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Mitteilungen und Nachrichten

Mitteilungen und Nachrichten

Kulturpflanzen als Reservoir von humanpathogenen Mikroorganismen Report vom 3. Treffen der Arbeitsgruppe „Humanpathogene an Pflanzen“ in Braunschweig

Journal für Kulturpflanzen, 69 (5). S. 180–186, 2017, ISSN 1867-0911, Verlag Eugen Ulmer KG, Stuttgart


Lebensmittelvergiftungen, die in Zusammenhang mit dem Verzehr von kontaminiertem, frischem Obst oder Gemüse gebracht werden, deuten darauf hin, dass humanpathogene Bakterien auch Pflanzen als Wirtsorganismen nutzen können. Die Mehrheit früherer Berichte suggerierte eine extrazelluläre Lebensweise von humanpathogenen Bakterien auf Pflanzen. Neuere Ergebnisse zeigen dagegen, dass diese das pflanzliche Gewebe auch intrazellulär besiedeln können. Ähnlich wie Pflanzen­pathogene induzieren sie eine komplexe Abwehrantwort der Pflanze, können aber bei einer erfolgreichen Pathogenese die Abwehrmechanismen der Pflanze überwinden und sich vermehren. Zu einer Kontamination mit humanpathogenen Bakterien kann es in der ganzen Produktionskette – vom Feld bis zur Verpackung – kommen. Bislang wenig beachtet wurde die Bedeu­tung der Diversität des Boden- und Pflanzenmikrobioms, die eine Etablierung und Vermehrung von Humanpathogenen wesentlich unterdrücken kann. Die im Jahr 2013 auf Initiative des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) gegründete Arbeitsgruppe „Humanpathogene an Pflanzen“ (AG-HP) hat sich im Oktober 2016 zum dritten Mal getroffen. Ihr Ziel ist es, den Austausch der Forschungsaktivitäten zwischen den Instituten der BMEL-Ressortforschung zu diesem Thema zu stimulieren und gleichzeitig das durch die Bundesanstalt für Ernährung und Landwirtschaft (BLE) geförderte Forschungsprojekt plantinfect zu begleiten. Die Aktualität und das hohe Interesse am Thema „Humanpathogene an Pflanzen“ werden durch die neu gegründete europäische COST-Aktion „Control of Human Pathogenic Microorganisms in Plant Production Systems (HUPLATcontrol)“ unterstrichen. Mehrere Mitglieder der AG-HP sind auch Mitglieder dieser Aktion und aktiv in die Koordination und Durchführung gemeinsamer Forschungs­arbeiten eingebunden. Hier geben wir eine kurze Zusammenfassung der auf dem 3. Treffen der AG-HP präsentierten Bei­träge, die Einblicke in die Forschungsaktivitäten der beteiligten Arbeitsgruppen ermöglicht.


Folgende Beiträge wurden präsentiert:

1) Humanpathogene in der pflanzlichen Erzeugung: Status quo, Dekontamination, Eintragswege und Einfluss der Lagerungsbedingungen

Journal für Kulturpflanzen, 69 (5). S. 180–186, 2017, ISSN 1867-0911, Verlag Eugen Ulmer KG, Stuttgart

Melanie Huch, , Dominic Stoll, und Biserka Becker
Institut
Max Rubner-Institut, Institut für Sicherheit und Qualität bei Obst und Gemüse, Karlsruhe

Das Projekt ‚Humanpathogene in der pflanzlichen Erzeugung: Status quo, Dekontamination, Eintragswege und Einfluss der Lagerungsbedingungen' wird parallel an zwei Standorten des Max Rubner-Institutes (Karlsruhe und Kiel) bearbeitet. Hierbei werden sowohl ökologisch als auch konventionell erzeugte pflanzliche Produkte wie beispielsweise Salate (verpackte und verzehrfertige Mischsalate, Ready-to-eat Salate und Salat­köpfe), Karotten, Kräuter und Sprosse untersucht. Der mikrobielle Status dieser Produkte wird bestimmt. Aufgrund der unterschiedlichen Institutsstandorte wird ein Nord-Süd-Vergleich inner­halb Deutschlands ermöglicht. Bisher wurden am Standort Karlsruhe insgesamt 279 Proben bearbeitet. Der Fokus dieses Projektes liegt in der Detektion der humanpathogenen Mikro­organismen Listeria monocytogenes, Salmonella sp. und Bacillus cereus. Weiterhin werden der Einfluss der Lagerungs­bedingungen, das Vorkommen von Endophyten und Antibioti­ka­resistenzen untersucht. Angewandte Methoden beinhalten die Bestimmung der mikrobiellen Keimzahlen (aerobe mesophile Gesamtkeime, Enterobakterien, Pseudomonaden, Hefen und Schimmelpilze) nach § 64 LFGB. Relevante bakterielle Stämme werden auf Selektivmedien isoliert und mittels bio­chemischer (API ID32E, BIOLOG) und molekularbiologischer Methoden charakterisiert. Die molekularbiologischen Methoden umfassen neben verschiedenen Spezies-spezifischen PCRs eine Multiplex-PCR zur Serotypisierung von Listeria, RAPD-PCR zur Stammtypisierung und Sequenzierung der House­keeping-Gene atpD und 16S rRNA. Bisher konnten aus den unter­suchten Produkten L. monocytogenes (PCR-Serovar IIa), Salmonella enterica Serovar Enteritidis und präsumtive B. cereus isoliert werden.

2) Vorkommen und Charakterisierung von humanpathogenen Bakterien in pflanzlichen Erzeugnissen aus Norddeutschland

Journal für Kulturpflanzen, 69 (5). S. 180–186, 2017, ISSN 1867-0911, Verlag Eugen Ulmer KG, Stuttgart

Gregor Fiedler, und Charles Franz
Institut
Max Rubner-Institut, Bundesforschungsinstitut, Institut für Mikrobiologie und Biotechnologie, Kiel

