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Übersichtsarbeit

Übersicht über das Abdriftrisiko bei der Ausbringung von Biozidprodukten

Overview of the risk of drift in the application of biocidal products

Daniele Kanne-Schludde, Dirk Rautmann, Dieter von Hörsten und Jens-Karl Wegener
Institut
Julius Kühn-Institut – Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen, Institut für Anwendungstechnik im Pflanzenschutz, Braunschweig

Journal für Kulturpflanzen, 70 (8). S. 237–244, 2018, ISSN 1867-0911, DOI: 10.1399/JfK.2018.08.01, Verlag Eugen Ulmer KG, Stuttgart

Kontaktanschrift
Dirk Rautmann, Julius Kühn-Institut – Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen, Institut für Anwendungstechnik im Pflanzenschutz, Messeweg 11/12, 38104 Braunschweig, E-Mail: at@julius-kuehn.de
Zur Veröffentlichung angenommen
06. Juni 2018

Zusammenfassung

Biozidprodukte werden zum Schutz des Menschen und Tieres vor Schädlingen, Pilzen, Algen oder Bakterien in zahlreichen Anwendungsbereichen eingesetzt. Sie können bei der Anwendung Auswirkungen auf Nicht-Ziel-Organismen und die Umwelt ausüben. Kenntnisse über Art und Weise der Ausbringung und eines möglichen Eintrags in angrenzende Umweltkompartimente durch Abdrift sind notwendig. Vor diesem Hintergrund wird in dieser Studie eine umfassende Übersicht über all jene Anwendungsbereiche und die zugehörigen Anwendungspraktiken erarbeitet, bei denen Biozidprodukte durch Sprühen, Spritzen, Vernebeln oder vergleichbare Ausbringungsformen appliziert werden. Dabei werden alle diejenigen Anwendungen identifiziert, bei denen während der Ausbringung ein direkter Austrag in angren­zende Umweltkompartimente durch Abdrift zu erwarten ist. Die Ergebnisse der Recherche zeigen, dass die Anwen­dungsbereiche und die zugehörigen Anwendungspraktiken sehr vielfältig sind. Eine Prioritätenliste der Anwendungsbereiche, in denen eine direkte Umweltexposition durch Abdrift auftreten kann, wird dargestellt. Beispiele von identifizierten Anwendungsbereichen sind: Bekämpfung des Eichenprozessionsspinners, Bekämpfung von fliegenden und kriechenden Insekten im Umfeld von Gebäuden und die Wespenbekämpfung. Die Anwendungstechnik variiert von Aerosol-Sprühdosen, Pump­sprühflaschen, Rückenspritzen und Hochdruckreinigern bis hin zum Einsatz von Sprühkanonen und Hubschraubern.

Stichwörter: Biozide, Applikationstechnik, Umweltexposition, Abdrift

Abstract

Biocidal products are used to protect humans and animals against pests, fungi, algae or bacteria in a wide range of applications. They can affect non-target organisms and the environment during the application. Knowledge of the mode of application and possible entry into adjacent environmental compartments through drift is necessary. Against this background, this study will provide a comprehensive overview of all those applications and associated application practices where biocidal products are applied by spraying, fogging, misting or similar applications. Here, all those applications with an expected direct discharge into adjacent environmental compartments by drift are identified. The results of the research show that the application areas and the associated application practices are very diverse. The application areas with an expected direct environmental exposure by drift is presented in a priority list. Examples of identified application areas are: control of the oak processionary moth, control of flying and crawling insects in buildings and their surroundings as well as the control of wasps. The application technology varies from aerosol spray cans, pump spray bottles, knapsack sprayers and high-pressure cleaners to the use of cannon spray and helicopters.

Key words: Biocides, application technique, environmental exposure, drift

Einleitung

Biozidprodukte werden zur Bekämpfung von Schädlingen und Lästlingen, wie z.B Insekten, Mäusen, Ratten, Algen, Pilzen, Bakterien usw. in zahlreichen Anwendungsbereichen eingesetzt (Gartiser et al., 2015). Im Gegensatz zu Pflanzenschutzmitteln, die in der Landwirtschaft zum Schutz der Kulturpflanze und von Pflanzenerzeugnissen verwendet werden, werden Biozide insbesondere zum Schutz der Gesundheit von Mensch und Tier eingesetzt (Anonym, 2017a). Aus der Bandbreite der möglichen Zielorganismen ergeben sich mannigfaltige Anwendungsbereiche, weshalb Biozidprodukte zunächst im Wesent­lichen in die vier folgenden Hauptgruppen „Desinfektionsmittel“, „Schutzmittel“, „Schädlingsbekämpfungsmittel“ sowie „sonstige Biozidprodukte“ gegliedert sind und dort wiederum in insgesamt 22 Produktarten unterteilt werden (Biozid-VO, 2012).

