Integriertes Unkrautmanagement zur Vermeidung von Herbizidresistenz*
Integrated weed management to avoid herbicide resistance
Journal für Kulturpflanzen, 69 (4). S. 146–149, 2017, ISSN 1867-0911, DOI: 10.1399/JfK.2017.04.03, Verlag Eugen Ulmer KG, Stuttgart
Die Entwicklung von herbizidresistenten Unkräutern ist ein natürliches Phänomen, das die chemische Unkrautbekämpfung begleitet. Der Fachausschuss Herbizidresistenz (ECPR-H) informiert Sie über Hintergründe und Zusammenhänge zur Herbizidresistenz, um sachgerechte und betriebsspezifische Verfahren für ein nachhaltiges und effektives Unkraut- und Resistenzmanagement anzuregen.
Sehr hohe Besatzdichten weniger oder sogar nur einzelner Unkrautarten können eine Resistenzentwicklung begünstigen. Einerseits erfordern sie immer wieder eine intensive Bekämpfung mit entsprechenden Herbiziden. Andererseits bieten hohe Dichten einer Unkrautart ein großes genetisches Potenzial für die Selektion von Einzelpflanzen, die gegenüber bestimmten Herbiziden widerstandsfähig sind, sogenannten resistenten Biotypen.
In Unkrautgesellschaften, die aus vielen Arten bestehen, treten die einzelnen Arten i.d.R. nur in relativ niedrigen Besatzdichten auf. Bei niedrigen Besatzdichten einer Unkrautart ist auch die Anzahl vorhandener, natürlich resistenter Biotypen reduziert. Daraus ergibt sich ein geringeres Potenzial für die Selektion von resistenten Biotypen durch den Herbizideinsatz und somit ein geringeres Resistenzrisiko. Eine artenreiche Unkrautvegetation kann daher indirekt dazu beitragen, der Entwicklung von Herbizidresistenz vorzubeugen und somit das Management der Ackerunkräuter langfristig sicherer zu machen.
Hohe Besatzdichten einzelner Unkrautarten werden insbesondere durch einseitige Gestaltung der ackerbaulichen Anbausysteme begünstigt. In solchen Situationen kann auch ein relativ intensiver Herbizideinsatz die Entwicklung hoher Besatzdichten einzelner Unkräuter nicht verhindern. Eine vielseitige Anbaugestaltung führt aufgrund der unterschiedlichen Bedingungen zu einer höheren Unkrautvielfalt auf den Ackerflächen. Darüber hinaus eröffnen verschiedene Unkrautarten in geringen Dichten auch mehr Möglichkeiten, die Bekämpfung zu variieren, sowohl mit nicht-chemischen Methoden als auch mit Herbiziden.
Mit der chemischen Unkrautbekämpfung hängen langfristig drei Dinge zusammen:
– Die Gestaltung des gesamten Anbausystems, |
– die Besatzdichte einzelner Unkräuter und |
– das Risiko für die Selektion resistenter Biotypen. |
In Anbausystemen mit einer geringen Kulturartenvielfalt in der Fruchtfolge bis hin zum Daueranbau, entwickeln sich regelmäßig bestimmte Unkrautarten, die entweder an die jeweiligen Anbaubedingungen besonders gut angepasst sind oder zusätzlich durch die in den Kulturen verfügbaren Herbizide nicht ausreichend bekämpft werden können. Beispiele für solche kulturspezifische Unkräuter sind etwa Acker-Fuchsschwanz und Gemeiner Windhalm in Wintergetreide, Schadhirsen im Mais oder Acker-Stiefmütterchen, Acker-Hellerkraut und Hirtentäschelkraut in Winterraps. Eine entsprechende Dominanz einzelner Kulturen in der Fruchtfolge oder ein Daueranbau führen zu Besatzdichten einzelner Unkräuter, die auch durch einen intensiven Herbizideinsatz nicht ausreichend reguliert werden können. Dieser Effekt verstärkt sich, wenn in einseitigen Anbausystemen bzw. Fruchtfolgen die Bodenbearbeitung stark reduziert und auf den Pflugeinsatz verzichtet wird. Hierdurch reichern sich Samen in der obersten Bodenzone an und es kommt zum Beispiel zu einer beschleunigten Entwicklung von hohen Ungrasdichten.
