Mitteilungen und Nachrichten
Das Institut „Pflanzengesundheit“ des Julius Kühn-Instituts (JKI) teilt mit:
EFSA-Projekt „Surveillance“: Leitlinien und „Pest survey cards“ zur Überwachung von Pflanzenschädlingen
Journal für Kulturpflanzen, 70 (7). S. 229–234, 2018, ISSN 1867-0911, Verlag Eugen Ulmer KG, Stuttgart
Die Europäische Kommission hat die EFSA aufgefordert, die Mitgliedstaaten bei der Planung und Durchführung ihrer Aktivitäten zur Erhebung des Vorkommens von Schädlingen zu unterstützen. Insbesondere wurde die EFSA gebeten, wissenschaftliche und technische Leitlinien im Zusammenhang mit der neuen Pflanzengesundheitsverordnung (Verordnung (EU) 2016/2031) vorzulegen. Darüber hinaus sollen diese Leitlinien das Kofinanzierungsprogramm der Europäischen Kommission für die jährlichen Erhebungen der Mitgliedstaaten in Bezug auf EU-relevante Schädlinge (Verordnung (EU) Nr. 652/2014) unterstützen. Es steht daher an, bis Ende 2019 47 Erhebungsbögen zu erstellen, die praktische Informationen zum Erhebungsdesign enthalten, detaillierte Erhebungsrichtlinien für 3 verschiedene Schädlinge in Zusammenarbeit mit den EU-Mitgliedstaaten in der Form von Fallstudien zu entwickeln und die Mitgliedstaaten bei der Anwendung statistischer Methoden und der Verwendung der beiden Web-basierten Werkzeuge der EFSA RiBESS+ und SAMPELATOR zu unterstützen. Diese helfen beim Entwurf der Stichprobenstrategie, einschließlich der Berechnung der Stichprobengröße. Ziel ist hiermit EU-weit zu einem harmonisierten Ansatz zur Schädlingsüberwachung beizutragen, um sowohl das Risikomanagement als auch die Risikobewertung zu verbessern.
Die Richtlinie 2000/29/EG des Rates legt die phytosanitären Bestimmungen und die durchzuführenden Kontrollen bei Pflanzen und Pflanzenerzeugnissen fest, die für die EU bestimmt sind oder innerhalb der EU verbracht werden. Eine Revision dieser Richtlinie resultierte in der Verordnung (EU) 2016/2031 über Schutzmaßnahmen gegen Pflanzenschädlinge, die am 26. Oktober 2016 angenommen wurde. Sie gilt ab Dezember 2019 und ersetzt die Richtlinie 2000/29/EG. Ein besonderer Fokus wurde auf Vorsorge und Risikobewertung gelegt. Darüber hinaus enthält die Verordnung (EU) Nr. 652/2014 die Bestimmungen zur Verwaltung der Ausgaben für die Lebensmittelkette, die Tiergesundheit und den Tierschutz sowie für Pflanzengesundheit und Pflanzenvermehrungsmaterial. Die EU-Kommission kofinanziert jährlich die Erhebungsaktivitäten der Mitgliedstaaten für Pflanzenschädlinge („Schädlinge“), die für die Pflanzengesundheitspolitik der EU von Bedeutung sind. Genaueres dazu ist im Arbeitsprogramm der Kommission enthalten.
Für die in der Tabelle aufgeführten Schädlinge sollen Erhebungsbögen erstellt werden, wobei die Liste von der Kommission noch revidiert werden kann, sofern Bedarf besteht. Die Bögen sollen praktisch und angemessen für Endnutzer sein und sich insbesondere auf Wirtspflanzen, Gebiete und Zeitpunkte der Erhebung, sowie Probenahmeverfahren und eine Liste verfügbarer Nachweismethoden konzentrieren.
