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Mitteilungen und Nachrichten

Mitteilungen und Nachrichten

Neues aus der Deutschen Genbank Obst (DGO)

Aufbau des Landessortengartens für Obstarten in Müncheberg von 1928 bis in die Gegenwart

Hilmar Schwärzel
Institut
Landesamt für Ländliche Entwicklung, Landwirtschaft und Flurneuordnung (LELF) Obstbau – Station Müncheberg

Journal für Kulturpflanzen, 71 (2/3). S. 65–66, 2019, ISSN 1867-0911, DOI: 10.5073/JfK.2019.02-03.04, Verlag Eugen Ulmer KG, Stuttgart

Kontaktanschrift
Dr. Hilmar Schwärzel, Landesamt für Ländliche Entwicklung, Landwirtschaft und Flurneuordnung (LELF), Obstbau – Station Müncheberg, Eberswalderstraße 84 i, 15374 Müncheberg, Tel: 033432 917852, Fax: 033432 917854, E-Mail: hilmar.schwaerzel@lelf.brandenburg.de
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Müncheberg verfügt über eine einzigartige Kombination aus natürlichen Boden- und klimatischen Verhältnissen. Die Böden variieren kleinräumig von leichten Sandern mit weniger als 13 Bodenpunkten bis hin zu schweren Lehmböden über Geschiebe­mergel. In den Obstquartieren, die sich über eine Fläche von ca. 30 ha erstrecken, dominieren fruchtbare anlehmige Sande über Mergelbändern und Lehme mit deutlich mehr als 50 Bodenpunkten. Stellenweise treten die Ausläufer des Zechsteinmeeres bis an die Bodenoberfläche. Die natürlichen pH-Werte der Böden schwanken von 3,9 bis 8,3.

An der eurasischen Festlandplatte gelegen, bilden sich in einzelnen Jahren starke, kontinental geprägte Witterungsverläufe aus. Die Durchfrostungstiefe der Böden kann bis unter 1,80 m reichen. Die Amplituden der Lufttemperaturen reichen von –30 an der Schneegrenze bis +43°C in 2 m Höhe, im Schatten. Die Summe der mittleren Jahresniederschläge liegt bei ca. 530 mm bei einer mittleren Variationsbreite von 50%. Die Anbauflächen der Station sind vollständig beregnungstechnisch erschlossen. Das Beregnungswasser ist sehr hart und zugleich Eisen reich.

Der Klimawandel bedingt an unserem Standort eine Verlängerung der Vegetationsdauer um ca. 23 Tage je Jahr gegenüber den Witterungsverläufen der 60er Jahre. Das langjährige Mittel der Lufttemperatur von 8,3°C wird in der Mehrzahl der Jahre bei zunehmender Strahlungsintensität überboten. In Müncheberg können heute alle konventionell im Anbau befindlichen Baumobstarten bei entsprechender Sortenwahl angebaut werden. Dazu zählen neben Aprikosen, Pfirsichen, anspruchsvolle Süßkirschsorten, Wintertafelbirnen, Lageräpfel und Tafel­trauben. Tafeltrauben der Sorten Lila, Fanny gelangen jährlich zur Ausreife und im Jahr 2018 sogar die Sorte Angela. Für die Birnensorte Abbe Fetel und oder die Apfelsorten Pink Lady oder Gold rush reichen die Vegetationsdauer und Temperaturen dennoch nicht aus.

Die Station war von 1993 bis 2012 Mitglied in der Fach­gruppe obstbauliche Leistungsprüfung des Verbandes der Landwirtschaftskammern. Die Vielfältigkeit der Habitattypen gestattete es, sich optimal mit der Wahl der Versuchsflächen an die Bodenansprüche der Arten anzupassen und mit der Kultur­variante des Müncheberger Dammes die Spitzenpositionen bei den zentralen Bundesversuchen Süßkirsche, Sauerkirsche, Himbeere und Birne zu erarbeiten. In der Station wurde das Verfahren zum Anbau der Kulturheidelbeeren auf Ackerland und zur nicht chemischen Überwindung des Nachbauproblems von Rosaceaen entwickelt.