Wegen ihrer intrinsischen Eigenschaften und verwandten Verwendungsmuster können Biozidprodukte ungewollte Wirkungen auf Nicht-Ziel-Organismen entfalten und damit unannehmbare Auswirkungen auf die Umwelt nach sich ziehen (Gartiser et al., 2012). Aus diesem Grund unterliegen Biozidprodukte einer Zulassungspflicht, deren Bewertungsmaßstäbe für das Inverkehrbringen und die Verwendung in der EU-weit gültigen Biozidverordnung (EU 528/2012) geregelt sind (Biozid-VO, 2012). Ziel der Verordnung ist es, mögliche Risiken, die sich aus der Verwendung von Biozidprodukten für die Gesundheit von Mensch und Tier oder für die Umwelt ergeben können, im Vorfeld zu erkennen und gegebenenfalls geeignete Maßnahmen abzuleiten, die eine sichere Anwendung der Biozidprodukte gewährleisten (Biozid-VO, 2012). Wie auch bei Pflanzenschutzmitteln werden toxikologische Eigenschaften, Expositionsabschätzungen und die Wirksamkeit im Zulassungsverfahren von Biozidprodukten geprüft (EU, 2009b; Biozid-VO, 2012). Anders als bei Pflanzenschutzmitteln, wurden Biozide nicht in die Richtlinie 2009/128/EG aufgenommen, die sich mit der Umsetzung nationaler Aktionspläne, Regelungen zur Sachkunde sowie Prüfung von Pflanzenschutzgeräten befasst (Anonym, 2009b). Ein weiteres wichtiges Thema der Richtlinie ist hingegen die Reduzierung der Abdrift, um Umwelt und Umstehende (Bystander) sowie Nichtzielorganismen zu schützen (Anonym, 2009b). Die nachfolgende Abb. 1 zeigt die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Pflanzenschutzmitteln und Bioziden. Beide zählen zu den Pestiziden und haben gemeinsame Anwendungsbereiche (zum Beispiel die Bekämpfung von Insekten mit Insektiziden). Unterschiede gibt es sowohl bei den Zielen des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln und Bioziden als auch bei den gesetzlichen Rahmenbedingungen.

Abb. 1. Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Pflanzenschutzmitteln und Bioziden, verändert nach Krause (2016).

Abb. 1. Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Pflanzenschutzmitteln und Bioziden, verändert nach Krause (2016).

Die Abschätzung des unerwünschten Eintrags von Biozidprodukten in angrenzende Umweltkompartimente im Zuge der Ausbringung stellt hierbei einen wesentlichen Bestandteil der Umweltexpositionsbewertung dar (Hewitt, 2000; Beinum und Beulke, 2010). Eine quantitative Bewertung der daraus resultierenden Umweltexposition benötigt aber eingehende Kenntnisse zur Art und Weise der Ausbringung und der daraus resultierenden Größenordnung eines möglichen Eintrags von Biozidprodukten in angrenzende Umweltkompartimente (Beinum und Beulke, 2010). Denn die Wahl der Anwendungstechniken, die zur Ausbringung von Biozidprodukten verwendet werden, entscheidet in hohem Maße über die Ausbringgenauigkeit und damit darüber, in welchem Umfang die Umwelt bereits als direkte Folge der Anwendung unnötig mit Biozidprodukten belastet wird (Salyani und Cromwell, 1992). Insbesondere wenn Biozidprodukte durch Sprüh-, Spritz-, Vernebelungsverfahren oder auch staubförmig ausgebracht werden, ist ein erhebliches Risiko für einen Austrag durch z.B. Abdrift in angrenzende Umweltkompartimente gegeben. Da in Deutschland derzeit ein Großteil der auf dem Markt befindlichen Biozidprodukte aufgrund bestehender Übergangsregelungen noch ungeprüft verkehrsfähig ist, sind die Kenntnisse über die Art und Weise, wie Biozidprodukte in den verschiedenen Produktarten angewendet werden, noch sehr lückenhaft (EU, 2014; Anonym, 2017c). Im Unterschied zur Anwendung von Pflanzenschutzmitteln, zu der zahlreiche Daten über Abdrift verfügbar sind, sind die Kenntnisse zur Ausbringgenauigkeit von Biozidprodukten sowie der damit verbundenen Abdrift sehr begrenzt. Daher soll die Übertragbarkeit der im Pflanzenschutz betrachteten Anwendungsszenarien auf die Umweltexpositionsbewertung der entsprechenden Biozidanwendungen untersucht werden.

Ziel dieses Beitrags ist es zunächst eine umfassende Übersicht über all jene Anwendungsbereiche und die zugehörigen Anwendungstechniken zu erstellen, bei denen Biozidprodukte aller Produktarten durch Sprühen, Spritzen, Vernebeln oder vergleichbare Ausbringungsformen, wie z.B. Stäuben, appliziert werden. Es werden alle diejenigen Anwendungen identifiziert, bei denen während der Ausbringung ein direkter Austrag in angrenzende Umweltkompartimente durch Abdrift zu erwarten ist. Die Übertragbarkeit der im Pflanzenschutz geltenden Regeln und Szenarien soll später darauf aufbauend untersucht werden.

