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Originalarbeit – Kurzmitteilung

Agrarrelevante Extremwetterlagen und Risikomanagement

Agricultural relevant extreme weather events and risk management

Sandra Krengel1, Holger Lilienthal2 und Holger Beer3
Institut
Julius Kühn-Institut (JKI) – Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen, Institut für Strategien und Folgenabschätzung, Kleinmachnow,1
JKI, Institut für Pflanzenbau und Bodenkunde, Braunschweig,2
JKI, Leitung, Kleinmachnow3

Journal für Kulturpflanzen, 69 (2). S. 73–75, 2017, ISSN 1867-0911, DOI: 10.1399/JfK.2017.02.11, Verlag Eugen Ulmer KG, Stuttgart

Kontaktanschrift
Dr. Sandra Krengel, Julius Kühn-Institut, Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen, Institut für Strategien und Folgen­abschätzung, Stahnsdorfer Damm 81, 14532 Kleinmachnow, E-Mail: sandra.krengel@julius-kuehn.de
Zur Veröffentlichung angenommen
21. Dezember 2016

Einleitung

Die Produktion land- und forstwirtschaftlicher Kulturen ist in hohem Maße vom Klima und dessen Wandel beeinflusst. Die veränderten klimatischen Bedingungen können auch in Deutschland steigende Risiken für Ertrags- und Qualitätsverluste mit sich bringen. Um eine nachhaltige Kulturpflanzenproduktion auch in Zeiten des Klimawandels sicherzustellen, gilt es, diese Risiken rechtzeitig abzuschätzen und darauf aufbauend praktikable Mana­gementverfahren und –systeme zu entwickeln. Bisherige Forschungsaktivitäten konzentrierten sich vor allem auf die Folgen steigender Durchschnittstemperaturen und sinkender Niederschlagsmengen im Sommerhalbjahr. Die Abschätzung der Risiken eines verstärkten Auftretens von Extremwetterlagen spielte dahingegen eine untergeordnete Rolle. Aus diesem Grund initiierte das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) im Jahr 2013 das Verbundprojekt „Agrarrelevante Extremwetterlagen und Möglichkeiten von Risikomanagementsystemen“.

In diesem Projekt erarbeiteten Wissenschaftler aus insgesamt 13 Institutionen, darunter auch das Julius Kühn-Institut, mit Hilfe von Literaturrecherchen, Experten­befragungen, Modellabfragen und Datenanalysen neue Erkenntnisse zur heutigen und zukünftigen Relevanz und dem Management von Extremwetterlagen in den Berei­chen Ackerbau, Sonderkulturen und Forstwirtschaft. Dabei wurden die Auswirkungen und Risiken sowohl kulturartenspezifisch als auch regional betrachtet und verfügbare Managementverfahren beschrieben und bewertet. In Abhängigkeit von der betrachteten Kultur zeigten sich erhebliche Unterschiede in der Verfügbarkeit wissenschaftlicher Erkenntnisse und Daten. Im Folgenden sollen einige Ergebnisse für die Bereiche Ackerbau und Sonderkulturen, an deren Erarbeitung das Julius Kühn-Institut beteiligt war, vorgestellt werden und so das Vorgehen im Projekt beispielhaft näher beleuchtet werden.

Extremwetterlagen in Ackerbau und Sonderkulturen

Auswirkungen von Extremwetterlagen

Literaturrecherchen und Expertenbefragungen ergaben für die betrachteten Extremwetterlagen Trockenheit (zu geringer Niederschlag), Hitze, starke direkte Solarstrahlung, Starkregen, Dauerregen (Staunässe), Überschwemmung, Dürre (zu geringer Bodenwassergehalt), Spät-, Früh-, Kahl- und Wechselfrost, Sturm und Hagel abhängig von der Kultur und der Anbauregion zum Teil erhebliche Schadpotentiale, bis hin zum Totalausfall (Gömann et al., 2015; Krengel et al., 2015). Insbesondere im Bereich der Sonderkulturen besteht die Gefahr massiver Qualitätseinbußen z.B. durch Hagel. All diese Verluste können mit empfindlichen wirtschaftlichen Schäden einhergehen und ihre Ursachen und Auswirkungen sind sehr viel­fältig. Beispielsweise kann Trockenheit durch eine zu geringe Wasseraufnahme zu einer verringerten oder sogar eingestellten Photosynthese und Wachstumsleistung der Pflanzen führen. Zusätzlich wird die Aufnahme von Nährstoffen gehemmt und die geschwächten Pflanzen können anfälliger gegenüber einem Befall mit Schad­erregern sein. Einige Schaderreger selbst, z.B. Getreideroste oder Spinnmilben, können von trockeneren und oft auch wärmeren Bedingungen profitieren. Umfängliche Literaturrecherchen zeigten aber, dass der Kenntnisstand zu Wirkungen von Extremwetterlagen auf Schaderreger noch sehr gering ist (Seidel, 2014a, b). Neben den genann­ten Auswirkungen kann auch die Durchführung ackerbaulicher Maßnahmen, z.B. Aussaat oder Anwendung von Pflanzenschutzmitteln, durch Wetterextreme wie Trocken­heit behindert werden. Aber nicht nur zu wenig sondern auch zu viel Niederschlag und dadurch verursachte Stau­nässe oder Überschwemmungen stellen für die meisten Kulturen eine erhebliche Gefährdung dar. Darüber hinaus sind auch Fröste, besonders in Anbetracht der steigenden Wintertemperaturen und eines immer früheren Vegeta­tionsbeginnes, in vielen Bereichen der Kulturpflanzenproduktion gefürchtet. Vor allem in Dauerkulturen drohen im Frühjahr Spätfröste, die die Blütenanlagen oder jungen Früchte so zu schädigen vermögen, dass die erreichbaren Erträge massiv zurückgehen oder die Vermarktungsfähigkeit des Erntegutes herabgesetzt ist (z.B. Frostnarben an Äpfeln oder glasige Spitzen bei Spargel).