Im Vergleich zu tierischen Lebensmitteln ist bei pflanzlichen Produkten bisher wenig über Vorkommen, Widerstandsfähigkeit gegenüber Umwelteinflüssen und Eintragswege von human­pathogenen Bakterien bekannt. Da pflanzliche Produkte oft roh verzehrt, jedoch in der Regel keiner keimabtötenden Behand­lung unterzogen werden, bedarf die Verarbeitung einer sehr guten Hygiene. Die häufigen Infektionserreger Salmonella, Shigatoxin-bildende Escherichia coli (STEC/EHEC) und L. mono­cytogenes sind in der Umwelt weit verbreitet, können dort sehr lange überleben und während des Anbaus, der Ernte und Verarbeitung auf das Produkt gelangen. Die Diagnostik pathogener E. coli-, Salmonella- und Listeria-Keime aus frischen pflanz­lichen Lebensmitteln ist erheblich schwieriger als aus tierischen Quellen. Die etablierten Untersuchungsmethoden aus den Berei­chen Milch und Fleisch lassen sich auf rohe pflanzliche Lebens­mittel nur schlecht übertragen. Die hohe Menge und Zusam­mensetzung der Begleitmikrobiota bei Pflanzen bedarf neuer Entwicklungen für eine sensitive und robuste Diagnostik für pathogene Keime, die in der Regel in niedrigen Keimzahlen in diesen Produkten vorkommen. Die Untersuchungen von Produkten wie Karotten, Gurken, Kräutern sowie Schnitt- und Mischsalaten zeigten bisher eine geringe Belastung mit humanpathogenen Bakterien. So konnten die Gene von Shigatoxin-bildenden E. coli (stx1, stx2, eae) zwar mittels hochsensitiver, mole­kularbiologischer Analyse nachgewiesen, aber nur einzelne Stämme isoliert werden. Eine kulturelle Anzucht dieser Keime bleibt daher aufgrund der natürlichen, hohen Menge an thermophilen Enterobakterien und Pseudomonaden weiterhin eine Herausforderung. Die Analyse der Begleitmikrobiota zeigte einen hohen Anteil an antibiotikaresistenten Bakterien. Dabei wurden ESBL-, AmpC- und Carbapenemase-bildende Enterobakterien isoliert, die potentiell zu opportunistischen Infek­tionen führen können.

3) Humanpathogene in der Lebensmittelkette Salat – Ergebnisse einer Betriebsbeprobung

Journal für Kulturpflanzen, 69 (5). S. 180–186, 2017, ISSN 1867-0911, Verlag Eugen Ulmer KG, Stuttgart

Jan Kabisch
Institut
Max Rubner-Institut, Bundesforschungsinstitut für Ernährung und Lebens­mittel, Institut für Mikrobiologie und Biotechnologie, Kiel

Gemüse und Obst sind neben Getreideprodukten die mit Abstand wichtigsten Lebensmittel pflanzlichen Ursprungs in Deutschland. Pflanzliche Erzeugnisse können auf verschiedenen Stufen der Lebensmittelkette, vom Anbau über den Transport bis hin zum Privathaushalt, mit Bakterien, Viren oder Parasiten in Kontakt kommen. Eine besondere Gefahr geht dabei von Salmonellen, Shigatoxin-bildenden E. coli und L. monocy­togenes aus. Daher setzt die Verarbeitung von pflanzlichen Lebens­mitteln stets eine sehr gute Hygiene voraus, da die rohen und verzehrfertigen Lebensmittel nach der Verarbeitung in der Regel keiner keimabtötenden Behandlung unterzogen werden. Im Rahmen eines vom QS-Wissenschaftsfonds geförderten Projektes wurde zunächst eine Status quo-Erhebung entlang der Produktkette (Schnitt-/Mischsalat) durchgeführt, um die Eintragswege von Pathogenen sowie die Pathogenbelastung und das Gefährdungspotential von Misch-/Schnittsalaten beurteilen zu können. Dazu wurden entlang der Verarbeitungskette für Schnitt-/Mischsalat in einem Betrieb Produkt-, Abklatsch-, Tupfer-, Wasser- und Luftproben genommen. In den Unter­suchungen zeigte sich, dass die mikrobielle Gesamtbelastung im Betrieb recht hoch war, aber pathogene Mikroorganismen nur sehr selten und nur mit sensitiven molekularbiologischen Methoden nachgewiesen werden konnten. So wurden ver­einzelt L. monocytogenes, STEC O146:[H28] und ein EPEC (O63:H6) detektiert. Im Waschwasser wurden zwei EPEC-Stämme der Serogruppen O96:H7 und O63:[H6] nachgewiesen, und aus dem Bodenbereich wurde ein L. monocytogenes (Serovar IVb)-Stamm isoliert.

4) Natürliches Vorkommen von potentiell humanpathogenen E. coli an Bockshornklee und Kräutern

Journal für Kulturpflanzen, 69 (5). S. 180–186, 2017, ISSN 1867-0911, Verlag Eugen Ulmer KG, Stuttgart

Silke Ruppel1, , Lothar Beutin2, , Ann-Christin Scherwinski1, , Mohamed Fayez3, und Nabil A. Hegazi3
Institut
1 Leibniz-Institut für Gemüse- und Zierpflanzenbau Großbeeren 2 Freie Universität Berlin, Fachbereich Biologie, Chemie, Pharmazie, Institut für Biologie - Mikrobiologie, Berlin 3 Universität Kairo, Landwirtschaftliche Fakultät, Giza, Ägypten

In einem zweijährigen durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Verbundprojekt erforsch­ten Wissenschaftler der Universität Kairo und des Leibniz-Institutes für Gemüse- und Zierpflanzenbau die natürliche Besiedlung von Bockshornklee mit potentiell humanpatho­genen E. coli-Stämmen. Die Pflanzen wurden im Mai 2014 und 2015 südlich von Kairo (Fayoum und Menya) aus normalem Feldanbau entnommen. Zur Detektion von E. coli wurden Blatt- und Wurzelproben von Bockshornklee sowie Boden- und Bereg­nungswasserproben (Kanalwasser) in jeweils sechs Wiederholungen in einem zweistufigen Verfahren angereichert und auf ENDO-Agar (Lactose-Fuchsin-Sulfit-Agar) und TBX-Agar (Trypton-Galle-X-Glucuronid-Agar) anhand morphologischer Merkmale isoliert. E. coli-ähnliche Kolonien wurden mittels 16S rRNA-Gensequenzierung und MALDI TOF-Analyse phylogenetisch eingeordnet, bestätigte E. coli-Stämme wurden mittels qPCR (Multiplex-Analysen genspezifischer TaqMan-Sonden) auf das Vorhandensein von Virulenzgenen getestet. Zusätzlich erfolgte eine Serotypisierung durch das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) Berlin. In keiner der Pflanzen- und Bodenproben konnten potentiell humanpathogene E. coli-Stämme isoliert werden. Lediglich in einer Wasserprobe aus dem Oberflächenwasser des nahe gelegenen Kanals wurde ein E. coli-Stamm Serotyp O88:H25 nachgewiesen, der jedoch keines der untersuchten Virulenzgene (stx1, stx2, eae, ehly) aufwies. Insofern konnten im Umfeld der Bockshornkleefelder mit Hilfe von kultivierungsabhängigen Methoden keine pathogenen E. coli-Stämme nachgewiesen werden.

