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Originalarbeit – Kurzmitteilung

Klimawandel – Ausrichtung der Züchtung bei Obst

Climate change – Orientation of breeding in fruit crops

Magda-Viola Hanke
Institut
Julius Kühn-Institut – Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen, Institut für Züchtungsforschung an Obst, Dresden

Journal für Kulturpflanzen, 69 (2). S. 51–52, 2017, ISSN 1867-0911, DOI: 10.1399/JfK.2017.02.05, Verlag Eugen Ulmer KG, Stuttgart

Kontaktanschrift
Prof. Dr. Magda-Viola Hanke, Julius Kühn-Institut, Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen, Institut für Züchtungs­forschung an Obst, Pillnitzer Platz 3a, 0326 Dresden, E-Mail: viola.hanke@julius-kuehn.de
Zur Veröffentlichung angenommen
21. Dezember 2016

Einleitung

Obstzüchtung hat das Ziel, neue Sorten zu entwickeln, die den ökologischen Bedingungen unter gegebenen Anbau­systemen besser entsprechen und an klimatische Veränderungen angepasst sind. Die grundlegenden Ziele der Obstzüchtung haben sich seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts nur unwesentlich geändert. Veränderung gibt und gab es jedoch in spezifischen Zielstellungen und in der Rangfolge ihrer Bedeutung im Rahmen der Selektion. Die grundlegenden Ziele der Obstzüchtung umfassen drei Bereiche:

– Sicherere, gleichmäßige und hohe Ertragsleistung

– Qualität der Ernteprodukte (innere und äußere Fruchtmerkmale)

– Widerstandsfähigkeit gegenüber biotischen und abiotischen Schadfaktoren

Die Anbauverfahren beim Baumobst haben in den letzten Jahrzehnten enorme Veränderungen durchlaufen. So gab es eine Entwicklung von der Obstproduktion im Streu­obst- und Straßenanbau unter Verwendung von Hochstammbäumen über Intensivanlagen auf Schwachwuchs induzierenden Unterlagen im Rahmen des integrierten Anbaus bis hin zu Niederstammanlagen mit biologischer Produktion. Ein zentrales Thema der Obstzüchtung ist daher die Bereitstellung von Sorten, die an die jeweiligen Standort- und Produktionsbedingungen optimal angepasst sind, um effizient, effektiv und nachhaltig produzieren zu können.

Neue Herausforderungen für die Obstzüchtung

Die sich derzeit ändernden Klimabedingungen stellen die Obstzüchter vor eine große Herausforderung. Aufgrund der Langwierigkeit des Zuchtprozesses bedeutet dies für die Züchtung, dass zuverlässige Prognosen zur Klima­änderung und zu deren Einfluss auf biotische und abio­tische Stressfaktoren benötigt werden, um spezifische Zuchtziele neu oder verändert formulieren zu können. Ausgehend von den bislang prognostizierten Klimaänderungen können für den deutschen Obstbau insbesondere folgende Problemkreise definiert werden, die für die Obstzüchtung eine neue Herausforderung darstellen:

Ausdehnung der Vegetationsperiode

Das Sortenspektrum wird sich stark verändern und späte Sorten werden, insbesondere bei Apfel, an Bedeutung gewin­nen.

Resistenz gegen biotische Schaderreger

– Klimatisch bedingte Verschiebung der Pathogensituation und Ausbreitung bisher nicht relevanter Patho­gene, Beispiele:

Im Apfelanbau tritt inzwischen vermehrt frühzeitiger Blattfall auf, hervorgerufen durch den pilzlichen Erreger Marssonina coronaria. Resistente Sorten sind bislang nicht bekannt.

Im Beerenobstanbau tritt seit kurzem die Kirschessigfliege (Drosophila suzukii) auf. Eine Lösung könnte im Anbau resistenter Sorten bei Himbeere und Erdbeere bestehen. Solche Sorten existieren bislang nicht.

– Veränderungen im Arten- aber auch im Rassenspek­trum bereits relevanter Pathogene, Beispiele:

Colletotrichum acutatum war als wärmeliebender Erreger für den deutschen Erdbeeranbau vielfach ohne Bedeutung. Inzwischen ist er ein flächendeckend verbreiteter Schaderreger.