Die heutige Sortensammlung baut auf der Sammlung, des im Jahr 1928 gegründeten Kaiser Wilhelm Institutes Müncheberg auf. Mit der Zielstellung der Schaffung eines Handsortimentes für die Züchtung wurde in Müncheberg mit der Sammlung von Genotypen unterschiedlichster Obstarten begonnen. Beim Beerenobst waren es Erdbeeren, Himbeeren, Johannis- und Blaubeeren, bei den Reben Wildarten für die Unterlagenzüchtung und Kultursorten, Pfirsiche, Aprikosen, Kirschen mit über 280 Sorten und ca. 40 Kirscharten für die Unterlagenzüchtung, Bastarde von Schlehen und Prunus cerasifera, Prunus cerasifera Formen aus Anatolien, di-, tetra- und hexaploide Kultursorten und Zuchtformen der Pflaumenverwandtschaften aus dem Weltsortiment, Scharka-resistente hexaploide Pflaumen-/Zwetschen-, Renecloden- und Mirabellensorten. Bei dem Kernobst waren es umfangreiche Sortimente der Birnen und des Apfels, hier auch Regionalsorten aus allen Regionen Europas und deutschsprachigen Höhenlagen der Gebirge. Neben den europäischen Sorten wurden die besten Sorten des nordamerikanischen Kontinents und des Weltsortimentes aufgenommen, welche zum Teil schon in den 20er Jahren durch die Baumschule Späth, Berlin vertrieben wurden, Beispiele sind Baldwin, Gelber Bellefleur und Orleans. Eine laufende Aktualisierung des Sortengartens in Müncheberg erfolgte in den 70er Jahren durch H. Murawski. Es fanden amerikanische Sorten mit Resistenz gegenüber dem Apfelschorf Eingang in die Sammlung, so die Klone von Shay und Hough (persönliche Mitteilung, I. Webers, 2016). Eine Erweiterung des Sortenbestandes um international bekannte Sorten wurde in den 80er Jahren durch die Abt. Züchtung des Institutes für Obstforschung Dresden-Pillnitz, zu dem die Station organisatorisch seit 1973 gehörte, durch M. Fischer vorgenommen. Hier fanden mehrere russische, asiatische und Sorten des Weltsortimentes mit guten Resistenzeigenschaften den Eingang in die Sammlung.

Mit der Konzentration der Züchtungsarbeit am Standort Dresden-Pillnitz in den 70er Jahren wurden die umfangreichen Sortimente am Standort Müncheberg bis auf das Kernsortiment Apfel gerodet.

Der heutige Bestand mit ca. 1.500 genetischen Mustern der Obstart Apfel (rund 1.000 Sorten auf ca. 4.000 Einzelbäumen) und 100 der Obstart Birne wurde auf unterschiedliche Weise zusammengetragen.

1. Der Kernbestand der Abt. Züchtung des IFO Dresden-Pillnitz aus 1984, ca. 350 Sorten

2. Sammlungen, die von mir ab 1979 während der Regionalschauen in Berlin Karlshorst und den Kernobst Lehr- und Leistungsschauen in Erfurt bis Ende der 80er Jahre mit Unterstützung der Herren H. Süßbier und H. Petzold zusammengetragen wurden. Diese Sorten wurden ab 1988 auf Mehrsortenbäumen in Müncheberg gesichert und dann auf die Kombination A2/Hibernal bei der Obstart Apfel sowie auf Cyd. A/ZV Gellerts Butterbirne, bei den Birnen veredelt. Neben den Standardsorten waren es solche Sorten wie: Gube­ner Warraschke, Johannes Böttner, Werdersche Wachsrenette, Alant, Gelber Richard, Borsdorfer Renette (Alexan­drowka), Mandelrenette, bei den Birnen: Margarete Marillat, Andenken an den Kongress, General Tottleben, Kuhfuß, Deutscher und Französischer Katzenkopf oder Leipziger Rettig­birne.

3. Hinzu kam Ende der 80er bis zum Beginn der 90er Jahre der Eintrag von lokal verbreiteten Sorten aus den östlichen und zum Teil westlichen Bundesländern, so aus Sohland a. R.: W. Hain, Wurzen: H. Petzold, Jena: W. Schuricht, Stollberg/Gablenz: H. Kempf, Frankfurt/Oder: H. Griesbach, Magdeburg: M. Blau, Magdeburg, Reisermuttergarten: S. Schossig, Dessau/Bad Pyrmont: F. Bergt und Meckenheim: G. Herr. Der regionale Anbauwert dieser Sorten war durch jahrzehntelange Beobachtung der genannten Herren gegeben. Die Genotypen und Sorten der Obstart Apfel, ca. 1.150 Muster, wurden ab 1994 auf die Unterlagen M9, B9, MARK und vereinzelt auf A2 veredelt und in den Sortengarten gepflanzt.

4. Ebenfalls in dieser Zeit wurde ein Teil der Sammlung lokaler Sorten, welche in den 50er Jahren aus dem Sortengarten entfernt wurden, aus einer Sicherungspflanzung im ROTEN LUCH, Landkreis MOL, in den Sortengarten zurückgeführt. Hier waren es Sorten wie Sweet Delicious, Orleans, Wagnerapfel aber auch Grand Richard und Mauthausener Limonenrenette.

