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Editorial

Bienen schützen – warum?

Jens Pistorius
Affiliation
Julius Kühn-Institut (JKI) – Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen, Institut für Bienenschutz, Braunschweig

Journal für Kulturpflanzen, 72 (5). S. 121–122, 2020, ISSN 1867-0911, DOI: 10.5073/JfK.2020.05.01, Verlag Eugen Ulmer KG, Stuttgart

Kontaktanschrift
Dr. Jens Pistorius, Julius Kühn-Institut (JKI) – Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen, Institut für Bienenschutz, Messeweg 11/12, 38104 Braunschweig, E-Mail: jens.pistorius@julius-kuehn.de
Zur Veröffentlichung angenommen
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This is an Open Access article distributed under the terms of the Creative Commons Attribution 4.0 International License (https://creativecommons.org/licenses/by/4.0/deed.en).

Bienen sind seit jeher besondere Sympathieträger – die Bedeutung von Bienen, insbesondere Honigbienen (Apis mellifera L.), ist durch den wohlschmeckenden Honig und andere Bienenprodukte seit Jahrtausenden im Bewusst­sein der Menschen. Da Mensch, Landwirtschaft, Umwelt und Natur von der Bestäubungsleistung profitieren, ist Bienenschutz – der Schutz aller Bienen – nicht nur im Interesse der Landwirtschaft, sondern von gesamt­gesellschaftlicher Bedeutung. Bestäubung ist essentiell für den Ertrag. Sowohl die Ertragsmenge als auch die Produktqualität, Inhaltsstoffe und Lagereigenschaften werden positiv beeinflusst. Der Wert der Bestäubungsleistung geht bei Honigbienen somit weit über den Wert der Bienenprodukte hinaus, und auch viele andere der etwa 580 in Deutschland lebenden Wildbienenarten sind wichtige Bestäuber.

Als vom Menschen gehaltene Art hat die Honigbiene weltweit eine besondere Situation. Imker und Imkerinnen können selbst durch gute imkerliche Praxis einen gewis­sen Beitrag zur Gesunderhaltung ihrer Honigbienen leisten, und durch die Möglichkeit der gezielten Auf- und Umstellung von Honigbienenvölkern Einfluss auf die Ernährungsbedingungen und auch Bestäubungsdienstleistung im Flugradius von etwa 2 km nehmen. Dabei können sie Orte mit entsprechender Verfügbarkeit bestimm­ter nektar- und pollenspendenden Pflanzen oder Honigtau anwandern. Alle einheimischen Wildbienen – zu denen auch die Hummeln gehören – können jedoch nicht verstellt oder umgesiedelt werden und haben oft auch einen kleineren Flugradius als Honigbienen. Daher sind Habitats- und Nahrungsgüte, und Vernetzung von Habitaten im näheren Umkreis, besonders wichtig für das Wohlergehen einzelner Individuen bis hin zu ganzen Populationen. Nahrungsverfügbarkeit (inkl. Nahrungsqualität) und Gestaltung ländlicher und urbaner Räume haben damit einen wesentlichen und direkten Einfluss auf die Nahrungs- und Nistmöglichkeiten und damit auf die Grundlage für den Erhalt und Förderung vieler Bienen­arten. Neben Nahrungsmangel, bzw. geringer Diver­sität, können weitere Stressfaktoren wie z.B. der (unsachgemäße) Einsatz von Pflanzenschutzmitteln auf Pflanzen an denen Bienen Nektar und Pollen sammeln, aber auch Bienenkrankheiten die Gesundheit von Bienen beeinflussen und im jeweiligen Habitat auch als Faktoren zusammenwirken.

Die Fragen, ob und inwiefern bei welchen Arten es ein „Bienensterben“ oder ein „Artensterben“ gibt, wie der Gesundheitsstatus von Wild- und Honigbienen tatsächlich ist, und welchen Beitrag unterschiedlichste Faktoren, wie beispielsweise Pflanzenschutzmittel, an der Schädigung von Individuen bis hin zu Populationen haben, werden in der Öffentlichkeit besonders kontrovers – und oft, mangels Daten, mit viel Bauchgefühl diskutiert. Um Status quo und Trends messbar zu machen, müssen Erfassungsmethoden zum Vorkommen, Populationsgrößen und Verteilung verschiedener Bienen entwickelt werden. Um dem für eine Reihe von Arten bestätigten negativen Trends entgegenzuwirken, ist auch eine rasche und weiträumige Umsetzung von Maßnahmen in der Fläche, und Entwicklung regional und lokal angepasster, maßgeschneiderter Förder- und Schutzmaßnahmen für die verschiedenen Natur-, Landschafts-, und urbanen Räume dringend.