Langfristig werden nur integrierte Konzepte aus ackerbaulichen Regelungsmöglichkeiten, nicht-chemischen und direkten chemischen Bekämpfungsverfahren in der Lage sein, das Auftreten von Herbizidresistenz zu vermeiden oder mindestens zu verzögern.
Generell ist eine standortgerechte, vielgliedrige Fruchtfolge die Gewähr für eine zwar artenreichere Unkrautflora, die allerdings keine extremen Besatzdichten und vor allem kein verstärktes Auftreten einzelner Unkrautarten aufweist. Unter diesen Bedingungen besteht auch eine ergänzende und verbesserte Möglichkeit für den Einsatz alternativer, mechanischer Unkrautbekämpfungsverfahren.
Für die konkrete Fruchtfolgegestaltung ist es wichtig, einen ausgewogenen Wechsel sowohl zwischen Winter- und Sommerfrüchten zu gewährleisten. Sofern Ungrasarten durch bestimmte Feldfrüchte stark gefördert werden (z.B. Acker-Fuchsschwanz und Gemeiner Windhalm in Wintergetreide; Hirse-Arten in Mais), muss der Anteil dieser Kulturen in der Fruchtfolge begrenzt werden. Fruchtfolgen mit einem regelmäßigen Wechsel von Winter- und Sommerkulturen (idealerweise auch mehrjähriger Feldfutterbau), sowie einem Wechsel zwischen Blatt- und Halmfrüchten sind die günstigste Voraussetzung für eine zwar artenreiche, aber relativ einfach zu kontrollierende Unkrautflora.
Ein spezieller Aspekt der Fruchtfolge ist der Anbau von herbizidresistenten Kultursorten. Sofern dieser im Vergleich zu konventionellen Anbauverfahren zu einer deutlich erhöhten Anwendungshäufigkeit bestimmter Herbizide führt (z.B. ACC-ase- oder ALS-Hemmer), ist eine Anpassung der Herbizidanwendung innerhalb der Fruchtfolge erforderlich. Ziel ist es, den Einsatz resistenzgefährdeter Wirkstoffgruppen (z.B. HRAC-Gruppen A und B) gegen resistenzgefährdete Ungräser und Unkräuter zu begrenzen.
Zwischenfruchtanbau sowie Untersaaten sind ebenfalls Maßnahmen zur Verminderung des Unkrautbesatzes. Sie sollten für eine indirekte Unterdrückung der Unkrautentwicklung genutzt werden. Zwischenfruchtanbau ist auch in Systemen mit Mulchsaat zur Unkrautunterdrückung geeignet.
Auch in vielseitigen Anbausystemen können natürlich keine hohen Unkrautdichten toleriert werden. Verschiedene Unkrautarten in jeweils geringen Dichten unterhalb der wirtschaftlichen Schadensschwelle erscheinen langfristig weniger problematisch als die Selektion herbizidresistenter Biotypen einer Art, die dann in sehr hohen Besatzdichten auftreten.
Bodenbearbeitungsverfahren haben unterschiedliche Wirkungen gegenüber Unkräutern: Bei der Bearbeitung vorhandene einjährige Unkräuter können mechanisch zerstört und die vegetativen Verbreitungsorgane mehrjähriger Unkrautarten (z.B. Wurzelausläufer/Rhizome der Acker-Kratzdistel, Acker- und Zaun-Winde und der Gemeinen Quecke, Wurzelstöcke des Breitblättrigen Ampfers) beschädigt werden. Durch eine wendende Bodenbearbeitung werden sowohl Unkrautsamen, als auch vegetative Organe von mehrjährigen Unkräutern in tiefere Bodenschichten verlagert und damit in ihrer Entwicklungsfähigkeit behindert oder auch zerstört. Eine andauernde nicht-wendende und stark reduzierte Bodenbearbeitung führt dagegen zu einer Erhöhung des Unkrautsamenpotenzials in der obersten Bodenzone und zur Ausbreitung von mehrjährigen Wurzelunkräutern.