5) Nachweis und Charakterisierung von Spezies der Bacillus cereus-Gruppe aus Kräutern und Gewürzen

Journal für Kulturpflanzen, 69 (5). S. 180–186, 2017, ISSN 1867-0911, Verlag Eugen Ulmer KG, Stuttgart

Hendrik Frentzel, und Gladys Krause
Institut
Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), Fachgruppe Mikrobielle Toxine, Abteilung Biologische Sicherheit, Berlin

Vertreter der Bacillus (B.) cereus-Gruppe können häufig in pflanzlichen Lebensmitteln nachgewiesen werden. Kräuter und Gewürze haben dabei eine besondere Bedeutung, da sie B. cereus-Sporen auf eine Vielzahl von Lebensmitteln übertragen können, in denen Keimung und Wachstum möglich ist. Aufgrund ihrer engen Verwandtschaft ist es schwierig, zwischen den einzelnen Spezies der B. cereus-Gruppe zu unterscheiden, weshalb eine solche Unterscheidung in der Routine-Diagnostik kaum vorgenommen wird. Das Potenzial, lebensmittelbedingte Erkrankungen auszulösen, variiert jedoch zwischen den verschiedenen Spezies. Um die exakte Spezies und das toxinogene Potenzial von präsumtiven B. cereus-Stämmen aus Kräutern und Gewürzen zu bestimmen, wurden verschiedene Gewürz-Matrizes untersucht und gewonnene Isolate näher charakterisiert. Darüber hinaus wurden kulturunabhängige Nachweis­methoden optimiert. Die Spezies-Differenzierung basierte auf der Kolonie-Morphologie und den Wachstums-Temperaturen sowie Ergebnissen von mikroskopischen und molekularbiolo­gischen Verfahren (PCR, MLST). Die Fähigkeit, Toxine zu bilden, wurde mittels PCR, Imunno-Assay (Duopath) und HPLC-MS analysiert. Aus den untersuchten Proben wurde überwiegend B. cereus isoliert. Darüber hinaus wurden B. thurin­giensis und B. mycoides/pseudomycoides nachgewiesen. Fast alle Stämme waren in der Lage, die Enterotoxine Nhe und Hbl zu bilden. Die Fähigkeit, das emetische Toxin (Cereulid) zu bilden, war hingegen die Ausnahme. Auf Grundlage der MLST-Analyse wurden Isolate in phylogenetische Cluster unterschiedlicher Zyto­toxizität eingruppiert. Eine kulturunabhängige Quantifizierung von Sporen in Gewürzen war mit Hilfe der CTAB-DNA-Extraktion kombiniert mit Real-time-PCR möglich.

6) Charakterisierung und Isolierung Shigatoxin-produzierender E. coli-Stämme aus pflanzlichem Material

Journal für Kulturpflanzen, 69 (5). S. 180–186, 2017, ISSN 1867-0911, Verlag Eugen Ulmer KG, Stuttgart

Marina Lamparter, und Elisabeth Hauser
Institut
Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), Fachgruppe Lebensmitteltechnologische Verfahren, Warenketten und Produktschutz, Nationales Referenzlabor für Escherichia coli (NRL-E. coli), Abteilung Biologische Sicherheit, Berlin

Die STEC-Stammsammlung am Nationalen Referenzlabor für E. coli umfasst momentan 44 Isolate aus pflanzlichem Material aus Deutschland und neun aus Italien (Stefano Morabito, EU-RL), Finnland (Hallanvuo Saija, EVIRA), Spanien (Azucena Mora, University of Santiago de Compostela) und Österreich (Dr. Sabine Schlager, AGES). Diese Isolate wurden mittels Multi Locus-Sequenztypisierung phylogenetisch analysiert. Sie ließen sich insgesamt 22 Sequenztypen und neun klonalen Komplexen zuordnen, fünf Isolate wiesen neue Sequenztypen auf; 22 Isolate ließen sich keinem klonalen Komplex zuordnen. Klare Cluster ließen sich in der Darstellung eines ‚minimum spanning tree' nicht erkennen. Aus diesen Ergebnissen, die fortlaufend durch neue Isolate ergänzt werden, ließen sich bisher keine phylogenetisch pflanzenspezifischen STEC-Typen ableiten. Des Weiteren wurde eine horizontale Methode zur STEC-Detektion in Salat, bestehend aus einer nicht selektiven Voranreicherung, einer selektiven Anreicherung und einer Real-Time PCR zum Nachweis STEC-spezifischer Marker, durch einen Säureschritt ergänzt. Die Integration eines Säureschritts nach der Voranreicherung erzielte, wie diverse Publikationen belegen, eine deutliche Verbesserung im Nachweis und in der Isolation von STEC aus verschiedenen Lebensmittelmatrizes. Diese Methode wurde in einer Pilotstudie an vier Isolaten in Sprossen getestet. Die Ergebnisse dieser Studie zeigten einen deutlich verbesserten Nachweis und eine reproduzierbare Isolation der getesteten Stämme aus der Matrix mit dieser zusätz­lichen Behandlung. Die Methode wird in einer Vergleichsuntersuchung in weiteren Laboren für Lebensmittelanalysen getestet. Weitere Versuche zur Etablierung der Methode, z.B. für weitere Matrizes, sind in Planung.

7) Vergleich und Optimierung von Detektionsmethoden für Noroviren auf gefrorenen Erdbeeren mit unterschiedlichen Mengen an RT-PCR-Inhibitoren

Journal für Kulturpflanzen, 69 (5). S. 180–186, 2017, ISSN 1867-0911, Verlag Eugen Ulmer KG, Stuttgart

Christina Bartsch, , Kathrin Szabo, , Eva Trojnar, , Christina Schrader, , Mai Dinh-Thanh, und Reimar Johne
Institut
Bundesinstitut für Risikobewertung, Berlin