Der Befall mit Apfelmehltau (Podosphaera leucotricha) wird in trockenen Sommern verstärkt auftreten. Trockenere Frühjahre und feuchte warme Sommer führen zur Verstärkung pilzlicher Schaderreger, die bei Apfel besonders im Lager relevant werden können.

– Verstärktes Auftreten von tierischen Schädlingen und Insekten, die bisher in wärmeren Regionen relevant waren.

Toleranz gegen abiotische Stressfaktoren

Verstärktes Auftreten von Schadfaktoren, wie Trockenheit, Wassermangel, erhöhte UV-Einstrahlung, Wind, Hagel, erfordern die Selektion auf Pflanzeneigenschaften, die bisher nicht betrachtet worden sind. Dazu einige Beispiele:

– Wassermangel hat bei Apfel unmittelbar Einfluss auf die Fruchtgröße und die Standzeit des Baumes. Möglicherweise werden besser angepasste Unterlagen an Bedeutung gewinnen.

– UV-Einstrahlung führt zu Sonnenbrand auf der Fruchtschale und auf dem Blatt bei Apfel. Verstärktes Auftreten erfordert eine veränderte Baumarchitektur, sowie tolerantere Genotypen.

– Es wird zu einem verstärkten Auftreten von Spätfrösten im Frühjahr während der Blütezeit kommen, so dass Blüten erfrieren und die Ertragsleistung gemindert sein kann. Beim Apfel ist eine solche Situation der Auslöser der Alternanz. Eine späterer Knospenaufbruch sowie eine spätere Vollblüte sind deshalb Ziel der Züchtung.

– Klimaerwärmung führt zur Veränderung der Fruchtqualität. Wärmeres Klima bedingt schwache Fruchtsäuregehalte und eine beschleunigte Reifung der Apfel­frucht, was zu einer verkürzten Haltbarkeit im Lager führt. Sorten aus wärmeren Regionen sind besser ange­passt, aus diesem Grund müssen diese als potentielle Kreuzungspartner verstärkt evaluiert werden.

– Trockenheit im Frühsommer reduziert die Kalzium- und Boraufnahme des Baumes. Die Folge sind physiologisch bedingte Fruchtkrankheiten bei Apfel (Stippe, Glasigkeit, vorzeitige Fleischbräune, Korkkrankheit). Diese Krankheiten müssen bei Evaluierungsarbeiten in Zukunft stärker berücksichtigt werden. Vorhandene Prüfmethoden können modifiziert bzw. weiterent­wickelt werden, um das Auftreten der Fruchtschäden zu provozieren und zu evaluieren.

– Kurze Winter mit einer geringen Summe an Temperaturen unter 7°C können das an die gemäßigten Zonen angepasste Kältebedürfnis des Baumes nicht mehr ausreichend befriedigen. Dies führt zu einem gestörten Austrieb und zu einer qualitativ schlechten Blütenbildung. Hier sind Sorten gefordert, die eine geeignete photoperiodische Anpassung und ein geringes Kältebedürfnis (low chilling) haben.

Die Züchtung ist im ersten Schritt auf eine umfangreiche Evaluierung und Charakterisierung genetischer Ressourcen zu richten, um geeignete Donoren für Merkmale und Merkmalskombinationen zu finden und diese zukünftig in neuen Sorten realisieren zu können. Desweiteren bedarf es der Entwicklung geeigneter Selektions- und Evaluierungsverfahren, um effizient und zielgerichtet eine Selektion in den Nachkommenschaften aus Kreuzungen durchführen zu können, die den gewünschten Eigen­schaften entsprechen. Insbesondere die Genomforschung bei den Hauptobstarten kann hier einen entscheidenden Beitrag leisten, um den langwierigen Zucht­prozess durch die Anwendung von molekularen Markern effizient zu gestalten.


ISSN (elektronisch): 1867-0938
ISSN (print): 1867-0911
Verlag
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Präsident und Professor
Prof. Dr. Frank Ordon
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Schriftleitung
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