Bei der Gestaltung von Bodenbearbeitungsverfahren sollten neben den Anforderungen der standortspezifischen Bodenbedingungen auch die Aspekte der Unkrautregulierung berücksichtigt werden. Durch einen Pflugeinsatz kann die Entwicklung von Samen- und Wurzelunkräutern gezielt behindert werden. Die dadurch reduzierte Besatzdichte und die gleichartige Wirkung auf sensitive und resistente Biotypen verringert den Selektionsdruck gegenüber herbizidresistenten Populationen. Bei pfluglosen Bodenbearbeitungsverfahren oder Verfahren mit einem verringerten Pflugeinsatz nimmt die Bedeutung einer mechanischen Unkrautregulierung durch Stoppelbearbeitungsmaßnahmen zu. Hierbei sollte die Bearbeitungstechnik bzw. die Art der eingesetzten Bodenbearbeitungsgeräte so ausgewählt werden, dass eine möglichst nachhaltige Unterdrückung der vorhandenen Unkräuter ermöglicht wird. Eine Begünstigung von Wurzelunkräutern durch den regelmäßigen Einsatz von schneidenden Stoppelbearbeitungsgeräten (z.B. Scheibeneggen, Fräsen) ist zu vermeiden.
Jede Art der Bodenbearbeitung kann einen Keimreiz für die vorhandenen Samen im Boden auslösen. Dieser Effekt kann, insbesondere in pfluglosen Bodenbearbeitungssystemen, zur Unkrautunterdrückung mit der Technik des „falschen Saatbetts“ (siehe Punkt 5) genutzt werden.
Ziel der integrierten Unkrautbekämpfung ist es, die Besatzdichte mit Unkräutern zu begrenzen und den Kulturpflanzen einen Wachstumsvorsprung gegenüber den Unkräutern zu verschaffen. Eine frühe Aussaat von Wintergetreide trägt stark zu einem hohen Auflaufen von Ungräsern (z.B. Acker-Fuchsschwanz) bei, Spätsaaten sind im Herbst deutlich weniger verunkrautet. Auch in Sommerungen kann eine spätere Saat die Unkrautdichte deutlich vermindern, nachdem durch „falsche Saatbettbereitung“ vor der Saat Unkräuter zur Keimung angeregt werden, die dann mit der Saatbettbereitung beseitigt werden.
Die Notwendigkeit einer chemischen Unkrautbekämpfung ist an wirtschaftlichen Schadensschwellen auszurichten, die auch die Auswirkungen auf den Unkrautsamenvorrat im Boden berücksichtigen. Dies gilt beim Wintergetreide-Anbau sowohl für einen Herbsteinsatz als auch für eventuell notwendige Folgebehandlungen im Frühjahr, wenn keine vollständige Bekämpfungsleistung erzielt wurde. Die Empfehlungen und Beratungsunterlagen des Pflanzenschutzdienstes bzw. der Offizialberatung sind die Basis für einen effektiven und umweltverträglichen Herbizideinsatz im Sinne der guten fachlichen Praxis. Expertensysteme können für eine standortspezifische Bekämpfungsentscheidung zusätzlich herangezogen werden.
Generell kann jeder Herbizideinsatz einen Selektionsdruck verursachen und widerstandsfähige Arten und Biotypen fördern. Aus diesem Grund ist die Anwendungshäufigkeit von Herbiziden auf das notwendige Maß zu beschränken.
Im Hinblick auf die Vermeidung der Selektion resistenter Biotypen sind einige generelle Aspekte zu beachten:
– Herbizide und Aufwandmengen sind so zu wählen, dass eine ausreichend sichere Bekämpfungsleistung gegenüber den spezifischen Leitunkräutern gewährleistet ist. |
– Tankmischungen und Spritzfolgen sind mögliche Verfahren, um eine ausreichend sichere Unkrautbekämpfung zu erzielen. Soweit für die Kontrolle einer einzelnen Unkrautart die Kombination mehrerer Wirkstoffe erforderlich ist, sollten möglichst Herbizide mit unterschiedlichen Wirkungsmechanismen eingesetzt werden. Eine Bekämpfungsfolge mit demselben Wirkungsmechanismus innerhalb einer Kultur oder in einer unmittelbaren Folge gegen die Nachkommen behandelter Unkrautarten ist zu vermeiden. Eine regelmäßige Abfolge unterschiedlicher Wirkungsmechanismen ist anzustreben. |
– Bei der Planung von Bekämpfungskonzepten sollte beachtet werden, dass auch Unkräuter, die nicht das unmittelbare Ziel darstellen („Nicht-Leitunkräuter“) Herbizidresistenz entwickeln können. |