Tiefkühlbeeren, die mit humanpathogenen Noroviren (NoV) kontaminiert waren, wurden wiederholt als Auslöser für Gastro­enteritis-Ausbrüche identifiziert. Kontaminationen der Beeren mit humanen Ausscheidungen aufgrund mangelnder Hygiene während Anbau, Ernte oder weiterer Bearbeitung werden als Ursachen diskutiert. Aufgrund des weit verzweigten inter­nationalen Handels lassen sich die konkreten Bedingungen bei der Erzeugung der Tiefkühlbeeren oft nur schwer ermitteln. Deshalb werden sowohl bei der Identifizierung von kontaminierten Lebensmitteln bei Erkrankungsausbrüchen als auch zur Produktkontrolle sensitive und sichere Nachweissysteme für NoV in Tiefkühlbeeren dringend benötigt. Üblicherweise werden hierfür RT-PCR-Protokolle verwendet. Die Virusdetektion wird allerdings häufig durch in Beerenfrüchten enthaltene PCR-Inhibitoren erschwert. In dieser Studie sollten deshalb vorhandene Aufarbeitungsprotokolle miteinander verglichen und die besten Methoden anschließend optimiert werden. Zunächst wurden fünf verschiedene, artifiziell mit NoV kontaminierte Erdbeerchargen mit einer Standardmethode (ISO/TS15216-2) untersucht. Deutliche Unterschiede in der NoV-Wiederfindungsrate wiesen auf die Anwesenheit unterschiedlicher Mengen an PCR-Inhibitoren hin. Chargen mit hoher Inhibitor-Menge wurden anschließend mit fünf unterschiedlichen Virus-Extraktionsmethoden aufgearbeitet, wobei die ISO/TS15216-2-Methode am besten abschnitt. Diese Methode wurde durch die zusätzliche Anwendung von Sephacryl®-basierten Säulen zur RNA-Reinigung weiter verbessert. Die optimierte Methode wurde mit Tiefkühlbeeren aus einem Gastroenteritis-Ausbruch getestet. Sie zeigte eine deutlich bessere Detektionsrate als die Standardmethode und sollte deshalb zukünftig für die NoV-Detektion in Tiefkühlbeeren verwendet werden.

8) Wie wichtig ist die Bodentextur für die Überlebensfähigkeit von eingetragenen Bakterien?

Journal für Kulturpflanzen, 69 (5). S. 180–186, 2017, ISSN 1867-0911, Verlag Eugen Ulmer KG, Stuttgart

Christoph C. Tebbe, , Michael Hemkemeyer, und Anja B. Dohrmann
Institut
Thünen-Institut, Bundesforschungsinstitut für Ländliche Räume, Wald und Fischerei, Institut für Biodiversität, Braunschweig

Natürliche Böden bestehen aus organischen und organisch-mineralischen Bestandteilen, die in unterschiedlichen Partikel­größen vorliegen und als primäre Bausteine des Bodens angesehen werden können. Gemäß ihrer unterschiedlichen Größe können die Partikelfraktionen Ton (< 2 µm Durchmesser), Feinschluff (2–63 µm), Grobschluff (63–2000 µm) und Sand (> 2000 µm) unterschieden werden, wobei die > 2000 µm-Fraktion typischerweise auch partikuläre, rein organische Substanz enthalten kann. Dank einer optimierten Bodenaufarbeitung ist es uns gelungen, Böden gemäß den oben genannten vier Fraktionen aufzuarbeiten und dabei die mit den Partikelfraktionen assoziierten Bakterien im Wesentlichen zu erhalten. Am Beispiel von drei Bodenvarianten aus Langzeitdüngungsversuchen und kultivierungsunabhängigen Nachweisen von 16S rRNA-Genen konnten wir zeigen, dass ein erheblicher Anteil aller Bakterien (< 40% aller Sequenzen) eine Präferenz für bestimmte Partikelgrößenfraktionen aufwies; z.B. bevorzugten Bakte­rien aus der Gruppe Gemmatimonas Grobschluff. Durch die orga­nische Langzeitdüngung eingebrachte Clostridien fanden sich besonders in den Fraktionen Feinschluff und Ton wieder. Laufende Untersuchungen im Rahmen eines bilateralen Projekts mit Partnern aus Israel beschäftigen sich mit der Frage, ob über Abwasser eingetragene Bakterien ebenfalls eine Präferenz für bestimmte Partikelfraktionen haben und ob die Überlebensfähigkeit fäkaler Keime von ihrer Präferenz zu bestimmten Partikelfraktionen beeinflusst wird.

9) BLE-Projekt plantinfect – Besiedlung von Kulturpflanzen durch Salmonella

Journal für Kulturpflanzen, 69 (5). S. 180–186, 2017, ISSN 1867-0911, Verlag Eugen Ulmer KG, Stuttgart

Sven Jechalke1, , Jasper Schierstaedt2, , Kornelia Smalla3, , Rita Grosch2, und Adam Schikora3
Institut
1 Institut für Phytopathologie, Justus-Liebig-Universität Gießen 2 Leibniz-Institut für Gemüse- und Zierpflanzenbau Großbeeren 3 Julius Kühn-Institut, Institut für Epidemiologie und Pathogendiagnostik, Braunschweig

Im Rahmen des BLE-Projekts plantinfect soll der Einfluss von Faktoren, die das Überleben von Salmonella enterica im Boden sowie die Besiedlung von Pflanzen beeinflussen, untersucht werden. Für die experimentellen Arbeiten steht am Julius Kühn-Institut ein S2-Gewächshaus zur Verfügung. Dabei werden der Einfluss der Bodentextur (Lehmsand und Auenlehm) und der Einfluss von organischer Düngung (Schweinegülle und Hühnertrockenkot) untersucht. Als Modellpflanzen für eine mögliche Besiedlung dienen Kopf- und Feldsalat, die nach Anga­ben des Statistischen Bundesamtes zu den am häufigsten angebauten Gemüsekulturen in Deutschland gehören und somit einen relevanten Wirtschaftsfaktor darstellen. Die Untersuchungen zum Überleben von S. enterica Serovar Typhimu­rium und Senftenberg im Boden und zur Besiedlung der Pflanzen erfolgen dabei durch kultivierungsabhängige und -unabhängige Methoden wie Anreicherung und Plattierung auf selektiven Medien. Weiterhin werden DNA-basierte kultivierungsunabhängige Methoden eingesetzt, da bekannt ist, dass Humanpathogene in der Umwelt in einen sogenannten „Viable but non-culturable“ (VBNC)-Zustand übergehen können, in dem ihre Zellen lebensfähig, aber nicht kultivierbar sind. Im besonderen Fokus steht dabei auch die Interaktion zwischen S. enterica und den Wirtspflanzen, deren Untersuchung unter anderem über die Sequenzierung des bakteriellen und pflanzlichen Transkriptoms erfolgen soll. Ziel des Projektes ist es, eine Risiko­einschätzung für den Konsumenten sowie Interventionsstrategien auf Basis der gewonnenen Erkenntnisse zu ermöglichen.

