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Übersichtsarbeit

Otto Appel – ein Leben im Dienst des Pflanzenschutzes

Otto Appel – a life of service to plant protection

Cordula Gattermann und Georg F. Backhaus
Institut
Julius Kühn-Institut – Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen

Journal für Kulturpflanzen, 70 (1). S. 1–11, 2018, ISSN 1867-0911, DOI: 10.1399/JKI.2018.01.01, Verlag Eugen Ulmer KG, Stuttgart

Kontaktanschrift
Cordula Gattermann, Julius Kühn-Institut, Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen, Messeweg 11–12, 38104 Braunschweig, E-Mail: cordula.gattermann@julius-kuehn.de
Dr. Georg F. Backhaus, Julius Kühn-Institut, Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen, Erwin-Baur-Str. 27, 06484 Quedlinburg, E-Mail: praesident@julius-kuehn.de
Zur Veröffentlichung angenommen
2. Oktober 2017

150. Geburtstag von Geheimrat Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Otto Appel im Jahre 2017

Am 19. Mai 2017 jährte sich der Geburtstag von Geheimrat Professor Dr. Dr. h. c. mult. Otto Appel zum 150. Male. Dieses Jubiläum nahmen das Julius Kühn-Institut (JKI), Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen, und die Deutsche Phytomedizinische Gesellschaft e.V. (DPG) zum Anlass für eine Feierstunde zum Gedenken an den Nestor des Pflanzenschutzes in Deutschland. An der Festveranstaltung am 6. Juli 2017 im Julius Kühn-Institut in Berlin-Dahlem, der Wirkungsstätte Otto Appels, nahmen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Julius Kühn-Instituts bzw. ehemalige Leiter und Wissenschaftler der Biologischen Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft und Vertreterinnen und Vertreter der Deutschen Phytomedizinischen Gesellschaft, des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft, des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit, des Amtlichen Pflanzenschutzdienstes und verschiedener Universitäten und Hochschulen teil. In zwei Vorträgen wurden Otto Appels wissenschaftliche und organisatorische Leistungen für den Pflanzenschutz gewürdigt. Präsident und Professor Dr. Georg F. Backhaus legte Otto Appels beruflichen Werdegang dar und beleuchtete insbesondere seine Verdienste um den Ausbau der Biologischen Reichs­anstalt für Land- und Forstwirtschaft und die Organisa­tion des Deutschen Pflanzenschutzdienstes. Die schrift­liche Fassung dieses Vortrags ist nachfolgend dargelegt. Professor Dr. Johannes Hallmann, amtierender 1. Vorsitzender der Deutschen Phytomedizinischen Gesellschaft, gab einen interessanten Einblick in das breite Spektrum der wissenschaftlichen Arbeiten Otto Appels. Die Inhalte dieses Vortrags sind als Übersichtsarbeit ebenfalls in dieser Ausgabe des Journals für Kulturpflanzen dargestellt. Abgerundet wurde die Veranstaltung durch eine Ausstellung von Präparaten, Veröffentlichungen und Bildern Otto Appels, die das Team des Informationszentrums und der Bibliothek des JKI unter der Leitung von Herrn Dr. Olaf Hering vorbereitet hatte.

Appels Weg vom Botaniker zum Phytomediziner

Otto Appel wurde am 19. Mai 1867 als Sohn einer Kaufmannsfamilie in Coburg geboren. Bereits in seiner Jugendzeit bewies er ein besonderes Interesse an der Natur und insbesondere der Botanik. In von ihm persönlich verfassten Aufzeichnungen „Wie ich Botaniker wurde“ heißt es:

„In meinem 14. Lebensjahre entwickelte ich mich abnorm in die Länge, und zwar derart, dass darunter mein all­gemeiner Kräftezustand etwas litt. Unser sehr besorgter Hausarzt, Medizinalrat Dr. Carl Rückert, war sehr ängstlich und verordnete, dass ich ein halbes Jahr der Schule fern bleiben sollte. Als die ersten paar Wochen herum waren, stellte sich als bestes Zeichen der beginnenden Kräftigung Langeweile ein, und ich begann, alles Mögliche zu sammeln …

Dr. Rückert war in seinen Mußestunden Florist und benutzte besonders seine Ferienreisen dazu, sein Herbar in den Alpenländern zu vermehren, und auch die heimische Flora kannte er gut. Das brachte mich nun auf den Gedanken, als das erste Grün sprosste, auf meinen Spaziergängen nach Blumen auszuspähen und mich mit ihnen bekannt zu machen. Da war ich nun ins richtige Fahrwasser gekommen! …“ (Appel, ohne Datumsangabe, Quelle Nr. 1). 

Abb. 1. Die beiden Referenten der Festveranstaltung: Dr. Georg F. Backhaus, Präsident des JKI, und Prof. Dr. Johannes Hall­mann, 1. Vorsitzender der DPG (Bild: Nachtigall, JKI).

Abb. 1. Die beiden Referenten der Festveranstaltung: Dr. Georg F. Backhaus, Präsident des JKI, und Prof. Dr. Johannes Hall­mann, 1. Vorsitzender der DPG (Bild: Nachtigall, JKI).

Abb. 2. Zwei Preisträger der Otto-Appel-Denkmün­ze: Prof. Dr. Fred Klingauf, ehemaliger Präsident der Biologi­schen Bundesanstalt für Land- und Forstwirt­schaft, und Prof. Dr. Heinz-Wilhelm Dehne, Universität Bonn (Bild: Nachtigall, JKI).

Abb. 2. Zwei Preisträger der Otto-Appel-Denkmün­ze: Prof. Dr. Fred Klingauf, ehemaliger Präsident der Biologi­schen Bundesanstalt für Land- und Forstwirt­schaft, und Prof. Dr. Heinz-Wilhelm Dehne, Universität Bonn (Bild: Nachtigall, JKI).

Nach Beendigung seiner Schulzeit entschied sich Otto Appel für den Apothekerberuf, wie er von sich selbst sagte „Angeregt durch das Beispiel einiger naturwissenschaftlich selbständig arbeitender Apotheker …“ (Appel, ohne Datumsangabe, Quelle Nr. 2). Er absolvierte eine Lehre zum Apothekergehilfen in der Löwen-Apotheke in Weimar. Aus dieser Zeit stammt Appels erste Veröffentlichung in der Deutschen botanischen Monatsschrift, die sich mit der Blüte des Aronstabs befasste. Durch diese Veröffentlichung wurde der in Weimar lebende Botaniker und Orientreisende Professor Carl Haussknecht auf ihn aufmerksam. Er suchte ihn in der Apotheke auf und lud ihn ein, das „Herbarium Haussknecht“ zu besichtigen, dem Otto Appel in der Folge nahezu seine gesamte Freizeit widmete (Appel, ohne Datumsangabe, Quelle Nr. 1).