Tab. 1. Vorläufige Liste der Schädlinge, für die 2018 und 2019 Erhebungsbögen erstellt werden sollen. In Fett sind die drei Pilotorganismen markiert
Schädlinge 2018 | Schädlinge 2019 |
Xylella fastidiosa | Hop stunt viroid und Citrus bark cracking viroid |
Agrilus planipennis | Polygraphus proximus |
Phyllosticta citricarpa | Thaumatotibia leucotreta |
Anoplophora glabripennis | Thrips setosus |
Popillia japonica | Tomato leaf curl New Delhi virus |
Scrobipalpopsis (Tecia) solanivora | Xylosandrus crassiusculus |
Candidatus Liberibacter spp. und seine Vektoren (Diaphorina citri and Trioza erytreae) | Anoplophora chinensis |
Synchytrium endobioticum | Pomacea |
Toxoptera citrida | Agrilus anxius |
Bursaphelenchus xylophilus | Anthonomus eugenii |
Monochamus spp. (nicht-europäisch) | Dendrolimus sibiricus |
Erwinia stewartii | Grapevine flavescence dorée phytoplasma |
Xanthomonas campestris (alle Citrus-pathogenen Stämme) | Radopholus similis |
Geosmithia morbida und sein Vektor Pityophthorus juglandis | Scaphoideus titanus |
Citrus tristeza virus (nicht- europäische Stämme) | Aleurocantus spp. |
Epitrix spp. | Dacus dorsalis |
Gibberella circinata | Pterandrus rosa |
Pseudomonas syringae pv. actinidiae | Rhagoletis fausta |
Clavibacter michiganensis ssp. sepedonicus | Agrilus auroguttatus |
Ralstonia solanacearum | Aromia bungii |
Globodera pallida und G. rostochiensis | Scirtothrips sp |
Atropellis spp. | |
Eotetranychus lewisi | |
Diaporthe vaccinii | |
Pissodes spp. (nicht-europäisch) | |
Candidatus Liberibacter solanacearum |
Die EFSA hat eine Software entwickelt, die die Berechnung statistisch signifikanter Probenahmen für Schädlinge ermöglicht. RiBESS+ wurde im Zusammenhang mit der Tiergesundheit entwickelt (vormals RIBESS) und wird in Ländern oder Gebieten angewendet, in denen der Schädling bislang nicht aufgetreten ist. Die Sofware SAMPELATOR dagegen wird angewendet, um die Prävalenz eines bereits im relevanten Land/Gebiet vorkommenden Schädlings zu ermitteln. Die Mitgliedstaaten sollen mit diesen beiden statistischen Verfahren vertraut gemacht werden, so dass sie sie bei der Planung und Gestaltung ihrer jährlichen Erhebungsprogramme für Pflanzenschädlinge anwenden können. In einer Pilotphase soll die Anpassung und Weiterentwicklung der IT-Verfahren für die Pflanzengesundheit stattfinden.
Die Leitlinien sollen kurz und prägnant und in Übereinstimmung mit dem Internationalen Standard für phytosanitäre Maßnahmen ISPM 6 (Guidelines for Surveillance) des Internationalen Pflanzenschutzübereinkommens verfasst werden. Die hierzu ausgewählten Schädlinge sind der Eschenprachtkäfer Agrilus planipennis, der Pilz Phyllosticta citricarpa (Schwarzfleckigkeit an Citrus) und das Bakterium Xylella fastidiosa. Das Ergebnis werden praktische Leitliniendokumente sein, die den Bedürfnissen der Endnutzer entsprechen. Inwieweit danach Leitlinien zur Überwachung der anderen in Tabelle 1 aufgeführten Schädlinge entwickelt werden sollen, wird von der Kommission geprüft und die EFSA gegebenenfalls in einem gesonderten Mandat dazu aufgefordert.
Das Institut für nationale und internationale Angelegenheiten des JKI ist an diesem Projekt maßgeblich beteiligt. Die deutschen Pflanzenschutzdienste wurden hierzu auch bereits informiert und die Expertise interessierter Pflanzenschutzdienste eingeholt. Das Projekt läuft noch bis Herbst 2020.