10) Diversität der mikrobiellen Gemeinschaft in landwirtschaftlichen Böden beeinflusst die Persistenz von Salmonella

Journal für Kulturpflanzen, 69 (5). S. 180–186, 2017, ISSN 1867-0911, Verlag Eugen Ulmer KG, Stuttgart

Jasper Schierstaedt1, , Rita Grosch1, , Sven Jechalke2, , Adam Schikora3, und Kornelia Smalla3
Institut
1 Leibniz-Institut für Gemüse- und Zierpflanzenbau Großbeeren 2 Institut für Phytopathologie, Justus-Liebig-Universität Gießen 3 Julius Kühn-Institut, Institut für Epidemiologie und Pathogendiagnostik, Braunschweig

Im Rahmen des BLE-Projekts plantinfect sollte in einem Mikrokosmos-Experiment untersucht werden, ob die mikrobielle Gemein­schaft einen Einfluss auf das Überleben von Salmonella in Boden (Lehmsand) hat. Der Boden wurde dazu autoklaviert, was zu einer Reduktion der kultivierbaren Bakterien führt. Drei ausgewählte Rifampicin-resistente Salmonella-Stämme wurden in den Boden eingebracht und in regelmäßigen zeitlichen Abständen mit kultivierungsabhängigen und -unabhängigen Methoden quantitativ erfasst. Mit Plattierungen auf einem selektiven Medium war es möglich, die Koloniebildende Einheit (KbE) der Salmonella-Stämme zu ermitteln. Um auszuschließen, dass sich die Bakterien in einem sogenannten "Viable but non-culturable" (VBNC)-Zustand befinden, in dem sie lebensfähig, aber nicht kultivierbar sind, wurde aus den Bodenproben Gesamt-DNA isoliert. Mit Hilfe verschiedener PCR-Protokolle können dann die Salmonella-Stämme kultivierungsunabhängig nachgewiesen werden. Um die strukturelle Diversität der mikrobiellen Gemeinschaft zu untersuchen werden 16S rRNA-Genfragmente, die aus der Gesamt-DNA amplifiziert wurden, mit Hilfe der denaturierenden Gradientengel-Elektrophorese analysiert. Es konnte gezeigt werden, dass sich die Struktur der bakteriellen Gemeinschaft im autoklavierten Boden auch nach fünf Monaten noch stark von der in natürlichem Boden unterscheidet. Das Überleben von Salmonella im autoklavierten Boden war wesentlich besser verglichen mit dem Überleben im unbehandelten Boden. In weiteren Experimenten konnte gezeigt werden, dass Pflanzen einen positiven Effekt auf das Überleben von Salmonella-Stämmen haben. Das Überleben von Salmonella-Stämmen in verschiedenen Böden und an verschiedenen Pflanzenarten soll mit kultivierungsabhängigen Methoden, aber auch auf molekularer und transkriptioneller Ebene weiter untersucht werden.

11) Adhäsive Strukturen bei humanpathogenen Bakterien – Zusammenfassung des plantinfect-Projekts

Journal für Kulturpflanzen, 69 (5). S. 180–186, 2017, ISSN 1867-0911, Verlag Eugen Ulmer KG, Stuttgart

Laura Elpers, und Michael Hensel
Institut
Abteilung Mikrobiologie, Universität Osnabrück

Zur Untersuchung der Rolle verschiedener adhäsiver Strukturen von S. enterica Serovar Typhimurium (STM) und enterohämorrhagischen E. coli (EHEC) bei der Adhärenz an Feldsalat wurde ein Versuchsansatz aufgebaut und getestet. Die systematische Untersuchung der verschiedenen adhäsiven Strukturen hinsichtlich ihrer möglichen Adhärenz an Feldsalat und anderen Salatsorten ist nun durchzuführen. Der Versuchsansatz basiert auf der kontrollierten Expression der verschiedenen adhäsiven Strukturen. Nach Austausch des nativen Promotors der Gene der zu untersuchenden Adhäsine gegen Ptet (Tet-ON System) kann ihre Expression durch Zugabe von Anhydrotetracyclin induziert werden. In Vorversuchen zeigte sich eine erhöhte Adhärenz an Feldsalat nach Induktion von Typ-1-Fimbrien (Fim) von STM, sowohl in STM selbst, als auch bei heterologer Expression in E. coli ORN172. Als mögliche Positivkontrolle sollten ECP-Fimbrien aus EHEC Sakai und C227 dienen. Diese wurden wie alle anderen adhäsiven Strukturen mittels des Tet-ON Systems zur Expression gebracht und konnten mittels Rasterkraftmikroskopie visualisiert werden. Eine erhöhte Adhärenz an Feldsalat durch ECP konnte bisher nicht beobachtet werden. Um die Regulation der verschiedenen adhäsiven Strukturen verstehen zu können und die Ausstattung von Salmonella bei Umgebungstemperaturen darzustellen, wurden Proteom-Analysen durchgeführt. Dabei sollten die Proteome von STM nach Wachstum in Voll- und Minimalmedium bei verschiedenen Anzuchttemperaturen verglichen werden. Zurzeit werden die Daten zu 37°C und 20°C in Voll- und Minimalmedium ausgewertet und weitere Proteom-Proben für 8°C, 12°C und 16°C angefertigt.

12) In vivo-Kontamination von Feld- und Kopfsalat mit EHEC O157:H7 im Gewächshaus

Journal für Kulturpflanzen, 69 (5). S. 180–186, 2017, ISSN 1867-0911, Verlag Eugen Ulmer KG, Stuttgart

Kristina Eissenberger1, , David Drissner2, und Herbert Schmidt1
Institut
1 Institut für Lebensmittelwissenschaft und Biotechnologie, FG Lebensmittelmikrobiologie und -hygiene, Universität Hohenheim 2 Eidgenössisches Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung WBF Agroscope, Institut für Lebensmittelwissenschaften, Wädenswil, Schweiz

Eine steigende Zahl von Infektionserkrankungen des Menschen steht im Zusammenhang mit dem Verzehr von mit enterohämorrhagischen E. coli (EHEC) belastetem Gemüse, wie Sprosse, Spinat, Salat. Ein Problem stellt dabei die mögliche Kontamination direkt auf dem Feld dar, die zum Beispiel über Beregnungswasser, Oberflächenwasser oder Gülle erfolgen kann, sowie die geringe Infektionsdosis von 10 bis 100 Bakterien. Es wurde bereits mehrfach gezeigt, dass EHEC-Stämme in der Lage sind, sich auf und in Pflanzenblättern zu vermehren und diese zu kolonisieren. Allerdings ist unklar, ob EHEC Pflanzen über die Wurzeln infizieren und kolonisieren kann. Im Rahmen des BLE-Projekts plantinfect haben in vivo-Untersuchungen im Gewächs­haus gezeigt, dass der EHEC O157:H7-Stamm Sakai in die Wurzeln von Feld- und Kopfsalat eindringen kann. Die hierbei gefundenen koloniebildenden Einheiten pro Gramm Wurzel lagen im Bereich der infektiösen Dosis oder sogar darüber. Interessanterweise sank bei beiden Salatsorten die Zahl der internalisierten Bakterien deutlich in Abwesenheit der Gene für die Adhärenzfaktoren hcpA und iha. Die Ergebnisse dieser Studie zeigen, dass HcpA und Iha offensichtlich bei der Kolonisierung von Wurzeln eine Rolle spielen, wobei unklar ist, ob dies eine Folge verminderter Adhärenz an die Wurzel ist oder ob tatsächlich die Fähigkeit zur Internalisierung in die Wurzel reduziert ist. Diese Zusammenhänge sollen in zukünftigen Forschungsarbeiten aufgeklärt werden.