Der Lehrzeit folgte eine Gehilfenzeit zunächst in Apolda/Thüringen und anschließend in Schaffhausen/Schweiz. Die Schönheit der Alpen und die Vielfalt der Alpenflora begeisterten den jungen Appel. Er widmete sich so intensiv dem Botanisieren und anderen biologischen Studien, dass man ihm in der Apotheke „Zum Biber“ in Schaffhausen den Spitznamen „Professor“ gab (Klinkowski, 1953). Nach einer kurzen Gehilfentätigkeit in einer Apotheke in seiner Heimatstadt, zog es ihn nochmals in die Schweiz zurück; Otto Appel fand eine Stelle als Apothekergehilfe in Bremgarten im Kanton Aargau, wo auch Professor Haussknecht als Apotheker tätig gewesen war. In dieser Zeit lernte Appel die führenden Schweizer Botaniker kennen, die sich in der Schweizer Botanischen Gesellschaft zusammenfanden, und er nahm Verbindung mit dem Botanischen Verein in Kopenhagen auf (Appel, 1949).

Zum Studium kehrte Appel nach Deutschland zurück: er studierte Pharmazie an der Universität Breslau, einer der Hochburgen der botanischen Systematik. 1891 wurde er Mitglied des „Wissenschaftlich-Pharmazeutischen Vereins“, der 1881 an der Schlesischen Friedrich-Wilhelms-Universität in Breslau gegründet wurde (Appel, 1949). Aus diesem Verein entwickelte sich das Corps Frisia zu Breslau, das Appel später zum „Ehrencorpsbursch“ ernannte.

Nach Abschluss seines pharmazeutischen Staatsexamens mit der Note „Sehr gut“ und einem weiteren Studiensemester in Breslau, in dem er sich mit den praktischen Methoden der Nahrungsmittelchemie befasste, übernahm Appel als Pächter die Stadtapotheke in Sonneberg/Thüringen. Im Oktober 1894 heiratete er seine Frau Anna, die einer Apothekerfamilie entstammte (Appel, 1949).

Durch einen Vortrag bei einer Versammlung bayrischer Apotheker in Würzburg wurde der dortige Ordinarius Professor Dr. Julius Sachs auf Otto Appel aufmerksam. Appel entschloss sich, seine Stellung als Apotheker aufzugeben und wurde 1896 der letzte Schüler von Sachs (Appel, 1949). Neben der Botanik bei Professor Sachs studierte Appel Zoologie bei Professor Boveri und Physik bei Professor Röntgen. Im Juli 1897 schloss Appel sein Doktorexamen in Würzburg mit einer Arbeit „Über Phyto- und Zoomorphosen (Pflanzengallen)“ erfolgreich ab (Klinkowski, 1953).

Appel blieb zunächst noch ein weiteres Jahr an der Universität Würzburg als Assistent am Institut für Hygiene und Bakteriologie bei Professor Lehmann, wo er seine bakteriologischen Kenntnisse vertiefen konnte. Im Sommer 1898 bot sich Appel die Gelegenheit, eine Assistenzstelle bei Professor Backhaus am Landwirtschaftlichen Institut der Universität Königsberg anzunehmen, wo er bakteriologisch auf dem Gebiet der Milchwirtschaft tätig war (Appel, 1949).

Am 1. Juni 1899 folgte Appel einem Ruf von Professor Dr. von Tubeuf an die ein Jahr vorher gegründete Biologische Abteilung für Land- und Forstwirtschaft am Kaiserlichen Gesundheitsamt in Berlin. Zu Beginn als „Hilfs­assistent“, nach einem Jahr als „Hilfsarbeiter“, der damaligen Bezeichnung für wissenschaftliche Mitarbeiter, war Appel zunächst unter der Leitung von Dr. von Tubeuf, nach dessen Ernennung zum Leiter der Biologischen Abteilung unter der Leitung von Dr. Aderhold im Laboratorium „Botanik II“ tätig. Die Biologische Abteilung umfasste zu dieser Zeit zwei botanische, ein chemisches, ein zoologisches und ein bakteriologisches Laborato­rium. Als von Tubeuf im Jahre 1903 einem Ruf an die Universität München folgte, wurde Aderhold die neu geschaffene Stelle des „Direktors“ der Biologischen Abteilung übertragen. Appel wurde als dessen Nachfolger Laboratoriumsvorsteher und zum Regierungsrat und Mitglied der Biologischen Abteilung ernannt (Brammeier, 1998; Klinkowski, 1953).

Die Arbeiten der Biologischen Abteilung für Land- und Forstwirtschaft am Kaiserlichen Gesundheitsamt ent­wickelten eine große Eigendynamik und nahmen rasch an Umfang zu. Die Entfernung zwischen den Laboratorien im Kaiserlichen Gesundheitsamt in der Klopstockstraße in Tiergarten und dem Versuchsfeld in Dahlem erwies sich als hinderlich. So begann bereits im Jahre 1903 der Ausbau der Abteilung mit der Errichtung eigener Gebäude, die direkten Anschluss an das Versuchsfeld in Dahlem besaßen (Appel, 1927). Das neue Dienstgebäude mit 108 Räumen konnte bereits zum Jahresende 1904 bezogen werden. Zum 1. April 1905 wurde die Biologische Abteilung für Land- und Forstwirtschaft in „Kaiserliche Biologische Anstalt für Land- und Forstwirtschaft“ umbenannt. Das Pflanzenschutzinstitut der Königlichen Landwirtschaftlichen Hochschule wurde in die neu gegründete Anstalt integriert. Die bestehende Organisation in fünf Laboratorien der klassischen Disziplinen Botanik, Chemie, Zoologie und Bakteriologie blieb unverändert (Brammeier, 1998).

Im Jahre 1913 gab es eine organisatorische Änderung in der Kaiserlichen Biologischen Anstalt: als sechstes Laboratorium wurde ein „Laboratorium für Pflanzenschutz“ gegründet. Otto Appel wurde dessen Vorsteher und zum Geheimen Regierungsrat der Kaiserlich Biologischen Reichsanstalt ernannt. Im Bericht über die Tätigkeit der Kaiserlich Biologischen Anstalt für Land- und Forstwirtschaft im Jahre 1913 heißt es:

Die Erteilung von Auskünften über Fragen des praktischen Pflanzenschutzes hat einen solchen Umfang angenommen, daß die mit der Verarbeitung der Anfragen betrauten Mitglieder und Ständigen Mitarbeiter ihrer Hauptaufgabe, der wissenschaftlichen Forschung, zeitweilig fast ganz entzogen werden. Um diesem Übelstande zu begegnen, ist im Laufe des Berichtsjahres ein besonderes Laboratorium für Pflanzenschutz errichtet worden, dem in erster Linie die Bearbeitung der Auskünfte und des statistischen Materials über Krankheiten und Beschädigungen der Kulturpflanzen obliegt. Vorsteher dieses Laboratoriums ist Geheimer Regierungsrat Dr. Appel“ (Behrens, 1914).