(Gritta Schrader,
JKI Braunschweig)
Das Institut „Pflanzengesundheit“ des Julius Kühn-Instituts (JKI) teilt mit:
Expressrisikoanalyse zu Pterolophia multinotata
Journal für Kulturpflanzen, 70 (7). S. 229–234, 2018, ISSN 1867-0911, Verlag Eugen Ulmer KG, Stuttgart
Mit der Neufassung der Pflanzenbeschauverordnung (PBVO) im Jahre 2012 hat das Julius Kühn-Institut (JKI) ein neues Risikoanalyseverfahren entwickelt, das verbindlich anzuwenden ist. Findet ein Pflanzenschutzdienst im Rahmen von Einfuhrkontrollen an einer Warensendung aus Nicht-EU-Staaten oder aber im Freiland bzw. im geschützten Anbau einen neuen Organismus, der nicht in der EU-Pflanzenquarantäne-Richtlinie 2000/29/EG geregelt ist, ist von ihm folgendes zu überprüfen: 1) Besteht der Verdacht, dass es sich um einen Schadorganismus von Pflanzen handeln könnte? 2) Ist der Schadorganismus bislang im Dienstgebiet noch nicht angesiedelt?
Werden beide Fragen mit „ja“ beantwortet, beantragt der Pflanzenschutzdienst eine Express-Risikoanalyse (Express-PRA) beim Institut für nationale und internationale Angelegenheiten der Pflanzengesundheit des JKI. Das Institut Pflanzengesundheit erstellt dann nach einem einheitlichen Verfahren eine solche Express-PRA zu dem Schadorganismus und dessen pflanzengesundheitlichen Risiken, die auch eine erste Handlungsempfehlung enthält. Da je nach Situation eine schnelle Rückmeldung erfolgen muss (2–3 Tage oder bis zu 30 Tagen), kann in die Erstellung der Express-Risikoanalyse nur unmittelbar verfügbares Wissen einfließen, sie kann mit großer Unsicherheit behaftet sein.
Die hier vorgestellte Express-PRA zu Pterolophia multinotata wurde vom Pflanzenschutzdienst in Hamburg aufgrund der Beanstandung von Wurzelkörben zu Zierzwecken aus China beantragt. Im Ergebnis der Analyse wird festgestellt, dass sich der Schadorganismus in Deutschland und anderen EU-Mitgliedstaaten ansiedeln und nicht unerhebliche Schäden verursachen kann und daher Maßnahmen zur Abwehr der Gefahr der Einschleppung dieses potenziellen Quarantäneschadorganismus entsprechend § 4a der PBVO getroffen werden sollten.
Tab. 1. Express-Risikoanalyse zu Pterolophia multinotata
Express-Risikoanalyse (PRA) | Pterolophia multinotata Pic, 1931 | ||
Phytosanitäres Risiko | hoch □ | niedrig □ | |
Phytosanitäres Risiko | hoch □ | niedrig □ | |
Sicherheit der Einschätzung | hoch □ | mittel □ | |
Fazit | Der in China und anderen Teilen Asiens heimische Bockkäfer Pterolophia multinotata kommt in der EU noch nicht vor. Er ist bisher weder in den Anhängen der RL 2000/29/EG noch bei der EPPO gelistet. Pterolophia multinotata befällt verschiedene Laubgehölze, sowohl in trockenem als auch in lebendem Zustand, u.a. Ulmen, Eichen, Eschen, Erbsensträucher (Caragana korshinskii). | ||
Voraussetzungen für Express-PRA erfüllt? | Könnte Schadorganismus sein, ist nicht gelistet, ist bisher im Dienstgebiet des meldenden PSD nicht etabliert. | ||
Taxonomie, Trivialname, Synonyme | Coleoptera, Cerambycidae, Lamiinae, Pterolophia, Pterolophia multinotata Pic, 1931. Synonyme: Pterolophia ussuriensis, P. burakowskii, P. selengensis und P. mandshurica | ||
Liegt bereits PRA mit | Nein | ||
Verbreitung und Biologie | Nord- und Süd-Korea, Mongolei, paläarktisches und subtropisches China, Nord-China, Ost-Sibirien, Russland (Fern-Ost). Der Käfer hat einen zweijährigen Entwicklungszyklus. Larven bohren sich unter die Rinde, Galeriebildung, die Galerien werden mit Kot gefüllt. Vor der zweiten Überwinterung fressen sich die Larven ins Holz (Cherepanov, 1990). Die Verpuppung findet im Holz nach der zweiten Überwinterung statt. Adulte fressen an der Rinde der Bäume und sind von Juni bis September aktiv. Kuprin und Kharchenko (2013) fanden die Käfer am Rande eines Eschen- und Ulmenwaldes. | ||