– Die Kombination von Präparaten mit einer synergistischen Wirkung oder die Verwendung von Zusatzstoffen ist sinnvoll, wenn damit die Wirkungssicherheit und die Bekämpfungsleistung verbessert werden. |
– Bei der Kombination von Herbiziden mit unterschiedlichen Wirkungsmechanismen in Tankmischungen oder Spritzfolgen sollten gezielt Präparate berücksichtigt werden, die ein geringes Risiko für die Selektion von herbizidresistenten Unkräutern bzw. Biotypen besitzen (z.B. Bodenherbizide bei der Ungrasbekämpfung in Wintergetreide). Alternative Wirkmechanismen, die nur in bestimmten Fruchtfolgegliedern einsetzbar sind, sollten dort konsequent eingesetzt werden. |
– Der Einsatz von Herbiziden als gezielte Teilflächenbehandlungen ist im Sinne der Resistenzvermeidung hilfreich, wenn hierdurch entsprechende Leitunkräuter gezielt und effektiv bekämpft werden können. |
– Die Anwendung von nicht-selektiven Herbiziden ist eine Möglichkeit zur Reduzierung des Selektionsprozesses von herbizidresistenten Biotypen in der Verunkrautung. Ein regelmäßiger Einsatz beinhaltet aber die Gefahr zusätzlich Resistenz gegen diese Herbizide zu selektieren. |
– Der Herbizideinsatz ist in Abhängigkeit von den Witterungsbedingungen und der Unkrautentwicklung zu optimieren. |
– Die Applikationstechnik (z.B. Düsen, Wasseraufwand, Spritzdruck, Fahrgeschwindigkeit) ist an den Erfordernissen der eingesetzten Herbizide und den spezifischen Anwendungsbedingungen auszurichten. |
Mechanische Unkrautbekämpfungsverfahren sind hinsichtlich der Vermeidung von Herbizidresistenz generell positiv zu bewerten. Aus diesem Grund sollten mechanische Verfahren so weit wie möglich für die Bekämpfung der standortspezifischen Verunkrautung herangezogen werden. Das gilt sowohl für den alternativen Einsatz (z.B. Hackstriegel) als auch die Kombination von chemischen und mechanischen Verfahren (z.B. Reihenhacke mit Bandspritzung). Die Einsatzfähigkeit und die Wirkungseffizienz von mechanischen Unkrautbekämpfungsverfahren sind von günstigen Witterungsbedingungen abhängig. Eine Anpassung der Gerätetechnik an die standortspezifischen Bodenverhältnisse und eine Leistungssteigerung durch Verwendung von sensorgestützten Steuerungssystemen kann die Effizienz der mechanischen Unkrautbekämpfung deutlich steigern.
Eine Sonderform der mechanischen Unkrautkontrolle ist das Verfahren „falsches Saatbett“. Hier wird nach einer flachen Bodenbearbeitung die Keimung der Unkräuter abgewartet. Diese werden mit der dann folgenden, eigentlichen Saatbettbereitung bzw. Bodenbearbeitung zur Saat oder einem Herbizideinsatz vor der Saat beseitigt.
Beim Einsatz von mechanischen Unkrautbekämpfungsverfahren ist das standortspezifische Risiko für Erosion und Run-off zu beachten.
Neben der Konzeption von direkten und indirekten Unkrautbekämpfungsverfahren zur Vermeidung von Herbizidresistenz sind weitere Maßnahmen zur Risikominimierung möglich und hilfreich:
– Kontrolle der Herbizidwirkung mit Hilfe von Spritzfenstern für die Optimierung und Weiterentwicklung von betriebsspezifischen Anwendungsverfahren. |
– Regelmäßige Erfassung der standortspezifischen Unkrautvegetation, um eine evtl. Resistenzentwicklung frühzeitig erkennen und darauf reagieren zu können. |
– Einschleppen von Unkrautsamen über Bearbeitungs- oder Erntegeräte, Düngemittel, Substrate oder Saatgut vermeiden. |
– Durchführung von Resistenztests im Verdachtsfall, um gegebenenfalls spezifische Resistenz-Vermeidungsstrategien entwickeln zu können. |
Fußnoten:
Der Beitrag wurde erstellt vom Fachausschuss Herbizidresistenz am Julius Kühn-Institut – Expert Committee on Pesticide Resistance – Working Group Herbicides (ECPR – H) |