Appels wissenschaftliche Arbeiten waren insbesondere auf die Verhütung des Auftretens von Krankheiten und Schädlingen durch die Verwendung von gesundem Saat- und Pflanzgut ausgerichtet. Einen Schwerpunkt bildeten die Krankheiten der Kartoffel. So sind Appels Unter­suchungen zur Kartoffellagerung, zur Schwarzbeinigkeit und zu den durch die Gattung Fusarium hervorgerufenen Pilzerkrankungen der Kartoffel hervorzuheben. Einen weiteren Arbeitsschwerpunkt bildeten Fragen der Beizung des Getreides gegen die schwer bekämpfbaren Flugbrandarten; gemeinsam mit Gassner entwickelte Appel eine Heißwasserbeizung. Darüber hinaus wurden von Appel und seinen engeren Mitarbeitern Rostkrankheiten des Getreides, aber auch Krankheiten und Schädlinge an Rüben, Obst und Wein bearbeitet. Bei all seinen Untersuchungen verfolgte Appel stets das Ziel der Ertragssicherung und Ertragssteigerung (Härle, 1967). Diesem Ziel dienten auch seine Bemühungen, die Züchtung widerstandsfähiger Pflanzensorten voranzubringen (Schwartz, 1933). Durch zahlreiche Vorträge machte sich Appel in der Praxis rasch einen Namen, und schnell wurde er zu aktiver Mitarbeit in der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft und anderen landwirtschaftlichen Körperschaften herangezogen (Schlumberger, 1955).

Abb. 3. Otto Appel und wissen­schaftliche Mitarbeiter des botanischen Labora­toriums (um 1908) (Quelle: Archiv des JKI, aus dem Privatbesitz von Prof. Dr. Otto Appel).

Abb. 3. Otto Appel und wissen­schaftliche Mitarbeiter des botanischen Labora­toriums (um 1908) (Quelle: Archiv des JKI, aus dem Privatbesitz von Prof. Dr. Otto Appel).

Abb. 4. Otto Appel in seinem privaten Arbeitszimmer (um 1910) (Quelle: Ar­chiv des JKI, aus dem Privatbesitz von Prof. Dr. Otto Appel).

Abb. 4. Otto Appel in seinem privaten Arbeitszimmer (um 1910) (Quelle: Ar­chiv des JKI, aus dem Privatbesitz von Prof. Dr. Otto Appel).

Im Ersten Weltkrieg fungierte Appel als erster Sachverständiger auf dem Gebiet der Kartoffellagerung (Schlumberger, 1947). Zu Beginn des Krieges befand sich Otto Appel auf Einladung des amerikanischen Landwirtschaftsministeriums in Nordamerika und besuchte dort Universitäten, an denen Phytopathologie gelehrt wurde, und landwirtschaftliche Versuchsstationen und Farmen, die sich insbesondere mit Kartoffelanbau befassten. Durch den Kriegsausbruch verlängerte sich sein Aufenthalt in den USA auf insgesamt 13 Monate. Auf einem norwegischen Frachter gelang es ihm, nach Europa und nach Deutschland zurückzukehren (Appel, 1916).

Nach Beendigung des Ersten Weltkrieges begannen erste Schritte in Richtung einer Neuorganisation der Anstalt. Durch Erlass des Staatssekretärs des Reichswirtschaftsamtes vom 7. Januar 1919 wurde der Name der Anstalt in „Biologische Reichsanstalt für Land- und Forstwirtschaft“ geändert. Appel übernahm zunächst für ein halbes Jahr die Vertretung des beurlaubten Direktors der Biologischen Reichsanstalt, Professor Dr. Behrens, und wurde zum 1. Januar 1920 nach dessen Eintritt in den Ruhestand zum Direktor der Biologischen Reichsanstalt berufen. Mit dieser Berufung wurde Appel seiner eigentlichen Lebensaufgabe zugeführt. Die ersten Arbeiten als Direktor der Biologischen Reichsanstalt galten nicht nur der Neuorganisation dieser Anstalt, sondern im besonderen Maße auch der Ausgestaltung des Deutschen Pflanzenschutzdienstes (Klinkowski, 1953).

Neuorganisation und Ausbau der Biologischen Reichsanstalt für Land- und Forstwirtschaft

Die Periode von 1920 bis 1933, in der Otto Appel Leiter der Biologischen Reichsanstalt war, kann als Ausbau­phase bezeichnet werden. Trotz allergrößter wirtschaftlicher und finanzieller Schwierigkeiten des Reiches gelang es Appel in den 1920er Jahren, die Anstalt neu zu organisieren und um eine Reihe von Außenstellen zu erweitern (Schlumberger, 1955).

Auch unter ihrem seit Januar 1919 neuen Namen war die Biologische Reichsanstalt für Land- und Forstwirtschaft organisatorisch zunächst weiterhin in sechs Laboratorien gegliedert: Laboratorium für Pflanzenschutz, Botanisches Laboratorium, Zoologisches Laboratorium I und II, Chemisches Laboratorium und Bakteriologisches Laboratorium (Appel, 1920). Bereits im Jahre 1919 unterbreitete Appel dem vorgesetzten Reichsministerium den gemeinsam mit den Mitgliedern der Anstalt erarbeiteten Vorschlag zur Neuorganisation, der im Jahre 1920 umgesetzt wurde. Es wurden drei Abteilungen gebildet, die ihrerseits eine unterschiedliche Anzahl von Laboratorien umfassten:

I. Wirtschaftliche Abteilung

II. Naturwissenschaftliche Abteilung

III. Auswärtige Dienststellen

So heißt es im Bericht über die Tätigkeit der Biologischen Reichsanstalt für Land- und Forstwirtschaft im Jahre 1920:

„Als „Wirtschaftliche Abteilung“ beschäftigt sich die erste Abteilung in 13 Laboratorien damit, die wissenschaftlichen Forschungsergebnisse in der Lehre von den Krankheiten und Schädlingen der Kulturpflanzen und ihrer Bekämpfung sowie in der landwirtschaftlichen Chemie und Bakterio­logie der Praxis nutzbar zu machen. Sie bemüht sich zu diesem Zwecke, allen Tagesfragen nach dem jeweiligen Stande der Wissenschaft Genüge zu leisten, und führt die dazu nötigen Untersuchungen neben den laufenden größeren Arbeiten durch.