Ergebnisse der Recherche

Im Folgenden sind die 22 Produktarten (PA) den vier Hauptgruppen zugeordnet und relevante Anwendungstechniken mit Abdriftpotential beschrieben:

Hauptgruppe 1. Desinfektionsmittel

PA 1. Menschliche Hygiene: Diese Produktart umfasst Biozidprodukte, die für die menschliche Hygiene und hauptsächlich zum Zwecke der Haut- oder Kopfhaut­desinfektion verwendet werden (Biozid-VO, 2012). Dies sind Produkte, die auf die menschliche Haut aufgetragen werden oder damit in Berührung kommen (Uhlenbrock, 2014). Produktbeispiele sind Handdesinfektionsmittel, antiseptische oder antimikrobielle Seifen (Gartiser und Jäger, 2013). Die Luftemission bei dieser PA ist nicht relevant (Baumann et al., 2000). Biozidprodukte dieser PA werden nicht mit den abdriftgefährdenden Anwendungstechniken (z.B. Sprühen oder Spritzen) ausgebracht und deswegen ist keine direkte Umweltexposition zu erwarten.

PA 2. Desinfektionsmittel und Algenbekämpfungsmittel, die nicht für eine direkte Anwendung bei Menschen und Tieren bestimmt sind: Diese Produktart umfasst Biozidprodukte zur Desinfektion von Oberflächen, Stoffen und Möbeln, die nicht für einen direkten Kontakt mit Lebens- oder Futtermitteln verwendet werden. Die Anwendungsbereiche umfassen unter anderem Badegewässer, Klimaanlagen sowie Wände und Böden. Zudem können die Produkte zur Desinfektion von Luft, chemischen Toiletten, Abwässern, Krankenhausabfällen und Erdboden eingesetzt werden (Biozid-VO, 2012).

Besonders relevante Anwendungsbereiche sind die Flächendesinfektion sowie die Betten-, Raum- und Wäsche­desinfektion (Müller und Bleck, 2008). Flächendesinfektion im öffentlichen und industriellen Bereich sowie in Krankenhäusern wird täglich durchgeführt. Dort werden gebrauchsfertige Produkte oder verdünnte Konzentrate durch Schrubben oder Wischen aufgebracht (Raffael und Plassche, 2011a). Die Bettendesinfektion wird in Bettendesinfektionsanlagen durchgeführt (Bodenschatz, 2012). Raumdesinfektion wird mit Formaldehyd durch Ver­nebelung in umschlossenen Räumen von Anwendern mit Sachkundenachweis durchgeführt (Bodenschatz, 2012). Die Desinfektion von Wäsche hat nur im privaten Bereich Relevanz (Müller und Bleck, 2008) und die Desinfektion von Abfällen und Abwässern erfolgt durch physikalische Verfahren (Bodenschatz, 2012). Eine Möglichkeit der Anwendung von Bioziden dieser PA im Außenbereich ist die Bekämpfung von Grünbelägen auf Dächern oder Fassaden. Die Anwendung erfolgt durch Rückenspritzen oder Pumpsprühflaschen (BAuA, 2017e). Deswegen ist eine direkte Umweltexposition durch Abdrift gegeben.

PA 3. Hygiene im Veterinärbereich: Diese Produktart umfasst Biozidprodukte zur Hygiene im Veterinärbereich wie Desinfektionsmittel und Produkte zur Desinfektion von Materialien und Oberflächen, die mit der Unterbringung oder Beförderung von Tieren zusammenhängen (Biozid-VO, 2012). Besonders relevante Anwendungs­bereiche sind die Stalldesinfektion und die Desinfektion von Schuhwerk und Klauen sowie von Melkanlagen (Müller und Bleck, 2008). Für die letzten beiden Anwendungsbereiche ist die Luftemission nicht relevant (Müller und Bleck, 2008; Raffael und Plassche, 2011b). Die Desinfektion von Tierhaltungsanlagen wird am häufigsten in der Geflügel- und Schweinehaltung durchgeführt. Das Ausbringen von Desinfektionsmitteln erfolgt durch Verspritzen oder Versprühen, z.B. durch Hochdruckgeräte (Raffael und Plassche, 2011b). Eine Raumdesinfektion durch Vernebler- oder Verdampfungsgeräte ist nur in abdichtbaren und relativ kleinen, leeren Stallungen und daher selten möglich (Bodenschatz, 2012). Die Desinfektion von Bruteiern erfolgt durch Verneblungs- oder Begasungsverfahren. Normalerweise sind Brütereien mit Luftfiltersystemen ausgestattet, um die Freisetzung von Geruch und Mikroben in die Außenluft zu verhindern. Die Biozidemissionen in die Außenluft sind deshalb begrenzt (Raffael und Plassche, 2011b).

Eine Möglichkeit der Anwendung von Bioziden dieser PA im Außenbereich für den Seuchenschutz ist die Desinfektion von Transportmitteln . Es wird sowohl die Innen- als auch die Außenseite des Tiertransporters desinfiziert. Die Desinfektion erfolgt täglich, je nach Situation, in unterschiedlichem Umfang (Anonym, 2009a; Raffael und Plassche, 2011b). In der Regel wird die Desinfektion des Fahrzeuges unter Einsatz eines Hochdruckreinigers oder einer Rückenspritze durchgeführt, um Verschleppungen mit Hilfe von ständigen Desinfektionsmaßnahmen vom Seuchengehöft oder anderen betroffenen Stellen zu verhindern (Anonym, 2009a). Es ist nicht geregelt, wo die Biozide eingesetzt werden. Die Desinfektion kann sowohl in geschlossenen Hallen als auch im Freien durchgeführt werden, sobald die Temperatur oberhalb von 10°C liegt (Rösler, 2017). Eine direkte Umweltexposition durch Abdrift ist bei der Anwendung im Freien sehr wahrscheinlich.