5. In den Jahren von 1994 bis 1998 erfolgte im Rahmen eines vom Bundesministerium für Landwirtschaft (BML) und dem Land Brandenburg finanzierten Projektes in fünf Landkreisen eine stichprobenartige Erhebung der Sortenstruktur von ca. 18.000 hochstämmigen Obstgehölzen mit einer Standdauer von mehr als 50 Jahren. Auch aus dieser Erhebung flossen zahlreiche, im Norden des Landes gefundene Genotypen in den Sortengarten, wie der Nelkenapfel, diverse Formen der Borsdorfer Renette, Schafsnasen, Boiken, Reders Goldrenette, Purpurroter Cousinot, Roter Jungfernapfel oder der Käsapfel.

6. Ergänzend zu dieser Erhebung wurden von 1986 bis 2015 aus allen Landesteilen Brandenburgs und angrenzender Bundesländer mehr als 35.000 Sortenproben bestimmt, H. Petzold, S. Müller, H. Kempf, W. Schuricht, H. Griesbach, P. Klingbeil, H. Schwärzel. Die pomologische Bewertung der Fruchtproben führte zu dem Eintrag von weiteren unbekannten Sorten oder regionalen Nebenformen der Hauptsorten (Mustern) in den Sortengarten, die aufgrund ihrer langen Standdauer und Vitalität der Gehölze einen Anbauwert in hiesiger Region nachgewiesen hatten. Markante Beispiele sind Sommerparmäne, Schachs Parmäne, Rotgestreifte Gelbe Schafsnase, Borsdorfer Renette oder Lothringer Rambour, aber auch Riesenboiken, Deutscher Grünling, Grüner Fürstenapfel und Grüner Winterstettiner, Apfel aus Lunow, Langer grüner Gulderling, Apfel aus Grünheide, Borsdorfer Renette, Maibiers Parmäne, Gelbe sächsische Renette oder auch Gubener Warraschke und Schlesischer Lehmapfel.

7. Eine letzte Gruppe von Gehölzen, die bisher in keiner europäischen Sammlung berücksichtigt wurde, stellen die Gehölz­unterlagen des späten 18. und frühen 19. Jahrhunderts dar. Aus der Regeneration von z.T. über 200-jährigen Malus-Unterlagen wurde ursprüngliches Material gesichert, welches noch aus der Zeit der kleinen Eiszeit, also vor 1850 stammte. Im Gegensatz zu den Sammlungen von Kultursorten sind hier auch Formen des Holzapfels enthalten.

Die Sorten-Sammlung dient heute der Wissensvermittlung und Verbreitung wertvoller Altsorten. Es werden in jedem Jahr ca. 1.500 Proben für 7 bis 9 Regionalschauen bereitgestellt. Alljährlich werden bis zu 1.500 Fruchtproben in der Station oder bei Sortenschauen pomologisch zugeordnet und im Bedarfsfall (bis zu 10 Sorten je Jahr) durch Veredlung gesichert. Der Sortengarten öffnet in jedem Jahr seine Pforten für ein großes Schauseminar und die Selbstpflücke. Die Station gestattet den Besuchern die Vielfalt über 10 Wochen täglich zu erleben und zu verkosten. Bei den Veredlungsseminaren werden in jedem Jahr Reiser von ca. 150 bis 175 erhaltenswerten Altsorten mit bis zu 30.ooo Veredlungsaugen abgegeben.

Die im Text ausgewiesenen Personen haben die heutige Sammlung in Müncheberg mit der Bereitstellung von Informationen und Vermehrungsmaterial während der vergangenen 40 Jahre unterstützt, die Gehölzanzucht erfolgte in der Station. Weiterführende schriftliche Aufzeichnungen liegen nicht mehr vor.

Ansprechpartner für den Landessortengarten für Obstarten in Müncheberg sind der Autor dieses Textes und Monika Schwärzel (monika.schwaerzel@lelf.brandenburg.de). 

Abb. 1. Apfelsorten A: Roter Herbstkalvill,B: Signe Tillisch,C: Apfel aus Grünheide,D: Nelkenapfel,E: Königsboskoop,F: Borsdorfer Renette,G: Katzenkopp,H: Fromms Renette

Abb. 1. Apfelsorten A: Roter Herbstkalvill,B: Signe Tillisch,C: Apfel aus Grünheide,D: Nelkenapfel,E: Königsboskoop,F: Borsdorfer Renette,G: Katzenkopp,H: Fromms Renette


ISSN (elektronisch): 1867-0938
ISSN (print): 1867-0911
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