Dadurch ist die zweite Abteilung, die die Bezeichnung „Naturwissenschaftliche Abteilung“ trägt und nach den Grundwissenschaften gegliedert ist, von der Kleinarbeit des Tages befreit worden und kann sich in den fünf Laborato­rien größeren Forschungsaufgaben ungestört widmen.

Die dritte Abteilung umfaßt die auswärtigen Zweigstellen, die aus dem Bedürfnis heraus entstanden sind, die Krankheiten und Schädlinge wirtschaftlich wichtiger Kulturpflanzen in deren Hauptanbaugebieten selbst zu erforschen und Mittel und Wege in ihrer Bekämpfung zu finden.„ (Appel, 1921).

Hervorzuheben ist auch die Gründung der „Prüfstelle für Pflanzenschutzmittel“ in der Reichsanstalt. So heißt es im Bericht über die Tätigkeit der Biologischen Reichsanstalt für Land- und Forstwirtschaft im Jahre 1920:

„Die bisher im Laboratorium für Pflanzenschutz vorgenommenen Prüfungen von Pflanzenschutzmitteln hatten allmählich einen solchen Umfang angenommen, dass sie abgetrennt und der neu eingerichteten „Prüfstelle für Pflanzenschutzmittel“ übertragen werden mußten. Die Prüfstelle hat auch die Vorarbeiten für die gesetzliche Regelung des Verkehrs mit Pflanzenschutzmitteln eingeleitet.“ (Appel, 1921a).

Zunächst von Karl Müller vorgeschlagen, dann von Appel aufgegriffen und gemeinsam mit dem Arbeitsausschuss des Deutschen Pflanzenschutzdienstes erarbeitet, entstand 1919 die Grundlage für die amtliche Pflanzenschutzmittelprüfung in Deutschland. Die Neuordnung der Prüfung war gekennzeichnet durch:

1. „einheitliche Richtlinien für das Prüfungsverfahren bei sämtlichen Prüfstellen,

2. Beschränkung der Zulassung zur Prüfung auf Mittel, deren chemische Zusammensetzung bei der Anmeldung vertraulich mitgeteilt wird und später nach schriftlicher Verpflichtung bei der Lieferung für den Handel unver­ändert bleibt,

3. gemeinsame Beurteilung der von der Biologischen Reichsanstalt zusammengestellten Prüfungsergebnisse durch einen Prüfungsausschuß und

4. regelmäßige Bekanntgabe der als brauchbar befundenen Erzeugnisse.“ (Müller, 1955).

Abb. 5. Organisation der Biolo­gischen Reichsanstalt für Land- und Forstwirt­schaft Berlin-Dahlem (Appel, 1921b).

Abb. 5. Organisation der Biolo­gischen Reichsanstalt für Land- und Forstwirt­schaft Berlin-Dahlem (Appel, 1921b).

Von der Biologischen Reichsanstalt erarbeitete Entwürfe für ein Reichspflanzenschutzgesetz und ein Gesetz über die Prüfung chemischer Pflanzenschutzmittel konnten aufgrund der schwierigen politischen und finanziellen Situation des Deutschen Reiches in den 1920er Jahren nicht umgesetzt werden. In der Biologischen Reichs­anstalt wurde ein Prüfverfahren für Pflanzenschutzmittel auf freiwilliger Basis entwickelt, das durch seinen amtlichen Charakter im In- und Ausland sehr schnell anerkannt wurde. Die Firmen waren an dem Prüfverfahren sehr interessiert, da die Praxis amtlich geprüfte Mittel bevorzugte. Die Landwirte konnten sicher sein, dass die geprüften Mittel wirksam und nicht phytotoxisch waren (Brammeier et. al., 2001).

Nicht nur chemische Pflanzenschutzmittel, auch Maschinen und Geräte zum Zwecke des Pflanzenschutzes wurden in der Reichsanstalt einer Prüfung unterzogen, die auf dem Grundsatz der Freiwilligkeit aufgebaut war (Müller, 1955).

Unter Otto Appels Leitung gewann die Anstalt über die Fachkreise hinaus immer mehr an Bedeutung und Beachtung und wurde kontinuierlich weiterentwickelt und ausgebaut. Bis zum Jahre 1919 waren die Arbeiten der Kaiserlich Biologischen Anstalt für Land- und Forstwirtschaft hauptsächlich darauf ausgerichtet, grundlegende wissenschaftliche Kenntnisse über die Krankheiten und Schädlinge der Kulturpflanzen zu erlangen und daraus direkte Bekämpfungsmaßnahmen abzuleiten. Unter Otto Appels Leitung änderte sich der Fokus: Neben dem wichtigen Bereich der grundlegenden Wissenschaft rückten die Bedürfnisse der Praxis stärker in den Vordergrund. Appel führte ökonomische Untersuchungen zu den durch Krankheiten und Schädlinge hervorgerufenen Ertragsverlusten durch. Die Erkenntnis, dass gegen eine Reihe von Krankheiten und Schädlinge, die große wirtschaftliche Schäden verursachen konnten, keine direkten Bekämpfungsmaßnahmen zur Verfügung standen, führte dazu, dass vorbeugende Maßnahmen an Bedeutung gewannen, wie z.B. die Resistenzzüchtung. Dies führte schon früh zur Einrichtung eines Laboratoriums für Züchtungskunde in der Kaiserlich Biologischen Anstalt (Appel, 1921b).

Appel gelang es, das nach dem Ersten Weltkrieg mit Mitteln der Kartoffelbaugesellschaft gegründete Forschungsinstitut für Kartoffelbau, dessen Leitung er in den Jahren 1919 bis 1923 nebenamtlich inne hatte, in die Biologische Reichsanstalt einzugliedern und damit das Aufgabenspektrum der Reichsanstalt erheblich zu erweitern (Schwartz, 1933). 

Abb. 6. Otto Appel in seinem Dienstzimmer, im Hinter­grund das von ihm entwickelte Organigramm der Biologischen Reichsanstalt (Quelle: Archiv des JKI, aus dem Privatbesitz von Dr. Fischer, Hep­penheim).

Abb. 6. Otto Appel in seinem Dienstzimmer, im Hinter­grund das von ihm entwickelte Organigramm der Biologischen Reichsanstalt (Quelle: Archiv des JKI, aus dem Privatbesitz von Dr. Fischer, Hep­penheim).