Kommen Wirtspflanzen im PRA-Gebiet vor? | Ja, sowohl in Deutschland als auch in der EU; Eichen, Eschen, Ulmen, Birken, Ahorn, Maulbeeren, Aprikosen und viele weitere Bäume und Sträucher. Eichen und Ulmen werden bevorzugt. | ||
Transfer Schadorganismus Warensendung → Wirtspflanze | Ja, möglicherweise, wenn befallene Gegenstände entsorgt werden oder die Adulten aus Ziergegenständen schlüpfen und ausfliegen. | ||
Benötigt Schadorganismus Vektor/weitere Pflanze für Wirtswechsel? Welche? Verbreitung? | Nein. | ||
Klima im Verbreitungsgebiet vergleichbar mit PRA-Gebiet? | Ja, Teile des Verbreitungsgebietes haben ein mit Deutschland und anderen Mitgliedstaaten der EU vergleichbares Klima. | ||
Wenn nein, gibt es Wirtspflanzen im geschützten Anbau? | Nicht relevant. | ||
Sind Schäden im PRA-Gebiet zu erwarten? | Über Schäden ist wenig bekannt, offenbar schädigt der Käfer Sträucher (vor allem Caragana korshinskii), die in China (Ningxia) gegen die Versandung/Wüstenbildung eingesetzt werden. | ||
Ist ein Befall leicht zu tilgen? | Vermutlich vergleichbar mit anderen holzbohrenden Bockkäfern. | ||
Bemerkungen | Über die Art ist nur sehr wenig bekannt, und auch im Ursprungsgebiet steht nach Rücksprache mit russischen und chinesischen Kollegen (Natalia Kirichenko, Sukachev Institute of Science, Russland, Andrei Orlinski, EPPO, Jiang-Hua Sun, Institute of Zoology, Chinese Academy of Sciences, China), kaum Literatur zur Verfügung. Die Einschätzung ist daher mit sehr großer Unsicherheit behaftet. Offenbar ist der Käfer im Ursprungsgebiet selten. Da er aber bei uns vorkommende Wirtspflanzen befallen kann und die Klimabedingungen sehr wahrscheinlich für eine Ansiedlung geeignet sind, wird das Risiko als mittel eingeschätzt. | ||
Literatur | Cherepanov, A.I., 1990: Cerambycidae of Northern Asia. Übersetzung aus dem Russischen. Oxonian Press Pvt Ltd. Neu Delhi, Indien. |
Gritta Schrader
(JKI Braunschweig)
Abb. 1. Pterolophia multinotata (adult), Foto: ©M. E. Smirnov, www.zin.ru\\Animalia\\Coleoptera
Personalien
Nachruf auf Herrn Professor Dr. Hermann Stegemann, den ehemaligen Leiter des Instituts für Biochemie an der Biologischen Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft
Journal für Kulturpflanzen, 70 (7). S. 229–234, 2018, ISSN 1867-0911, Verlag Eugen Ulmer KG, Stuttgart
Am 23. April 2018 ist Herr Professor Dr. Hermann Stegemann im Alter von 94 Jahren in Braunschweig verstorben. Die Beisetzung fand am 5. Mai 2018 Friedhof Riddagshausen statt – bei strahlendem Sonnenschein, blauem Himmel und auf seinen Wunsch mit Dixieland-Musik; ein letzter Triumphzug und eine Ode an das Leben.
Ein langes, reiches und erfülltes Wissenschaftlerleben ist zu Ende gegangen. Zu seinem 90sten Geburtstag hatten sich aktive und ehemalige Kolleginnen und Kollegen im Julius Kühn-Institut zu einem Festkolloquium versammelt und Professor Stegemann mit einem Rückblick auf sein berufliches Wirken gewürdigt. Der am 23. Juni 1923 in Königsberg in Ostpreußen geborene Hermann Stegemann studierte Chemie an der Universität Tübingen, wo er 1948 die Diplom-Hauptprüfung ablegte und bereits 1951 erfolgreich seine Doktorprüfung bestand. Als junger Diplom-Chemiker hatte er das Glück, seine Dissertation unter der Betreuung hervorragender Wissenschaftler anfertigen zu können, zu denen neben H. Dannenberg und H. Friedrich-Freksa auch der Nobelpreisträger Professor Adolf Butenandt zählte. Von 1951 bis 1960 war Dr. Stegemann als wissenschaftlicher Assistent im Max-Planck-Institut für experimentelle Medizin in Göttingen tätig. Innerhalb dieser Zeit verbrachte er ein Forschungsjahr (1954/55) als Fulbright-Stipendiat im Department of General Biochemistry am Institute for Cancer Research in Philadelphia/USA.