Mit Blick auf die Zukunft ist zu erwarten, dass neue Wirkmechanismen und Behandlungsmethoden für den Pflanzenschutz entwickelt werden, sich landwirtschaftliche Praktiken ändern und so auch die Prüfmethodik und Prüfschemata fortlaufend angepasst werden müssen. So wird derzeit die (Weiter-)Entwicklung von Prüfmethoden für biologische Pflanzenschutzmittel, die Viren, Pilze und Bakterien zur Bekämpfung von Schadorganismen einsetzen, immer wichtiger.

Um die biologische Vielfalt, die Bestäubungsleistung und den hohen ökologischen Nutzen zu bewahren und dauerhaft zu schützen, muss der Einfluss des Menschen und all seiner Handlungen auf Bienen untersucht werden. Denn für Artenrückgang und Verlust von Populationen wird oft einseitig die Landwirtschaft als ursächlich beschuldigt, selbst wenn Probleme auch in landwirtschaftsfernen Bereichen zu beobachten sind und eben nicht nur auf Pflanzenschutzeinsatz und der Produktion auf den Anbauflächen zurückzuführen sind. Daher bin ich der Auffassung, dass wir alle potentiell schädigenden Faktoren emotions- und ideologiefrei wissenschaftlich betrachten und bewerten müssen, wenn wir Bienen schützen wollen. Nur so können effektive, effiziente und nachhaltige Maßnahmen zum Schutz vor Schadeinflüssen, aber auch zur gezielten Förderung, erarbeitet werden.

Einen Beitrag zu leisten, dass die Bestäubungsleistung, Biodiversität und Bienenhaltung eben nicht nur erhalten, sondern zum Nutzen aller deutlich verbessert werden, liegt im Interesse der Bienen - letztendlich aber auch im Kerninteresse der Landwirtschaft und der Menschheit, um die eigene Nahrungsmittelversorgung, durch den Erhalt der Kulturpflanzenproduktion, und Erhalt der Ökosysteme, sicher zu stellen. Dafür sind alle Akteure und Interessensgruppen gleichermaßen aufgefordert aktiv zu werden und die Intensität von Schutz- und Fördermaßnahmen weiter zu erhöhen – es ist noch deutlich Luft „nach oben“. Der jetzt begonnene Bewusstseinswandel muss verfestigt werden und die schon erreichten Verbesserungen immer weiter intensiviert werden. Nur wenn wir die Bemühungen weiterführen und weiter verstärken kann das Ziel, Bienen und damit auch viele andere schützenswerte Arten zu erhalten, gelingen.

Die Wissenschaft ist daher insgesamt gefordert praxisnahe, praxistaugliche und wissenschaftlich fundierte, wirksame und zielführende Maßnahmen für verschiedenste Akteure zu entwickeln und fortlaufend zu überprüfen. In diesem Themenheft werden daher einige exem­plarische Arbeiten des Instituts für Bienenschutz vorgestellt, die einen Einblick in die Bandbreite der ökotoxikologischen und agrarökologischen Arbeiten mit Honig- und Wildbienen, als auch das breite Adressatenfeld des Instituts, geben. Die Beiträge zu spezifischen Themen, wie der Entwicklung von Prüfmethoden für Wildbienen, der Auswirkung von Pflanzenschutzmittel-Tankmischungen auf Honig- und Wildbienen, den spezifischen Methoden der komplexen Rückstandsanalytik für die Untersuchung von Bienenvergiftungen und Forschungsfragen, des Bienenzählers Beecheck als neuartige Langezeit-Messmethode für die Erfassung aller ein- und ausfliegenden Bienen, und die Entwicklung von Monitoringmethoden zeigen einen Ausschnitt der aktuellen Arbeiten.

Über die Vielzahl der Themen gilt es die Gesellschaft mit wissenschaftlich fundierten Erkenntnissen zur Umsetzung zielführender und wirksamer Maßnahmen zur Förderung und einem verbesserten Schutz von Bienen zu versorgen. Dies soll einen Beitrag dazu leisten, die Biodiversität, Bestäubungsleistung und Bienenhaltung, wie auch die Kulturpflanzenproduktion, nicht nur zu erhalten, sondern zum Nutzen aller deutlich zu verbessern.


ISSN (elektronisch): 1867-0938
ISSN (print): 1867-0911
Verlag
Eugen Ulmer KG
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Verantwortlicher Herausgeber
Präsident und Professor
Prof. Dr. Frank Ordon
Julius Kühn-Institut - Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen
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06484 Quedlinburg
Schriftleitung
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Erwin-Baur-Str. 27
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E-Mail: journal-kulturpflanzen@julius-kuehn.de
Co-Schriftleitung
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