute vorrangig in gemäßigten und subtropischen Klimazonen konzentriert und in sehr vielen Regionen ausschließlich mit Zusatzberegnung möglich. Hierdurch droht vielfach zusätzlich die Gefahr der Bodenversalzung, die aufgrund hoher Salzstressempfindlichkeit eine Möhrenproduktion ausschließt.
Inwieweit eine Züchtung von Möhrensorten auf Trockenstresstoleranz möglich ist, soll im Rahmen eigener Forschungsarbeiten untersucht werden. Zunächst ist dabei zu untersuchen, wie Trockenstress experimentell für die Evaluierung und Selektion im Rahmen der Züchtung simuliert werden kann, welchen Einfluss Trockenstressbedingungen auf wertgebende Merkmale der Möhre haben und wie in der Möhrenzüchtung Trockenstress-assoziierte Merkmale genutzt werden können?
Induziert durch Trockenperioden, konnten in mehrjährigen Feldversuchen signifikante Jahreseinflüsse auf den Blatt- und Wurzelertrag von Möhrensorten nachgewiesen werden (Baranski et al., 2010). Darüber hinaus war es möglich, signifikante Veränderungen in den Gehalten an wertbestimmenden Inhaltsstoffen wie Karotin und Zucker sowie Polyacetylen- und Terpenverbindungen aufzuzeigen (Kramer et al., 2012a; Ulrich et al., 2015). Aufgrund variierender Umweltbedingungen sind Feldversuche nur bedingt für die Evaluierung und Selektion im Rahmen der Züchtung geeignet. Daher wurde eine Rain-out-Shelter (Folientunnel) sowie eine Klimakammermethode entwickelt, mit denen definierte Trockenstressszenarien simuliert werden können (Rode et al., 2011; 2012; Dawid et al., 2016).
Analog zu den Feldversuchen konnte in simulierten Trockenstressexperimenten gezeigt werden, dass neben der zum Teil erheblichen Reduktion der Blatt- und Wurzelbiomasse, vor allem qualitätsbestimmende Merkmale beeinflusst werden. Trockenstress führt zu einer atypischen Wurzelformausprägung und Wurzeloberflächenstruktur. Oft sind tiefe Einschnürungen der Wurzeloberfläche sichtbar, die in der Verarbeitung zu hohen Schälverlusten führen. Karotin und Zuckergehalte sinken, während Laserine, Polyacetylene und eine erhebliche Zahl Terpenverbindungen (Tab. 1) in ihren Gehalten ansteigen (Kramer et al., 2012b; Krähmer et al., 2016; Ulrich et al., unveröffentlicht). Gerade letztere haben einen erheblichen Einfluss auf das Aroma und die sensorische Qualität (Abb. 1).
Tab. 1. Veränderung der Gehalte an volatilen Inhaltsstoffen in der Speicherwurzel bei Trockenstress (Shelter-Versuch mit 6 Möhrensorten in 3 Bewässerungsvarianten; ANOVA, sig. – signifikant, n.s. – nicht signifikant)
Wurzel Volatile | Genotyp | Stressvariante | G × E |
Hexanal | n.s. | sig. ▼ | n.s. |
α-Pinen | sig. | sig. ▲ | sig. |
Camphen | sig. | sig. ▲ | sig. |
β-Phellandren | sig. | sig. ▼ | sig. |
β-Pinen | sig. | sig. ▲ | sig. |
β-Myrcen | sig. | sig. ▲ | sig. |
Cymen | sig. | sig. ▼ | n.s. |
Limonen | sig. | sig. ▲ | n.s. |
β-Ocimen | sig. | sig. ▲ | n.s. |
γ-Terpinen | sig. | n.s. | n.s. |
Terpinolen | sig. | sig. ▲ | n.s. |
Linalool | sig. | sig. ▲ | sig. |
Menthatrien | sig. | sig. ▼ | n.s. |
Bornylacetat | sig. | n.s. | n.s. |
Copaen | sig. | sig. ▲ | sig. |
β-Caryophyllen | sig. | sig. ▲ | sig. |
β-Farnesen | sig. | sig. ▲ | sig. |
β-Sesquiphellandren | sig. | sig. ▲ | sig. |
α-Humulen | sig. | sig. ▲ | sig. |
Germacren | sig. | sig. ▲ | sig. |
α-Zingiberen | sig. | sig. ▲ | sig. |
β-Himalachen | sig. | sig. ▲ | sig. |
Sesquiphellandren | sig. | sig. ▲ | sig. |
Guaia-3,9-dien | sig. | sig. ▲ | sig. |
α- Bisabolen | sig. | n.s. | sig. |
α-Bisabolol | n.s. | n.s. | n.s. |
Abb. 1. Rain-out-Shelter-Versuch zur Simulation von Trockenstress bei Möhren (A) und Einfluss von Trockenstress auf die Entwicklung der Speicherwurzel (B,C). B – Kontrolle, C – Trockenstressvariante – Speicherwurzeln zeigen eine atypische Wurzelausprägung und tiefe Einschnürungen.