Am 1. April 1960 wechselte Dr. Stegemann von Göttingen nach Hannoversch-Münden in die damalige Biologische Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft (BBA). Es war sein großes Verdienst, aus einem kleinen Labor in einem ehemaligen Pferdestall der Wehrmacht in Hannoversch-Münden ein hervorragend ausgestattetes Forschungsinstitut mit einem Neubau der BBA in Braunschweig zu entwickeln, das 1969 bezogen werden konnte. Mit seinem Eintritt in die BBA im Jahre 1960 hatte Dr. Stegemann konsequent begonnen, seine Kenntnisse der Proteinanalytik nun für die Forschung an Kulturpflanzen einzusetzen. Das Verfahren der Polyacrylamidgel-Elektrophorese zur Analyse von Proteinen, das er in Göttingen im medizinischen Bereich eingesetzt hatte, wurde nun nutzbringend in der Pflanzenforschung angewendet. Er entwickelte gemeinsam mit seinem Team die Elektrophorese-Techniken weiter und nutzte die erhaltenen Proteinmuster zur Unterscheidung von Pflanzensorten. Die erstmalige Anwendung dieser Proteinmuster („Strich-Codes“) zur Klon-Differenzierung war wegweisend für die Pflanzenzüchtung. Professor Dr. Stegemann gilt als Pionier bei der Entwicklung der zweidimensionalen Elektrophorese für die Auftrennung komplexer Proteinlösungen (veröffentlicht von Macko und Stegemann, 1969). Es gelang seinem Team, mit Hilfe der Proteinspektren Kartoffelsorten in kürzester Zeit sicher zu bestimmen, wofür zuvor mehrere Wochen benötigt worden waren. Für das Internationale Kartoffelforschungszentrum (CIP) in Peru hat Professor Stegemann die dortige Sammlung überprüft und 13.000 Akzessionen klassifiziert. Mehr als 10.000 davon erwiesen sich als genetische Duplikate, die daraufhin verworfen werden konnten. Die von ihm entwickelte Technik ermöglichte es, bei der Erhaltung von Zuchtmaterial aufwändige Arbeit einzusparen, ohne dass wertvolle Herkünfte und Genotypen verloren gingen – dies war von großer Bedeutung für die Genbanken auf der ganzen Welt. Das von Professor Dr. Stegemann und seinem Team für die Kartoffel entwickelte Verfahren wurde auch auf andere Nutzpflanzen, wie z. B. Mais, Reis, Bohnen und Kaffee, übertragen. Neben der Elektrofokussierung von Proteinen arbeitete Professor Dr. Stegemann auch an Methoden zur Charakterisierung von Enzymen, wie Phosphorylasen und Pektinasen, sowie von DNA-Fragmenten zur Lösung taxonomischer Fragen bei Nematoden.
Die Ergebnisse seiner Forschungen wurden in mehr als 200 Publikationen veröffentlicht. Der von H. Stegemann und V. Loeschcke veröffentlichte „Index Europäischer Kartoffelsorten“ machte die große Bedeutung der Proteinmuster zur Sortenbestimmung für die praxisnahe Anwendung deutlich.