PA 4. Desinfektionsmittel für den Lebens- und Futtermittelbereich: Diese Produktart umfasst Biozidprodukte zur Desinfektion von Oberflächen, Behältern, Einrichtungen und Leitungen. Dies sind Produkte, die mit der Herstellung, dem Transport, der Lagerung oder dem Verzehr von Lebens-/Futtermitteln für Menschen/Tiere verbunden sind (Biozid-VO, 2012). Die Anwendung von Desinfektions­mitteln erfolgt durch Sprühgeräte, Wisch-, Einschäum-, Tauch- oder Dampfverfahren (Bodenschatz, 2012). Produkte dieser PA werden nur innerhalb von Gebäuden verwendet (Bodenschatz, 2017) und deswegen ist keine direkte Umweltexposition durch Abdrift anzunehmen.

PA 5. Trinkwasserdesinfektionsmittel: Diese Produktart umfasst Biozidprodukte zur Desinfektion von Trinkwasser für Menschen und Tiere (Biozid-VO, 2012). Des­infektionsverfahren nach § 11-Liste der Trinkwasserverordnung sind u.a. die Dosierung von Chlordioxid-Lösungen, Chlorgas-Lösungen, Natrium- und Calciumhypo­chlorit-Lösungen, Chlor und Ozon (UBA, 2015). Der Verdünnungsschritt fällt zusammen mit dem Anwendungsschritt (Müller und Bleck, 2008). Die Regelung der Zugabe erfolgt über eine Dosieranlage und deswegen ist bei der Anwendung keine direkte Umweltexposition durch Abdrift gegeben.

Hauptgruppe 2. Schutzmittel

PA 6. Schutzmittel für Produkte während der Lagerung: Diese Produktart umfasst Biozidprodukte zum Schutz von Fertigerzeugnissen in Behältern gegen mikrobielle Schädigung, um die Haltbarkeit zu verlängern (Biozid-VO, 2012). Der Einsatz erfolgt überwiegend im industriellen Produktionsprozess (Müller und Bleck, 2008) und deswegen ist bei der Anwendung keine direkte Umwelt­exposition durch Abdrift gegeben (Urban, 2017).

PA 7. Beschichtungsschutzmittel: Diese Produktart umfasst Biozidprodukte zum Schutz von Beschichtungen oder Überzügen gegen mikrobielle Schädigung oder Algenwachstum, um die ursprünglichen Oberflächeneigenschaften von Stoffen oder Gegenständen wie Farben zu erhalten (Biozid-VO, 2012). Der Einsatz erfolgt überwiegend im industriellen Produktionsprozess (Müller und Bleck, 2008). Diese Biozide werden beispielsweise in Farben, die an Gebäuden verwendet werden, zugefügt und schützen sowohl Produkte als auch Gebäude gegen Moose, Flechten oder Algen (Migné, 2002).

PA 8. Holzschutzmittel: Diese Produktart umfasst Biozidprodukte zum Schutz von Holz gegen Befall durch holzzerstörende oder die Holzqualität beeinträchtigende Organismen (Biozid-VO, 2012). Heutzutage werden Produkte der PA 8 von dem Deutschen Institut für Bautechnik (DIBt) und der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) zugelassen. Einige Produkte, die durch das DIBt zugelassen wurden, dürfen nur noch für kurze Zeit im Außenbereich gespritzt werden. Zeigt sich in dem Ergebnis der Bewertung, dass ein unannehmbares Risiko für Menschen, Tiere oder Umwelt mit einer solchen Verwendung verbunden ist, so wird keine Zulassung erteilt (Jordan, 2017). Da zukünftig Anwendungen im Außenbereich nicht mehr zugelassen werden, ist keine direkte Umweltexposition durch Abdrift anzunehmen.

PA 9. Schutzmittel für Fasern, Leder, Gummi und polymerisierte Materialen: Diese Produktart umfasst Biozidprodukte zum Schutz von faserigen oder polymerisierten Materialien gegen mikrobielle Schädigung (Biozid-VO, 2012). Der Einsatz von Produkten dieser PA erfolgt überwiegend im industriellen Produktionsprozess (Müller und Bleck, 2008) und deswegen ist bei der Anwendung keine direkte Umweltexposition durch Abdrift vorhanden (Urban, 2017). Solche Szenarien sind in den Emissions­szenario-Dokumenten dementsprechend nicht vorgesehen (Anonym, 2017b).