Im Rahmen einer Assoziationsstudie wurden 124 Möhren-Genotypen (114 Sorten, 7 Zuchtlinien, 3 Wildformen) unter Trockenstressbedingungen verglichen. Dabei zeigte sich eine breite Variation, die als Selektionsbasis geeignet erscheint. So variierte die durch Trockenstress induzierte Wurzelertragsreduktion im Vergleich zur Kontrolle zwischen 5% und 40%. Die geprüften Wildformen und einige Zuchtlinien zeigten keine Ertragsverluste, manche sogar eine relative Ertragssteigerung (Abb. 2). Blattsegmente der Testpflanzen wurden außerdem im Brutschrank (7 h, 35°C) hinsichtlich ihres Wasserhaltevermögens (Transpiration) geprüft. Der relative Wasserverlust variierte zwischen 10 und 60% (Abb. 3).
Abb. 2. Klimakammer-Trockenstressexperiment mit 124 Möhren-Genotypen. Dargestellt ist der relative Wurzelertrag (x%) der Genotypen im Vergleich zur Kontrolle (100%).
Abb. 3. Blatt-Transpirationstest mit 124 Möhren-Genotypen im Brutschrank bei 35°C über 7 h. Dargestellt ist der relative Wasserverlust in den Blattproben (x%) im Vergleich zur Kontrolle (100%).
Aufgrund der nachgewiesenen starken Veränderung der Mono- und Sesquiterpenmuster von Möhren unter Trockenstressbedingungen und der großen Bedeutung dieser Stoffgruppe für die sensorische Qualität (Aroma, Beliebtheit) sowie einer möglicherweise bestehenden Resistenz gegen biotische Stressfaktoren, wurde der Fokus molekulargenetischer Forschungsarbeiten zunächst auf die Identifizierung und Funktionsaufklärung von Genen der Terpenbiosynthese gelegt. Ziele sind die Identifizierung beteiligter Schlüsselgene und die Entwicklung von funktionalen Markern für einige besonders wichtige Gene des Terpenstoffwechsels der Möhre. Hiermit könnten Genotypen selektiert werden, welche auch unter Trockenstressbedingungen noch die gewünschten Terpen-Profile aufweisen.
Nachdem zunächst die Genfamilie der Terpensynthasen in der Möhre durch bioinformatische Methoden auf 65 Mitglieder bestimmt wurde, werden derzeit mit Hilfe von QTL-Analysen und Kandidatengen-basierten genetischen Assoziationsstudien einzelne Terpensynthasegene genauer analysiert. Dabei werden phänotypische Daten der Terpenprofile einer F2-Kreuzungsnachkommenschaft von 161 Pflanzen für QTL-Analysen und SNP-basierte genetische Assoziationsanalysen verwendet (Abb. 4.).