Professor Stegemann hat national und international sein Wissen in zahllosen Vorträgen und Seminaren weitergegeben und war so auch stets ein „Botschafter“ der BBA. Sein Institut für Biochemie war ein Anziehungspunkt für viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus der ganzen Welt, die hier die methodischen Entwicklungen kennenlernen durften. So war im Vergleich zum Stammpersonal in aller Regel die doppelte Zahl von Gastwissenschaftlern an seinem Institut tätig – eine gute Tradition, die bis heute nachwirkt. Im Institut für Biochemie wurden Kolleginnen und Kollegen aus Südamerika, Afrika und Asien ausgebildet, die dann die in Braunschweig erlernten Methoden in ihren Heimatländern in der Pflanzenzüchtung einsetzen konnten. Damit hat Professor Dr. Stegemann die Pflanzenzüchtung und die Erhaltung der genetischen Ressourcen in weiten Teilen der Welt in erheblichem Maß gefördert. In Anerkennung seiner wissenschaftlichen Arbeiten, insbesondere auch für Entwicklungsländer, wurde ihm 1987 die Verdienstmedaille „Scientific Merit Medal“ des World Cultural Council verliehen. Er war 1987 der erste deutsche Wissenschaftler, der mit dieser Auszeichnung honoriert wurde.
Nicht unerwähnt bleiben soll sein großes, immerwährendes Engagement bei der Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses. Bereits während seiner Zeit in Hannoversch-Münden erhielt Herr Dr. Stegemann die venia legendi für das Fach „Biochemie der Nutzpflanzen“ der Georg-August-Universität Göttingen, wo er 1972 zum „außerplanmäßigen Professor“ ernannt wurde. Er führte in Göttingen das erste „Interfakultative Biochemische Praktikum“ durch. In seinem Institut führte er zahlreiche Doktoranden erfolgreich zur Promotion.
Eine weitere besondere Herausforderung in seinem Berufsleben war die Etablierung der „Arbeitsgruppe für gentechnische Sicherheitsforschung“, Projektgruppe: „Gentechnik und Sicherheit im Freiland“ in seinem Institut. Die Zentrale Kommission für Biologische Sicherheit hatte der damaligen BBA gemeinsam mit dem Bundesgesundheitsamt die Zuständigkeit für die Prüfung aller gentechnisch veränderten Organismen, die in das Freiland gebracht werden sollten, übertragen. Ein großes Programm zur biologischen Sicherheitsforschung wurde in der BBA initiiert und Herrn Professor Dr. Stegemann wurde die Federführung übertragen. Die unter ihm begonnenen Arbeiten haben dazu geführt, dass die BBA Einvernehmensbehörde bei der Genehmigung von Anträgen zur Freisetzung gentechnisch veränderter Organismen wurde und sich am anbaubegleitenden Monitoring gentechnisch veränderter Pflanzen, einschließlich der begleitenden Forschung, beteiligte. Seit dem Jahr 2008 gibt es im Julius Kühn-Institut in Quedlinburg ein eigenes Fachinstitut für die Sicherheit biotechnologischer Verfahren bei Pflanzen
Herr Professor Dr. Stegemann hat das Institut für Biochemie der BBA von 1960 bis zu seinem Eintritt in den Ruhestand im Jahre 1988 erfolgreich geleitet. In seinem über 28 Jahre währenden Wirken für die BBA hat er sich mit außergewöhnlich großem Einsatz und Erfolg für die Weiterentwicklung der Biochemie eingesetzt und immer wieder gezeigt, wie notwendig die enge Verflechtung zwischen Biologie und Chemie ist.
Auch nach seiner Pensionierung blieb Herr Professor Stegemann wissenschaftlich weiter aktiv. Im Jahre 2000 gründete er mit seiner Frau Gisela die „Gisela und Hermann Stegemann-Stiftung“ mit Sitz in Braunschweig. Zweck der Stiftung ist im Wesentlichen die Förderung des Nachwuchses über alle Altersstufen, insbesondere auf dem Gebiet der Naturwissenschaften. Auf Antrag können junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler z. B. auch bei der Teilnahme an Kongressen finanziell unterstützt werden.
Die Laudatio zum 90sten Geburtstag beendete der Präsident des Julius Kühn-Instituts, Herr Dr. Georg F. Backhaus mit einem Zitat von Max Planck (1858-1947): „Die Endlosigkeit des wissenschaftlichen Ringens sorgt unablässig dafür, daß dem forschenden Menschengeist seine beiden edelsten Antriebe erhalten bleiben und immer wieder von neuem angefacht werden: die Begeisterung und die Ehrfurcht.“ Die Begeisterung für die Wissenschaft, insbesondere für die Biochemie, hat Herr Professor Dr. Stegemann bis zu seinem Lebensende behalten, und so bleibt er für alle nachrückenden Forschergenerationen ein hervorragendes Vorbild.