PA 10. Schutzmittel für Baumaterialien: Diese Produktart umfasst Biozidprodukte zum Schutz von Mauerwerk oder anderen Baumaterialien außer Holz gegen Befall durch Algen und Schadmikroorganismen (Biozid-VO, 2012). Als untersuchungsrelevant wird die biozide Vorbehandlung von Fassadenflächen angesehen. Applikationstechniken sind Sprühen, Rollen oder Streichen (Müller und Bleck, 2008). Einige Autoren fassen die PA 7 und 10 zusammen (Migné, 2002; Gartiser et al., 2015). Scherer (2017) erklärt, dass die Biozide normalerweise direkt in die Bauprodukte, wie z. B. in die Fassadenfarben, Dachbahnen oder Dichtungsmassen eingearbeitet werden. Die Biozide an sich werden also üblicherweise nicht separat auf die Außenfassaden aufgebracht. Die Fassadenfarbe ist insofern vergleichbar mit einer Biozid-behandelten Folie oder Textilie, die selbst auch keine Biozidprodukte darstellen, sondern eine behandelte Ware. Fassadenfarben mit Filmschutz werden teilweise auch mit Airless-Spritzgeräten aufgetragen (Kramberger-Kaplan, 2017) und daher ist eine direkte Umweltexposition durch Abdrift anzunehmen. Kramberger-Kaplan (2017) ergänzt, dass die separate Anwendung nur in seltenen Einzelfällen geschieht, wenn vorhandener Pilz- und/oder Algenbefall mit einem Biozid der Produktart 2 oder 10 entfernt wird (Bekämpfung von Grünbelägen).

PA 11. Schutzmittel für Flüssigkeiten in Kühl- und Verfahrenssystemen: Diese Produktart umfasst Biozidprodukte zum Schutz von Flüssigkeiten in Kühl- und Verfahrenssystemen gegen Befall durch Schadorganismen (Biozid-VO, 2012). Der Einsatz von Produkten dieser PA erfolgt überwiegend im industriellen Produktionsprozess (Müller und Bleck, 2008) und deswegen ist bei der Anwendung keine direkte Umweltexposition durch Abdrift gegeben (Urban, 2017).

PA 12. Schleimbekämpfungsmittel: Diese Produktart umfasst Biozidprodukte, die die Schleimbildung auf Materialien, Einrichtungen und Gegenständen verhindern (Biozid-VO, 2012). Der Einsatz von Produkten dieser PA erfolgt überwiegend im industriellen Produk­tionsprozess (Müller und Bleck, 2008). Deswegen ist bei der Anwendung keine direkte Umweltexposition durch Abdrift anzunehmen (Urban, 2017).

PA 13. Schutzmittel für Bearbeitungs- und Schneideflüssigkeiten: Diese Produktart umfasst Schutzmittel gegen mikrobielle Schädigung in Flüssigkeiten, die zum Schneiden von Metall oder anderen Materialien verwendet werden (Biozid-VO, 2012). Der Einsatz von Produkten dieser PA erfolgt überwiegend im industriellen Produktionsprozess (Müller und Bleck, 2008). Bei der Anwendung ist keine direkte Umweltexposition durch Abdrift anzunehmen (Urban, 2017).

Hauptgruppe 3. Schädlingsbekämpfungsmittel

PA 14. Rodentizide: Diese Produktart umfasst Biozid­produkte, die Mäuse und andere Nagetiere bekämpfen (Biozid-VO, 2012). Für den landwirtschaftlichen Einsatz und den allgemein großflächigeren Einsatz werden imprä­gnierte Körner, Pellets, Kontaktgifte oder eine Begasung verwendet (Müller und Bleck, 2008). Die meisten Rodentizide werden als Köder (imprägnierte Körner, Pellets, Wachsblöcke oder Pastenköder) angewendet (Gartiser et al., 2015). Das Begasungsmittel Aluminiumphosphid wird auch im Außenbereich durch sachkundige Verwender zur Bekämpfung von Wanderratten und Wühlmäusen verwendet (BAuA, 2017b). Das Begasungsmittel erfordert besondere Sicherheitsmaßnahmen und/oder Vorrichtungen zur wirksamen und sicheren Verwendung (Gartiser et al., 2015). Da es sich um Gase und nicht um Flüssigkeitstropfen oder feste Partikel handelt, fällt dies nicht unter die Definition der Abdrift und wird hier nicht weiter betrachtet.

PA 15. Vogelbekämpfungsmittel: Diese Produktart umfasst Biozidprodukte die Vögel bekämpfen (Biozid-VO, 2012). Diese Biozidproduktart ist in Deutschland aus Tierschutzgründen nicht zulässig (UBA, 2017).

PA 16. Bekämpfungsmittel gegen Mollusken und Würmer und Produkte gegen andere Wirbellose: Diese Produktart umfasst Biozidprodukte die Schnecken, Würmer und Wirbellose bekämpfen (Biozid-VO, 2012). Produkte, die Molluskizide enthalten, aber keine Pflanzenschutzmittel sind, werden in Deutschland nur selten vermarktet. Es gibt keinen genehmigten Wirkstoff und daher keine zugelassenen Molluskizide, die zur PA 16 gehören (BAuA, 2017e).

PA 17. Fischbekämpfungsmittel: Diese Produktart umfasst Biozidprodukte die Fische bekämpfen (Biozid-VO, 2012). Diese Biozidproduktart ist in Deutschland aus Tierschutzgründen nicht zulässig (UBA, 2017).