Relevanz von Extremwetterlagen

Mittels Expertenbefragungen (Berater und Praktiker) und Literaturrecherchen konnten für Winterweizen, Kartoffeln, Mais, Winterraps, Zuckerrüben, Apfel, Wein, Hopfen, Kohl, Spargel, Möhre und Zwiebel Übersichten zur Gefährdung im Verlauf des Jahres erzeugt werden. Zusätz­lich wurden Rankings erstellt, die die Bedeutung der Extrem­wetterlagen für die Kulturen und wo es möglich war auch in verschiedenen Anbaugebieten widerspiegeln. Tab. 1 führt die durch das Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum Rheinpfalz, den Obstversuchsring des Alten Landes e.V. und das Kompetenzzentrum Obstbau Bodensee erarbeiteten Rankings (Top 5) für die beiden betrachteten Apfelanbaugebiete „Niederelbe“ und „Boden­see“ auf. Das Julius Kühn-Institut hat in diesem Teilprojekt die wissenschaftliche Koordinierung übernommen.

Tab. 1. Ranking der Relevanz von Extremwetterlagen im Apfelanbaugebiet Niederelbe (n = 18) und Bodensee (n = 26), Rang = Schadpotential (ohne Gegenmaßnahmen) + Häufigkeit

Rang

Niederelbe

Bodensee

1

Hagel

Hagel

2

Spätfrost

Trockenheit

3

Überschwemmung/Staunässe

Spätfrost

4

Dauerregen

Hitze

5

Kahl-/Winterfrost

Starkregen

Obwohl in beiden Apfelanbaugebieten Hagel als relevanteste Extremwetterlage bewertet wurde, zeigen sich deutliche regionale Unterschiede in der Gefährdung durch Extremwetterlagen, die einen klaren Bezug zu ihrer geografischen Lage aufweisen (Tab. 1).

Die ebenfalls mittels Literaturrecherchen und Expertenbefragungen definierten kulturspezifischen Schwellenwerte für wirtschaftliche Schäden durch die einzelnen Extremwetterlagen und sensitiven Perioden wurden vom Deutschen Wetterdienst (DWD) verwendet, um Analysen in Wetterdaten und Klimaprojektionsdaten durchzuführen. Karten und Grafiken visualisieren so die regionale und kulturartenspezifische sowie aktuelle und zukünf­tige Gefährdung durch einzelne Extremwetterlagen (s. Gömann et al., 2015; Krengel et al., 2015). Mit recht hoher Sicherheit kann zum heutigen Zeitpunkt davon ausgegangen werden, dass insbesondere die Relevanz von Trockenheit, Hitze, starke direkte Solarstrahlung sowie Starkregen und Staunässe im Winter steigen werden.

Schaden-Verlust-Relationen

Neben aktuellen Klimaprojektionen stellen Kenntnisse zum Schadpotential einer Extremwetterlage in einer Kultur wichtige Informationen für die Bewertung der Relevanz und der Praktikabilität von Managementmaßnahmen dar. Allerdings ist die Verfügbarkeit hierfür geeig­neter Daten zum Teil sehr begrenzt, weshalb im Projekt nur für einige Kulturen und Extremwetterlagen exempla­rische Datenanalysen erfolgen konnten. Eine durch das Thünen-Institut und Julius Kühn-Institut durchgeführte Berechnung zu möglichen regionalen Ertragseffekten eines, in diesem Ausmaß statistisch alle 15 Jahre auftretenden, kombinierten Trocken- und Hitzestresses in Winterweizen zeigte die höchsten Ertragsrückgänge in Ostdeutschland. Diese betrugen bis zu 17 dt/ha. Die Analysen zu den Auswirkungen von Spätfrösten in Apfel- und Weinanbau ergaben, dass durch die Schädigungen je nach Exponierung des Standortes Ertragsverluste einzelner Flächen bis zu 80% keine Seltenheit sind. Sowohl die Analysen als auch die vorangegangenen Literaturrecherchen zeigten, dass neben der Standortwahl auch die Sortenwahl (z.B. Austriebszeitpunkt) einen Einfluss auf das Ausmaß der Schäden haben kann und ein elementarer Baustein des Risikomanagements ist.