Mit seinem Tod verlieren wir eine Wissenschaftlerpersönlichkeit, um die wir trauern. Durch seine wissenschaftlichen Arbeiten, seine Fähigkeit, Kontakte mit seinen ehemaligen Kolleginnen und Kollegen zu pflegen, und nicht zuletzt dank der G. und H. Stegemann-Stiftung wird der Name Stegemann in unserem Bewusstsein tief verankert bleiben.
Kornelia Smalla,
Georg F. Backhaus und Cordula Gattermann
Nachruf auf Herrn Dr. Hermann Grünzel (* 01.03 1930 – † 04.04. 2018)
Journal für Kulturpflanzen, 70 (7). S. 229–234, 2018, ISSN 1867-0911, Verlag Eugen Ulmer KG, Stuttgart
Am 4. April 2018 verstarb im 89. Lebensjahr Herr Dr. Hermann Grünzel in Magdeburg.
Hermann Grünzel wurde am 1. März 1930 in Wolfen geboren und ist in Jessnitz aufgewachsen. Das Abitur legte er im Gymnasium in Dessau ab.
Sein Interesse an den Naturwissenschaften bestimmte schon im frühen Alter den Wunsch zum Studium der Fächer Biologie und Chemie. So war es folgerichtig, dass er an der Universität in Jena Biologie studierte.
Zunächst war er dann tätig in der Biologischen Zentralanstalt für Land- und Forstwirtschaft (BZA) in Naumburg. Unter Herrn Prof. Wartenberg promovierte er 1960 zum Thema „Studien zur Biologie des Falschen Mehltaues der Weinrebe“. Der Weinanbau war nicht nur sein Arbeitsgebiet, sondern auch ein Hobby. Er beschäftigte ihn sein ganzes Leben. So ist Hermann Grünzel auch Mitautor des im Jahre 1962 in Leipzig herausgegebenen Weinbuches „Vom Werden des Weines – von der Rebe bis zum Glase“. Auch in den westeuropäischen Weinanbaugebieten war es ein gefragtes Buch.
Im Jahre 1960 kam es zu einer Veränderung in seiner Tätigkeit. Er bewarb sich erfolgreich als Diplom-Biologe in der Firma Fahlberg-List in Magdeburg. Er beschäftigte sich von nun an bis zu seinem Ruhestand im Jahre 1990 mit der Entwicklung von Mitteln zur Bekämpfung von Unkräutern sowie Schaderregern im Obst- und Gemüsebau sowie im Feldbau.
Unter seiner Federführung als Abteilungsleiter, später Hauptabteilungsleiter Biologie, wurden die von der Fahlberg-List AG in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts entwickelten Saatgutbeizen bezüglich biologischer und anwendungstechnischer Eigenschaften ständig weiterentwickelt. „Falisan CX Universal Trockenbeize“ und „Falisan Universal Feuchtbeize“ sollen beispielhaft genannt werden.
Ein völlig neues Aufgabengebiet, das an ihn herangetragen wurde, war die Entwicklung von Mitteln zur Unkrautbekämpfung. Zunächst als Mittel mit einem Wirkstoff wie „Elbanil“ (Propham) zur Anwendung in Gemüse- und Gewürzpflanzen.
Schnell erkannte er, dass Herbizide mit nur einem Wirkstoff häufig die Palette der Unkräuter besonders auf den großen Schlägen von teilweise mehreren hundert Hektar die Bekämpfung nicht vollständig abdecken konnten.
So kam es folgerichtig zur Entwicklung von Mitteln mit zwei oder mehr Wirkstoffen in einer Formulierung. Die Herbizide „Probanil“ (Chlorpropham und Propazin) zur Bekämpfung von Unkräutern in Gemüsekulturen, Gewürz- und Zierpflanzen und „Faluron Kombi“ (Bromuron und Simazin) zur Anwendung im Kartoffelanbau sind dafür Beispiele.
Von außerordentlicher Bedeutung war die Entwicklung von Mitteln zur Unkrautbekämpfung in Zuckerrüben, denn der Aufwand zur manuellen Pflege war je Hektar extrem hoch. Dazu kam dann noch der mechanische Aufwand. Importe aus dem westlichen Ausland konnte man sich aufgrund der Devisenknappheit nicht leisten. So war es eine doppelte Aufgabe: Den Handarbeitsaufwand zu senken und die eigenen Rohstoffe einzusetzen.