PA 18. Insektizide, Akarizide und Produkte gegen andere Arthropoden: Diese Produktart umfasst Biozidprodukte die Arthropoden bekämpfen (Biozid-VO, 2012). Begasungsmittel werden nur im Innenbereich durch berufsmäßige Verwender mit Zusatzqualifikation verwendet (BAuA, 2017a). Beispiele hierfür sind: Silos, Flach­lager, Sackstapel, Lagerräume, Container, andere gasdichte Behälter und Frachträume von Schiffen (Begasung und Belüftung nur an Anlegestellen im Hafen erlaubt).

Möglichkeiten der Anwendungen von Bioziden dieser PA im Außenbereich sind: Bekämpfung von fliegenden und kriechenden Insekten im Umfeld von Gebäuden; Wespenbekämpfung; Bekämpfung von Eichenprozessionsspinnern (EPS) und Mückenbekämpfung (OECD, 2008; Becker, 2017; Freise, 2017; Loch, 2017). Eine direkte Umwelt­exposition durch Abdrift ist bei den Anwendungen im Außenbereich gegeben. Aufgrund der Bedeutung werden einige Anwendungsbereiche näher ausgeführt:

Bekämpfung von fliegenden und kriechenden Insekten im Umfeld von Gebäuden und Bekämpfung von Larven im Misthaufen: Beispiele von Wirkstoffen sind: Cyper­methrin und eine Kombination aus Cypermethrin und Tetramethrin. Es wird empfohlen die Außenwände etwa 1 m hoch einzusprühen und einen 1 m breiten Streifen um das Gebäude herum zu besprühen (PPS, 2014). Zudem werden auch Misthaufen mit Larviziden behandelt. Diese sind meist im Außenbereich zu finden (Freise, 2017).

Wespenbekämpfung: Das Biozid wird direkt in Nester gespritzt oder gestäubt (Loch, 2017). Zum Spritzen gibt es z.B. die Wirkstoffe Permethin und Esbiothrin (Delicia Wespex-Depot), die unverdünnt mit einer Aerosol-Sprühdose oder den üblichen Rückenspritzen ausgebracht werden (Delicia, 2010). Zum Stäuben gibt es den Wirkstoff Bendiocarb (Ficam D). Die Anwendung eines Stäubepräparates sollte durch professionelle Schädlingsbekämpfer durchgeführt werden (Schneider et al., 2008). Dies ist jedoch nicht vorgeschrieben.

Bekämpfung von EPS: Zur Bekämpfung des Eichenprozessionsspinners zum Schutz der menschlichen Gesundheit stehen derzeit Biozidprodukte mit den Wirkstoffe Bacillus thuringiensis kurstaki (Btk) und Margosa-Extrakt zur Verfügung (BAuA, 2017a). Diese Biozidprodukte dürfen nur durch berufsmäßige und im Fall von Margosa-Extrakt darüber hinaus nur durch sachkundige Verwender angewendet werden. Biozidprodukte auf Basis von Btk können mit verschiedenen Methoden augebracht werden: die direkte Bodenanwendung oder das Spritzen mit Hebebühnen, bei denen jeweils mit Bodengeräten gespritzt wird (3 l/ha in 600 l Wasser/ha) und die Spritzung mit Luftfahrzeugen (3 l/ha in mind. 35 l Wasser/ha). Der Einsatz erfolgt in drei verschiedenen Anwendungsbereichen: 1. Flächen für die Allgemeinheit und private Grundstücke mit hohem Baumbestand, 2. Alleen und 3. Wald­ränder angrenzend an Siedlungsbereiche (BAuA, 2017d).

Mückenbekämpfung: Zur Bekämpfung von Mücken wird Bacillus thuringiensis israelensis (Bti) eingesetzt. Ein Beispiel für die Ausbringung von Bti ist die Bekämpfung von Mückenplagen am Oberrhein. Ein großer Teil der Anwendung erfolgt mit Eisgranulat per Hubschrauber. Bei der Herstellung des Eisgranulats werden 1.000 Liter Wasser mit 40 kg Bti-Puder (VectoBac WG) gemischt und in ein zirkulierendes Stickstoffbad in einer speziellen Eismaschine geträufelt. Pro Hektar werden 10–15 kg des Eisgranulats ausgebracht (Becker, 2017). Die Anwendung kann auch mit der Rückenspritze erfolgen. Es wird VectoBac WG mit einer Konzentration von durchschnittlich 250 bis 500 g Bti-Puder in 10 l Wasser verwendet (Schneider et al., 2008; Becker, 2017). Von einer direkten Umwelt­exposition durch Abdrift ist nicht auszugehen.

PA 19. Repellentien und Lockmittel: Diese Produktart umfasst Biozidprodukte die Schadorganismen fernhalten oder locken (Biozid-VO, 2012). 15 Produkte mit dem Wirkstoff DEET sind durch die BAuA zur Anwendung auf der Haut für nicht-berufsmäßige Verwender zugelassen (BAuA, 2017f). Beckmann (2017) erklärt, dass Repellentien am häufigsten gegen Motten (Pheromone) und Marder verwendet werden. Loch (2017) ergänzt, dass gegen Insekten am/im Tier nicht Biozide sondern Tierarzneimittel eingesetzt werden. In der Landwirtschaft gibt es Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen Tierarzneimitteln und Biozidprodukten (Schneider et al., 2008).