Zum Ausscheiden von Professor Appel als Direktor der Biologischen Reichsanstalt im Jahre 1933 umfasste die Anstalt sechs Abteilungen mit 23 Laboratorien in Berlin-Dahlem, fünf Zweigstellen und mehreren „Fliegenden Stationen“. Darüber hinaus bestanden Arbeitsgemeinschaften mit dem Institut für landwirtschaftliche Botanik in Braunschweig-Gliesmarode als gemeinsamem Institut der Biologischen Reichsanstalt und des Botanischen Instituts der Technischen Hochschule Braunschweig und mit dem Deutschen Entomologischen Institut in Berlin-Dahlem (Schwartz, 1933). Begann die Arbeit der Biologischen Abteilung im Jahre 1899 mit zehn wissenschaftlichen Mitarbeitern, so war die Zahl im Jahre 1930 auf 52 wissenschaftliche Mitarbeiter angestiegen, ergänzt durch elf weitere wissenschaftliche „Hilfsarbeiter“, die aus Drittmitteln oder besonderen Zuwendungen des Reichsministeriums für Ernährung und Landwirtschaft bezahlt wurden (Appel, 1930).

Der Aufbau von Zweigstellen war der Notwendigkeit geschuldet, Krankheiten und Schädlinge in den Haupt­anbaugebieten ihrer Wirtspflanzen zu studieren:

– In Naumburg/Saale wurden Arbeiten zur Reblaus fortgesetzt, die zuvor bereits seit 1907 in der ersten Außenstation der Dahlemer Anstalt, der Reblaus-Station in Ulmenweiler bei Metz/Lothringen, begonnen worden waren.

– Der Zweigstelle Aschersleben, gegründet im Jahre 1920, wurde die Erforschung der Krankheiten und Schädlinge im Gemüse- und Zierpflanzenbau übertragen.

– In der 1921 gegründeten Zweigstelle in Stade wurden Krankheiten und Schädlinge im Obstbau und deren Bekämpfung erforscht.

– Ebenfalls 1921 entstand eine Zweigstelle in Trier, die 1926 nach Bernkastel-Kues verlegt wurde und für die Erhaltung der Gesundheit und der Leistungsfähigkeit der Weinreben zuständig war.

– 1925 entstand in Kiel-Kitzeberg die Zweigstelle zur Erforschung der Schädlinge des Getreides und der Futterpflanzen einschließlich Ölpflanzen (Klingauf und Brammeier, 1998).

Daneben entstanden zahlreiche „Fliegende Stationen“, die temporär Spezialfragen zu bearbeiten hatten, wie z.B. die Erforschung der Nonnenplage, Untersuchungen zur Rübenfliege oder zur Wiesenschnake oder auch zur Resistenzzüchtung der Kartoffel.

Appel pflegte eine intensive Zusammenarbeit mit Instituten verwandter Arbeitsgebiete an Universitäten und der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft. So war er maßgeblich an der Gründung einer Arbeitsgemeinschaft zwischen der Biologischen Reichsanstalt für Land- und Forstwirtschaft in Berlin-Dahlem und dem Botanischen Institut der Technischen Hochschule Braunschweig im Jahre 1927 beteiligt. Diese Arbeitsgemeinschaft beschäftigte sich vorwiegend mit der Erforschung der Widerstandsfähigkeit von Kulturpflanzen gegenüber Frost. Kooperationspartner war Professor Gassner, der seit 1921 die Professur für Botanik der Technischen Hochschule Braunschweig inne hatte und der bereits in früheren Jahren als Hilfsarbeiter in der Biologischen Reichsanstalt in Berlin-Dahlem gemeinsam mit Appel Untersuchungen zu Getreidemykosen durchgeführt hatte. Im Jahre 1930 wurde in Braunschweig-Gliesmarode ein Forschungsinstitut für landwirtschaftliche Botanik als gemeinsames Institut der Biologischen Reichsanstalt und des Botanischen Instituts der Technischen Hochschule Braunschweig eröffnet. Nach Gassners Entlassung im Jahre 1933 wurde die Arbeitsgemeinschaft aufgelöst; gemäß Erlass des Reichsministers für Ernährung und Landwirtschaft vom 8. Mai 1934 wurde das Institut unter der Bezeichnung: „Zweigstelle Gliesmarode“ (Forschungsinstitut für landwirtschaftliche Botanik) in die Biologische Reichsanstalt für Land- und Forstwirtschaft“ eingegliedert (Brammeier, 1998).

Doch Otto Appel widmete sich nicht nur dem Ausbau der Biologischen Reichsanstalt, die mit der Biologischen Reichsanstalt eng verbundene leistungsfähige Organi­sation des Deutschen Pflanzenschutzdienstes, dessen Netz sich über das gesamte Reichsgebiet erstreckte, stand ebenfalls in seinem Fokus.

Organisation des Deutschen Pflanzenschutzdienstes

Als offizielles Gründungsdatum des Deutschen Pflanzenschutzdienstes gilt der 22. Mai 1905, als der damalige Reichskanzler in einem Erlass den entscheidenden Anstoß zur Errichtung einer gemeinsamen, einheitlichen, aus amtlichen Stellen bestehenden Pflanzenschutzorganisation gab. Diese Organisation war bereits gleichzusetzen mit dem Deutschen Pflanzenschutzdienst. Zunächst war die offizielle Bezeichnung dieses Dienstes jedoch „Organisation zur Beobachtung und Bekämpfung von Pflanzenkrankheiten“, deren Vorläufer der von der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft (DLG) getragene „Sonderausschuß für Pflanzenschutz“ war. Der „Sonderausschuß für Pflanzenschutz“ hatte seine Aktivitäten stetig weiter ausgebaut, so dass sie inzwischen für eine private Organisation zu umfangreich und kaum noch handhabbar geworden waren. Mit dem Erlass des Reichskanzlers ging das,,Meldewesen“, d.h. die Erfassung des Auftretens von Krankheiten und Schädlingen in Deutschland, nun von der DLG auf die Kaiserliche Biologische Anstalt über (Klingauf und Brammeier, 1998). Der „Sonderausschuß für Pflanzenschutz“ der DLG existierte nach der Übergabe des Meldedienstes an die Kaiserlich Biologische Anstalt als beratendes Fachgremium weiter (Brammeier, 1998).

Appel beschreibt die Organisation des Pflanzenschutzes zu dieser Zeit wie folgt:

„Als Zentralstelle für die Organisation wurde die Kaiserliche Biologische Anstalt in Dahlem bestimmt. In den einzelnen Bundesstaaten wurden Hauptstellen errichtet, die in Bayern, Württemberg, Baden, Sachsen und Braunschweig, den thüringischen Staaten, Hamburg und Lübeck staatlichen Instituten angegliedert wurden, während in Preußen, Hessen und Oldenburg die Landwirtschaftskammern die Träger dieser Einrichtung wurden. In Mecklenburg übernahm es der patriotische Verein, an seiner landwirtschaft­lichen Versuchsanstalt eine entsprechende Einrichtung zu treffen; Anhalt und Lippe schlossen sich den benachbarten preußischen Provinzen Sachsen und Westfalen an.“ (Appel, 1921b).