Die von Dr. Grünzel im biologischen Screening erfolgreich getestete Verbindung Proximpham wurde mit Propham und mit Diuron bzw. Fenuron oder später mit Lenacil zum Herbizid formuliert. Jeder Anbauer von Zuckerrüben in den 60ziger bis 80ziger Jahren kannte die Präparate „Betanil D“, „Betanil F“ und „Betanil 70“. Waren es doch Mittel, die den Zuckerrübenanbau erleichterten. Die praktische Anwendung der Mittel wäre nicht so erfolgreich gewesen, wenn Dr. Grünzel nicht den Kontakt zu wissenschaftlichen Einrichtungen sowie der Praxis gesucht hätte. Diese Einrichtungen, wie die Zentralstelle für Anwendungsforschung der Agrochemie in Cunnersdorf, das Institut für Pflanzenschutzforschung in Kleinmachnow, das Institut für Rübenforschung in Kleinwanzleben, die Landwirtschaftliche Fakultät der Martin-Luther-Universität in Halle und die Pflanzenschutzämter in den jeweiligen Bezirken sollen besonders hervorgehoben werden. Sie waren es, die zu sogenannten „Herbizidfolgen“ anregten und diese auch wesentlich entwickelten.
Auch auf dem Gebiet der Entwicklung und Bereitstellung von Fungiziden war die Tätigkeit von Dr. Grünzel erfolgreich. Hervorzuheben ist das Fungizid „Falimorph“ (Aldimorph) zur Bekämpfung von Getreidemehltau in Gerste ,Roggen und Weizen. Auch nach der Wiedervereinigung hatte das Getreidefungizid noch eine anwendungstechnische Bedeutung.
Zahlreiche Veröffentlichungen erschienen während seiner Tätigkeit zum Teil im Autorenkollektiv in Fachzeitschriften wie im „Nachrichtenblatt für den Pflanzenschutzdienst der DDR“, im „Archiv Pflanzenschutz“ sowie der Zeitschriften „Speziell“ und „Feldwirtschaft“.
Die fachlichen Leistungen von Dr. Grünzel hatten sich schnell im In- und Ausland herumgesprochen. Er war als Spezialist in zahlreichen Fachgremien Mitglied und auf internationalen Kongressen gern gesehen. Man kam deshalb auch nicht umhin, ihn nach Westeuropa reisen zu lassen, um mit Fachkollegen den Meinungsaustausch einschließlich in Fachvorträgen zu pflegen und um selbst Erfahrungen zu sammeln.
Dr. Grünzel legte immer Wert auf Teamarbeit. Er schonte sich selbst nicht und forderte das auch von seinen Mitarbeitern. Er verstand es, wissenschaftlich-praktische Arbeit zu vermitteln und zur Weiterbildung anzuregen. Ausbildungen zum Diplom-Agraringenieur sowie erfolgreiche Dissertationen sind Beleg dafür.
Er hat es auch in schwierigen Zeiten verstanden, das Team der Hauptabteilung Biologie in Geselligkeit und Fröhlichkeit zusammen zu halten. Es gab Exkursionen in biologisch interessante Naturschutz- und Landschaftsschutzgebiete sowie in praktische Einrichtungen der Landwirtschaft. Es lag in der Natur der Sache, dass er uns bei einem Glas Wein die verschiedenen Weine praktisch erklärte.
Der Zusammenhalt der ehemaligen Mitarbeiter der Hauptabteilung Biologie ist so groß, dass 28 Jahre nach der Auflösung der Hauptabtteilung jährlich ein Treffen stattfindet, an dem auch Dr. Grünzel teilgenommen hat, solange es sein Gesundheitszustand erlaubte. Seine fachlichen Verdienste und das Interesse an der persönlichen Entwicklung jedes einzelnen Mitarbeiters werden in dankbarer Erinnerung bleiben.
(Jürgen Jentzsch und Hans Lehmann,
ehemalige Mitarbeiter der HA Biologie/Fahlberg-List Magdeburg)