Im Außenbereich werden Repellentien beispielsweise zur Bremsenabwehr in der Pferdehaltung verwendet. Schneider et al. (2008) untersuchten den Wirkstoff Geraniol, der mit einer Pumpsprühflasche aufgebracht werden kann. Das Produkt kann direkt auf die Haut gesprüht werden und deswegen ist bei der Anwendung eine direkte Umweltexposition durch Abdrift anzunehmen. Manche Anwender sprühen das Produkt auch auf einen Schwamm und reiben das Tier damit ein, was die Umweltexposition durch Abdrift reduziert.

PA 20. Produkte gegen sonstige Wirbeltiere: Diese Produktart umfasst Biozidprodukte zur Bekämpfung von Wirbeltieren die nicht bereits unter die anderen Produktarten dieser Hauptgruppe fallen (Biozid-VO, 2012). Diese Biozidproduktart ist in Deutschland aus Tierschutzgründen nicht zulässig (UBA, 2017).

Hauptgruppe 4. Sonstige Biozidprodukte

PA 21. Antifouling-Produkte: Diese Produktart umfasst Biozidprodukte, die das Wachstum von bewuchsbildenden Organismen z.B. an Wasserfahrzeugen bekämpfen (Biozid-VO, 2012). Die Antifouling-Produkte werden sowohl mit Pinsel und Rolle als auch mit Airless-Verfahren verwendet (Koch et al., 2004). Zeigt sich in dem Ergebnis der Bewertung, dass ein unannehmbares Risiko für Menschen, Tiere oder Umwelt mit der Verwendung von Airless-Verfahren im Freiland verbunden ist, so kann keine weitere Zulassung erteilt werden (Jordan, 2017). Zusätzlich müssen die bei der Wirkstoffgenehmigung festgelegten Anwendungsbedingungen bei der Zulassung entsprechender Biozidprodukte eingehalten werden (Jordan, 2017). Gemäß der Genehmigungen von Antifouling-Wirkstoffen ist auf dem Produktetikett und, falls vorhanden, auf dem beiliegenden Sicherheitsdatenblatt zugelassener Produkte anzugeben, dass die Anwendung in einem abgegrenzten Bereich erfolgen muss (EU, 2015b; EU, 2016). Eine direkte Umweltexposition durch Abdrift kann damit zwar nicht ausgeschlossen werden, ist bei korrekter Anwendung aber nicht anzunehmen.

PA 22. Flüssigkeiten zur Einbalsamierung und Taxidermie: Diese Produktart umfasst Biozidprodukte zur Des­infektion und Konservierung von Leichen oder Tierkadavern oder Teilen davon (Biozid-VO, 2012). Der Einsatz wird in geschlossenen Gebäuden (z.B. Labore der Anatomie und Krankenhäuser) durchgeführt. Deswegen ist bei der Anwendung keine direkte Umweltexposition durch Abdrift gegeben. Rückstände befinden sich hauptsächlich im Abwasser (Taxidermie, Einbalsamierung) und im Erdboden (Einbalsamierung) (Tissier und Migne, 2001; van der Poel und Bakker, 2002).

Schlussfolgerungen

Ziel dieser Studie war es, eine umfassende Übersicht über all jene Anwendungsbereiche und die zugehörigen Anwendungspraktiken zu erlangen, bei denen Biozidprodukte aller Produktarten durch Sprühen, Spritzen, Vernebeln oder vergleichbare Ausbringungsformen, wie z.B. Stäuben, appliziert werden. Die nachfolgende Tab. 1 zeigt eine abgestimmte Prioritätenliste hinsichtlich der Bedeutung der Anwendungsbereiche, in denen eine direkte Umwelt­exposition durch Abdrift auftreten kann.

Tab. 1. Prioritätenliste der Anwendungsbereiche in denen eine direkte Umweltexposition durch Abdrift auftreten kann.

Produktart

Anwendungsbereiche

Anwendungstechnik

18

Bekämpfung des Eichenprozessionsspinners (Einzel­baum, Alleen und Waldränder angrenzend an Sied­lungsbereiche)

Bodenanwendung: Spritzen mit Bodengeräten, mit der Hebebühne: Spritzen mit Bodengeräten, mit Luft­fahrzeugen

18

Bekämpfung von fliegenden und kriechenden Insekten im Umfeld von Gebäuden und Bekämpfung von Larven im Misthaufen