Otto Appel gelang es trotz erheblicher Widerstände, die verschiedenen Verwaltungsstellen unterstehenden Institutionen des Pflanzenschutzes zu vereinheitlichen und unter der Leitung der Biologischen Reichsanstalt zusammenzuführen. Im Juni 1919 fand unter der Leitung Otto Appels erstmals eine zweitägige Sitzung von Vertretern der Organisation des Pflanzenschutzes und der Biologischen Reichsanstalt in der Reichsanstalt in Dahlem statt. Bereits drei Beratungen dieser Art hatten jeweils eintägig in den Jahren 1910, 1911 und 1918 stattgefunden. Im Mittelpunkt der Beratung im Juni 1919 stand die Frage, wie die Zusammenarbeit zwischen den Pflanzenschutzstellen und der Biologischen Reichsanstalt verbessert und die Ergebnisse für die praktische Landwirtschaft nutzbar gemacht werden könnten. Dazu legte Appel Richtlinien vor, die nach intensiver Diskussion verabschiedet wurden. So heißt es in dem „Tätigkeitsbericht der Biolo­gischen Reichsanstalt für Land- und Forstwirtschaft im Jahre 1919“:

„Eine am 11. und 12. Juni 1919 in der B.R.A. abgehaltene Versammlung von Vertretern der Hauptstellen für Pflanzenschutz befaßte sich in erster Linie mit der Frage, durch welche Maßnahmen am besten das Zusammenarbeiten der Hauptstellen mit der B.R.A. und deren Nutzbarmachung für die Bedürfnisse der praktischen Landwirtschaft gefördert werden könnte.

Der Besprechung wurden die von Geh. Regierungsrat Prof. Dr. Appel aufgestellten Leitsätze zugrunde gelegt, die mit geringen Änderungen einstimmig angenommen wurden.

Daraus ergeben sich für den gesamten Pflanzenschutzdienst nachstehende Richtlinien:

I. Allgemein

1. Ausbau und Vertiefung des Unterrichts in der Pflanzenkrankheitslehre an den Universitäten, Landwirtschaftlichen Hochschulen, Landwirtschafts- und Winterschulen.

2. Förderung der Forschung an der B.R.A., an den Uni­versitäten, Landwirtschaftlichen Hochschulen, in den Hauptstellen für Pflanzenschutz und Zusammenschluß dieser Stellen zu gemeinsamer Arbeit.

3. Enge Fühlungnahme mit der praktischen Landwirtschaft und ihren Vertretungen.

4. Gesetzliche Regelung des Pflanzenschutzes und des Verkehrs mit Pflanzenschutzmitteln.

II. Träger der Organisation

1. Das Reich, das die Zentrale (B.R.A.) unterhält,

2. die Länder, die die Hauptstellen unterhalten.

III. Verhältnis der B.R.A. zu den Hauptstellen

1. Die B.R.A. bildet die Zentrale für den Pflanzenschutzdienst im Deutschen Reich.

2. Die Hauptstellen vereinigen sich mit ihr zu gemeinsamer Arbeit nach vorher festgelegtem Plan, und zwar

a) zur Durchführung eines einheitlichen Meldedienstes,

b) zu gemeinsamen Versuchen. …“ (Appel, 1920).

Die Aufgaben und Zuständigkeiten der Hauptstellen und der Biologischen Reichsanstalt wurden in den Richtlinien detailliert dargelegt. So ist Appel zum Organisator des Deutschen Pflanzenschutzdienstes geworden, dessen Struktur vielen europäischen und außereuropäischen Ländern als Vorbild diente (Klinkowski, 1953).

In den Jahren 1919 bis 1937, in denen eine besonders enge Zusammenarbeit zwischen dem Pflanzenschutzdienst und der Biologischen Reichsanstalt für Land- und Forstwirtschaft bestand, bildeten die jährlich abgehaltenen Vollversammlungen das Forum, auf dem die gemeinsamen Versuche und Prüfungsaufgaben (Saatgut, Pflanzenschutzmittel, Geräte) besprochen wurden. Die Vollversammlungen wurden durch einen Arbeitsausschuss vorbereitet.

Durch das „Gesetz zum Schutze der landwirtschaftlichen Kulturpflanzen“, das am 5. März 1937 veröffentlicht wurde, erhielt der Deutsche Pflanzenschutzdienst seine feste gesetzliche Grundlage. Es trat zwar erst nach Appels Emeritierung im Jahre 1937 in Kraft, doch hatte Appel den ersten Entwurf dafür bereits im Jahre 1914 erstellt. Dieses Pflanzenschutzgesetz war das erste seiner Art in Deutschland und doch so fundiert, dass es 30 Jahre lang die Grundlage für den Amtlichen Pflanzenschutzdienst bildete. In den §§ 4 und 5 des Pflanzenschutzgesetzes von 1937 wurden Bestimmungen getroffen, die zu einer Arbeitsteilung zwischen der Biologischen Reichsanstalt für Land- und Forstwirtschaft und dem Pflanzenschutzdienst führten. Die Hauptstellen, die bis zur Verabschiedung des neuen Pflanzenschutzgesetzes in ihrer Gesamtheit unter der Führung der Biologischen Reichsanstalt für Land- und Forstwirtschaft den Deutschen Pflanzenschutzdienst bildeten, wurden nun dem Reichsnährstand unterstellt. Sie wurden zu Pflanzenschutzämtern, die bei den Landesbauernschaften angesiedelt waren, und hatten die praktische Bekämpfung der Schaderreger und die Aufklärung der Landwirte zu unterstützen. Die Biologische Reichsanstalt für Land- und Forstwirtschaft hingegen war für den Bereich der Forschung und Prüfung zuständig, allerdings ausgestattet mit Weisungsbefugnissen zur Durchführung bestimmter Pflanzenschutzmaßnahmen (Brammeier, 1998).

Auch die Vollversammlungen von Pflanzenschutzdienst und Biologischer Reichsanstalt nahmen neue Formen an, in dem sie sich für den Gesamtbereich Phytopathologie und Pflanzenschutz öffneten und zu der Großveranstaltung „Deutsche Pflanzenschutztagung“ wurden.