Generelle Bemerkungen zu den Arbeiten der AG „Humanpathogene an Pflanzen“ – Outlook

Die Kurzfassungen der Beiträge aus verschiedenen Forschungseinrichtungen zeigen das breite Spektrum von Forschungsarbeiten zu Humanpathogenen an Pflanzen in Deutschland. Die Diversität und Plastizität humanpathogener Bakterien und Viren stellt nicht nur eine Herausforderung an die Diagnostik dar, sondern erschwert generelle Aussagen zum Überleben von Humanpathogenen in verschiedenen Habitaten und speziell in Assozia­tion mit Kulturpflanzen. Die Diversität des Boden- und Pflanzenmikrobioms scheint die Etablierung von Humanpathogenen zu erschweren. Eine Vielzahl von biotischen und abiotischen Faktoren bestimmt nicht nur die Zusammensetzung und Funktion des Mikrobioms, sondern auch das Überleben von Humanpathogenen im Boden und an der Pflanze. Viele Eigenschaften, wie die Fähigkeit zur Biofilmbildung, sind oft Stamm-spezifisch und werden häufig durch horizontalen Gentransfer erworben. Im Hinblick auf die Nutzung organischer Dünger, aber auch von Beregnungswasser ist der Eintrag von Bakterien mit Plasmiden oder Bakteriophagen, die Resistenzen gegen Antibiotika, Metalle und Desinfektionsmittel, aber auch Pathogenitätsdeterminanten übertragen, zunehmend im Fokus des Interesses. Dringenden Forschungsbedarf gibt es, um Faktoren zu identifizieren, die die Häufigkeit des Auftretens von transferablen Resistenzen und Pathogenitätsdeterminanten im Pflanzen- und Bodenmikrobiom maßgeblich beeinflussen und Prozesse des horizontalen Gentransfers stimulieren. Diese Prozesse sind nicht nur für die Entstehung und Diversifizierung von Humanpathogenen von großer Bedeutung, sondern auch für den zukünftigen erfolgreichen Einsatz von Antibiotika zur Behandlung von bakteriellen Erkrankungen des Menschen. Ein weiterer, noch nicht ausreichend untersuchter Aspekt sind die Mechanismen, die eine Kolonisierung der Pflanzen durch Humanpathogene (Adhä­sion, Suppression der Abwehrmechanismen, Stressresistenz) ermöglichen oder begünstigen. Hier steht vor allem die Funktion bestimmter Virulenz-relevanter Proteine in Vordergrund.

Das breite Spektrum von Forschungsarbeiten zu Humanpathogenen an Pflanzen in Deutschland zeigt sehr deutlich, dass dieser Themenbereich sehr umfangreich und sehr komplex ist. Das Ziel der AG-HP ist daher, die Interaktionen zu verstehen und die gewonnenen Erkenntnisse für den Verbraucherschutz nutzbar zu machen.

Adam Schikora und Kornelia Smalla
Julius Kühn-Institut, Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen, Institut für Epidemiologie und Pathogendiagnostik (Braunschweig)

Effizienz und Sicherheit durch innovative Applikationstechnik

Journal für Kulturpflanzen, 69 (5). S. 180–186, 2017, ISSN 1867-0911, Verlag Eugen Ulmer KG, Stuttgart


„Wir kennen die Probleme in der Praxis und wissen in den meisten Fällen auch um die notwendigen technischen Lösungen. Aber wir haben das Gefühl, dass die zur Verfügung stehenden Möglichkeiten außerhalb des eigenen Fachbereichs nicht ausreichend wahrgenommen werden.“ Zu hören war diese Aussage auf der 47. Arbeitskreissitzung des AK Pflanzenschutztechnik der Deutschen Phytomedizinischen Gesellschaft e.V. (DPG), die am 7./8. März 2017 in Braunschweig im Julius Kühn-Institut (JKI) – Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen stattfand. Unter dem Motto „Effizienz und Sicherheit im Pflanzenschutz durch innovative Applikationstechnik“ gab es dieses Jahr eine gemeinsame Veranstaltung mit der Österreichischen Arbeitsgemeinschaft für Integrierten Pflanzenschutz (ÖAIP) sowie der Österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES). Rund 90 Teilnehmer fanden den Weg nach Braunschweig, um sich über neue Techniken, Trends und Entwicklungen im Bereich der Pflanzenschutztechnik auszutauschen und rege darüber zu diskutieren.

In der ersten Sektion wurden Innovationen aus dem Bereich der Raumkulturen präsentiert. Um die Anlagerung von Pflanzenschutzmitteln zu verbessern, Abdrift zu senken und auch um die notwendige Menge an Pflanzenschutzmitteln zu reduzieren, ist eine optimale Einstellung von Sprühgeräten schlichtweg eine Notwendigkeit. Da bei Sprühgeräten die Gebläseluft als Medium für den Tropfentransport genutzt wird, ist insbesondere die Einstellung der Luftverteilung auf die individuellen Erfordernisse von Obstplantagen in der Praxis besonders wichtig: Das Gerät muss zur Kultur und Erziehungsform in den betref­fenden Anlagen eines Betriebs passen! Darüber hinaus können über eine Optimierung der Gebläseluft auch Geräusch­emissionen und Antriebsenergie des Gebläses erheblich gesenkt werden. Beides sind Argumente, die im Spannungsfeld zwischen Urlaubsregion und Kulturfläche, sowie im Hinblick auf den CO2-Fußabdruck der Produkte eine gewichtige Rolle spielen können. Aus diesem Grund wurde am Bodensee und in der Steiermark bereits vor Jahren gemeinsam mit einem Industriepartner ein spezieller Luftprüfstand entwickelt, mit dem die Luftstromcharakteristika von Sprühgeräten gemessen und auch gezielt (unveränderlich!) eingestellt werden können.