Risikomanagement

Die verfügbaren Managementoptionen setzen sich aus vorbeugenden Verfahren wie Standort- oder Sortenwahl und Anlagengestaltung, direkten Verfahren wie Hagelnetze, Beregnung oder Frostschutzberegnung und Versicherungen zusammen. Trotzdem in einigen Fällen, z.B. bei Hagelfliegern, die Wirksamkeit noch umstritten bzw. deren Nachweisbarkeit schwierig ist, zeigen viele der vorhandenen Verfahren bei entsprechendem Know How gute bis hohe Wirkungsgrade. Einige können jedoch auch unerwünschte „Nebenwirkungen“ auf den Schaderregerbefall oder die Pflanzenentwicklung (z.B. Ausreife) mit sich bringen. Die Umsetzbarkeit der Maßnahmen ist darüber hinaus von weiteren Rahmenbedingungen, wie der Bindung an Absatzmärkte oder auch die gesellschaftliche Akzeptanz (z.B. Landschaftsbildänderung durch Hagelnetze) beeinflusst. In der Regel bedürfen die Verfahren hoher Investitionen, Personalkosten, oder Prä­mien und die betriebliche Entscheidung für oder gegen die Implementierung eines Managementverfahrens erfordert sorgfältige wirtschaftliche Überlegungen. Dabei gilt es zahlreiche notwendige Informationen wie die derzeitige und zukünftige Betroffenheit durch Extremwetterlagen und ihr Schadenspotential, die Wirksamkeit, mögliche Nebeneffekte und Kosten der Managementverfahren sowie die betrieblichen und regionalen Gegebenheiten, integrativ zu bewerten.

Weiterer Forschungsbedarf

In vielerlei Hinsicht, unter anderem bezüglich der Betroffenheit und Schaden-Verlust-Relationen, mangelt es heute noch an Daten und wissenschaftlichen Erkenntnissen. Da diese aber eine der Grundvoraussetzungen für die verlässliche Abschätzung und Bewertung der zukünftigen Risiken sind, will sich das Julius Kühn-Institut auch zukünf­tig im Rahmen wissenschaftlicher Projekte diesen offenen Fragen widmen und damit zu einer nachhaltigen Anpassung der deutschen Landwirtschaft an den Klimawandel beitragen.

Literatur

Gömann, H., A. Bender, A. Bolte, W. Dirksmeyer, H. Englert, J.-H. Feil, C. Frühauf, M. Hauschild, S. Krengel, H. Lilienthal, F.-J. Löpmeier, J. Müller, O. Musshoff, M. Natkhin, F. Offermann, P. Seidel, M. Schmidt, B. Seintsch, J. Steidl, K. Strohm, Y. Zimmer, 2015: Agrarrelevante Extremwetterlagen und Möglichkeiten von Risikomanagementsystemen, Studie im Auftrag des Bundes­ministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL), Abschluss­bericht: Stand 3.6.2015. Thünen Report 30, Braunschweig, 317 S.

Krengel, S., F. Louis, H.-J. Krauthausen, 2015: „Definition von Extremwetterlagen bei Sonderkulturen des Wein-, Obst-, Hopfen- und Gemüseanbaus sowie die Abschätzung von Ursache-Wirkungsbeziehungen bei diesen Kulturen“ im Verbundprojekt „Agrar­relevante Extremwetterlagen und Möglichkeiten von Risikomanagementsystemen“, Schlussbericht, Förderkennzeichen: 2813HS00, 134 S.

Seidel, P., 2014a: Extremwetterlagen und Auswirkungen auf Schad­erreger – extreme Wissenslücken, Weizen, Gerste, Mais, Raps, Kartoffel, Zuckerrübe, Ackerfutterpflanzen und Grünland. Gesunde Pflanzen 66, 83-92.

Seidel, P., 2014b: Extremwetterlagen und Schaderreger – extreme Wissenslücken, 2. Apfel, Spargel, Wein und Hopfen. Gesunde Pflanzen 66, 93-101.


ISSN (elektronisch): 1867-0938
ISSN (print): 1867-0911
Verlag
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Präsident und Professor
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