Weitere Arbeitsschwerpunkte und Verdienste Otto Appels

Besondere Verdienste hat sich Otto Appel auch als Hochschullehrer erworben. An der Landwirtschaftlichen Hochschule in Berlin wurde er 1922 zum Professor ernannt. Mit großer Begeisterung vermittelte er den Studierenden sein Wissen auf dem Gebiet des Pflanzenschutzes durch Vorlesungen, Praktika und Exkursionen; er erwies sich als beliebter und äußerst erfolgreicher Hochschullehrer. Zahlreiche Doktoranden fertigten ihre Promotionsarbeiten zu Themen aus dem Bereich des Pflanzenschutzes in der Biologischen Reichsanstalt an. Otto Appels Bestreben ging stets dahin, die Pflanzenpathologie zu einer selbständigen und gleichberechtigten Wissensdisziplin innerhalb der Agrarwissenschaften zu entwickeln, die als obligates Prüfungsfach anerkannt war. Die Eingliederung des Pflanzenschutzes in den Lehrplan von Universitäten und Hochschulen ist zu einem großen Teil auch sein Verdienst (Klinkowski, 1953).

Otto Appel war Mitbegründer des 1928 entstandenen „Verbandes Deutscher Pflanzenärzte“, der bestrebt war, den Berufsstand des Pflanzenarztes zu etablieren. Der Verband setzte sich für eine einheitliche Ausbildung ein, um dem „Kurpfuschertum im Pflanzenschutz“ entgegen zu treten, wie in den Verbandsunterlagen nachzulesen ist. Otto Appel war einer der ersten, der den Begriff des „Pflanzenarztes“ nutzte und die Gleichstellung der Phytomedizin mit der Human- und Veterinärmedizin forderte. Die nach dem 2. Weltkrieg entstandene „Vereinigung Deutscher Pflanzenärzte“, die Vorgängereinrichtung der heutigen Deutschen Phytomedizinischen Gesellschaft, ernannte ihn zu ihrem Ehrenvorsitzenden. 

Abb. 7. Botanisch phytopathologische Exkursion nach Straussberg-Rüdersdorf am 27. Juni 1931 (Quelle: Archiv des JKI, aus dem Privatbesitz von Prof. Dr. Richter).

Abb. 7. Botanisch phytopathologische Exkursion nach Straussberg-Rüdersdorf am 27. Juni 1931 (Quelle: Archiv des JKI, aus dem Privatbesitz von Prof. Dr. Richter).

Abb. 8. Botanisch phytopathologische Exkursion nach Straussberg-Rüdersdorf am 27. Juni 1931 (Quelle: Archiv des JKI, aus dem Privatbesitz von Prof. Dr. Richter).

Abb. 8. Botanisch phytopathologische Exkursion nach Straussberg-Rüdersdorf am 27. Juni 1931 (Quelle: Archiv des JKI, aus dem Privatbesitz von Prof. Dr. Richter).

Otto Appels Interessen waren jedoch keineswegs rein auf phytopathologische Fragen ausgerichtet, dies verhinderte sein immer auf das Ganze gerichteter Blick und die von ihm immer wieder betonte Bedeutung aller Nach­bardisziplinen. Er zählte zu den aktivsten Mitarbeitern der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft und wurde für seine Verdienste um die deutsche Landwirtschaft mit der großen silbernen Eyth-Medaille ausgezeichnet (Schlumberger, 1947). Er hat wesentlich dazu beigetragen, dass die Pflanzenpathologie in der Pflanzenzüchtung entsprechende Berücksichtigung fand. Appel zählte zu den Begründern der Gesellschaft zur Förderung Deutscher Pflanzenzucht und wirkte im Vorstand der Gesellschaft mit. Auch im Vorstand der Deutschen Botanischen Gesellschaft wirkte Appel aktiv mit, viele Jahre auch als deren Präsident. Des Weiteren gehörte er dem Beirat des Internationalen Landwirtschaftsinstituts in Rom an (Schlumberger, 1955).

Durch den großen Radius seines Wirkungskreises und seine zahlreichen Reisen, die ihn in die verschiedensten europäischen Länder und dreimal auch in die USA und nach Kanada führten, ist Otto Appel auch im Ausland über die engeren Fachkreise hinaus bekannt geworden. Dies hat zur Anknüpfung zahlreicher internationaler Verbindungen beigetragen. Er war Ehrenmitglied der Association of Economic Biologists in London, der Canadian Phytopathological Society und der Schweizer Botanischen Gesellschaft sowie ordentliches Mitglied der American Phytopathological Society, auswärtiges Mitglied der Schwedischen Landwirtschaftlichen Akademie und korrespondierendes Mitglied der Niederländischen Botanischen Vereinigung. Die Hochschule für Bodenkultur in Wien, die Universität Sofia und die Universität Berlin verliehen Otto Appel die Ehrendoktorwürde (Klinkowski, 1953).

Otto Appel hat seine Arbeiten in zahlreichen Veröffentlichungen und Vorträgen vorgestellt und damit die Reichsanstalt national und international bekannt gemacht. Er trat auch als Herausgeber oder Mitherausgeber großer Werke in Erscheinung, beispielsweise von Sorauers „Handbuch der Pflanzenkrankheiten“, Knuths „Handbuch der Blütenbiologie“ und Hager-Toblers „Das Mikroskop“ sowie der „Deutschen Landwirtschaftlichen Rundschau“, der „Phytopathologischen Zeitschrift“ und den Zeitschriften „Der Biologe“ und „Der Pflanzenbau“. Es ist Appels Anregung zu verdanken, dass Sorauers „Handbuch der Pflanzenkrankheiten“ ein Pflanzenschutzband angegliedert worden ist, an dessen Weiterentwicklung und Vervollkommnung Appel bis zu seinem Tode unermüdlich gearbeitet hat. Mitgewirkt hat er auch an zahlreichen bekannten Werken, z.B. dem „Handbuch der technischen Mykologie“ von Lafar, „Der Mensch und die Erde“ von Krämer, „Lebensgeschichte der Pflanzenwelt Mitteleuropas“ von Kirchner, Loew und Schröter, Thom’s „Handbuch der Pharmazie“ und „Ullsteins Landwirtschaftliches Lexikon“ (Klinkowski, 1953).

Besonders hervorzuheben sind die von Appel heraus­gegebenen „Taschenatlanten“, die die wichtigsten Krankheiten und Schädlinge der Kulturpflanzen behandelten und von dem Kunstmaler August Dressel hervorragend illustriert wurden. Die Taschenatlanten fanden in Wissenschaft und Praxis gleichermaßen großen Anklang und haben das Interesse der Landwirtschaft und des Gartenbaus für den Pflanzenschutz geweckt.

Das Ausscheiden aus dem Dienst im Jahre 1933 durch Erreichen der Altersgrenze bedeutete für Appel „kein in den Ruhestand treten“. Wenn er auch nach außen weniger in Erscheinung trat, so war er doch weiter aktiv und stand gern in beratender Funktion zur Verfügung. Regelmäßig nahm er an den Deutschen Pflanzenschutztagungen teil.