In einem ersten Vortrag wurde über die praktische Umsetzung in der Steiermark und die daraus resultierenden positiven Erfahrungen mit der gezielten Gebläselufteinstellung berichtet. Im Rahmen eines LEADER-Projektes sollen diese Erfahrungen nun in den nächsten drei Jahren gezielt in die Praxis gebracht werden. 140 engagierte Obst- und Weinbaubetriebe sind an dem Projekt beteiligt, welches durch die Fachgruppe Technik des Steirischen Obst- und Weinbauverbandes durchgeführt wird. Am Bodensee hat man darüber hinaus weitere positive Effekte erzielen können, indem die Obstanbauer des Beratungsringes Marktgemeinschaft Bodenseeobst eG bei der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln ein spezielles Dosiermodell verwenden. Dieses baut auf den bereits gebläseoptimierten Sprühgeräten auf und berechnet auf Grundlage von Pflanzenschutzmittel, Wasseraufwandmenge und Kronenvolumen der Anlage die optimale Applikationsgeschwindigkeit sowie Gebläsedrehzahl. Der Clou an dem Dosiermodell ist, dass die Applikationsparameter so gewählt sind, dass die Spritztropfen gerade so den Baum durchdringen, ohne jedoch auf der anderen Seite wieder herauszutreten. Im Vergleich zu anderen Dosiermodellen, welche die Aufwandmenge pro Hektar oder pro m² Laubwandfläche errechnen, können mit diesem Modell erhebliche Mengen an Pflanzenschutzmitteln eingespart werden, da es die realen Verhältnissen in der Praxis besser abbildet. Weiter verbessert werden kann dies, indem tatsächlich nur noch dort gespritzt wird, wo auch Blattfläche vorhanden ist. Dazu muss die Laubwand mit Sensoren abgetastet werden, um die dazwischen liegenden Lücken zu identifizieren. Genau dies wird im Rahmen des Forschungsprojektes OLSVA zusammen mit Industriepartnern im Julius Kühn-Institut bearbeitet und weiterentwickelt. Erste Ergebnisse aus zwei Versuchsjahren, die im Rahmen der Sektion präsentiert wurden, zeigen auf, dass in dieser Technik ein erhebliches Einsparpotenzial an Pflanzenschutzmitteln steckt und diese Einsparungen auch unter Praxisbedingungen mit hinreichenden Blattbelägen und biologischer Wirksamkeit realisiert werden können. Darüber hinaus wird auch das Abdriftpotenzial durch die Lückenschaltung gesenkt.

Da neben Innovationen auch der Zustand der bereits in der Praxis befindlichen Pflanzenschutzgeräte einen erheblichen Einfluss auf die möglichen Risiken hat, die von solchen Geräten im Einsatz ausgehen können, stand in der zweiten Sektion die Erfahrungen aus der langjährigen Prüfung von Neugeräten im Julius Kühn-Institut sowie die Kontrolle von Gebrauchtgeräten im Fokus.

Punkteinträge, „der große Bruder der Abdrift“, stellen die Hauptquellen für unerwünschte Stoffverlagerungen im Pflanzenschutz dar. Ursache ist i.d.R. eine unsachgemäße Reinigung von Pflanzenschutzgeräten nach deren Gebrauch. Vor diesem Hintergrund wurde die technische Entwicklung der Geräte­reinigungssysteme vorgestellt und diskutiert. Nach dem Leerspritzen kann die Reinigung heute komfortabel per Knopfdruck aus der Kabine heraus automatisch vollzogen werden. Vorbei sind die Zeiten, in denen der Fahrer absteigen musste, um unterschiedlichste Hebel zur richtigen Zeit in der richtigen Reihenfolge umzulegen. Dabei zeigt sich die Reinigungsleistung der Geräte als durchweg positiv. Alle vom Julius Kühn-Institut geprüften Geräte weisen nach dem Leespritzen, Reinigen und Wiederbefüllen einen Verdünnungsfaktor zwischen 500 und 50.000 auf, wobei dieser für einen erfolgreichen Test mindestens 400 betragen muss. Darüber hinaus gibt es mittlerweile auch Nachrüstsätze für „Altgeräte“, die mit erreichbaren Verdünnungsfaktoren von 1100 bis 2500 uneingeschränkt zu empfehlen sind und mit Kosten von rund 1000 € auch diese Geräte in Punkto Reinigung auf den neusten technischen Stand bringen.

Vor dem Hintergrund der gemeinsamen Veranstaltung mit der ÖAIP und der AGES wurde die Struktur des Kontrollsystems für in Gebrauch befindliche Pflanzenschutzgeräte in Österreich präsentiert. Analog zu Deutschland ist diese Kontrolle von Gebraucht­geräten auf Ebene der neun österreichischen Bundesländer geregelt. Aus dieser Konstellation ergeben sich auch vergleichbare Schwierigkeiten, da nicht alle Prozesse einheitlich durchgeführt werden. So gibt es in Österreich z.B. neun verschiedene Kontrollplaketten, die in ihrer Ausgestaltung bundesländerspezifische Besonderheiten aufweisen. Die Thematik wurde in einem weiteren Vortrag aufgegriffen, bei dem es um die gegenseitige Anerkennung von Kontrollen innerhalb der EU ging, die insbesondere in Grenzregionen eine Rolle spielen. Grundlage für die gegenseitige Anerkennung ist die EN ISO 16122. Wird die Kontrolle nach dieser Norm durchgeführt, dann können die im EU-Ausland durchgeführten Kontrollen in Deutschland anerkannt werden, sofern dies auf der Kontrollplakette oder dem zugehörigen Kontrollbericht vermerkt ist. Sehr gute Erfahrungen liegen diesbezüglich in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen vor, die bereits europäische Kontrollbetriebe anerkannt haben, wodurch diese auch deutsche Kontrollplaketten erteilen dürfen. Entsprechend der jeweiligen Ländervorgaben wird das Personal geschult und auch, wie jede inlän­dische Kontrollstelle, vor Ort überwacht. Eine fortlaufend aktualisierte Liste von Kontrollbetrieben im EU-Ausland findet sich auf der Homepage (http://spise.julius-kuehn.de) der SPISE (Standardised Procedure for the Inspection of Sprayers in Europe) Initiative.

Die Dritte Sektion widmete sich neuen Technologien und ihrer Umsetzung in der Praxis.

Die Ergebnisse einer Befragung von Landwirten in Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg wurde vom LELF (Landesamt für ländliche Entwicklung, Landwirtschaft und Flurneuordnung) vorgestellt. Die Studie kam zu dem Ergebnis, dass den Landwirten bewusst ist, an welchen Stellschrauben sie bei der Pflanzenschutzmittelapplikation drehen können, um Abdrift und Einträge in den Naturhaushalt zu vermindern. Es befindet sich aber noch viel Spritztechnik älteren Datums auf den Betrieben. Die Möglichkeiten neuer Technik werden noch nicht ausgereizt. Hier können Maßnahmen wie das aktuelle Agrar­investitionsförderungsprogramm (AFP) helfen, die Marktpräsenz neuer Pflanzenschutztechnik zu beschleunigen. Ein weiteres Ergebnis der Studie war, dass die landwirtschaft­liche Praxis mehr unabhängige Beratungsangebote wünscht, ein Punkt, der auch in vielen anderen Diskussionen immer wieder betont wurde. Von Seiten der Landtechnikindustrie kam deshalb der Vorschlag, die Ausbildung der Fahrer, die oft Quereinsteiger sind, durch eine Zusammenarbeit von Technikherstellern und Pflanzenschutzdiensten im Rahmen der Sachkundeschulung oder des Fahrertrainings zu verbessern.