Rückenspritze

3

Desinfektion von Transportmitteln

Rückenspritze, Hochdruckreiniger

2 und 10

Bekämpfung von Grünbelägen auf Wegen, Terrassen und Mauerwerk

Rückenspritze, Pumpsprühflasche

18

Mückenbekämpfung

Rückenspritze

7 und 10

Fassadenschutz

Airless-Spritzgeräte

18

Wespenbekämpfung

Rückenspritze, Stäubegeräte, Aerosol-Sprühdose

19

Repellentien zur Bremsenabwehr in z.B. der Pferde­­haltung

Pumpsprühflasche

Am bedeutendsten ist die EPS-Bekämpfung, die überwiegend durch Sprühanwendungen erfolgt (Schäferhenrich et al., 2017). Bei Sprühkanonen erzeugen Düsen am Gebläsekopf eine Sprühwolke, die sehr abdriftanfällig ist. Das Gerät erzeugt sehr hohe Luftgeschwindigkeiten, um die Spritzflüssigkeit in die Bäume transportieren zu können (Balsari et al., 2014). Erste Tastversuche zur Messung der Abdrift bei der Applikation mit einer Sprühkanone am Einzelbaum wurden im Jahr 2013 durchgeführt (Goff et al., 2014). Die Ergebnisse zeigen, dass der verwendete Tracer in bis zu 50 m Entfernung gefunden werden konnte. Mit Hilfe weiterer Versuche sollte die Abdrift bis zu 100 m am Einzelbaum, in Alleen und am Waldrand abgeschätzt werden. Ein anderes Gerät zur EPS-Bekämpfung ist das rückengetragene, handgeführte Motorsprühgerät. Das Tröpfchenspektrum bei diesem Gerätetyp liegt zwischen 50 und 150 μm (Sommer, 2006). Der Volumenanteil von Tropfen kleiner als 100 μm ist besonders abdrift­anfällig (Franke et al., 2010). Dies bedeutet, dass bei diesem Gerätetyp mit Abdrift zu rechnen ist. Darüber hinaus ist das Abdriftpotential sogar noch höher, wenn das Produkt an einer höheren Position unter Verwendung einer Hebebühne gesprüht wird. Auch bei der EPS-Bekämpfung sollte, aufgrund des hohen Abdriftpotenzials, eine Anwendung mit Luftfahrzeugen nur als letzte Applika­tionsmöglichkeit betrachtet werden und ausschließlich bei großflächigem, starkem Befall ausgedehnter Baumbestände erfolgen (EU, 2009a; BAuA, 2017d). Daher sollte die Abdrift in Alleen und am Waldrand in Versuchen gemessen werden.

An zweiter Stelle sollte die Abdrift bei der Applikation mittels Rückenspritze untersucht werden. Dazu gehören die Anwendungsbereiche: Bekämpfung von fliegenden und kriechenden Insekten im Umfeld von Gebäuden, Desinfektion von Transportmitteln, Bekämpfung von Grünbelägen auf Wegen, Terrassen und Mauerwerk sowie die Mücken- und Wespenbekämpfung. Einige Ergebnisse zeigen, dass sich die Abdrift von Rückenspritzen, die im Bereich Pflanzenschutzmittel verwendet werden, unter bestimmten Bedingungen, kaum von der Abdrift von anderen Feldspritzen unterscheidet. Die Abdrift kann aufgrund der Schwierigkeit, Spritzendruck, -höhe und -winkel konstant beizubehalten, sogar höher sein (Franke et al., 2010). Die Applikationen wurden bei allen Versuchen nach unten ausgerichtet und die Behandlungen wurden in einer Höhe von etwa 80 bis 100 cm über dem Boden durchgeführt (Thistle et al., 2017). Bei den in der Prioritätenliste angegebenen Anwendungsbereichen sind die Applikationen nach vorn oder nach oben ausgerichtet. Diese Charakteristik wurde auch in der Anwendung mittels Airless-Spritzgerät und Hochdruckreiniger für die Desinfektion von Transportmitteln und den Fassadenschutz eingehalten (Koch et al., 2004; Anonym, 2009a). Für diese Verfahren wird eine höhere Abdrift im Vergleich zu Rückenspritzen erwartet.

Abschließend werden die Geräte Aerosol-Sprühdose, Stäubegerät und Pumpsprühflasche für die Wespen­bekämpfung und Repellentien zur Bremsenabwehr in der Prioritätenliste dargestellt. Obwohl die Tröpfchengröße bei der Anwendung dieser Geräte geringer als 100 μm ist, was das Driftpotential erhöht, werden diese Geräte nur in sehr geringem Umfang eingesetzt (Schneider et al., 2008; Franke et al., 2010). Wegen ihrer geringen Bedeutung werden diese Geräte ans Ende der Prioritätsliste gesetzt.

Die hier vorgestellte Analyse zeigt all jene Anwendungen, bei denen davon auszugehen ist, dass Biozidprodukte aller PA aufgrund des jeweiligen Anwendungsbereichs, der Art und Weise der Ausbringung sowie der Ausbringgenauigkeit der in Frage kommenden Gerätetechnik, in angrenzende Umweltkompartimente eingetragen werden können. Die Anwendungsbereiche und die zugehörigen Anwendungspraktiken sind sehr unterschiedlich. Im nächsten Schritt sollen die für die Umweltexpositions­bewertung erforderlichen Kennwerte mit repräsentativen experimentellen Untersuchungen ermittelt werden.

Danksagung

Dieses Vorhaben wurde im Auftrag des Umweltbundesamtes im Rahmen des Umweltforschungsplanes – Forschungskennzahl 3716 67 404 0 erstellt und mit Bundesmitteln finanziert.

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