Anlässlich seines 85. Geburtstages am 19. Mai 1952 wurde Professor Appel als erstem Pflanzenpathologen das „Große Verdienstkreuz“ verliehen. Am gleichen Tage wurde er mit der Otto-Appel-Denkmünze ausgezeichnet. Diese Denkmünze wurde unter der Schirmherrschaft von Ministerialdirektor Professor Maier-Bode anlässlich der Vollendung des 85. Lebensjahres von Geheimrat Professor Appel von der Wirtschaft gestiftet und ihm als erstem Preisträger verliehen. Die Otto-Appel-Denkmünze kann auch heute noch jährlich, jeweils am Geburtstag Otto Appels für wertvolle wissenschaftliche oder organisatorische Arbeit auf dem Gebiet des Pflanzenschutzes verliehen werden. Die feierliche Überreichung erfolgt i.d.R. im Rahmen der Eröffnungsveranstaltungen der Deutschen Pflanzenschutztagungen.

Abb. 9. Verleihung der Otto-Appel-Denkmünze am 19. Mai 1952 (Quelle: Archiv des JKI).

Abb. 9. Verleihung der Otto-Appel-Denkmünze am 19. Mai 1952 (Quelle: Archiv des JKI).

Abb. 10. Geheimrat Professor Dr. Dr. h.c. mult. Otto Appel im Jahre 1952 mit dem Großen Verdienstkreuz (Quelle: Archiv des JKI).

Abb. 10. Geheimrat Professor Dr. Dr. h.c. mult. Otto Appel im Jahre 1952 mit dem Großen Verdienstkreuz (Quelle: Archiv des JKI).

Otto Appels Wirken war dadurch ausgezeichnet, dass seine Planungen stets zukünftige Entwicklungen und Entwicklungsmöglichkeiten einbezogen, und dass er sich nie mit dem erreichten Ergebnis begnügte. Appel war der große Organisator, den der Deutsche Pflanzenschutzdienst und die phytopathologische Forschung in ihrem damaligen Entwicklungsstadium dringend benötigten.

Otto Appel verstarb am 10. November 1952 im Alter von 85 Jahren. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Julius Kühn-Instituts und die Mitglieder der Deutschen Phytomedizinischen Gesellschaft werden ihm stets ein ehrendes Andenken bewahren.

Literatur

Appel, O., ohne Datumsangabe: Persönliche Aufzeichnung „Wie ich Botaniker wurde“, Archiv des Julius Kühn-Instituts.

Appel, O., ohne Datumsangabe: Persönlich verfasster Lebenslauf, Archiv des Julius Kühn-Instituts.

Appel, O., 1916: Während des Krieges in den Vereinigten Staaten von Nordamerika. Ein Vortrag von O. Appel. Berlin, Gebrüder Borntraeger.

Appel, O., 1920: Bericht über die Tätigkeit der Biologischen Reichsanstalt für Land- und Forstwirtschaft im Jahre 1919. Mitteilungen aus der Biologischen Reichsanstalt für Land- und Forstwirtschaft, Heft 18, 1920.

Appel, O., 1921a: Bericht über die Tätigkeit der Biologischen Reichsanstalt für Land- und Forstwirtschaft im Jahre 1920. Mitteilungen aus der Biologischen Reichsanstalt für Land- und Forstwirtschaft, Heft 21, 1921.

Appel, O., 1921b: Die Organisation des Pflanzenschutzes im Deutschen Reich. Arbeiten der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft, Heft 314, 1921.

Appel, O., 1926: Die wirtschaftliche Bedeutung des Pflanzenschutzes. In: Vogt, E.: Die chemischen Pflanzenschutzmittel. Berlin, W. de Gruyter Verlag, 1926. 5-9.

Appel, O., 1927: Die Bedeutung der Arbeiten der Biologischen Reichsanstalt für die praktische Landwirtschaft. Mitteilungen der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft Stück 11, 1927.

Appel, O., 1930: Die Biologische Reichsanstalt 25 Jahre selbständige Reichsbehörde. Nachrichtenblatt des Deutschen Pflanzenschutzdienstes 10 (4), 25-28.

Appel, O., 1949: Wie ich Botaniker wurde. Pharmazeutische Zeitschrift 85, 240-243.

Behrens, J., 1914: Bericht über die Tätigkeit der Kaiserl. Biologischen Anstalt für Land- und Forstwirtschaft im Jahre 1913. Mitteilungen aus der Kaiserlichen Biologischen Anstalt für Land- und Forstwirtschaft, Heft 15, 1914.

Brammeier, H., 1998: 100 Jahre Biologische Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft – Entwicklung und Organisation des Pflanzenschutzes in Deutschland. Berichte aus der Biologischen Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft, Heft 41, 296 S.

Brammeier, H. et. al., 2001: Biologische Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft: Pflanzenschutz, Umweltschutz, Verbraucherschutz im Spiegel der BBA-Arbeiten und jüngsten Regierungs­erklärungen. Nachrichtenblatt des Deutschen Pflanzenschutzdienstes 53 (5), 120-127.

Härle, A., 1967: Ein „Griff in die Geschichte“ des deutschen Pflanzenschutzes. Separatdruck aus „Pflanzenschutz-Berichte“, XXXV, 1967, Heft 11/12, 161-164. Archiv des Julius Kühn-Instituts.

Klingauf, F., H. Brammeier, 1998: Phytomedizin und Pflanzenschutz 100 Jahre unter dem Dach der Biologischen Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft (BBA). Nachrichtenblatt des Deutschen Pflanzenschutzdienstes 50 (6), 140-147.

Klinkowski, M., 1953: Otto Appel (1867–1952). Zeitschrift für Pflanzenzüchtung 32, 1-6.

Müller, H., 1955: Die Entwicklung der amtlichen Prüfung von Pflanzenschutzmitteln und ihre Bedeutung für den Deutschen Pflanzenschutzdienst. Nachrichtenblatt des Deutschen Pflanzenschutzdienstes 7 (5), 77-79.

Schlumberger, O., 1947: Otto Appels Verdienste um den deutschen Pflanzenschutz. Festschrift zur Feier des achtzigsten Geburtstags von Geh. Reg.-Rat Prof. Dr. Dr. h. c. Otto Appel, Präsident der Biologischen Reichsanstalt i. R., am 19. Mai 1947. Berlin, Ernst Sager, 1947.

Schlumberger, O., 1955: Otto Appel 1867-1952. Berichte der Deutschen Botanischen Gesellschaft 68 a, 211-215.

Schwartz, M., 1933: Otto Appel. Nachrichtenblatt des Deutschen Pflanzenschutzdienstes 8, 1933.


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