Für die teilflächenspezifische Anwendung von Pflanzenschutzmitteln wurde vom JKI in Zusammenarbeit mit der Indus­trie eine Feldspritze mit Direkteinspeisungstechnik ent­wickelt. Im Rahmen eines Projektes setzt das JKI die Technik sowohl in Versuchen, als auch in Praxisbetrieben ein. Das Spritz­gerät verfügt über drei unabhängige Systeme, die parallel drei verschiedene Pflanzenschutzmittel getrennt voneinander dosieren können. Flüssige Pflanzenschutzmittel und Wasser werden dazu erst während der Anwendung auf dem Acker nach Bedarf gemischt. Bislang bekannte Probleme bei der Direkteinspeisung, z.B. lange Verzögerungszeiten bis zum Aufbau der Soll-Konzentration, unzureichende Dosiergenauigkeit und mangelnde Reinigungsmöglichkeiten konnten bei der Entwicklung des Prototypen praxisgerecht gelöst werden. Die Applikation mit elektronischem Kartenmaterial zur teilflächenspezifischen Behandlung erfolgt ebenfalls problemlos. Die komplexe Bedienung der Spritze sowie das Zusammenspiel mit Sensorik zur Unkraut- bzw. Schaderregerbonitur sollen noch weiter verbessert werden.

Um mögliche Abdrift von mit Beizmitteln belastetem Staub bei der Aussaat zu verhindern, wird in einem Projekt beim JKI in Zusammenarbeit mit Industriepartnern das Abdriftpotenzial von pneumatisch arbeitenden Universalsägeräten untersucht und Möglichkeiten zur technischen Verbesserung erarbeitet. Des Weiteren wird zur Steigerung des Anwenderschutzes untersucht, welcher Exposition der Fahrer beim Umgang mit dem Gerät (Befül­lung, Entleerung etc.) ausgesetzt ist, und wie auch diese Faktoren durch technische Entwicklungen gemindert werden können. Erste Ergebnisse zeigen auf, dass solche Geräte von Grund auf bereits ein geringes Abdriftniveau aufweisen, da der auftretende Beizstaub relativ bodennah ausgebracht wird. Gezeigt werden konnte jedoch auch, dass die Form der verwendeten Säschare einen wesentlichen Einfluss auf das resultierende Abdriftniveau hat. Auch Undichtigkeiten im System können zu Beizstaubablagerungen am Gerät führen, die im Hinblick auf den Anwenderschutz mit relativ einfachen Mitteln abzustellen sind.

Die Applikation von Pflanzenschutzmitteln mit UAV´s (Unmanned Aerial Vehicles) im Steillagenweinbau, wo der Einsatz von Hubschraubern bedingt durch ungünstige Topographie oder Hindernisse (z.B. Stromtrassen) mit zusätzlichen Risi­ken behaftet ist, wird zunehmend diskutiert. Um die Grundlage für eine Applikation in der Praxis zu gewährleisten, sind Versuche zu Blattbelägen, zur biologischen Wirksamkeit und zum Abdriftpotenzial von UAV´s notwendig. Erste Tastver­suche, die auf der Veranstaltung von der Hochschule Geisenheim präsentiert wurden, zeigten auf, dass die Applikation mit UAV´s in einer Rebanlage in der Ebene, in Bezug zu den drei genann­ten Kriterien vergleichbar mit einer Behandlung mit konventionellen Sprühgeräten ist. Die Ergebnisse sind somit vielversprechend und sprechen dafür, dass UAV´s eine risiko­ärmere Alternative zum Hubschraubereinsatz darstellen können. Um belastbare Daten zu erhalten, bedarf es jedoch noch weiterer Forschungsarbeiten. 

Abb. 1.

Abb. 1.

Um Bestäuber bei der Blütenbehandlung im Raps zu schonen, kann die Blühebene bei der Applikation von Pflanzenschutzmitteln mit Hilfe der Droplegtechnologie nahezu ausgespart werden. Droplegs sind pendelnd am Spritzgestänge aufgehängte Rohre, an deren Ende sich Düsen befinden, die in den Bestand eintauchen. Somit kann die Düse bei der Applikation unterhalb der Blühebene geführt werden. Da so nur innerhalb des Bestandes appliziert wird, kann auch von einer erheblichen Abdriftminderung ausgegangen werden. Welche Abdriftmin­derungsklasse erreicht werden kann, ist aber in Versuchen noch weiter zu klären. Da bei der Droplegtechnologie die Düsen einen Spritzwinkel von 180° aufweisen und sich im Vergleich zur konventionellen Behandlung durch die Führung im Bestand wesentlich näher am Boden befinden, war des Weiteren zu klären, ob dadurch auch das Bodensediment erhöht wird. Dazu wurden an mehreren Stellen abgestimmte Versuche durch­geführt. Exemplarisch wurden auf der Veranstaltung die Versuche vorgestellt, die von Syngenta in Zusammenarbeit mit dem Pflanzenschutzdienst Nordrhein-Westfalen durchgeführt wurden. Das Ergebnis der Untersuchung war, dass eine erhöhte Belastung des Bodens mit Pflanzenschutzmitteln nicht nachgewiesen werden konnte. Gegenüber einer Standardapplikation von oben, werden die Mittel vermehrt an den Stängeln und den unteren Blattetagen angelagert. In der Blühzone können dagegen die Spritzbeläge drastisch reduziert werden. 

Abb. 2.

Abb. 2.

Fazit:

Die technische Entwicklung kann einen erheblichen Beitrag zur Minderung von Risiken, die den Anwender und den Naturhaushalt betreffen, leisten. Für nahezu jedes Problem in der Praxis existiert eine technische Lösung und die Entwicklung schreitet mit zunehmender Geschwindigkeit voran. Aus diesem Grund ist es von enormer Bedeutung, dass die Praktiker, die am Ende mit diesen neuen Technologien umgehen können müssen, ihre Kenntnisse und Fähigkeiten permanent weiter entwickeln. Technik, sei sie noch so gut und ausgeklügelt, die mangels Sachkunde oder auch auf Grund von Berührungsängsten nicht eingesetzt wird, stiftet keinen Nutzen. Dafür bedarf es einer verstärkten Anstrengung bei der Ausbildung, Weiterbildung und Beratung, die von Seiten der Anwender insbesondere von unabhängiger Stelle gewünscht wird.

Jens Karl Wegener und Carolin Weimar-Bosse
(JKI Braunschweig)


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