Abb. 4. Auszug aus der genetischen Kopplungskarte der Möhre mit den bisher kartierten und verifizierten Terpensynthasegenen (rot hervorgehoben). Grün markierte Genloci repräsentieren Ankermarker zum Referenzgenom.
Im Rahmen eines Genotyping-By-Sequencing (GBS) – Ansatzes wurden 96 Möhrenakzessionen mit einem repräsentativen geografischen Abstammungshintergrund teilsequenziert und ebenfalls auf ihre VOC-Muster analysiert. Mit Hilfe eines GWAS (genome-wide-association-study) – Ansatzes sollen Genomregionen der Möhre identifiziert werden, die einen genetischen Beitrag zur Ausprägung bestimmter Terpen-Profile liefern. Ziel ist die Vorhersage von gewünschten Terpenmustern anhand von Genomdaten.
Mittelfristig soll der Züchtung ein Set funktioneller Marker zur Verfügung gestellt werden, die mit Allelen assoziiert sind, welche wichtig für eine konstant gute Qualität insbesondere unter Stressbedingungen sind. Darüber hinaus bieten die bisherigen methodischen und experimentellen Ansätze die Möglichkeit der Untersuchung und Identifizierung von Genen weiterer putativ in das Stressmanagement involvierter Biosynthesewege (Polyacetylene, Prolin, ABA, Jasmonat etc.).
AMI (Agrarmarkt Informations-Gesellschaft), 2016: Markt Bilanz Gemüse 2016. Agrarmarkt Informations-Gesellschaft mbH, ISBN 1869-8908.
Baranski, R., A. Maksylewicz-Kaul, I. Kaminska, M. Leja, J. Schulz-Witte, H. Schulz, T. Nothnagel, R. Carle, 2010: Characterisation of carrots of various root colour. Ecological Chemistry and Engineering 17, 1053-1059.
Dawid, C., T. Nothnagel, D. Ulrich, A. Dunkel, D. Günzkofer, S. Baur, T. Hofmann, 2016: Molekulare und sensorische Charakterisierung des Metaboloms abiotisch gestresster Karotten (Daucus carota L.). Berichte aus dem Julius Kühn-Institut 183, 72-73.
Krähmer, A., C. Boettcher, A. Rode, T. Nothnagel, H. Schulz, 2016: Quantifying biochemical quality parameters in carrots (Daucus carota L.) – FT-Raman spectroscopy as efficient tool for rapid metabolite profiling. Food Chemistry 212, 495-502. DOI: 10.1016/jfoodchem.2016.05.176.
Kramer, M, A. Maksylewicz-Kaul, R. Baranski, T. Nothnagel, R. Carle, D.R. Kammerer, 2012a: Effects of cultivation year and growing location on the phenolic profile of differently coloured carrot cultivars. Journal of Applied Botany and Food Quality 85, 235-247.
Kramer, M., G. Bufler, T. Nothnagel, R. Carle, D.R. Kammerer, 2012b: Effects of cultivation conditions and cold storage on polyacetylene contents of carrot (Daucus carota L.) and parsnips (Pastinaca sativa L.). Journal of Horticultural Science & Biotechnology 87, 101-106.
Rode, A., T. Nothnagel, E. Kampe, 2011: Etablierung eines neuen Hybridsystems zur Züchtung von Möhren mit spezifischer Eignung für den Anbau unter Trocken- und Salzstressbedingung in Zentralasien. Julius-Kühn-Archiv 430, 29-34.
Rode, A., T. Nothnagel, E. Kampe, 2012: Two methodical approaches for evaluation of drought stress tolerance in carrots. Book of Abstracts. 2nd Symposium on Horticulture in Europe, Angers, France 1st – 5 July 2012 (SHE2012), 58-59.
Ulrich, D., T. Nothnagel, H. Schulz, 2015: Influence of cultivar and harvest year on the volatile profiles of leaves and roots of carrots (Daucus carota spp. sativus Hoffm.) J. Agriculture and Food Chemistry 63, 3348-3356, DOI: 10.1021/acs.jafc.5b00704.